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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Gewusst wie: Erfolgsfaktoren bei der Implementierung und Etablierung des longitudinalen Curriculums „Kommunikative Kompetenzen“ am Beispiel der Medizinischen Fakultät Mannheim

Artikel Ärztliche Gesprächsführung

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  • corresponding author Renate Strohmer - Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Geschäftsbereich Studium und Lehrentwicklung, Lernkrankenhaus TheSiMa, Mannheim, Deutschland
  • author Ute Linder - Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Geschäftsbereich Studium und Lehrentwicklung, Lernkrankenhaus TheSiMa, Mannheim, Deutschland
  • author Jens J. Kaden - Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Geschäftsbereich Studium und Lehrentwicklung, Lernkrankenhaus TheSiMa, Mannheim, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(1):Doc11

doi: 10.3205/zma001593, urn:nbn:de:0183-zma0015936

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001593.shtml

Eingereicht: 21. April 2022
Überarbeitet: 17. August 2022
Angenommen: 31. Oktober 2022
Veröffentlicht: 15. Februar 2023

© 2023 Strohmer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Kommunikative Fähigkeiten sind für den Arztberuf von großer Bedeutung und dementsprechend wird die Lehre hierzu insbesondere in den letzten Jahren an vielen Medizinischen Fakultäten fortwährend ausgebaut. Während einzelne Lehrveranstaltungen zur Vermittlung kommunikativer Kompetenzen in den Curricula bereits etabliert sind, mangelt es teilweise noch an einer longitudinalen Verankerung über das gesamte Studium der Humanmedizin hinweg.

An der Medizinischen Fakultät Mannheim wurde bereits 2008 mit der Implementierung eines longitudinalen Curriculums „kommunikative Kompetenzen“ begonnen. In diesem Artikel werden übergreifende und phasenbezogene Erfolgsfaktoren dieses Prozesses nachgezeichnet und praxisbezogene Handlungsvorschläge und Tipps – basierend auf den persönlichen Erfahrungen der Autor*innen sowie der verfügbaren Literatur – gegeben.

Schlüsselwörter: longitudinales Kommunikationscurriculum, Curriculumsentwicklung, kommunikative Kompetenzen, Gewusst wie


1. Allgemeines und Hintergrund

Kommunikative Kompetenz wird definiert als „Fähigkeit, kommunikative Ziele in sozial angemessener Form umzusetzen“ [1]. Durch Übung und Erfahrung ist sie lehr- und lernbar (ebd.). Die ärztliche Kommunikation kann einen wichtigen Beitrag zur Genesung der Patient*innen leisten [2], [3], [4], [5], z. B. zur Reduktion von Symptomen und zur Steigerung der Lebensqualität [6].

Die Förderung kommunikativer Kompetenz gilt als wichtiger Grundpfeiler medizinischer Ausbildung. und ist in der ärztlichen Approbationsordnung benannt [http://www.gesetze-im-internet.de/_appro_2002/index.html]. Im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zur Neuregelung der ärztlichen Ausbildung wird die ärztliche Gesprächsführung als ein übergeordnetes Kompetenzfeld definiert [7]. Im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) sind Lernziele zur ärztlichen Gesprächsführung definiert [https://www.nklm.de]. Ein Ziel des Masterplans Medizinstudium 2020 ist die Umsetzung eines nationalen longitudinalen Kommunikationscurriculums in der Medizin [8]. Hierzu wurden u. a. im GMS JME Themenheft „kommunikative und soziale Kompetenzen“ Berichte aus verschiedenen Medizinischen Fakultäten in Deutschland vorgestellt [9] und Erfolgsfaktoren abgeleitet [10], welche sich teils auch in den „Undeloher Empfehlungen“ zur Curriculumsentwicklung finden [11].

An dieser Stelle knüpft der vorliegende Artikel an, da die Implementierung des Curriculums in Mannheim schon sehr weit fortgeschritten ist und vor allem im Bereich des Regelbetriebs und der Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs bzw. dessen Pflege vielfältige Erfahrungen vorliegen und konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können.

An der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg wurde 2006 das Mannheimer Reformierte Curriculum für Medizin und Medizinnahe Berufe (MaReCuM) eingeführt, welches 2008 durch die Implementierung eines longitudinalen Curriculums „kommunikative Kompetenzen“ ergänzt wurde. Die Kommunikation mit Patient*innen, Angehörigen und Kolleg*innen ist eine der sieben Kernkompetenzen, die in MaReCuM vermittelt werden. Ab dem ersten Semester wird Kommunikation gelehrt, gelernt und geprüft. Im ersten Studienabschnitt (1.–2. Studienjahr) werden theoretisches Grundwissen, Instrumente und Vorgehensweisen vermittelt und im Rahmen studentischer Kleingruppen geübt. Im zweiten Studienabschnitt (3.–5. Studienjahr) kommen Unterrichtseinheiten mit Simulationspersonen (SP) hinzu, in denen die erlernten Werkzeuge und Techniken angewandt werden können. Diese Gespräche werden sukzessive thematisch ausgebaut, gewinnen inhaltlich an Komplexität und münden schließlich in der Kommunikation mit realen Patient*innen im Rahmen von Unterricht am Krankenbett (UaK) bzw. im Praktischen Jahr (PJ, 6. Studienjahr).

Im Folgenden sollen die Bausteine einer erfolgreichen Curriculumsimplementierung und zentrale Erfolgsfaktoren vorgestellt werden, die rückblickend an der Medizinischen Fakultät Mannheim identifiziert wurden. Diese werden in chronologischer Abfolge von der Konzeptions- und Implementierungsphase bis zum Regelbetrieb dargestellt. Auch phasenübergreifende Faktoren werden benannt und mit der aktuellen Literatur abgeglichen.


2. Erfolgsfaktoren eines longitudinalen Kommunikationscurriculums

2.1. Phasenübergreifende Erfolgsfaktoren
2.1.1. Zentrale Stelle

Um den komplexen Prozess der Erstellung und Aufrechterhaltung eines longitudinalen Curriculums „kommunikative Kompetenzen“ zu gewährleisten, wurde an der Medizinischen Fakultät Mannheim zunächst eine „Zentrale Stelle“ zur Koordination definiert. Diese ist Ansprechpartner*in aller Beteiligter, organisiert die Konzeptionsaufgaben, arbeitet teils selbst an der Konzeption mit, bündelt das Qualitätsmanagement (insbesondere im Regelbetrieb) und dient der Quervernetzung – z. B. zu wissenschaftlichen Fachausschüssen. In Mannheim ist diese Stelle im Lernkrankenhaus TheSiMa („Themenräume-Simulation-Mannheim“) angesiedelt. In der Konzeptionsphase war zusätzlich eine weitere Mitarbeiterin (50 % VZÄ), finanziert über Projektgelder, für einen Zeitraum von zwei Jahren exklusiv mit der Konzeptionsarbeit des Kommunikationscurriculums betraut.

Insbesondere die Akzeptanz dieser zentralen Stelle ist ein kritischer Erfolgsfaktor für den Prozess, da so sichergestellt wird, dass alle Informationen an einer Stelle zusammenlaufen und entsprechende Arbeitsschritte zentral gesteuert werden können. Andernfalls entstehen leicht einzelne Unterrichtseinheiten in den verschiedenen Studienjahren, die zwar qualitativ hochwertig sein können, jedoch nicht longitudinal aufeinander abgestimmt sind.

2.1.2. Organisationale Unterstützung und Identifikation

Ein longitudinales Curriculum betrifft viele Lehrbereiche und erfordert die Vernetzung und Zusammenarbeit vieler Beteiligter. Es macht Abstimmungen und Kompromisse notwendig. Die Sicherung des Engagements aller Beteiligten hinsichtlich des zu gestaltenden Prozesses, aber auch hinsichtlich der Bedeutung von Kommunikationsunterricht selbst, ist darum ein weiteres zentrales Erfolgskriterium [11]. Es erfordert, dass alle Beteiligten und die Entscheidungsträger des Prozesses von dem Vorhaben überzeugt sind, dessen Wichtigkeit anerkennen und es mittragen möchten und können. Andere Autor*innen nennen dies auch die Vision bzw. die Dringlichkeit, die von allen Beteiligten mitgetragen und empfunden werden muss [12]. Neben prozessinternen Beteiligten gilt es auch die Unterstützung weiterer Funktionsträger*innen und Stakeholder, wie bspw. Dekan*in, Studienkommission und Fachschaft zu sichern.

Bei der Erarbeitung des longitudinalen Curriculums ‚Kommunikative Kompetenzen‘ in Mannheim war, unter anderem bedingt durch die vorangegangene Erarbeitung des reformierten Curriculums, ein Grundtenor hinsichtlich der Wertigkeit eines solchen Projektes gegeben und wurde von den Vorgesetzten kommuniziert. Auch das frühzeitige aktive Einbinden von bspw. Modulverantwortlichen diente der Stärkung des Commitments. Stakeholder wurden regelmäßig über unterschiedliche Kanäle, beispielsweise per E-Mail – aber auch in persönlichen Gesprächen und Präsenztreffen informiert. Die zentralen Stakeholder konnten so erreicht werden und tragen das Curriculum bis heute mit, sie unterstützen dessen Fortentwicklung und sind wichtiges Bindeglied zu ihren Instituten, Kliniken und anderen Einrichtungen.

2.2. Die Planungs- und Implementierungsphase
2.2.1. Arbeitsgruppe

Die Grundlage für die inhaltliche Ausgestaltung eines longitudinalen Curriculums ist die Zusammenarbeit vieler verschiedener Fachbereiche, Institute und Kliniken. Um dies zu ermöglichen, ist die Bildung einer Steuerungsgruppe [11] bzw. Arbeitsgruppe (AG) im Sinne eines wissenschaftlichen Beirats empfohlen [12]. Die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit ist nicht nur auf inhaltlicher Ebene bei der tatsächlichen Erarbeitung des Curriculums wichtig, sondern auch eine Voraussetzung für das Gelingen des Implementierungsprozesses selbst. Außerdem kann eine solche Gruppe aus feststehenden längerfristig Verantwortlichen die Zustimmung zum Vorhaben stärken.

An der Medizinischen Fakultät Mannheim setzte sich die interprofessionelle AG aus Modul- und Lehrverantwortlichen, Leitungspersonen von Kliniken, Verantwortlichen der Fakultät sowie Mitarbeitenden von Lernkrankenhaus und SP-Programm zusammen. Grundlegende Unterstützung erhielt die AG durch das Studiendekanat. Es fand keine Kompensation der Arbeitsanteile statt. Die Mitglieder der AG haben sich aus intrinsischer Motivation dem Vorhaben angeschlossen, bspw. aus Interesse bzw. empfundener Wichtigkeit der Thematik.

Zu Beginn der Planungsphase hatte die AG Unterstützung durch einen externen Experten auf dem Gebiet der Kommunikationsausbildung. Nach einem Kick-Off Meeting fanden zwei Workshops zu unterschiedlichen Themen, wie z. B. Methodentraining, Kommunikationsmodelle, Gruppendynamik und Gesprächsführungsinstrumente, statt. Die Workshops sollten einen inhaltlichen Impuls geben und die Kenntnisse der Teilnehmenden erweitern – sie dienten auf der Meta-Ebene aber auch der Teamentwicklung der AG. Nach den Workshops fanden weitere Meetings zur Konsensfindung des Curriculums statt.

2.2.2. Erstellung des Curriculums (Ist-Soll-Analyse)

Im Regelfall finden sich bereits in einer Vielzahl von Lehrveranstaltungen Inhalte zur Lehre von Kommunikation im Medizinstudium. Diese gilt es in einer Bestandsaufnahme sichtbar zu machen, um Redundanzen und fehlende Inhalte zu erkennen. Hierfür kann bspw. das ‚Curricular Mapping‘ nach Harden [10], [13] oder ein strukturanalytisches Befragungsinstrument [14] genutzt werden. An der Medizinischen Fakultät Mannheim wurde das Mapping des Ist-Standes im Sinn eines „reverse blueprinting“ durch die Projektmitarbeiterin der zentralen Stelle geleistet, die bestehende Unterrichts- und Lernmaterialien auf Inhaltsebene gesichtet und dokumentiert, aber auch Unterrichtsbesuche abgehalten sowie Interviews mit Modulkoodinator*innen und Fachverantwortlichen geführt hat. Daraus wurde ein Blueprint mit Lernzielen, Kompetenzen, Inhalten und Methoden erstellt. Das Mapping fand über einen Zeitraum von ca. einem Jahr statt. Die Kooperation verlief unproblematisch, da der Prozess von leitender Stelle initiiert und kommuniziert wurde.

Sobald der Ist-Stand erfasst ist, gilt es diesen mit einem definierten Soll zu vergleichen [12]. Als Zielwerte können die Lernziele des NKLM bzw. das Mustercurriculum Kommunikation in der Medizin [15] dienen. Somit kann individuell festgestellt werden, ob alle Lernziele der ärztlichen Kommunikation abgedeckt sind oder ob Inhalte fehlen bzw. mehrfach vorhanden sind. Die Ergebnisse können in einem Modulhandbuch festgehalten und bis auf Einzelunterrichtsebene ausdifferenziert werden. Somit wird deutlich, welche Lernziele durch welche Lehrinhalte zu welchen Zeitpunkten in welcher Form vermittelt und geprüft werden sollen.

Ausgehend von der in der Konzeptionsphase erfolgten Bestandsanalyse wurde an der medizinischen Fakultät Mannheim ein inhaltlicher Soll-Abgleich der Lehrinhalte und Methoden durchgeführt. Hierfür wurde unter anderem der kanadische CanMEDS Kompetenzrahmen für Ärzt*innen [16] und die Skills Übersicht des GMA-Ausschusses für praktische Fertigkeiten [17] genutzt und auf die konzertierten Expert*inneneinschätzungen aller Beteiligter der AG zurückgegriffen. Dieses Vorgehen wurde gewählt, da zu diesem Zeitpunkt der NKLM noch nicht verabschiedet und das bundesweite „Longkomm“-Projekt des IMPP noch nicht abgeschlossen waren. Um schließlich einen logischen curricularen Strang zu entwickeln, wurden AG-Sitzungen abgehalten, in denen die Ergebnisse des Mappings besprochen und die Verortung der einzelnen Lehrveranstaltungen, deren Art, Umfang und konkrete Inhalte festgelegt wurden.

Die curriculare Fokussierung auf bestimmte inhaltliche Elemente hat sich bewährt, wie bspw. die Implementierung von spezifischen Feedbackregeln [18] sowie von Tools wie RE-Form (Leitfaden zur Gesprächseröffnung) [19], NURSE (Umgang mit Emotionen) [20], [21], [22] und SPIKES (Überbringen schlechter Nachrichten) [23], [24]. Diese Inhalte sind zeitlich längsschnittlich und inhalts- bzw. fächerbezogen querschnittlich im Curriculum verankert (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Darüber hinaus wurde und wird an der Medizinischen Fakultät Mannheim Wert daraufgelegt, dass klinisch tätige Ärztinnen und Ärzte aller Disziplinen Kommunikationsunterricht abhalten, um die Bedeutung der ärztlichen Kommunikation in allen klinischen Fächern herauszustellen.

In den ersten beiden Studienjahren werden theoretische Grundlagen in den Vorlesungen und Seminaren zur Rolle als Ärztin oder Arzt und zur ärztlichen Kommunikation und Beziehungsgestaltung vermittelt sowie in Seminaren wiederholt und vertieft. Im dritten Studienjahr finden Seminare zu Migration/Gesundheit, zum psychosozialen Hintergrund und zur Arzt-Patient-Beziehung sowie zur ärztlichen Gesprächsführung und zum Umgang mit Emotionen statt. Im Rahmen von Simulationsgesprächen mit SP werden die erlernten Techniken eingeübt. Im vierten Studienjahr werden Seminare zum Überbringen schlechter Nachrichten, zur Verhaltensänderung und zum Thema Suizidalität ebenfalls durch Übungen mit SP gefestigt. Es folgen ersten Gespräche mit Realpatient*innen. Im fünften Studienjahr finden Simulationsgespräche in der Pädiatrie zum Thema Konfliktmanagement und in der Primärversorgung zum Thema Sprachbarrieren bei Migrationshintergrund statt.

2.2.3. Gestaltung von Prüfungen

Im Sinne des „constructive alignments“ [25] sollen Lehr- bzw. Lernmethoden, Lernziele und die zugehörige Prüfungsform aufeinander abgestimmt sein. Dies bedeutet, dass praktisch erworbene Kompetenzen auch im Rahmen einer praktisch orientierten Prüfung erfasst werden sollten. Darum wurden zur Prüfung von Kommunikationskompetenzen zwei summative OSCEs (objective structured clinical examinations) in das MaReCuM implementiert.

Beim OSCE im dritten Studienjahr ist das Thema Kommunikation integriert. Neben einer reinen Kommunikationsstation beinhalten zwei von zwölf Stationen anteilige Kommunikationsaufgaben.

Der OSCE zum Erlangen des fächerübergreifenden Leistungsnachweises im fünften Studienjahr berücksichtigt in der Bewertung das Kompetenz Kommunikation: Fähigkeiten der ärztlichen Gesprächsführung fließen hier zu 25 % in die Bewertung der Prüflinge ein, wobei an jeder der zwölf Stationen eine Kommunikationsaufgabe implementiert ist. Somit wird der hohe Stellenwert der ärztlichen Kommunikation – auch mit Blick auf das anschließende PJ – gesichert.

Die Strukturen und Lehrveranstaltungen des longitudinalen Kommunikationscurriculums an der Medizinischen Fakultät Mannheim wurden in einem handlichen Manual im Booklet Format zusammengefasst. Dieses enthält Informationen zu den gelehrten Instrumenten der ärztlichen Gesprächsführung und weiterführende Quellen zur Thematik. Das Manual wird an Studierende und Lehrende ausgegeben und fortlaufend aktualisiert.

2.2.4. Strukturierung der Lehre

Für (externe) Dozierende, die hauptamtlich als Ärzt*innen eingebunden sind, ist die Realisierung von studentischem Unterricht im wöchentlichen Angebot vor dem Hintergrund eines eng getakteten Klinikalltags oftmals schwierig.

Um die Attraktivität der Kommunikationslehre für Dozierende zu steigern, hat sich in Mannheim die Planung von bspw. Blockveranstaltungen und tageweiser Lehrblöcke – im Vergleich zu wöchentlichen Unterrichtsstunden – als attraktiv erwiesen. Somit können auch externe Dozierende für die Lehre gewonnen werden, da sie die Anreise für einen ganzen Unterrichtstag als sehr lohnenswert empfinden.

2.2.5. Dozierendenschulungen

Lehrende bringen oft heterogene didaktische, inhaltliche und motivationale Voraussetzungen für die Gestaltung von Unterricht der ärztlichen Gesprächsführung mit, was eine Qualifizierung der Lehrenden zum Einsatz in dieser Unterrichtsform notwendig macht [x]. Um eine gleichbleibend hohe und homogene Qualität des Unterrichts sicherzustellen, wurde an der Medizinischen Fakultät Mannheim frühzeitig ein mehrstufiges, modulares und verpflichtendes Schulungskonzept für Lehrende als Vorbereitung zur Lehre mit SP konzipiert und ausgerollt. Zunächst handelte es sich um Präsenzschulungen. Seit 2016 wurde aufgrund des von Seiten der Teilnehmenden bemängelten Zeitrahmens eine Flexibilisierung durch die Umstellung auf ein Blended-Learning-Angebot, welches kleine Lerneinheiten im Bite-Size-Learning-Format umfasst, erreicht [26], [27]. Somit passt sich die Weiterbildung der Dozierenden an ihre Voraussetzungen – insbesondere in zeitlicher Hinsicht – an und wird sehr gut angenommen. Im Rahmen der Dozierendenschulung durchlaufen die Teilnehmenden zunächst eine Online-Schulung, die mit einem wissensüberprüfenden Test endet. Nach bestandenem Test sind die Teilnehmenden berechtigt, an der Präsenzschulung teilzunehmen. Die Dozierendenschulung endet mit einer Supervision der eigenen Lehrtätigkeit und einem abschließenden Feedback.

Neben einer Basisqualifikation können Dozierende sich in bestimmten spezifischen Themenfeldern (Verhaltensänderung, Überbringen schlechter Nachrichten) für den Kommunikationsunterricht weiterqualifizieren. Alle Weiterbildungen münden in ein Zertifikat, das die Voraussetzung für den Kommunikationsunterricht (mit SP) ist. Der kleinteilige Aufbau der Schulungen sowie das Online-Format ermöglichen es den Dozierenden zudem, bei Bedarf das entsprechende Modul zur jeweiligen Unterrichtseinheit zu wiederholen.

Auch zur Vorbereitung auf die Tätigkeit als Prüfer*in in den oben genannten OSCEs gibt es eine entsprechende verpflichtende Schulung [28]. Durch diese Betonung der Schulungen, die gleichzeitig Rücksicht auf die Bedürfnisse der Dozierenden nehmen, kann nicht nur die Qualität der Lehre verbessert, sondern auch die Zustimmung der Dozierenden gestärkt werden.

Die Bedeutung von Dozierendenschulungen und -manualen für die Standardisierung und Qualitätssicherung von Kommunikationsunterricht wird auch von anderen Autor*innen genannt [12] bzw. erweitert um Faktoren wie fortlaufende Schulungen und Ausbau der Lehr-Lern-Forschung [10].

2.3. Der Regelbetrieb
2.3.1. Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs

Die Realisierung des Lehrbetriebs ärztlicher Gesprächsführung stellt eine zentrale Aufgabe im Regelbetrieb dar. Hierzu zählen die Stundenplanerstellung sowie die Vorbereitung der einzelnen Seminare. Dies umfasst auch die Einsatzplanung der Dozierenden sowie ggf. der SP. Unterrichtsmaterialien, Online-Inhalte und Schulungen müssen aktuell gehalten und ggf. ergänzt werden. An der Medizinischen Fakultät Mannheim werden Unterrichtsmappen mit dem tabellarischen Unterrichtsablauf, benötigte Lehrmaterialien sowie Aufgabenstellungen und Beobachtungskriterien für die Simulationsgespräche für die Lehrenden bereitgelegt. Diese Mappen dienen der Homogenisierung und Qualitätssicherung des Unterrichts. Für alle am Lernkrankenhaus TheSiMa stattfindenden Unterrichtseinheiten werden diese von der zentralen Stelle bereitgelegt. Das Grundstudium wird an anderer Stelle verwaltet.

2.3.2. Akquise von Lehrenden

Die Akquise neuer Dozierender stellt eine weitere Aufgabe im Regelbetrieb dar. Die Fluktuation von Lehrenden muss beobachtet und rechtzeitig durch gezielte Anwerbung neuer Dozierender gegengesteuert werden. In Mannheim hat sich hierbei die umfangreiche Kommunikation seitens der Zentralen Stelle mit Kliniken, Modulverantwortlichen und Studiendekanat als zielführend herausgestellt. Als besonders hilfreich hat es sich erwiesen, die genannten Stellen direkt zu kontaktieren und um Weiterleitung der Akquise-Anfrage an ihre Ärzt*innen mit Lehrauftrag zu bitten.

2.3.3. Qualitätssicherung

Im Regelbetrieb stellt die Qualitätssicherung des Unterrichts kommunikativer Fähigkeiten einen zentralen Punkt dar. An der Medizinischen Fakultät Mannheim wird dies durch eine Vielzahl an Aktivitäten gesichert. Zunächst wird der Unterricht regulär im Rahmen der fakultäts- bzw. universitätsweiten Evaluationsmaßnahmen mittels standardisierten Fragebögen beurteilt. Darüber hinaus werden vorgebrachte Anregungen bzw. Rückmeldungen der Lehrenden und Studierenden zum Unterricht zur Anpassung von Unterrichtsinhalten und -methoden genutzt. Von Seiten der Zentralen Stelle werden Unterrichtsmaterialien regelmäßig aktualisiert. Außerdem finden durch sie intermittierende stichprobenhafte Supervisionen der Dozierenden statt, bei welchen auch ein Abgleich des Unterrichts mit dem vorgegebenen Setting erfolgt. Die Dozierenden erhalten direkt im Anschluss ein Feedback. Auch auf Rückmeldungen von SP zu Unterrichtsqualität wird eingegangen.

Das Longitudinale Kommunikationscurriculum selbst wird im Rahmen regelmäßiger Revisionssitzungen aktualisiert und adaptiert. Hieran nehmen neben der Zentralen Stelle die Mitglieder der AG bzw. ihre Nachfolger*innen teil.


3. Fazit

Die Erfahrungen zur Entwicklung und Implementierung eines longitudinalen Curriculums „kommunikative Kompetenzen“ an der Medizinischen Fakultät Mannheim haben gezeigt, dass dieser Prozess aufwendig, ressourcenintensiv und langwierig sein kann. Insbesondere die Aufrechterhaltung des regulären Lehrbetriebs nach abgeschlossener Implementierungsphase und die damit verbundenen Aufgaben dürfen nicht unterschätzt werden. Die Berücksichtigung von Erfolgsfaktoren in den verschiedenen Phasen der Implementierung eines Kommunikationscurriculums kann aus unserer Sicht zu einem Gelingen des Prozesses und zur Qualitätsentwicklung des Studiums der Humanmedizin beitragen. Hierbei handelt es sich aus unserer Sicht um die folgenden Erfolgsfaktoren:

  • Etablierung einer zentralen Stelle,
  • Sicherung der organisationalen Unterstützung,
  • Bilden einer AG,
  • Strukturierte Erstellung des Curriculums,
  • Strukturierung der Lehre,
  • Akquise und Schulung von Dozierenden,
  • Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs,
  • etablierte Qualitätssicherung.

Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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