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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Förderung selbstregulativer Lernstrategien bei Studierenden der Gesundheitsberufe zur Verbesserung des E-Learnings im „Corona-Semester“ als interdisziplinäre Aufgabe

Kurzbeitrag Mentoring

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  • corresponding author Bärbel Wesselborg - Fliedner Fachhochschule, Studiengang Pflegepädagogik und Berufspädagogik Pflege und Gesundheit, Düsseldorf, Deutschland

GMS J Med Educ 2020;37(7):Doc76

doi: 10.3205/zma001369, urn:nbn:de:0183-zma0013693

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001369.shtml

Eingereicht: 31. Juli 2020
Überarbeitet: 3. Oktober 2020
Angenommen: 21. Oktober 2020
Veröffentlicht: 3. Dezember 2020

© 2020 Wesselborg.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Problemstellung/Ziele: Selbstregulative Lernstrategien (SRL) stellen eine zentrale Voraussetzung zur zielorientierten und erfolgreichen Nutzung digitaler Lernangebote im Studium der Gesundheitsberufe dar. Häufig werden SRL bei Studierenden vorausgesetzt, wovon allerdings nicht ausgegangen werden kann. Am Beispiel des pflegepädagogischen Masterstudiengangs der Fliedner Fachhochschule wird aufgezeigt, wie die Thematisierung von SRL Studierende beim selbstgesteuerten E-Learning und der Erweiterung ihrer digitalen Lernkompetenz unterstützen kann.

Methoden: Die Phase des E-Learnings wurde mit einem Projekt zur Einführung in SRL begonnen. Dabei erarbeiteten die Studierenden (N=49) aufgabenorientiert Texte zu SRL, die über eine Lernplattform zur Verfügung gestellt wurden. Anschließend reflektierten die Studierenden mittels eines erprobten Fragebogens individuell ihre SRL und setzten sich Enzwicklungsziele. Ende des Semesters wurde die Nützlichkeit von SRL in einer Gruppendiskussion mit offenen Fragen, aus Sicht der Studierenden, evaluiert und die Antworten qualitativ ausgewertet.

Ergebnisse: Die Kenntnis von SRL unterstützte die Studierenden während der Phase des E-Learnings ihre Lernhandlungen zielorientiert zu planen und die Lernangebote systematisch zu nutzen.

Diskussion/Schlussfolgerungen: SRL kann die digitale Lernkompetenz von Studierenden fördern und bei der Bewältigung der Studienanforderungen in den Phasen des E-Learnings unterstützen. Dabei könnten SRL in einem interdisziplinären Curriculum zur Förderung der digitalen Lernkompetenz von Studierenden als fächerübergreifendes Thema aufgenommen werden und als Querschnittsthema in allen Studiengängen der Gesundheitsberufe vorangetrieben werden.

Schlüsselwörter: E-Learning, selbstregulatives Lernen, digitale Lernkompetenz, Studierende der Gesundheitsberufe


1. Einleitung

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erforderten auch im pflegepädagogischen Masterstudiengang der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf die vollständige Umstellung der Lehrveranstaltungen auf E-Learning Formate. Der Studiengang qualifiziert Angehörige der Gesundheitsberufe für die Lehrtätigkeit an den Schulen des Gesundheitswesens. Unter ‚E-Learning‘ werden alle Lehr-Lern Arrangements verstanden in welchen digitale Medien zum Einsatz kommen, wie z.B. für die Präsentation von Lerninhalten, der Verteilung von Lernmaterialien oder der Kommunikation zwischen Lernenden und Lehrenden [1]. Im pflegepädagogischen Masterstudiengang wurde in der Phase des E-Learnings eine Lernplattform für die Bereitstellung von Lernmaterialien sowie eine videogestützte Software für die direkte Kommunikation mit den Studierenden genutzt. Die selbstgesteuerte Phase der Bearbeitung der über die Lernplattform zur Verfügung gestellten Materialien ging mit einer gewissen Flexibilisierung einher, da diese nicht an bestimmte Zeiten oder Lernorte gebunden war [2], [3]. Entsprechend erfolgte die Organisation der Lernprozesse durch die Studierenden eigenverantwortlich. Dies setzt hohe Fähigkeiten des Selbstmanagements und des selbstregulativen Lernens voraus [2], [4]. SRL kann damit als grundlegende Voraussetzung zum erfolgreichen digitalen Lernen und als digitale Lernkompetenz [5] bezeichnet werden. SRL sind für das Studium aller Gesundheitsberufe relevant und entsprechend von hoher interdisziplinärer Bedeutung. Ziel des Artikels ist es daher, Anregungen zur Förderung von SRL bei Studierenden aller Gesundheitsberufe zur Förderung der digitalen Lernkompetenz in Phasen des E-Learnings zu bieten.


2. Selbstregulatives Lernen

SRL basiert auf dem Konzept der Selbstregulation. Verstanden wird darunter die Fähigkeit das eigene Lernverhalten bewusst zu lenken. Sämtliche Lernprozesse haben eine Steuerungskomponente, wenn diese außerhalb des Lernenden liegt, ist das Lernen fremdgesteuert. Liegt diese Komponente beim Lernenden selbst, ist vom selbstgesteuerten oder selbstregulierten Lernen die Rede [4].

Studierende mit hohen selbstregulativen Fähigkeiten sind in der Lage sich selbständig Lernziele zu setzen. Dabei wählen sie, entsprechend des Ziels, passende Lerninhalte aus und setzen angemessene Lerntechniken und -strategien ein. Sie halten ihre Motivation zum Lernen aufrecht und steuern ihre Aufmerksamkeit sowie die eigenen Emotionen bewusst und zielgerichtet [6].

Zu Unrecht werden selbstregulative Kompetenzen als „gegeben“ vorausgesetzt und es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich diese mit der Zeit „von alleine“ entwickeln. Vielen Dozenten ist nicht bewusst, dass SRL erlernt werden muss und eigene Voraussetzungen und Zielperspektiven hat [4], [7]. Dabei kann die Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen geübt werden und steigert die Zufriedenheit und Leistungen im Studium [8], [9].

Modelle des selbstregulativen Lernens klassifizieren drei Einflussebenen [4]:

1.
Verhaltensebene: Hier geht es um die effiziente und ausreichende Planung der zur Verfügung stehenden Lernzeit und einer hohen Selbstbeobachtung während des Lernens.
2.
Emotionsebene: Dies sind Strategien zur positiven Aufrechterhaltung der Lernmotivation und der Durchhaltekraft während des Lernprozesses.
3.
Kognitive und metakognitive Prozessebene: Dies sind willentliche und bewusste strategische Lernaktivitäten des Wiederholens, Elaborierens und Organisierens von Informationen.

Der Lernprozess läuft idealtypisch in drei Phasen ab [10] (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]):

  • In der „Präaktionale Phase“ werden die Lernhandlungen geplant und die anstehenden Aufgaben analysiert. Dabei setzen sich die Studierenden realistische und gleichzeitig herausfordernde Ziele mit einer positiven Erwartungshaltung.
  • In der „Aktionale Phase“ werden nach Erfassung der Wissenslücken die Lernaktivitäten vorangetrieben. Dabei sollte die Aneignung des Lernstoffs in realistischen Abschnitten erfolgen und sich der/die Studierende ständig beobachten, inwieweit der Prozess zielgerichtet verläuft.
  • Am Ende überprüfen die Studierenden in der „Postaktionale Phase“ das Erreichen ihres Lernziels, was zu einer Anpassung der Lernstrategie/des Lernziels führen kann.

3. Projekt zur Förderung von SRL bei Pflegepädagogikstudierenden

Die Einführung in SRL wurde im pflegepädagogischen Masterstudiengang im E-Learning mittels aufgabenbasierter Textarbeit in drei Phasen gestaltet [3]. Nach einer virtuellen Kick-off Veranstaltung mit der Darstellung der Ziele zu SRL wurde den Studierenden (N=49) über die Lernplattform Lernmaterialien zur Verfügung gestellt. Die Lernmaterialien bestanden aus Texten zur Funktion, Modellen und Phasen von SRL sowie Aufgaben zur selbstgesteuerten Erarbeitung und Vertiefung der Inhalte. Nach der Erarbeitung reflektierten die Studierenden ihre eigenen selbstregulativen Lernfähigkeiten mit Hilfe des Fragebogens „Wie lernen Sie“ [11] und formulierten persönliche Entwicklungsziele. Anschließend luden die Studierenden die Arbeitsergebnisse der Textarbeit auf die Lernplattform hoch und erhielten von den betreuenden Dozierenden eine Rückmeldung (u.a. [3], [12]). Während des digitalen Semesters wurden die Studierenden bei zu bearbeitenden Aufgaben zudem immer wieder auf die Möglichkeit der Nutzung der SRL hingewiesen.

Am Semesterende wurde die Nützlichkeit von SRL zur Bewältigung der Studienanforderungen im digitalen „Corona-Semester“ in einer videogestützten Gruppendiskussion im mit offenen Fragen evaluiert und die Antworten qualitativ ausgewertet. Die Auswertung zeigte, dass die Studierenden die Kenntnis und bewusste Nutzung von SRL als wichtige Strategie zur Erreichung der Lernziele im Corona-Semester werteten. Insbesondere unterstützte die Studierenden SRL ihren Lernprozess zielorientiert anhand der Phasen von SRL zu planen und dadurch die Lernangebote systematischer zu nutzen. Zudem lenkte der Fragebogen „Wie lernen Sie“ durch die operationalisierten Items auf eigene Entwicklungspunkte und regte zur Reflektion des Lernverhaltens an.


4. Diskussion und Ausblick

Die Kenntnis von SRL unterstützte die Studierenden während der Phase des E-Learnings ihre Lernhandlungen zielorientiert zu planen und die Lernangebote systematisch zu nutzen. Diese Ergebnisse bestätigten die hohe Bedeutung von SRL für den Lernprozess, bei der Bewältigung digital angebotener Lehrformate [2], [5], [8], [9]. Auf die Bedeutung von SRL als digitale Lernkompetenz und Voraussetzung für eigenverantwortliches Studieren weist auch die Handlungsanweisung der University Michigan hin, die insbesondere SRL zur Bewältigung der Studierendenanforderungen während des digitalen Corona-Semesters thematisiert [13].

Die Förderung von SRL bei Studierenden zur Bewältigung der Studienanforderungen in Phasen des E-Learnings stellt ein interdisziplinäres und fächerübergreifendes Thema dar [12], [13], [14]. SRL sollte in einem interdisziplinären Curriculum zur Förderung der digitalen Lernkompetenz als Querschnittsthema in allen Studiengängen der Gesundheitsberufe vorangetrieben werden. Dabei könnte der Austausch der einzelnen Professionen zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Lernverhalten und Lernkulturen in der Ausbildung der Gesundheitsberufe auch das gegenseitige Verständnis in Bezug auf die Planung und Durchführung interprofessioneller Lehr- und Lernprojekte [15] erhöhen.


Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Kerres M, Preußler A. Mediendidaktik. In: Meister D, Gross F, Sander U, editors. Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2012. DOI: 10.3262/EEO18120258 Externer Link
2.
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Wesselborg B, Hoenen M, Adam-Paffrath R, Kuske S, Schendel L, Grünewald M, Wilm S, Rotthoff T. Interprofessional nutrition managmenet - implementation and evaluation of a course for medical and nursing students using research-based learning method. GMS J Med Educ. 2019;36(6):Doc68. DOI: 10.3205/zma001276 Externer Link