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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Teamarbeit, Kommunikation und Austausch trotz Covid-19 – Erfahrungen aus einem digitalen Wahlfach im Humanmedizinstudium als Teil des Projekts HiGHmed

Kurzbeitrag Kommunikation

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  • corresponding author Marianne Behrends - Medizinische Hochschule Hannover, Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, Hannover, Deutschland
  • author Ina Hoffmann - Medizinische Hochschule Hannover, Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, Hannover, Deutschland
  • author Michael Marschollek - Medizinische Hochschule Hannover, Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, Hannover, Deutschland
  • HiGHmeducation Consortium - HiGHmed Working Group for Teaching and Training, Heidelberg, Deutschland

GMS J Med Educ 2020;37(7):Doc86

doi: 10.3205/zma001379, urn:nbn:de:0183-zma0013792

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001379.shtml

Eingereicht: 24. Juli 2020
Überarbeitet: 28. September 2020
Angenommen: 23. Oktober 2020
Veröffentlicht: 3. Dezember 2020

© 2020 Behrends et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Einleitung: Um die Aus- und Weiterbildung zu Themen rund um die Digitalisierung der Medizin zu fördern, werden im Verbund HiGHmeducation Online-Lernmodule entwickelt, die auch standortübergreifend angeboten werden können. Für das Humanmedizinstudium wurde ein Wahlfach II für den Erwerb von Datenkompetenzen umgesetzt, das ursprünglich als Blended Learning Angebot konzipiert, während der Covid-19-Pandemie dann vollständig online durchgeführt wurde. Trotz fehlender Präsenzlehre sollte dabei eine intensive Zusammenarbeit der Studierenden erreicht werden.

Projektbeschreibung: Im Wahlfach bearbeiteten die Studierenden insgesamt 14 Lernaufgaben, sogenannte E-tivities, die eine kollaborative Zusammenarbeit anregen und damit die Auseinandersetzung mit den Lerninhalten fördern. Diese asynchronen Lernaktivitäten wurden durch Videokonferenzen ergänzt, bei denen die Studierenden auch die Rolle der Präsentierenden übernahmen. Die Lehrenden begleiteten als E-Moderator_innen diesen Lernprozess.

Ergebnisse: Im April/Mai 2020 wurde das Wahlfach mit 12 Studierenden vollständig online durchgeführt. Trotz einer als hoch erlebten Arbeitsbelastung wurde das Wahlfach von den Studierenden sehr gut bewertet.

Diskussion: Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff und die soziale Interaktion zwischen den Lernenden konnte mit dem didaktischen Konzept des Wahlfachs erreicht werden. Durch das digitale Lernangebot konnten die Lernenden neue Erfahrungen sammeln, die auch von beruflicher Relevanz sind.

Schlussfolgerung: Das didaktische Konzept des Wahlfachs lässt sich auf andere Lehrveranstaltungen übertragen.

Zukünftige Untersuchungen müssen zeigen, welche längerfristigen Lerneffekte eine digitale Lehre, die auf Teamarbeit, Kommunikation und Austausch setzt, generieren kann.

Schlüsselwörter: Digitale Lehre, Digitalisierung der Medizin, Datenkompetenz, Medizinstudium, Medizinische Informatik


1. Einleitung

Als Teil der Medizininformatik-Initiative des Bundesministeriums für Forschung und Bildung [https://www.medizininformatik-initiative.de/] möchte das Projekt HiGHmed [https://www.highmed.org/] einen Beitrag dazu leisten, medizinische Forschung und Patientenversorgung durch IT-Lösungen zu verbessern. Um gleichzeitig die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich zu fördern, hat sich mit HiGHmeducation [https://education.highmed.org/de/] ein Verbund von Universitäten, Hochschulen und einem Industriepartner gebildet, dessen Ziel die Entwicklung von Online-Lern-Modulen ist, die auch standortübergreifend angeboten werden können.

Speziell für die Integration in das Humanmedizinstudium wurde ein Wahlfach II für den Erwerb von Datenkompetenzen (engl. data literacy) [1] entwickelt, in dem Studierende anhand verschiedener Lernaktivitäten, jene Fähigkeiten erwerben, die es ermöglichen, Daten auf kritische Weise zu sammeln, zu verwalten, auszuwerten und anzuwenden. Zentral ist dabei ein didaktischer Ansatz, der in einer Lerngemeinschaft die eigenständige, wissenschaftlich reflektierte Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglicht [2].

Nach der ersten Durchführung des Wahlfachs Anfang 2020 als Blended Learning Angebot mit online Lernphasen und regelmäßigen Präsenztreffen, erfolgte die zweite Durchführung während der Covid-19-Pandemie vollständig online. Trotz fehlender Präsenzlehre sollte dabei ein intensiver Austausch zwischen den Studierenden erreicht werden.


2. Projektbeschreibung

Die Gestaltung des Wahlfachs orientiert sich am didaktischen Konzept von HiGHmed [3] und dem Modell der E-tivities von Salmon [4], welche einen konstruktivistischen Ansatz verfolgen und das kooperative Lernen in den Mittelpunkt stellen. Arbeitsaufgaben in Form von E-tivities regen die eigenständige Bearbeitung und den Austausch zwischen den Lernenden an. Ausgehend von einer aktivierenden Einführung in das Thema, bearbeiten die Lernenden zuerst alleine eine konkrete Aufgabe. Ihre Ergebnisse präsentieren sie den anderen Lernenden in einem Forum. Im nächsten Schritt enthält jede E-tivity einen Arbeitsauftrag, der die Zusammenarbeit einfordert und damit Kompetenzen wie Team- und Kommunikationsfähigkeit schult. Finales Ergebnis jeder E-tivity ist die Verschriftlichung des gemeinsamen Ergebnisses. Die Lehrenden begleiten als E-Moderator_innen diesen Lernprozess, indem sie Denkanstöße bieten, Wissen verknüpfen, Feedback geben und die Zusammenarbeit fördern.

Für das kollaborative Arbeiten nutzen die Studierenden Foren und Wikis im Lernmanagementsystem der Universität. Bei der reinen online Durchführung wurde ihnen zusätzlich die Möglichkeit gegeben, sich in einen virtuellen Raum in Form einer Videokonferenz zu treffen. Die drei Präsenzveranstaltungen der ersten Durchführung wurden durch vier Videokonferenzen ersetzt, bei denen die Studierenden auch die Rolle der Präsentierenden übernahmen und die Ergebnisse ihrer Bearbeitung der E-tivities vorstellten.

Neben E-tivities zum Kennenlernen, zum Einstieg und zur Reflexion wurden die inhaltlichen Themen „Datenerhebung und Quellen medizinischer Daten“, „Datenmanagement und -modellierung“, „Datenanalyse und -visualisierung“ sowie „ethische und rechtliche Aspekte“ behandelt. Insgesamt mussten die Studierenden 14 E-tivities bearbeiten.


3. Ergebnisse

Im April/Mai 2020 wurde das Wahlfach mit 12 Studierenden über einen Zeitraum von fünf Wochen komplett online durchgeführt. Wie bei allen HiGHmed-Modulen wurden basierend auf der deutschen Übersetzung des Community of Inquiry-Instruments [5], [6] der soziale Austausch, die Unterstützung durch die Lehrenden sowie die Möglichkeit der gemeinsamen Wissenskonstruktion durch die Kommunikation untersucht. Alle Aspekte wurden im Mittel von den Studierenden positiv bewertet. Im Rahmen der regulären Lehrevaluation der Hochschule bewerteten die Studierenden das Wahlfach ebenfalls sehr positiv (13,1 Punkte auf der Oberstufennotenskala). Weitere Aspekte, die in der Evaluation untersucht wurden, zeigen aber auch die Schwächen des didaktischen Ansatzes. So wurden etwa die Arbeitsbelastung und der asynchrone Austausch in den Foren von einigen Studierenden als Herausforderung erlebt. Dennoch überwogen die positiven Rückmeldungen und die Intensität des Austausches wurde von den Studierenden – wie auch von den Dozierenden – als Bereicherung erlebt. In den Freitexten wurde die klare Gliederung der Aufgaben, die Diskussionen in den Foren, die Webkonferenzen sowie die Möglichkeit zur selbstständigen Erarbeitung der Themen im Team als positive Beispiele für die digitale Lehre hervorgehoben.


4. Diskussion

Die aktive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff und die soziale Interaktion zwischen den Lernenden sind gerade bei reinem digitalen Lernen Herausforderungen, die den Lernerfolg beeinflussen [7]. Die an konstruktivistischen Lerntheorien orientierte Form des Wahlfachs bot den Studierenden entsprechende Unterstützung, erforderte aber auch Motivation und Arbeitseinsatz. Dabei erlebten die Studierenden diese neue Form des Lernens als Bereicherung. So konnten sie z.B. erste Erfahrungen mit einer aktiven Rolle bei Videokonferenzen sammeln, was eine Grundlage bilden kann für die Durchführung von Telesprechstunden, deren Bedeutung durch die Covid-19-Pandemie deutlich zugenommen hat [https://www.management-krankenhaus.de/topstories/it-kommunikation/corona-krise-beschleunigt-telemedizin].


5. Schlussfolgerung

Die durch Covid-19 bedingten Einschränkungen der Lehre eröffnen – für die Studierenden und die Lehrenden gleichermaßen – die Chance, neue Lernerfahrungen zu machen. Das vorgestellte didaktische Konzept lässt sich dabei auf andere Lehrveranstaltungen mit kleineren Lerngruppen übertragen.

Hinsichtlich der Digitalisierung der Medizin spielt die Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen Medizin und Informatik eine wichtige Rolle. Um diesen Austausch zu fördern, werden in HiGHmeducation digitale Lernmodule fach- und universitätsübergreifend angeboten. Welche längerfristigen Lerneffekte eine digitale Lehre, die auf Teamarbeit, Kommunikation und Austausch setzt, als Teil einer interdisziplinären Ausbildung im Medizinstudium generieren kann, müssen weitere Untersuchungen zeigen.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Ridsdale C, Rothwell J, Smit M, Bliemel M, Irvine D, Kelley D, Matwin SS, Wuetherick B, Ali-Hassan H. Strategies and Best Practices for Data Literacy Education: Knowledge Synthesis Report. Halifax, NS: Dalhousie University; 2015. DOI: 10.13140/RG.2.1.1922.5044 Externer Link
2.
Garrison DR, Anderson T, Archer W. Critical inquiry in a text-based environment: Computer conferencing in higher education. Internet High Educ. 1999;2(2-3):87-105. DOI: 10.1016/S1096-7516(00)00016-6 Externer Link
3.
Witte ML, Behrends M, Benning NH, Hoffmann I; HiGHmeducation Consortium, Bott OJ. The HiGHmed Didactical Framework for Online Learning Modules on Medical Informatics: First Experiences. Stud Health Technol Inform. 2020;272:163-166. DOI: 10.3233/SHTI200519 Externer Link
4.
Salmon G. E-tivities: The Key to Active Online Learning. Second edition. London: Routledge; 2013. DOI: 10.4324/9780203074640 Externer Link
5.
Arbaugh JB, Cleveland-Innes M, Diaz SR, Garrison DR, Ice P, Richardson JC, Swan KP. Developing a community of inquiry instrument: Testing a measure of the community of inquiry framework using a multi-institutional sample. Internet High Educ. 2008;11(3-4):133-136. DOI: 10.1016/j.iheduc.2008.06.003 Externer Link
6.
Ammenwerth E, Hackl W. Übersetzung und Validierung des Community of Inquiry-Instruments zur Messung erfolgreicher Lernprozesse in online-gestützten Lernsettings. 62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Oldenburg, 17.-21.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocAbstr. 193. DOI: 10.3205/17gmds004 Externer Link
7.
Croxton RA. The role of interactivity in student satisfaction and persistence in online learning. J Online Learn Teach. 2014;10(2):314.