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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Qualitätssicherung und curriculare Weiterentwicklung von medizinischen Studiengängen mit Hilfe der Befragung von Absolventinnen und Absolventen: Herausforderungen – Vorschlag eines Kernfragebogens – Durchführungshinweise

Artikel Curriculare Weiterentwicklung

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  • corresponding author Marianne Giesler - Freiburg, Deutschland
  • Johanna Huber - LMU München, Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • Volker Paulmann - Medizinische Hochschule Hannover, Studiendekanat - Bereich Evaluation & Kapazität, Hannover, Deutschland

GMS J Med Educ 2022;39(1):Doc10

doi: 10.3205/zma001531, urn:nbn:de:0183-zma0015310

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2022-39/zma001531.shtml

Eingereicht: 15. März 2021
Überarbeitet: 20. September 2021
Angenommen: 29. November 2021
Veröffentlicht: 15. Februar 2022

© 2022 Giesler et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Befragungen von Hochschulabsolventinnen und -absolventen liefern wertvolle Hinweise zur Verbesserung und Weiterentwicklung eines Studiengangs. Ziel des vorliegenden Projektberichts ist es, die Relevanz dieser Befragungen für medizinische Fakultäten aufzuzeigen und gleichzeitig Hilfestellung bei der Planung und Durchführung dieser Befragungen zu bieten, um so eine vergleichende Evaluierung von medizinischen Studiengängen zu ermöglichen.

Die Autorinnen und der Autor dieses Projektberichts wurden von der MFT-Unterarbeitsgruppe (UAG) Qualitätssicherung Lehre beauftragt, Qualitätsempfehlungen für die Befragung von Medizin-Absolventinnen und -Absolventen zu erarbeiten. Hierzu wurden die an medizinischen Fakultäten eingesetzten Fragebögen gesichtet und bewertet, mit denen Hochschulabsolventinnen und -absolventen befragt werden. Im Rahmen dieses Projekts entstand ein Fragebogen mit Kern- und optionalen Fragen. Zudem wurde eine Matrix entwickelt, die Verfahrenselemente von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen enthält, beginnend mit „A wie Adressrecherche“ bis „Z wie Zeitraum der Befragung“.

Schlüsselwörter: Absolventenbefragungen, Qualitätssicherung, Curriculumentwicklung


Einleitung

Befragungen von Absolventinnen und Absolventen werden seit den 70er-Jahren an deutschsprachigen Hochschulen mehr oder weniger regelmäßig durchgeführt [1]. Die Ergebnisse dieser Befragungen können Hinweise über den beruflichen Erfolg und Verbleib von Absolventinnen und Absolventen geben und Feedback über die erlebten Studienbedingungen sowie die im Beruf geforderten Kompetenzausprägungen bieten. Sie liefern somit wertvolle Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung eines Studiengangs.

Seit Ende der 80er-Jahre ist eine Zunahme der Befragungen von Absolventinnen und Absolventen zu verzeichnen. Dies ist einerseits bedingt durch eine in dieser Zeit erfolgte Empfehlung der Westdeutschen Rektorenkonferenz, die den Hochschulen neben der Evaluation von Studium und Lehre auch Befragungen von Absolventinnen und Absolventen nahelegte [2]. Zum anderen wurde die Entwicklung Ende der 90er-Jahre forciert durch die mit dem Bologna-Prozess einhergehenden veränderten Rahmenbedingungen an den Hochschulen und die damit verknüpften erforderlichen Qualitätssicherungsprozesse [3]. In diesem Zusammenhang haben sich im Laufe der Jahre verschiedene Projekte etabliert wie die seit 1989 durchgeführten Absolventenstudien des Deutschen Zentrums für Wissenschaft und Forschung (DZHW, ehemals HIS) [https://www.dzhw.eu/forschung/projekt?pr_id=467] oder das im Jahr 2007 von dem International Center of Higher Education and Research Kassel (INCHER Kassel) und dem Netzwerk Absolventenforschung initiierte Kooperationsprojekt Absolventenstudien (KOAB). Dieses Kooperationsprojekt wird seit 2016 durch das Institut für angewandte Statistik (ISTAT) als eigenständige Ausgründung aus dem INCHER weitergeführt [https://istat.de/de/koab_a.html]. Neben diesen bundesweit operierenden Projekten gibt es Verbünde, die auf Länderebene angesiedelt sind, wie beispielsweise die Sächsische Absolventenstudie [4], das Kooperationsprojekt Baden-Württembergische Absolventenstudie [5] und die Bayerische Absolventenstudie des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF) [https://www.bap.ihf.bayern.de/bas/aktuelles. Für die medizinischen Fakultäten in Baden-Württemberg werden seit 2008 von der medizinischen Fakultät Freiburg im Rahmen des Kompetenznetzes Lehre in der Medizin Baden-Württemberg regelmäßig Absolventinnen und Absolventen befragt [http://www.medizin-bw.de/]. In Bayern werden im Rahmen der Bayerischen Medizinabsolventenstudie (MediBAS) seit 2015 Befragungen in den medizinischen Studiengängen (Human-, Zahn- und Veterinärmedizin) durchgeführt [https://www.bap.ihf.bayern.de/medibas].

Anwendungsbereiche der Befragungen

Die ersten Befragungen von Absolventinnen und Absolventen wurden vor allem durchgeführt, um differenzierte Informationen zu den Übergangsprozessen zwischen Hochschule und Beruf zu erhalten, so z. B. zum beruflichen Verbleib und zu Arbeitslosenquoten. In der Folge standen jedoch zunehmend Fragen der Studienqualität im Fokus des Interesses [1], [2], [6], [7]. Eine an bayerischen Hochschulen durchgeführte Studie [8] ergab, dass 77 Prozent der Hochschulen die Befragung von Absolventinnen und Absolventen als wichtiges Instrument der Qualitätssicherung ansehen. Für 55 Prozent der befragten Hochschulen sind diese Befragungen für die strategische Hochschulentwicklung relevant. Jeweils 41 Prozent nutzen die Ergebnisse für das Career Center und/oder das Hochschulmarketing und 32 Prozent für Studienberatungen.

Tabelle 1 [Tab. 1] veranschaulicht die Vielfalt der Anwendungsgebiete dieser Befragungen, die zudem je nach Hochschule in ihren Schwerpunkten und ihrem Einsatzzweck differieren können.

Zu den hochschulinternen Interessen, die mit der Erhebung entsprechender Daten verbunden sind, kommt der Informationsbedarf externer Institutionen und Einrichtungen hinzu. Dies spiegelt das komplexe Gefüge wider, in dem die medizinische Ausbildung und politische, universitäre, berufsständische Verbände sowie die Organe der Gesundheitsversorgung zusammenwirken. Dabei geht es ausdrücklich darum, die Krankenversorgung als gesamtgesellschaftliches Ziel mit Ärztinnen und Ärzten auf bestmöglichem Ausbildungsniveau zu sichern (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Teilweise wird die Durchführung von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen in Zielvereinbarungen zwischen Ministerien und Hochschulen – wie im Falle Nordrhein-Westfalens – festgehalten [https://www.mkw.nrw/sites/default/files/documents/2018-10/hochschulvereinbarung_nrw_2021_ohne_unterschrift.pdf]. Andere Interessengruppen wirken durch direkte Unterstützung mit, z. B. als Partner in Forschungskooperationen (Gesundheitssystemforschung), als Auftraggeber eigenständiger Forschungsprojekte (Krankenkassen) oder als Adressaten der Qualitätssicherung im Bereich der Krankenversorgung (Patientinnen und Patienten, Kliniken).

Die Heterogenität der Anwendungsbereiche und Funktionen der Daten von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen spiegelt sich in den bislang eingesetzten Fragebögen wider. Hochschulen weisen aufgrund regionaler Faktoren, studiengangspezifischer Modelle oder geschichtlicher Hintergründe eine Reihe von Eigenheiten auf, die eine Anpassung der Fragebögen sinnvoll erscheinen lassen. Andererseits erschweren die verschiedenen Fragebögen und Befragungszeitpunkte einen Vergleich der Fakultäten untereinander. Bei der Beurteilung von unterschiedlichen didaktischen Konzepten – und der daraus resultierenden Studienleistungen – wäre die Möglichkeit zur Durchführung solcher Vergleiche geboten. Hierzu hat der Wissenschaftsrat bereits 2014 festgestellt, dass „objektivierbare Beurteilungskriterien und Bewertungsmethoden für eine vergleichende Evaluierung der Medizinerausbildung national wie international noch nicht ausreichend etabliert sind“ [9].


Projektbeschreibung

Ausgehend von den regelmäßig stattfindenden Arbeitstreffen der Studiendekane und -dekaninnen der medizinischen Fakultäten in Deutschland (Medizinischer Fakultätentag: MFT) konstituierte sich die Unterarbeitsgruppe (UAG) Qualitätssicherung Lehre, die einen Kriterienkatalog für die Qualität der Lehre entwickelte. Im Zuge dieser Arbeit wurde deutlich, dass insbesondere für die Durchführung von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen keine Qualitätsmaßstäbe verfügbar waren. Die Autorinnen und der Autor dieses Artikels, die an ihren Fakultäten in verschiedenen Verbünden vielfältige Erfahrungen mit Befragungen von Absolventinnen und Absolventen gesammelt hatten, wurden 2018 beauftragt, eine Sichtung und Einschätzung der bestehenden Verfahren vorzunehmen. Daraus sollten Empfehlungen zur Planung und Durchführung von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen resultieren.

Der vorliegende Bericht beschreibt die von dieser Arbeitsgruppe im Zeitraum von Februar 2018 bis Oktober 2019 erzielten Ergebnisse, die im Kontext der Forschung zu Befragungen von Absolventinnen und Absolventen im deutschsprachigen Raum beleuchtet werden.


Vorgehen

Am Anfang der Arbeit stand die Sichtung einiger der an den deutschen medizinischen Fakultäten bisher eingesetzten Fragebögen. Zum Teil waren dies Varianten des von INCHER bzw. ISTAT eingesetzten Medizinerfragebogens sowie verschiedene in Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen eingesetzte Versionen. In der Arbeitsgruppe wurde dann geprüft, inwieweit diese Fragebögen hinsichtlich der von ihnen abgebildeten Dimensionen übereinstimmen (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Im Anschluss wurde eine Liste dieser Dimensionen erstellt und häufig in diesen Fragebogenversionen vorkommenden Fragen diesen Dimensionen zugeordnet. Im nächsten Schritt hatte jedes Mitglied der Arbeitsgruppe die Aufgabe, Fragen zu priorisieren, die für die Befragung von Absolventinnen und Absolventen obligatorisch sein sollten. Diese wurden dann als „obligatorisch“ klassifiziert, wenn:

  • sie einen direkten Bezug zu Qualitätssicherungsprozessen hatten bzw. für einen Vergleich der Input-, Prozess- und Ergebnisqualität der Ausbildung relevant erschienen. In der Regel waren dies Fragen, mit denen Daten erfasst werden, die regelmäßig im Rahmen von internen (seitens der Hochschulgremien) und externen Begutachtungen (Akkreditierungen, Ministerien, Wissenschaftsrat etc.) nachgefragt oder in der Ausbildungsforschung als zentrale Kriterien der Ausbildungsqualität diskutiert werden [10].
  • alle drei Mitglieder der Arbeitsgruppe sie übereinstimmend als unverzichtbar eingeschätzt hatten. Bei zwei Übereinstimmungen wurde die Relevanz der Fragen kritisch diskutiert und danach entschieden, ob sie als obligatorisch oder nicht obligatorisch eingestuft werden konnten. Bei inhaltlich ähnlich formulierten Fragen wurde im Konsensverfahren eine Version ausgewählt.

Die so ausgewählten Fragen wurden als „Kernfragen“ bezeichnet. Fragen, die relevante Detailaspekte zur Ausbildungsqualität oder zu berufsbezogenen Entwicklungen vertiefen, aber eher lokal begrenzte Aussagekraft haben und deshalb nicht zwangsläufig Bestandteil jeder Befragung sein müssen, wurden als „optionale Fragen“ klassifiziert. Insgesamt wurde eine grundsätzliche Reduzierung der Fragenanzahl angestrebt, da die vorliegenden Fragebögen meist sehr umfangreich waren.

Parallel zu dieser Durchsicht der Fragebögen wurden Best-Practice-Beispiele für eine effektive Ressourcennutzung, hohe Rücklaufquoten und die Praktikabilität (u. a. bei Datenschutzfragen) etc. aus eigenen Befragungen zusammengetragen. Diese wurden thematisch sortiert und mit Empfehlungen aus der Literatur ergänzt. Auf dieser Basis wurde eine Matrix Verfahrenselemente von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen erstellt, die konkrete Handlungsanweisungen zur Durchführung dieser Befragungen umfasst und die von „A wie Adressrecherche“ bis „Z wie Zeitraum der Befragung“ reichen.

Begleitet wurde der Arbeitsprozess u. a. durch die Einbeziehung von Expertinnen und Experten des Projekts Karriereverläufe von Ärztinnen und Ärzten in der fachärztlichen Weiterbildung (KarMed: gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)) [11]. Auf diese Weise konnten Zwischenergebnisse diskutiert werden. Den vorläufigen Abschluss der Projektaktivitäten bildete die Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse im Rahmen des 12. Treffens der Studiendekaninnen und -dekane im November 2019 in Berlin.


Ergebnisse des Projekts

Fragebogen mit Kernfragen

Der Vergleich, der von den medizinischen Fakultäten eingesetzten Befragungsinstrumente hat folgende Aspekte verdeutlicht: Hinsichtlich des Aufbaus der Fragebögen und ihrer zentralen Elemente zeigte sich, dass diese ungefähr zu gleichen Teilen den Rückblick auf das Studium und die bisher gesammelten beruflichen Erfahrungen behandeln. Der Fragenumfang der Themenbereiche innerhalb dieser beiden Ausbildungsphasen variiert jedoch erheblich. Zudem gibt es eine große Bandbreite an spezifischen Fragen und unterschiedlichen Formulierungen, die Vergleiche der jeweiligen Antworten erschweren.

Basierend auf den beschriebenen Arbeitsschritten (siehe Abschnitt Vorgehen) wurde ein Fragebogen mit Kernfragen (obligatorische Fragen) für Absolventinnen und Absolventen der Medizin (Human- und Zahnmedizin) erstellt. Diese Kernfragen sollten jeder Befragung von Absolventinnen und Absolventen zugrunde liegen, um sinnvolle Vergleiche zu ermöglichen. Jede Fakultät bzw. Medizinische Hochschule hätte darüber hinaus die Möglichkeit, optionale Fragen hinzuzufügen, die den hochschuleigenen Interessen entsprechen. Tabelle 2 [Tab. 2] gibt eine Übersicht über die Themengebiete der Kernfragen sowie zu den Kernfragen selbst inklusive der in den Fragebogen aufgenommenen optionalen Fragen. Der vollständige Fragebogen kann als Anhang 1 [Anh. 1] zu diesem Bericht heruntergeladen werden.

A–Z Verfahrenselemente von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen

Die Matrix zur Durchführung von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen umfasst 20 Themenabschnitte, die alphabetisch sortiert sind. Im ersten Abschnitt „Adressrecherche“ wird u. a. erläutert, wie Adressen der zu Befragenden aktualisiert werden können, im letzten Abschnitt „Zeitpunkt / Zeitraum“ wird u. a. beschrieben, wann eine Befragung von Absolventinnen und Absolventen durchgeführt werden sollte. Es folgen Handlungsempfehlungen und -optionen für die jeweiligen Themenabschnitte. Anschließend werden mögliche Probleme aufgeführt. Am Ende der jeweiligen Themenabschnitte werden ergänzend Literaturhinweise gegeben.

Diese Matrix ist nicht als erschöpfend, sondern als vorläufiges Inventar anzusehen, das für weitere evidenzbasierte Empfehlungen zur Durchführung von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen offen ist. Konzipiert ist diese Matrix als Handreichung für medizinische Fakultäten, die bislang keine oder nur wenig Erfahrung mit der Durchführung von entsprechenden Befragungen haben.

Die Matrix kann als Anhang 2 [Anh. 2] zu diesem Bericht heruntergeladen werden.


Diskussion und Ausblick

Im Herbst 2018 wurden die Autorinnen und der Autor dieses Berichts von einer Unterarbeitsgruppe des MFT beauftragt, Empfehlungen zur Planung und Durchführung von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen zu erarbeiten. Im Zuge dieses Projekts wurden zwei Produkte entwickelt, die Gegenstand dieses Berichts sind. Um eine auch vom Wissenschaftsrat gewünschte vergleichende Evaluierung der medizinischen Ausbildung in Deutschland zu ermöglichen, wurde ein Fragebogen entwickelt, der an vielen medizinischen Fakultäten eingesetzt werden kann. Die Kernfragen dieses Fragebogens sollen sicherstellen, dass alle zur Qualitätssicherung relevanten Informationen erfasst werden. Optionale Fragen, die für die einzelnen Fakultäten von Interesse sind, können hinzugefügt werden. Als zusätzliche Hilfestellung für die Planung und Durchführung der Befragungen wurde ausgehend von Best-Practice-Beispielen der Autorinnen und des Autors dieses Berichts, die durch Beispiele aus der Literatur ergänzt wurden, eine Matrix erstellt. Diese beiden Produkte sollen zur weiteren Entwicklung der medizinischen Ausbildung und deren Qualitätssicherung beitragen und interfakultäre Vergleiche der Ausbildungssituation ermöglichen. Letztere sollten aus folgenden Gründen vorangetrieben werden:

1.
Die Nutzung der im deutschsprachigen Raum vorhandenen Angebote zur medizindidaktischen Qualifizierung von Lehrenden [12], [13] und die an den Fakultäten neu eingerichteten Lehrstühle für Medizindidaktik schaffen eine Voraussetzung dafür, dass zunehmend Forschungsprojekte zur Verbesserung der Lehre durchgeführt werden können. Dadurch können vermehrt Fragestellungen zu grundsätzlichen Aspekten der Curriculumentwicklung bzw. zum Input, den Lehr- und Lernprozessen sowie den Outcomes wissenschaftlich überprüft werden. Solche Fragestellungen gewinnen an Aussagekraft, wenn sie multizentrisch bearbeitet werden. Befragungen von Absolventinnen und Absolventen, die fakultätsübergreifende Vergleiche ermöglichen, können hierbei hilfreich sein.
2.
Die wachsende Bedeutung der Medizindidaktik und der Medizinischen Ausbildungsforschung spiegelt sich auch in der neuen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) wider. Der Paragraphenumfang des Referentenentwurfs (Anstieg von 44 §§ auf 183 §§) zeigt, dass die Komplexität in Ausbildungsfragen erheblich zugenommen hat. Der Nationale(r) Kompetenzbasierte(r) Lernzielkatalog (NKLM), der einen langjährigen Entwicklungsprozess durchlaufen hat, wurde in die ÄApprO integriert. Mit dieser Ausrichtung an Kompetenzen stellt sich die Frage nach der Messbarkeit von Kompetenzen. Zur Überprüfung der Erreichung der Ausbildungsziele – gleich ob ärztlich-praktische oder wissenschaftliche Kompetenzen – werden in den nächsten Jahren neben den Ergebnissen des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung M2 weitere Daten benötigt. Die selbsteingeschätzten Kompetenzausprägungen von Absolventinnen und Absolventen [14] könnten hierbei neben den Ergebnissen praxisorientierter Prüfungsformate (Objective structured clinical examination: OSCE), die ebenfalls ausgebaut werden sollen, Aussagen zur Ausbildungsqualität liefern.
3.
Es existieren bereits überregionale Forschungsprojekte, die auf die Ergebnisse von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen zurückgreifen. So werden beispielsweise im Rahmen des Projekts Studierendenauswahl Verbund (stav) [15] hochschulübergreifend postgraduale Erhebungen genutzt, um Rückschlüsse auf den Erfolg der Auswahlprozesse und der unterschiedlichen Studienzugangsgruppen ziehen zu können. Mit den gesetzlichen Bestimmungen zur Gestaltung der Auswahlprozesse werden auch die Ansprüche an aussagekräftigen Daten zu Studien- und Berufsverläufen steigen.

Neben den beschriebenen weiteren Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen gibt es jedoch noch einige Hürden und Limitierungen, die im Folgenden kurz beschrieben werden:

1.
Bei der Planung von Befragungen der Absolventinnen und Absolventen stellt sich stets die Frage, wie die Balance zwischen Fragestellungen, die einen aktuellen Bezug haben (z. B. zur Work-Life-Balance junger Ärztinnen und Ärzte) und Fragestellungen, die über längere Zeiträume von Interesse sind (z. B. Entwicklungen im Bereich medizinischer Promotion) gelingen kann. Um verlässliche fakultätsinterne und -externe Vergleiche vornehmen zu können, wird ein Fragebogen benötigt, der über Jahrgänge hinweg die gleichen Fragen beinhaltet. Auf der anderen Seite müssen aufgrund des Zeitgeschehens neue Fragen integriert werden. So werden in Zukunft Fragen nach den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die medizinische Ausbildung die bereits vorhandenen Fragen zwangsläufig ergänzen. Damit der Fragebogen von den Befragten auch vollständig beantwortet wird, sollte seine Länge sorgfältig kalkuliert werden. Hier kann z. B. die Analyse der Abbruchpunkte bei unvollständig ausgefüllten Bögen früherer Befragungen (Dropout-Analyse) wertvolle Hinweise für mögliche Optimierungen liefern [16]. Der Einsatz von Kernfragen, die über längere Zeiträume unverändert Teil aller Befragungen sind, und die Möglichkeit, zusätzlich optionale Fragen zu stellen, können hierbei hilfreich sein.
2.
Bei Forderungen nach einem Benchmarksystem wird oftmals unterschätzt, dass Ergebnisse bzw. Prozesse von Faktoren beeinflusst werden können, die einen Vergleich erschweren. Bereits das konkrete Lehrgeschehen an den medizinischen Fakultäten als Einflussgröße ist aus den verschiedensten Gründen kaum erfassbar. Auch existieren zusätzlich vielfach außeruniversitäre Faktoren, die den Ausbildungserfolg mit steuern. Van den Bussche et al. [17] konnten zeigen, dass Staatsexamensergebnisse durch Faktoren wie Größe des Studienortes, Personalausstattung der Universität, Abiturnoten der Prüflinge und ihre Staatsangehörigkeit beeinflusst werden können. Um diese und andere mögliche Einflussfaktoren berücksichtigen zu können, ist eine einheitliche Datenerhebung an den medizinischen Standorten wichtig.
3.
Da die Rektorate der Universitäten meist die Federführung für die Befragung von Absolventinnen und Absolventen haben, hat dies entscheidende Auswirkungen auf die Gestaltung der Fragebögen. Bei der Entwicklung eines einheitlichen fachübergreifenden Fragebogens werden Besonderheiten der einzelnen Fächer häufig nicht berücksichtigt. Das Bedürfnis der Hochschulleitungen die Ergebnisse der verschiedenen Fächer miteinander vergleichen zu können, ist zwar nachvollziehbar, es wird jedoch den Interessen und Bedürfnissen der medizinischen Fakultäten nicht gerecht. Denn die Strukturen und Bedingungen eines Studiums der Human-, Zahn- und Veterinärmedizin unterscheiden sich stark von denen anderer Studiengänge. Bei einem standortspezifischen, für alle Fächer einheitlichen Fragebogen, ist nicht nur der Vergleich der Ergebnisse mit anderen medizinischen Fakultäten einschränkt. Es ist auch davon auszugehen, dass die Akzeptanz der Befragungen beeinträchtigt wird, sowohl bei den Befragten, als auch bei den Berichtsempfängerinnen und -empfängern. Durch ein Engagement der medizinischen Fakultäten in den entsprechenden Steuerungskreisen könnten die Interessen der medizinischen Fakultäten stärker berücksichtigt werden. Es könnten auch Vereinbarungen entstehen, die so gestaltet sind, dass die medizinischen Fakultäten in Abstimmung mit den Rektoraten die Befragungen durchführen und diesen wiederum die Befragungsdaten zur Verfügung stellen. Gemäß den Ergebnissen einer an deutschsprachigen medizinischen Fakultäten durchgeführten Befragung, gaben einige der medizinischen Fakultäten ein entsprechendes Vorgehen an [7].
4.
Für die Akzeptanz der Ergebnisse ist die Frage nach deren Repräsentativität essentiell. Die Nachverfolgung von Auslandskarrieren (inklusive ausländischer Studierender, die nach dem Studium nicht in Deutschland arbeiten) ist, z. B. aufgrund der schwierigeren Erreichbarkeit bzw. Auffindbarkeit der Personen, eingeschränkt. Diese Gruppe ist in der Regel bei Befragungen unterrepräsentiert. Weiterhin kann bei Rückläufen von 30–50% nicht ausgeschlossen werden, dass die Stichprobe in ihrer Zusammensetzung hinsichtlich einiger relevanter Merkmale der Populationszusammensetzung nicht entspricht [18]. Es kann vermutet werden, dass – neben anderen Faktoren – insbesondere die stete Zunahme an Evaluationen und Befragungen aller Art im Rahmen des Studiums zu einem Rückgang der Rücklaufquoten beiträgt und die Datenqualität beeinträchtigt [19], [20].
5.
Aus methodischer Sicht ist die Realisierung von Panelbefragungen, mit denen über einen langen Zeitraum der Werdegang der Absolventinnen und Absolventen verfolgt wird, erstrebenswert. In den letzten Jahren konnten neben den Erhebungen des DZHW einzig die KarMed-Studien [11] als prospektive Studie zu Karriereverläufen in der Medizin diesen Ansprüchen gerecht werden. Um langfristig Absolventenforschung an den Fakultäten zu gewährleisten, ist die Verankerung von Ressourcen wünschenswert.

Take-Home-Message

Zusammenfassend betrachtet, liegen mit dem Kernfragebogen und der Matrix A–Z Verfahrenselemente von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen geeignete Instrumente vor, um die Durchführung von Befragungen von Absolventinnen und Absolventen an den medizinischen Fakultäten zu unterstützen. Beide Instrumente können als Anhang 1 [Anh. 1] und Anhang 2 [Anh. 2] zu diesem Bericht heruntergeladen werden.


Interessenkonflikt

Die Autoren und Autorinnen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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