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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die Bestandsaufnahme als Kernelement bei der Weiterentwicklung des Mannheimer Wissenschaftscurriculums im Modellstudiengang Medizin

Artikel Wissenschaft im Medizinstudium

  • corresponding author Julia Eckel - Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Geschäftsbereich Studium und Lehrentwicklung, Mannheim, Deutschland
  • author Katrin Schüttpelz-Brauns - Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Geschäftsbereich Studium und Lehrentwicklung, Mannheim, Deutschland
  • author Thomas Miethke - Universitätsmedizin Mannheim (UMM), Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Mannheim, Deutschland
  • author Alexandra Rolletschek - Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Geschäftsbereich Studium und Lehrentwicklung, Mannheim, Deutschland
  • author Harald M. Fritz - Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Geschäftsbereich Studium und Lehrentwicklung, Mannheim, Deutschland

GMS J Med Educ 2017;34(2):Doc22

doi: 10.3205/zma001099, urn:nbn:de:0183-zma0010997

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001099.shtml

Eingereicht: 7. März 2016
Überarbeitet: 9. März 2017
Angenommen: 17. März 2017
Veröffentlicht: 15. Mai 2017

© 2017 Eckel et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die Stärkung wissenschaftlicher Kompetenzen, u.a. durch die Entwicklung von longitudinalen Curricula zur Vermittlung von wissenschaftlichen Kompetenzen im Medizinstudium, wird vom Wissenschaftsrat und von verschiedenen Fachgesellschaften gefordert. Im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) wurden, neben dem Gelehrten, medizinisch-wissenschaftliche Fertigkeiten als Lernziele definiert. Auf dem Weg zum Mannheimer Wissenschaftscurriculum wurde zunächst das Ziel einer systematischen Bestandsaufnahme der Lehre wissenschaftlicher Kompetenzen im MaReCuM (Mannheimer Reformiertes Curriculum für Medizin) verfolgt.

Methodik: Die Bestandsaufnahme basierte auf der Analyse von Modulsteckbriefen, Lehrmaterialien, Expertenbefragungen und Gedächtnisprotokollen. Weiterhin wurden wissenschaftsorientierte Lernziele definiert und priorisiert, so dass die Inhalte der verschiedenen Lehrveranstaltungen den drei am höchsten priorisierten Lernzielen zugeordnet werden konnten.

Ergebnisse: Die Lernziele der systematischen Gewinnung von Informationen zum Stand der Forschung, kritischen Bewertung von wissenschaftlichen Informationen und Quellen, der Präsentation und Diskussion von Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen werden vom 1. bis 5. Studienjahr in verschiedenen Lehrveranstaltungen vermittelt. Es lässt sich ein longitudinales Wissenschaftscurriculum feststellen, welches implizit entstanden ist. In Zukunft müssen Redundanzen beseitigt und Lücken geschlossen sowie die Veranstaltungen inhaltlich und zeitlich mit Hilfe einer zentralen Koordination abgestimmt werden.

Schlussfolgerung: Die Lehre des wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens ist wesentlicher Bestandteil im MaReCuM. Die Bestandsaufnahme und die Priorisierung wissenschaftsorientierter Lernziele stellen die Basis für eine strukturierte Weiterentwicklung des Curriculums dar. Essentiell ist, dass eine zentrale Steuerungsgruppe diese Maßnahmen plant, koordiniert und überprüft.

Schlüsselwörter: Curriculare Bestandsaufnahme, longitudinales Wissenschaftscurriculum, Vermittlung wissenschaftlicher Fertigkeiten/ Kompetenzen


Einleitung

Die Stärkung wissenschaftlicher Kompetenzen im Medizinstudium wird u.a. vom Wissenschaftsrat gefordert [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7]. „Wissenschaftliche Kompetenzen beinhalten Wissen, Fertigkeiten und Haltungen, die für das Verstehen, Bewerten, Anwenden und Dokumentieren wissenschaftlicher Konzepte, Methoden und Befunde sowie für eine aktive Beteiligung am medizinischen Erkenntnisprozess und dessen Qualitätssicherung erforderlich sind“ [1]. Im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) wurden neben der ärztlichen Rolle des Gelehrten medizinisch-wissenschaftliche Fertigkeiten als Lernziele definiert [7]. Um die Informationsflut [8] in der Medizin zu bewältigen, ist eine wissenschaftliche Grundausbildung zur kritischen Bewertung von neuen Entwicklungen in Diagnostik und Therapie notwendig. Methodisch-wissenschaftliche Grundkenntnisse stellen eine Bedingung für die Anwendung Evidenz-basierter Medizin (EBM) zur optimalen Patientenversorgung dar. Sie sind eine Voraussetzung für eine zeitnahe und umfassende Integration wissenschaftlicher Erkenntnisse in den medizinischen Alltag.

Mittlerweile liegen Übersichtsarbeiten zur Lehre medizinisch-wissenschaftlicher Kompetenzen für Studierende im klinischen Studienabschnitt und Assistenzärzte vor [9], [10], [11]. In diesen werden u.a. Lernziele, Lehrformate und Evaluationen von einzelnen Lehrveranstaltungen oder Lehrveranstaltungsreihen, z.B. der Evidenz-basierten Medizin dargestellt [12], [13]. Wissenschaftscurricula sollten jedoch auch gesamtheitlich als Voraussetzung für longitudinal abgestimmte Curricula dargestellt werden.

Im „Research Skill Development Framework“ [14] werden verschiedene Kompetenzebenen in Abhängigkeit von verschiedenen Forschungsfacetten (z.B. das Finden oder die Kommunikation wissenschaftlicher Informationen) und des Autonomiegrades des Studenten (z.B. unter Anleitung oder eigenständig) definiert. Als Konzept für die Curriculumentwicklung hat sich das Modell von Kern et al. (2009) bewährt [15]. Es unterscheidet 6 Stufen:

1.
Problemdefinition und generelle Bedarfsanalyse,
2.
Bedarfsanalyse der Zielgruppe,
3.
Formulierung von Zielen, die durch die Verwirklichung des Curriculums erreicht werden sollen,
4.
Auswahl von Ausbildungsstrategien,
5.
Implementierung des Ausbildungsprogramms und
6.
Evaluation.

Zur Weiterentwicklung des longitudinalen Wissenschaftscurriculums an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg erfolgen daher zunächst eine systematische und umfassende Bestandsaufnahme [16], [17], [18], [19] der Lehre wissenschaftlicher Kompetenzen und Fertigkeiten (Bedarfsanalyse) sowie die Definition wissenschaftsorientierter Lernziele (Zieldefinition). Diese Projektschritte sollen im vorliegenden Beitrag dargestellt werden.


Projektbeschreibung

Zunächst wurde eine Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstrang“ gegründet, die sich aus Grundlagenforschern, Klinikern, Medizindidaktikern und studentischen Vertretern zusammensetzte. Die Arbeitsgruppe definierte die Projektschritte, die in Abbildung 1 [Abb. 1] und im Folgenden dargestellt sind: Zunächst wurden als Voraussetzung für die systematische Entwicklung eines longitudinalen Wissenschaftscurriculums im ersten Halbjahr 2014 alle Veranstaltungen zur Lehre wissenschaftlicher Kompetenzen im Modellstudiengang Mannheimer Reformiertes Curriculum für Medizin (MaReCuM) identifiziert und systematisch erfasst. Zwei Projektmitarbeiterinnen dokumentierten unabhängig voneinander Lehrveranstaltungen, in denen wissenschaftliche Kompetenzen vermittelt wurden. Zwei unterschiedliche Methoden wurden im Rahmen der Erfassung angewandt: Eine Projektmitarbeiterin las Modulsteckbriefe und Lehrmaterialien diagonal, welche Studierenden auf der MaReCuM-Lernplattform bereitgestellt worden waren. Zusätzlich durchsuchte sie diese mittels Suchbegriffen, z.B. „Wissenschaft“, „Forschung“, „Studien“. Eine weitere Mitarbeiterin des Projektteams der Arbeitsgruppe MERLIN [20] überprüfte die Übereinstimmung von Lernzielen aus Modulsteckbriefen der Veranstaltungen im MaReCuM mit den NKLM-Lernzielen der Kapiteln 6 und 14a [7]. Danach verglichen beide Mitarbeiterinnen ihre Ergebnisse.

Daraufhin wurde eine Online-Befragung von Experten durchgeführt. Alle Klinikleiter, Modulkoordinatoren und Fachverantwortliche im MaReCuM (N=75) wurden zu folgenden Punkten befragt: Wo und welche wissenschaftliche Kompetenzen werden im MaReCuM gelehrt (offene Frage)? Welche wissenschaftlichen Fertigkeiten sind bei Absolventen des Medizinstudiums zu Beginn des Berufslebens unabhängig vom Arbeitsfeld wichtig (geschlossene Frage)? Abbildung 2 [Abb. 2] zeigt die möglichen Antworten (Kasten unterhalb der Abbildung). Diese wurden in Anlehnung an den NKLM, Kapitel 14a „Medizinisch-Wissenschaftliche Fertigkeiten“, entwickelt. Die geschlossenen Fragen wurden deskriptiv (prozentualer Anteil der Zustimmung für die Antwortoptionen) und die offene Frage mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse [21] ausgewertet. Die Auswertung der offenen Frage der Expertenbefragung wurde genutzt, um diese Ergebnisse zu validieren bzw. fehlende Veranstaltungen ggf. zu ergänzen.

Im Anschluss daran wurde die Bestandsaufnahme anhand der von den Experten priorisierten Lernziele strukturiert (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Die Lehrveranstaltungsinhalte aus den verschiedenen Studienjahren wurden den drei am höchsten priorisierten Lernzielen zugeordnet. Durch die Nutzung von Hyperlinks wurde sowohl eine komprimierte als auch detaillierte Information zu Inhalten der Lehrveranstaltungen auf verschiedenen Abstraktionsebenen ermöglicht. Abschließend wurde die finale Bestandsaufnahme nochmals mit jeweils einem studentischen Vertreter (aus der Fachschaft) aus dem 1.-5. Studienjahr geprüft.


Ergebnisse

43 Personen nahmen an der Online-Expertenbefragung teil (Rücklauf = 57%). 95% der Teilnehmer gaben an zu forschen und zwar im naturwissenschaftlichen, klinisch-theoretischen oder klinisch-praktischen Bereich (5% der Teilnehmer forschten nicht).

Abbildung 2 [Abb. 2] zeigt, dass die Lernziele

  • (1) Systematische Gewinnung von Informationen zum Stand der Forschung,
  • (2) Kritische Bewertung wissenschaftlicher Informationen und Quellen, sowie
  • (8) Präsentation und Diskussion von Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen

als „sehr wichtig“ bzw. „wichtig“ bewertet wurden.

Beide Projektmitarbeiter kamen hinsichtlich der Bestandsaufnahme zu nahezu den gleichen Ergebnissen. Im Anschluss wurden die Diskrepanzen besprochen und die Bestandsaufnahme konsentiert. Die Resultate der Expertenbefragung spiegeln die konsentierten Ergebnisse wieder. Die Studierenden der verschiedenen Jahrgänge bestätigten ebenfalls die Ergebnisse der Bestandsaufnahme. Die Auswertungen der offenen Antwortmöglichkeiten zeigten, dass medizindidaktische Handreichungen für eine wissenschaftsorientierte Lehre fehlen.

Abbildung 3 [Abb. 3] zeigt das Ergebnis der Bestandsaufnahme des Wissenschaftscurriculums. Insgesamt lässt sich ein implizites longitudinales Wissenschaftscurriculum erkennen, das sich offenbar aus einem Eigeninteresse der Fachgebiete eher evolutionär entwickelt hat. Insgesamt ergibt die Bestandsaufnahme, dass alle Lernziele des NKLM des Kapitels 6 und 14a im MaReCuM thematisiert werden. Die von den Lehrverantwortlichen priorisierten wissenschaftsorientierten Lernziele werden vom 1. bis zum 5. Studienjahr longitudinal im MaReCuM adressiert. Bezüglich des Lernziels (1) der systematischen Gewinnung von Informationen zum Stand der Forschung wird ersichtlich, dass im ersten und dritten Studienjahr Recherchetrainings mit Bibliotheksmitarbeitern durchgeführt werden. Im klinischen Studienabschnitt werden selbstständige Literaturrecherchen von jedem Studenten für Vorträge, Falldarstellungen und Journal Clubs verlangt (während in der Vorklinik Materialien für die Referate zur Verfügung gestellt werden). Zur Erreichung des Lernziels (2) der kritischen Bewertung von wissenschaftlichen Informationen und Quellen werden in der Vorklinik die theoretischen Grundlagen der Versuchsplanung und Statistik in den Fächern „Biomathematik“, „Medizinische Psychologie“ und „Ethik“ gelegt. Diese Inhalte werden im klinischen Studienabschnitt in verschiedenen Fächern vertieft. Laborversuche werden von Studenten in den Grundlagenfächern in der Vorklinik durchgeführt, protokolliert und ausgewertet. In verschiedenen Fächern im klinischen Studienabschnitt erfolgt die Erhebung und Auswertung von Patientendaten mittels standardisierter Messinstrumente, z.B. im Rahmen einer Schmerzstudie im Modul Primärversorgung.

Die Thematisierung der Evidenz-basierten Medizin bzw. Bewertung von Studien findet über das ganze Studium verteilt in verschiedenen Fächern statt. Beispielsweise werden hier Teile oder komplette Studien in den Unterricht einbezogen oder die Anwendbarkeit von Leitlinien anhand konkreter Patientenfälle kritisch diskutiert. Das Lernziel (3) der Präsentation und Diskussion von Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen wird sowohl in der Vorklinik in verschiedenen Veranstaltungen der Pathobiochemie im 2. und 3. Studienjahr als auch in einer Veranstaltung im Modul „Verletzungen, degenerative Erkrankungen, Rehabilitation“ im 4. Studienjahr durch das Halten eines wissenschaftlichen Referates pro Studierenden adressiert. Die Erstellung und Prüfung eines Posters findet im Modul „Gesellschaft und Gesundheit“ im 3. Studienjahr statt. Ein Abstract zu einem Referat im Modul „Primärversorgung“ wird im 5. Studienjahr verlangt.


Diskussion

Die Lehre des wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens im Medizinstudium wird vom Wissenschaftsrat und von Fachgesellschaften empfohlen. Wie wir zeigen konnten, ist die Vermittlung von wissenschaftlichen Fertigkeiten und Kompetenzen bereits wesentlicher Bestandteil im MaReCuM.

Die befragten MaReCuM-Dozenten priorisierten folgende Lernziele: „Systematische Gewinnung von Informationen zum Stand der Forschung“, „Kritische Bewertung von wissenschaftlichen Informationen und Quellen“ und „Präsentation und Diskussion von Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen“. Auch im internationalen Vergleich werden diese Lernziele betont [22]. So wird im NKLM [7] und in verschiedenen internationalen Rahmenwerken [23], [24] die Wichtigkeit von Basiskenntnissen in Bezug auf gezielte Informationsbeschaffung, kritische Auseinandersetzung mit Ethik, Statistik und Studiendesigns im Kontext der Forschung hervorgehoben. Das Lernziel „Forschungsergebnisse verbreiten zu können“ wird neben dem NKLM in zwei Rahmenwerken betont [23], [24]. Im AMEE-Guide No. 69 „Developing research skills in medical students“ wird auf die Suche, Anwendung und Kommunikation evidenz-basierten Wissens als Lernziele hingewiesen [25]. Ebenso legt eine aktuelle Befragung von Medizinstudierenden nahe, insbesondere das Lernziel der kritischen Bewertung von wissenschaftlichen Informationen und Quellen im Laufe des Studiums zu vertiefen: Nur 28% der Studierenden sehen sich durch das Studium befähigt, Forschungsergebnisse zu interpretieren, obwohl sie dies erwarten [26].

Mittels der Bestandsaufnahme konnte ein implizites (natürlich gewachsenes) Wissenschaftscurriculum sichtbar gemacht werden, welches nun longitudinal weiterentwickelt werden kann. Als nächste Schritte müssen Ausbildungsstrategien ausgewählt und Ausbildungsprogramme implementiert und evaluiert werden [15]. Die Veranstaltungen sollen inhaltlich und zeitlich aufeinander abgestimmt, Redundanzen beseitigt und Lücken im Curriculum geschlossen werden. Beispielsweise werden in den klinischen Fächern immer wieder Grundlagen bezüglich klinischer Leitlinien (z.B. Stufen von Leitlinien) vermittelt. Diese Basis soll in Zukunft einmalig am Anfang des klinischen Studienabschnitts gelegt werden. In den einzelnen Fächern werden dann gezielt einzelne Leitlinien thematisiert. Es soll auf bewährte didaktische Konzepte der Vermittlung Evidenz-basierter Medizin zurückgegriffen werden [12], [27], [28]. Mit der ohnehin notwendigen Neugestaltung des klinischen Abschnitts – MaReCuMplus – bietet sich die Möglichkeit, bestehende Veranstaltungen anzupassen.

Insgesamt sollen die Lernziele des longitudinalen Wissenschaftsstrangs im Sinne einer Lernspirale [29], wie beim Research Skill Development Framework [14], aufeinander aufgebaut werden. Die Studierenden sollen die Anwendung wissenschaftlicher Prinzipien der Medizin noch stärker in einem konkreten medizinischen Kontext erlernen. Gleichzeitig verfolgen wir das Ziel, diese Lernziele, z.B. Forschungsaspekte und wissenschaftliche Arbeitstechniken und Evidenzen, wo immer möglich in bereits bestehende Lehrveranstaltungen zu integrieren [3]. Hier hat die AG Wissenschaftsstrang empfohlen, besonderen Nachdruck auf folgende Lernziele des NKLM (Kapitel 14a) zu legen: Fragestellungen und davon ausgehend testbare Hypothesen unter Berücksichtigung des bisherigen Kenntnisstands herleiten (14a.2.1.5), das Ergebnis einer statistischen Hypothesenprüfung interpretieren und präsentieren (14a.3.1.2) sowie die Aussagekraft einer wissenschaftlichen Untersuchung hinsichtlich methodischer Gesichtspunkte kritisch diskutieren (14a.3.1.3). Das Constructive Alignment, d.h. die Abstimmung der Lehrinhalte, Lernergebnisse und Prüfungen aufeinander, wird dabei eine zentrale Rolle spielen [30], [31], [32].

Im Wintersemester 2015/16 wurde ein neuer Leistungsnachweis „Wissenschaftliches Arbeiten“ mit benoteter Forschungsarbeit eingeführt. Die Forschungsarbeit kann zu jedem Zeitpunkt des Studiums begonnen, muss jedoch spätestens vier Monate vor dem 2. Staatsexamen abgegeben werden. Zugelassen sind experimentelle oder nicht-experimentelle wissenschaftliche Arbeiten aus dem gesamten Spektrum der Humanmedizin inklusive der Grundlagenfächer. Zur Vorbereitung auf die Forschungsarbeit wurden im 3. Jahr die Veranstaltungen „Kritische Beurteilung von wissenschaftlicher Evidenz“, „Gute wissenschaftliche Praxis: Verfahren bei Fehlverhalten“, „Wissenschaftliches Schreiben“, „Schreiben von Fördergeldanträgen und Tierversuchsanträgen“ und „Klinische Studien, Ethikvotum, Datenschutz, Schutzrecht“ im Curriculum verankert.

Zur Verbesserung einer strukturierten Vermittlung wissenschaftlicher Kompetenzen und Erhöhung der Methodenvielfalt wurde bereits eine Toolbox mit Empfehlungen von MaReCuM-Lehrenden zur wissenschaftsorientierten Lehre entwickelt [33].

Die zentrale Projektgruppe wird weiterhin an der Sichtbarmachung des Wissenschaftscurriculums, der Festlegung von Umsetzungs- und Kommunikationsstrategien, der Koordination der Lehre, der Bereitstellung von Ressourcen sowie der Überprüfung der Wirksamkeit der wissenschaftlichen Ausbildung arbeiten.

Die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der wissenschaftsorientierten Lehre inkl. des neu implementierten Leistungsnachweises „Wissenschaftliches Arbeiten“ mit verpflichtender Forschungsarbeit wird auf Basis systematischer Evaluationen erfolgen. Bei der Messung der (Veränderungen der) Wissenschaftskompetenz werden die Ebenen des Research Skill Development Frameworks betrachtet [14].


Limitationen

Die Adressaten der Expertenbefragung waren ausschließlich MaReCuM-Lehrverantwortliche. Es lässt sich nicht ausschließen, dass andere Fakultäten eine andere Priorisierung der Lernziele vorgenommen hätten. Zudem forschten nahezu alle Befragungsteilnehmer neben Ihrer klinischen Tätigkeit. Es bleibt deshalb offen, ob Kliniker, die ausschließlich in der Patientenversorgung tätig sind, die Lernziele anders priorisiert hätten.

Die Bestandsaufnahme erfolgte mit Hilfe von schriftlichen Lehrmaterialien, sowie vorliegender Modulsteckbriefe. Eine tatsächliche Überprüfung der wissenschaftsorientierten Lehre fand nicht statt. Daher können wir nicht ausschließen, dass wesentliche, nicht schriftlich dokumentierte, Lehrinhalte in der Bestandsaufnahme fehlen. Der Abgleich mit den angegebenen Inhalten der Dozenten im Rahmen der Befragung, sowie die Überprüfung der Angaben durch Studierende aller Studienjahre zeigt jedoch, dass die Erfassung wesentlicher Inhalte gelungen ist.


Schlussfolgerung

Die strukturierte Bestandsaufnahme und Priorisierung von wissenschaftsorientierten Lernzielen sind die Basis für die Weiterentwicklung des Curriculums. Nur auf diese Weise konnte ein implizites Curriculum aufgedeckt und kommuniziert werden. Jedoch stellt die Curriculumentwicklung einen umfangreichen und stetig andauernden Prozess dar, der die Mitarbeit vieler Fakultätsmitglieder benötigt. Prozesse des Veränderungsmanagements müssen angestoßen werden. Verschiedene Maßnahmen müssen bei der Entwicklung strukturierter longitudinaler Wissenschaftscurricula Berücksichtigung finden, wobei essentiell ist, dass eine zentrale Steuerungsgruppe diese Maßnahmen plant, koordiniert und überprüft.


Danksagung

Wir bedanken uns bei Dr. Elisabeth Narciss für die Bestandsaufnahme der Lehre wissenschaftlicher Kompetenzen im MaReCuM. Herzlichen Dank auch an die Studierenden der Fachschaft, die sich bereiterklärten, die Bestandsaufnahme abschließend zu prüfen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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