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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Digitale Gesundheitskommunikation und -kompetenzen in Zeiten von COVID-19. Planung und Umsetzung eines Studienschwerpunkts in der Gesundheitsförderung und Prävention

Kurzbeitrag Digitale Gesundheitskommunikation

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  • corresponding author Kevin Dadaczynski - Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit, Fulda, Deutschland; Leuphana Universität Lüneburg, Zentrum für Angewandte Gesundheitswissenschaften (ZAG), Lüneburg, Deutschland
  • author Daniel Tolks - Leuphana Universität Lüneburg, Zentrum für Angewandte Gesundheitswissenschaften (ZAG), Lüneburg, Deutschland; Klinikum der Universität München, LMU München, Insitut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(1):Doc31

doi: 10.3205/zma001427, urn:nbn:de:0183-zma0014273

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001427.shtml

Eingereicht: 8. August 2020
Überarbeitet: 25. Oktober 2020
Angenommen: 24. November 2020
Veröffentlicht: 28. Januar 2021

© 2021 Dadaczynski et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Infolge der Corona-Pandemie ist insbesondere das digitale Informationsaufkommen zum Thema Gesundheit substantiell angestiegen. Mit zunehmender Informationsvielfalt steigt der Bedarf an abgesicherten Gesundheitsinformationen. Im Studienschwerpunkt „Gesundheitskommunikation“ werden Studierende der Gesundheitsförderung an der Hochschule Fulda in der evidenzbasierten und zielgruppengerechten Gestaltung und Verbreitung von angemessenen gesundheitsbezogenen Informationen und präventiven Botschaften befähigt. Aufgrund der coronabedingten Hochschulschließung wurde das Modul „Digitale Gesundheitskommunikation“ im Sommersemester 2020 ausschließlich digital umgesetzt. Zur Aktivierung und zur Förderung der Teamfähigkeit orientiert sich das Modul am Ansatz des problembasierten und forschenden Lernens. Zudem beruht das Kurskonzept auf einem Methodenmix, basierend auf MS Teams mit Screencasts, Videos, synchronen Sessions, gamifizierten Audience Response Systemen, dem online Inverted-Classroom-Modell und einer abschließenden Präsenzprüfung. Trotz Herausforderungen, z. B. infolge der geringen Planungszeit oder der notwendigen Umstrukturierung einer Blockveranstaltung sind die Erfahrungen überwiegend positiv. Als sinnvoll hat sich u. a. der Einsatz von MS Teams als integrierte Lern-, Kollaborations- und Kommunikationsplattform erwiesen. In den Rückmeldungen der Studierenden werden vor allem der breite Methodeneinsatz, die spielerischen Elemente und die Flexibilität der Lehrenden positiv bewertet.

Schlüsselwörter: Gesundheitskompetenz, Gesundheitskommunikation, COVID-19, MS Teams, Online Inverted Classroom, Audience Response Systeme


Einführung

Seit Januar 2020 sind in Deutschland mehr als 429.000 Personen an SARS-CoV-2 (Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2) erkrankt, von denen etwa 10.000 Patient*innen verstorben sind (Stand: Oktober 2020, [1]). Deutschland hat zahlreiche Anstrengungen zur Bewältigung und Eindämmung des Ausbruchsgeschehens unternommen, die den ergänzenden Empfehlungen des Nationalen Pandemieplans COVID-19 folgen [2], [3]. Neben der Diagnostik, der Fallfindung und infektionshygienischen Maßnahmen zählen hierzu umfängliche Aktivitäten zur Kommunikation von Informationen, z. B. zur Erkrankungssymptomatik, zum Schutzverhalten, zu Hilfsangeboten oder auch zu gesetzlichen Regelungen. Infolge der zunehmenden Verfügbarkeit und Nutzung digitaler Technologien und Medien ist die Kommunikation vor allem digital geprägt. Informationen werden nicht nur durch öffentliche Einrichtungen oder durch Fachakteure verbreitet, sondern von einem breiten Kreis an Rezipient*innen aufgegriffen und kommunikativ verarbeitet (z. B. Kommentare auf Social Media). Die fortwährende Aktualisierung des Wissensstandes zu COVID-19 sowie die Möglichkeit, zeit- und ortsunabhängig am digitalen Kommunikationsgeschehen aktiv teilzunehmen, haben binnen kurzer Zeit zu einer Potenzierung des Informationsbestands geführt, wofür zunehmend der Begriff der Infodemie Verwendung findet [4]. Vor dem Hintergrund gesundheitsabträglicher Effekte von Falsch- und Fehlinformationen [5], [6] sind künftige Fach- und Führungskräfte bereits im Studium hinsichtlich der evidenzbasierten und zielgruppengerechten Gestaltung und Verbreitung von angemessenen gesundheitsbezogenen Informationen und präventiven Botschaften zu befähigen.

An der Hochschule Fulda stellt die Gesundheitskommunikation ein Studienschwerpunkt im Bachelorstudiengang Gesundheitsförderung dar. Unter Rückgriff auf Rossmann [7] kann hierunter ein Forschungs- und Anwendungsfeld verstanden werden, „[…] das sich mit den sozialen Bedingungen, Folgen und Bedeutungen von gesundheitsbezogener und gesundheitsrelevanter, intendierter und nicht-intendierter, intrapersonaler, interpersonaler, medialer und öffentlicher Kommunikation beschäftigt.“ Dieser erstreckt sich über zwei Semester, wobei evidenzbasierte Gesundheitsinformationen im Fokus des ersten Semesters stehen. Im zweiten Semester erfolgt eine Einführung in die digitale Gesundheitskommunikation. Quer hierzu liegen sowohl das Erlernen und Anwenden von Methoden der empirischen Sozialforschung als auch die Gesundheitskompetenz, verstanden als die Fähigkeit, gesundheitsbezogene Informationen zu finden, zu verstehen, deren Qualität kritisch zu bewerten und für die Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung der eigenen Gesundheit anzuwenden [8] (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).


Planung und digitale Umsetzung unter Corona-Bedingungen

Das Modul „Gesundheitskommunikation in digitalen Medien“ orientiert sich am Ansatz des problembasierten und forschenden Lernens, d. h. Ausgangspunkt stellt ein übergreifendes Thema dar, zu dem ein Kommunikationskonzept in Kleingruppen zu erarbeiten war. Dieses sollte verschiedene Kommunikationsebenen (z. B. Massen- und Individualkommunikation) und Medien (z. B. Social Media, Blog, Podcast) adressieren, geltende Qualitätsanforderungen berücksichtigen und ein definiertes fiktives Budget nicht überschreiten.

Dabei sollten erste Einblicke in die Umsetzung des Inhaltskonzepts in Form so genannter Medien Snippets gegeben werden (z. B. Teaser eines Podcast, Social Media Account). Für die Bearbeitung der Aufgabenstellung wurde ein Phasenmodell mit neun Arbeitsschritten vorgegeben. Diese umfassten neben einer initialen Phase des Brainstormings u. a. eine Zielgruppen- und Medienanalyse oder auch die Definition und theoriegeleite Ausgestaltung von Kommunikationsebenen, -formaten und -strategien.

Infolge der coronabedingten Schließung der Hochschule erfolgte die Umsetzung der Veranstaltung ausschließlich digital und erstmals unter Verwendung der Plattform Microsoft (MS) Teams. Hauptgründe für diese Plattform waren vor allem zahlreichen Möglichkeiten der Kollaboration und der Nutzung verschiedener Kommunikationstools (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Während die Anfangsphase aufgrund befürchteter Netzprobleme eher durch asynchrone Lehr- und Lernszenarien geprägt war (Lektionen, Videos), konnten im Semesterverlauf zunehmend synchrone Formate über Microsoft Teams und Cisco WebEx integriert werden (Gruppenmeetings, Besprechungen von Lehrinhalten). Daneben wurde das Online Inverted-Classroom-Modell angewendet [9]. Dabei mussten die Studierenden Online-Selbstlernphasen zur Vermittlung von Faktenwissen absolvieren. Diese Inhalte wurden in einer anschließenden synchronen Session von den Studierenden angewendet und gemäß der Bloomschen Taxonomie [10] vertieft. Um die Aktivierung der Studierenden nach dem ICAP Modell [11] zu fördern, wurde auf Audience Response Systeme wie z. B. Kahoot! [12] zurückgegriffen.


Erfahrungen

Die größte Herausforderung stellte die kurze Zeitspanne zur Entwicklung eines rein digitalen Kurskonzeptes sowie die eingeschränkten Möglichkeiten zu Aktivierung der Studierenden dar. Darüber hinaus musste ein ursprünglich für drei Tage konzipiertes Blockseminars (durch einen externen Lehrbeauftragten) als Teil des Moduls auf zwei Wochen (mit Hilfe von Screencasts und synchroner Lehre) aufgeteilt werden, wodurch der Workload für die Studierenden zeitweise höher ausfiel. Als vorteilhaft hat sich die Arbeit mit MS Teams erwiesen, da Studierende innerhalb einer Plattform verschiedene Möglichkeiten der Kommunikation (Chat, Video) sowie der selbstbestimmten Zusammenarbeit in den Gruppen (eigener Gruppen-Kanal mit Projektmanagementtools) nutzen konnten. Damit bestätigen unsere Erfahrungen die Ergebnisse eines kürzlich veröffentlichten Scoping Reviews, in der die Bedeutung selbstverantwortlichen digitalen Lernens hervorgehoben wird [13]. Für externe Lehrbeauftragte war die Nutzung von MS Teams jedoch mit einigen Schwierigkeiten verbunden. So gestaltete sich die Einbindung von außerhochschulischen Personen sich als komplex, einige Funktionen bzw. angebundene Anwendungen konnten nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden. Eine hochschulübergreifende Zusammenarbeit gestaltet sich aktuell noch als schwierig. Deutlich wurde aber auch ein Verstärkungsprozess, d. h. bereits aktive und leistungsstarke Studierende hatten kaum Adaptationsprobleme, während sich eher leistungsschwächere Studierende noch weniger in die Lehrveranstaltung einbrachten. Dies erforderte ein höheres Ausmaß an Unterstützung durch Lehrende (z. B. durch regelmäßige Sitzungen mit den Gruppen, Chats sowie kleinschrittige Feedbackprozesse).

Ungeachtet verschiedener Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie sind die Erfahrungen in der Umsetzung dieses Vertiefungsmoduls positiv (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Der eingesetzte Methodenmix ermöglicht es, die unterschiedlichen Lernpräferenzen der Studierenden besser zu adressieren. Diese Bemühungen finden in den positiven Rückmeldungen der Studierenden ihren Niederschlag, die neben der klassischen quantitativen Lehrveranstaltungsevaluation in Form von kurzen Feedbackabfragen über MS Teams sowie mündlichen Diskussionsrunden erfasst wurden. Neben der medialenn Umsetzung wurde der Einsatz spielerischer Elemente und die flexible Umsetzung positiv bewertet. Das Kurskonzept kann in den folgenden Semestern bei Bedarf als reine Online-Lehre genutzt werden oder zukünftig als Blended-Learning-Format weiterentwickelt werden.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Robert Koch-Institut. COVID-19-Dashboard. Berlin: Robert-Koch-Institut; 2020. Zugänglich unter/available from: https://corona.rki.de Externer Link
2.
Robert Koch-Institut. Ergänzung zum Nationalen Pandemieplan - COVID-19 - neuartige Coronaviruserkrankung. Berlin: RKI; 2020.
3.
Wieler L, Gottschalk R. Emerging COVID-19 success story: Germany's strong enabling environment. Word Data. 2020. Zugänglich unter/available from: https://ourworldindata.org/covid-exemplar-germany Externer Link
4.
Zarocostas J. How to fight an infodemic. Lancet. 2020;395(10225):676. DOI: 10.1016/S0140-6736(20)30461-X Externer Link
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Gao J, Zheng P, Jia Y, Chen H, Mao Y, Chen S, Wang Y, Fu H, Dai J. Mental health problems and social media exposure during COVID-19 outbreak. PloS one. 2020;15(4):e0231924. DOI: 10.1371/journal.pone.0231924 Externer Link
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