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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Bessere Zeiten für Lehre und Forschung an den Hochschulen - die Hochschulmedizin muss ihre Chancen nutzen!

Leitartikel/editorial

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  • corresponding author Eckhart G. Hahn - GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung, Schriftleiter, Erlangen, Deutschland Externer Link

GMS Z Med Ausbild 2009;26(1):Doc12

doi: 10.3205/zma000604, urn:nbn:de:0183-zma0006043

Eingereicht: 12. Februar 2009
Überarbeitet: 12. Februar 2009
Angenommen: 12. Februar 2009
Veröffentlicht: 16. Februar 2009

© 2009 Hahn.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Die Entwicklung

Es macht gerade besondere Freude, über Lehre und Studium an den Hochschulen zu schreiben. Es war auch noch nie so spannend, über die besondere Situation der medizinischen Ausbildung nachzudenken. Es bewegt sich etwas in den Deutschen Landen, und man reibt sich gelegentlich die Augen und staunt über die vielen Initiativen zur Verbesserung von Lehre und Studium an den Hochschulen in Deutschland. Lange haben unsere deutschen Kolleginnen und Kollegen mit Respekt die Entwicklungen in Österreich und der Schweiz beobachtet und die anhaltende Diskriminierung der Lehre zum Vorteil von Forschung und Patientenversorgung an Hochschulkliniken in Deutschland bedauert. Jetzt liest man in den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium vom 4. Juli 2008 auf Seite 8: „Der Wissenschaftsrat gibt die folgenden Empfehlungen, um die Qualität von Lehre und Studium erkennbar – jedoch ohne Beeinträchtigung der Forschungsfähigkeit der Hochschulen und bei gleichzeitigem Ausbau der Studienplatzkapazitäten – zu verbessern, Ressourcen effektiv und effizient zu nutzen und darüber hinaus an den Hochschulen eine die Leistungen in der Lehre anerkennende und auszeichnende „Lehrkultur“ zu etablieren, in der Lehrleistungen in gleichem Maße wie Forschungsleistungen zur Reputation beitragen können.“ [1].


Die Situation

Auch die Kultusministerkonferenz hat im Rahmen der Ausschreibung eines „Wettbewerb exzellente Lehre“ gemeinsam mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft unmissverständlich festgehalten: „Lehre und Forschung sind gleichrangige Aufgaben der Hochschulen“ [2]. Der seit dem 23.1.2009 ausgeschriebene Wettbewerb ist nach zäher Vorarbeit zustande gekommen und gereicht sowohl dem Stifterverband als auch der Kultusministerkonferenz zur Ehre. 10 Millionen € stehen für Zukunftskonzepte in der Lehre zur Verfügung, Details sind unter http://www.stifterverband.de zugänglich (11.2.2009). Unser GMA-Mitglied Bettina Jorzik hat bei dieser Entwicklung eine wichtige katalysierende Rolle gespielt, wofür wir ihr herzlich zu danken haben.

Eine weitere Initiative hat die Volkswagenstiftung zusammen mit der Mercator Stiftung ergriffen: „Bologna – Hochschule der Zukunft“. Innovative Curricula, Kompetenzzentren an Hochschulen mit Ausbildungsforschung und Konferenzen sollen mit insgesamt 10 Millionen € gefördert werden. Einzelheiten sind unter http://www.volkswagenstiftung.de und http://www.stiftung-mercator.org zu erfahren (11.2.2009).


Ein guter Anfang, aber nicht genug

In früheren Leitartikeln an dieser Stelle [3], [4], [5] wurde immer wieder auf die gravierenden Folgen der Forschungsexzellenzinitiative und der Kür von Eliteuniversitäten ohne einen gleichberechtigten Wettbewerb der universitären Lehre hingewiesen. Die GMA stellt unmissverständlich klar: die Exzellenz in der Forschung ist eine nationale Zukunftsaufgabe, aber ohne eine äquivalente Lehrexzellenzinitiative wird sie in wenigen Jahren ausbrennen. Woher sollen denn die exzellenten Nachwuchsforscher in Deutschland kommen? Wer soll die Ergebnisse der so geförderten Forschung verstehen und in unserer immer komplexeren Gesellschaft in Arbeitsplätze umsetzen? Die aktuellen Programme der Nachwuchsförderung greifen viel zu spät, und die Phantasielosigkeit der aktuellen Bachelor- und Masterprogramme entwissenschaftlichen die Studierenden. Kaum ein strategischer Fehler wird derartige Folgen für die Wissensgesellschaft eines Landes haben wie die derzeitige Dissoziation von Forschung und Lehre.

Inzwischen ist diese Vernachlässigung der Hochschullehre überall aufgefallen, und es gibt deutliche Signale für die Berücksichtigung von Exzellenz und Zukunftskonzepten der Lehre in weiteren Programmen. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium [1] sind klar genug und fordern beträchtliche Mittel für Verbesserungen von Struktur- und Prozessqualität der Lehre an den Hochschulen. Endlich wird auch Ausbildungsforschung als unverzichtbares Instrument für die Entwicklung innovativer Lern- und Prüfungsmethoden genannt. Fehlende Ausbildungsforschung wird zudem als ein wesentlicher Grund für die mangelnde Anerkennung von Hochschullehre in den Fakultäten erkannt. Ergebnisqualität von Lehre und Studium bleiben in den Empfehlungen allerdings unscharf definiert: die Lehre sei doch so schwer zu messen. Das dies in der Forschung durch kollegiale Bewertungssysteme erfolgt (Impaktfaktoren, Zitationsraten) und somit eine Surrogat-Ergebnisqualität abbildet, das stört in diesem Zusammenhang aber gar nicht. Entsprechende kollegiale Bewertungssysteme von veröffentlichten Ausbildungsprojekten und Ausbildungsforschungsergebnissen würden die Bewertung der Lehre in ähnlicher Weise möglich machen. Die Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) erreicht durch die digitale Vernetzung ihrer über 600 Mitglieder (Internetpräsenz; Mitgliedernachrichtenblatt; GMS Z Med Ausbild: 500 000 Zugriffe pro Jahr, mit Google sofort zu finden) erhebliche Fortschritte auf diesem Gebiet. Die Gründung und Aktivität weiterer fachdidaktischer Gesellschaften würde diesen Prozess sehr befördern, denn die fachspezifischen Kompetenzen und Performanzen, um die es in exzellenten Curricula und Prüfungsmethoden geht, können nur auf diese Weise entwickelt und gegebenenfalls forschend untersucht werden. Und ganz offen: ich würde mit der Fachdidaktik der Finanzwirtschaft beginnen…

Die erfreuliche Entwicklung und Einsicht in Politik, Wirtschaft und Hochschulen kann nur ein Anfang sein, und er präsentiert sich zaghaft und halbherzig. Teilweise liegt dies an der föderalistischen Bundesrepublik: in dem Bericht der gemeinsamen Kommission zur Exzellenzinitiative an die gemeinsame Wissenschaftskonferenz vom November 2008 wird für die Neuauflage der Exzellenzinitiative die Verbindung von Forschungsexzellenz mit Lehrexzellenz nur sehr schüchtern empfohlen: „Einbindung innovativer Konzepte für die institutionelle Steuerung, Weiterentwicklung und Verbesserung der forschungsorientierten Lehre.“ ([6], S. 7). Da ist doch wieder jemanden mit der föderalen Pfeife zurückgeholt worden! In einem Eckpunktepapier vom 11.7.2008, [S. 3] hieß es nämlich noch „Innovative Konzepte für die institutionelle Steuerung, Weiterentwicklung und Verbesserung der akademischen Lehre sollten in die Zukunftskonzepte eingebunden werden können“. Aus der Bundespolitik waren noch ganz andere, mutigere Vorschläge zu hören. Wie Elite-Hochschulen ihre Exzellenzkluster, Graduiertenschulen und Zukunftskonzepte mit Forschung und Lehre beantragen und fortentwickeln können ist im Ergebnis wichtig und nicht so sehr im Verfahren. Der Wissenschaftsrat hat in seinen Empfehlungen Wege gewiesen. 5 Millionen € von der KMK für den Wettbewerb exzellente Lehre lässt gegenüber den 1900 Millionen € des Bundes und der Länder für die erste Forschungsexzellenzinitiative allerdings noch die gebotene Ausgewogenheit vermissen! Bund und Länder sollten sich an der Schnittstelle von Forschung und Lehre schnell auf ein innovatives Verfahren einigen, das die Föderalismusgesetze berücksichtigt. Hier sind weitsichtige und mutige politische Entscheidungen gefordert, die vom Hochschulausschuss der Kultusministerkonferenz für die Amtschefkonferenz der Kultusministerien und die Ministerkonferenz sorgfältig vorbereitet werden müssten.


Die nahe Zukunft

Die GMA als medizinische fachdidaktische wissenschaftliche Gesellschaft steht für die Qualitätsverbesserung der Hochschulmedizin in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit ihren Mitgliedern zur Verfügung. Sie steht auf dem Boden des Humboldt´schen Ideals der Einheit von Forschung und Lehre, die durch die Einbeziehung von Patientenversorgung eine zusätzliche Bedeutung bekommt. Sie ist in der Lage und bereit dazu, die Programmatik und Logistik der Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium der Medizin zur Verfügung zu stellen und die wissenschaftliche Basis durch Ausbildungsforschung zu erweitern. Die GMA wird auch ausbildungsstrategische Vorschläge machen:

1.
Die Konvergenz der Länderpolitik mit Blick auf die föderalen Elemente der Bundespolitik zur Verbindung von Forschung, Lehre und Patientenversorgung sollte verstärkt werden. Dies gilt auch im Europäischen Hochschulraum. Die GMA schlägt dazu die Methode der offenen Koordinierung vor.
2.
Die Einrichtung von internen und externen Qualitätssicherungssystemen für Lehre und Studium an allen medizinischen Fakultäten und Hochschulklinika sollte mit Vorrang betrieben und finanziert werden.
3.
Die medizinischen Curricula und Prüfungsverfahren sollten dringlich an allen Fakultäten Lernziele mit definierten Kompetenzebenen berücksichtigen, die in einem lernförderlichen Kontext vermittelt und mit der Performanz gemessen werden.
4.
An jeder Fakultät sollte ein Institut für Medizinische Ausbildung eingerichtet und so ausgestattet werden, das neben Forschung (Ausbildungsforschung) und Lehre (Personalentwicklung an der Fakultät) alle Dienstleistungen für Curriculum und Prüfungen der Fakultät im Auftrag des Studiendekans übernommen werden können.

Die Voraussetzung für alle Ziele der Qualitätsverbesserung von medizinischer Lehre und Studium ist ein gemeinsames Bild vom Arzt und von der Ärztin in unserer Gesellschaft. Dieses Arztbild wird z. B. von der deutschen Ärztlichen Approbationsordnung vom 27.6.2002 (ÄAppO) als Bundesgesetz vorgegeben. Dieses Arztbild muss bestimmend sein für einen kompetenzbasierten nationalen Lernzielkatalog, der von entscheidender Bedeutung für alle Beurteilungen und Vergleiche der Lehrqualität ist. Das gilt sowohl auf nationaler Ebene als auch im Wettbewerb der Fakultäten um Profil und Exzellenz in der Lehre. Ein solcher Lernzielkatalog wird auch unabhängig von ein-, zwei- oder mehrstufigen Studiengängen sicherstellen, welche Kompetenzen ein Arzt oder eine Ärztin vor Beginn der Weiterbildung im Einzelnen haben muss. Der Hochschulausschuss der Kultusministerkonferenz hat jüngst die GMA aufgefordert in Abstimmung mit dem Medizinischen Fakultätentag einen Fachqualifikationsrahmen für das medizinische Studium auszuarbeiten, der die Entwicklung eines Curriculums der gestuften Studienstruktur möglich macht. Dieser Qualifikationsrahmen (zur Bedeutung des Begriffs siehe [7]) soll sich auch für einen zweistufigen Studiengang eignen. Die GMA wird sich dieser Aufgabe mit aller Professionalität widmen und eine entsprechende Projektgruppe bilden, in der alle GMA-Ausschussvorsitzenden die speziellen Kenntnisse der Ausschüsse

einbringen.


Literatur

1.
Wissenschaftsrat. Empfehlungen zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium. Berlin: Wissenschaftsrat; 2008. Zugänglich unter: http://www.wissenschaftsrat.de/texte/8639-08.pdf. Verifiziert am 12.02.2009. Externer Link
2.
Kultusministerkonferenz. Wettbewerb exzellente Lehre. Eine gemeinsame Initiative der Kultusministerkonferenz und des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft. Ergebnisse der 321.Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz vom 06.03.2008. Berlin: Kultusministerkonferenz; 2008. Ausschreibung zugänglich unter http://www.exzellente-lehre.de/pdf/wettbewerb_exzellente_lehre_ausschreibung.pdf. Verifiziert am 12.02.2009. Externer Link
3.
Hahn EG. Gute Lehre, schlechte Lehre - was ist besser für eine Elite-Universität? GMS Z Med Ausbild. 2006;23(4):Doc294. Zugänglich unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2006-23/zma000294.shtml. Verifiziert am 12.02.2009. Externer Link
4.
Hahn EG. Empfehlungen des Wissenschaftsrats zu einer lehrorientierten Reform der Personalstruktur an Universitäten - Beginn einer Exzellenz-Initiative für die Lehre? GMS Z Med Ausbild. 2007;24(1):Doc74. Zugänglich unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2007-24/zma000368.shtml. Verifiziert am 12.02.2009. Externer Link
5.
Hahn EG. Exzellenz in der Hochschulmedizin durch die Einheit von Lehre und Forschung! GMS Z Med Ausbild. 2007;24(2):Doc115. Zugänglich unter http://www.egms.de/en/journals/zma/2007-24/zma000409.shtml. Verifiziert am 12.02.2009. Externer Link
6.
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Wissenschaftsrat (WR). Bericht der Gemeinsamen Kommission zur Exzellenzinitiative an die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz. Bonn: Wissenschaftsrat; 2008. S.7. Zugänglich unter: http://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Papers/GWK-Bericht-Exzellenzinitiative.pdf. Verifiziert am 12.02.2009. Externer Link
7.
Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Qualifikationsrahmen. Bonn: Hochschulrektorenkonferenz; 2005. Zugänglich unter: http://www.hrk.de/de/download/dateien/QRfinal2005.pdf. Verifiziert am 12.02.2009. Externer Link