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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Feedback in der Medizinischen Ausbildung – ein Workshopbericht mit Praxisbeispielen und Empfehlungen

Artikel Feedback

  • corresponding author Christian Thrien - Universität zu Köln, Kölner Interprofessionelles Skillslab und Simulationszentrum, Köln, Deutschland
  • author Götz Fabry - Albert-Ludwig-Universität Freiburg, Abt. für Med. Psychologie und Med. Soziologie, Freiburg i. Br., Deutschland
  • author Anja Härtl - Universität Augsburg, Med. Fakultät, Lehrstuhl für Medizindidaktik und Ausbildungsforschung, Augsburg, Deutschland; Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Claudia Kiessling - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Lehrstuhl für die Ausbildung personaler und interpersonaler Kompetenzen im Gesundheitswesen, Witten, Deutschland
  • author Tanja Graupe - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Ingrid Preusche - Veterinärmedizinische Universität Wien, Prüfungswesen und Qualitätssicherung, Wien, Österreich
  • author Susanne Pruskil - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Hamburg, Deutschland
  • author Kai P. Schnabel - Universität Bern, Institut für medizinische Lehre, Abteilung für Unterricht und Medien, Bern, Schweiz
  • author Monika Sennekamp - Universitätsklinikum Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • author Stefan Rüttermann - Goethe-Universität Frankfurt, Carolinum Zahnärztliches Universitäts-Institut gGmbH, Poliklinik für Zahnerhaltung, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Alexander Wünsch - Technische Universität München, TUM Medical Education Center TUM MEC, München, Deutschland; Tumorzentrum Freiburg - CCCF, Psychosoziale Krebsberatung in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Freiburg Deutschland; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Medizinische Fakultät, Freiburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2020;37(5):Doc46

doi: 10.3205/zma001339, urn:nbn:de:0183-zma0013396

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001339.shtml

Eingereicht: 6. November 2019
Überarbeitet: 9. April 2020
Angenommen: 30. Juni 2020
Veröffentlicht: 15. September 2020

© 2020 Thrien et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Feedback ist als Unterrichtsmethode integraler Bestandteil der Medizinischen Ausbildung. Jedoch mangelt es an einer einheitlichen theoretischen Basis oder allgemein anerkannten Guidelines für die konkrete Ausgestaltung. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel dieses Artikels, konzeptuelle Überlegungen und empirische Erkenntnisse zum Thema Feedback anhand verschiedener Praxisbeispiele zu diskutieren.

Vorgehen und konzeptuelle Überlegungen: Aufbauend auf den Ergebnissen eines Workshops des Ausschusses für Kommunikative und soziale Kompetenzen der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) werden in diesem Artikel zunächst zentrale konzeptuelle Überlegungen und empirische Ergebnisse zum Thema Feedback erläutert. Besonderes Augenmerk liegt auf diversen Variablen, die die Wirkung von Feedback beeinflussen. Dazu gehören die Feedbackquelle, die Häufigkeit des Feedbacks, Anknüpfungspunkte des Feedbacks, der Zusammenhang von Feedback und Reflexion sowie die Motivation und metakognitive Fähigkeiten der Feedbackempfängerinnen und -empfänger.

Praxisbeispiele: Die Umsetzung von Feedback in der Praxis wird exemplarisch anhand von acht Beispielen aus dem Feld der medizinischen und zahnmedizinischen Ausbildung dargestellt. Sie entstammen diversen Settings. Der Schwerpunkt liegt auf formativem, mündlichem Feedback. Es zeigt sich, dass hier eher die Feedbackgebenden im Fokus stehen, als die Feedbackempfangenden. Eine Anleitung zur Reflexion für die Feedbackempfangenden ist noch die Ausnahme.

Diskussion: Viele der in der Literatur beschriebenen relevanten Aspekte für die Wirkung von Feedback werden in den besprochenen Praxisbeispielen bereits berücksichtigt. Abschließend werden sieben Empfehlungen zur Umsetzung von Feedback in der Praxis formuliert.

Schlüsselwörter: Feedback, psychologisch, prägendes Feedback, Modelle, pädagogisch


Einleitung

Feedback als Unterrichtsmethode ist heutzutage aus der Medizinischen Ausbildung nicht mehr wegzudenken. Es gibt kaum einen Lernzielkatalog, der nicht das Thema „Feedback geben und Feedback nehmen“ enthält [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8].

Dementsprechend gibt es auch eine Fülle von Literatur, die sich mit dem Thema Feedback beschäftigt, meist jedoch angloamerikanisch. Die Wirksamkeit von Feedback hängt demnach von einer Vielzahl von Faktoren ab, die u.a. den Kontext des Feedbacks, Inhalt und Art des Feedbacks, Eigenschaften und Verhaltensweisen der Feedback gebenden Person, wie auch der Feedback empfangenden Person und deren Verhältnis zueinander umfassen.

Im Herbst 2013 führte der Ausschuss „Kommunikative und soziale Kompetenzen“ (KusK) der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) eine Umfrage an allen deutschsprachigen medizinischen Fakultäten in der D-A-CH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) durch, in der u.a. abgefragt wurde, ob und wie Feedback in der Lehre von kommunikativen und sozialen Kompetenzen eingesetzt wird [9]. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der Einsatz von Feedback in diesem Lehrkontext im deutschsprachigen Raum weit verbreitet ist, die Ausgestaltung stark variiert und eine einheitliche theoretische Basis des Feedbacks noch fehlt. Auch international wird konstatiert, dass es zwar eine Vielzahl von pragmatischen Empfehlungen zum Thema Feedback gibt, es jedoch wenig Literatur zur theoretischen Fundierung gibt und kaum gesicherte empirische Erkenntnisse zu finden sind (z.B. [10], [11], [12]).

Vor diesem Hintergrund ist das Ziel dieses Artikels, konzeptuelle Überlegungen und empirische Erkenntnisse zum Thema Feedback anhand verschiedener Praxisbeispiele zu diskutieren. Damit soll eine Verbindung zwischen den theoretischen Überlegungen auf der einen und der gelebten Praxis auf der anderen Seite hergestellt werden. Auf dieser Basis werden abschließend Empfehlungen für die Lehrpraxis entwickelt.


Vorgehen

Der Artikel entstand auf der Basis eines Workshops zum Thema Feedback, den der GMA-Ausschuss KusK im Juni 2014 veranstaltete. Die 30 Teilnehmer*innen kamen aus 17 medizinischen Fakultäten Deutschlands, der Schweiz und den Niederlanden. Alle hatten Erfahrungen mit dem Thema Feedback in der medizinischen und zahnmedizinischen Aus- und Weiterbildung, insbesondere im Bereich kommunikativer und sozialer Kompetenzen.

Zunächst wurden sechs ausgewählte Artikel [13], [14], [15], [16], [17], [18], die die Bandbreite des derzeitigen Forschungsstandes abbilden, von den Teilnehmer*innen in Kleingruppen diskutiert. Die Artikel befassten sich mit

  • der Frage der Feedbackkultur im Sinne eines fortgesetzten Prozesses, der Reflexion anregen soll [13],
  • dem Zusammenhang von spezifischem Feedback, der darauf folgenden Reflexion der Feedback empfangenden Person und der Nutzung des Feedbacks für den weiteren Lernprozess [16],
  • den kognitionspsychologischen Mechanismen der Reflexion im Sinne der Störung und Anpassung von Skripten und Selbstschemata [17],
  • dem Einfluss der Wahrnehmung des, insbesondere negativen, Feedbacks sowohl bei Trainer*innen als auch Lernenden auf die Wirksamkeit desselben [18],
  • der Bedeutung des Regulationsfokus (prevention/promotion) im Feld der Medizin auf die Wirkung des Feedbacks [14], sowie
  • der Wirksamkeit der spezifischen Technik des Feedback-Sandwiches auf die Performanz [15].

Im Anschluss an die Diskussion der Literatur wurden – aufbauend auf der Literatur – in parallelen Gruppen vorab ausgewählte Praxisbeispiele bearbeitet und zum Teil praktisch erprobt. Anhand der Praxisbeispiele konnten verschiedene Vorgehensweisen zum Thema Feedback vor dem Hintergrund der Literatur diskutiert werden.

Nachfolgend werden zum einen die theoretischen Überlegungen der Literaturbearbeitung, ergänzt durch weitere Studien zum Thema Feedback und zum anderen die Ergebnisse der Diskussion der Praxisbeispiele dargestellt.


Konzeptuelle Überlegungen

Definition von Feedback

Auf der Basis einer systematischen Literatursuche fanden van de Ridder et al. [8] neun Merkmale, die in Feedbackdefinitionen regelmäßig vorkommen:

1.
Inhalt des Feedbacks,
2.
Ziel des Feedbacks,
3.
Feedbackempfänger*in,
4.
Form des Feedbacks,
5.
Art der Gewinnung/Vorbereitung der Information, zu der Feedback gegeben wird,
6.
Quelle der Informationen, zu denen Feedback gegeben wird,
7.
Feedbackgeber*in,
8.
Kommunikationsbedingungen für das Feedback,
9.
Kontextuelle Faktoren der Feedbacksituation.

Auf dieser Grundlage definieren van de Ridder et al. Feedback als „[…] eine spezifische Information über den Vergleich zwischen einer beobachteten Leistung von Lernenden und einem Standard, die mit der Absicht gegeben wird, die Leistung der Lernenden zu verbessern.“ (Übersetzung d. Autors CT)

Feedback bedarf also eines Standards, mit dem eine beobachtete Leistung – im Sinne von Performanz – verglichen und das Vergleichsergebnis der Feedback empfangenden Person mitgeteilt wird, mit dem Ziel, zukünftige Leistungen zu verbessern [8]. Der Standard, mit dem die Leistung verglichen wird, kann dabei sehr unterschiedlich definiert sein, z.B. als Erwartungshorizont, der schriftlich niedergelegt ist, als Leistung einer Bezugsgruppe von Kolleg*innen oder Lernenden, als vorherige Leistungen der Lernenden selbst oder auch als Meinung der Lehrenden, was die Lernenden können müssten. Qualität und Quelle des Standards können also variieren. Die Kriterien, die einen Standard definieren, können objektiv oder subjektiv, absolut oder relativ sein [8].

Variablen, die die Wirkung von Feedback beeinflussen

Die weitverbreitete Annahme, Feedback habe eine grundsätzlich positive Wirkung, wird von den empirischen Studienergebnissen nicht ohne Weiteres gestützt [11], [12], [19]. Vielmehr zeichnet sich ab, dass es eine Vielzahl von Variablen gibt, die die Wirkung von Feedback beeinflussen. Dazu gehören unter anderem die Quelle des Feedbacks, die Beziehung zwischen Feedbackempfangenden und -gebenden, der Inhalt des Feedbacks, der Zeitpunkt sowie die momentane innere Verfassung der Feedback empfangenden Person, welche durch verschiedene emotionale, motivationale und kognitive Aspekte bestimmt ist.

Im Folgenden werden die Ergebnisse der oben erwähnten Studien dargestellt, die sich mit folgenden Dimensionen als mögliche Einflussfaktoren auf die Wirkung von Feedback beschäftigen:

  • Feedbackquelle und -häufigkeit,
  • theoretische Modelle zur Wirkung von Feedback,
  • dem Zusammenhang zwischen Feedback und Reflexion,
  • den Feedbackempfangenden und ihrer Motivation.
Feedbackquelle und -häufigkeit

Veloski et al. [12] untersuchten im Rahmen eines systematischen Reviews, welche Faktoren des Feedbacks die klinische Performanz von Ärztinnen und Ärzten beeinflussen. Ein Großteil der 41 eingeschlossenen Studien konnte dabei positive Effekte von Feedback nachweisen. Die Autor*innen zogen das Fazit, dass Feedback vor allem dann effektiv ist, wenn es von einer maßgeblichen und glaubwürdigen Quelle und regelmäßig über einen längeren Zeitraum gegeben wird. Für die Glaubwürdigkeit spielt neben der fachlichen Expertise u.a. auch der respektvolle Umgang mit der Feedback empfangenden Person eine Rolle [17], [20]. Veloski et al. [12] stellten allerdings auch fest, dass bisher relativ wenige Ergebnisse vorliegen, die durch randomisierte kontrollierte Studien gewonnen wurden.

Modelle zur Wirkung von Feedback

Der Frage, welche positive oder auch negative Wirkung Feedback auf die individuelle Leistung hat, sind Kluger und DeNisi [11] in einer umfassenden Übersichtsarbeit nachgegangen. Auf Grundlage ihrer Erkenntnisse entwickelten sie ein Modell der Feedbackwirkung (Feedback Intervention Theory). Dabei beziehen sie sich auf eine Fülle von Erkenntnissen und Konzepten der Motivations- und Kognitionspsychologie, wobei sie sich vor allem mit der Frage befassen, worauf eine Person bei der Rezeption und Verarbeitung eines Feedbacks ihre Aufmerksamkeit richtet.

Im Hinblick auf die dabei beteiligten motivationalen und kognitiven Prozesse unterscheiden sie drei hierarchisch aufeinander bezogene Ebenen: Die unterste Ebene (Task-learning Processes) beschreibt die unmittelbar zur Bewältigung einer Aufgabe notwendigen Prozesse, z.B. die gewählte Problemlösestrategie sowie die darin enthaltenen Hypothesen über die Lösung einer Aufgabe. Die mittlere Ebene (Task-motivation Processes) beschreibt vor allem das Anstrengungsmanagement. So wird bei einer Diskrepanz zwischen Leistung und Standard die Anstrengung gesteigert, bis diese Diskrepanz beseitigt ist. Die oberste Hierarchieebene (Meta-task Processes) schließlich umfasst Prozesse, die der Selbstregulation, z.B. hinsichtlich des Selbstbilds, dienen. Lässt sich etwa durch vermehrte Anstrengung keine verbesserte Leistung erzielen, dann wird auf der höchsten Ebene entschieden, ob es sich lohnt, die Bewältigung der Aufgabe weiter zu verfolgen. Auf dieser Ebene wird auch bewertet, ob die Feedbackquelle an sich überhaupt so glaubwürdig ist, dass weitere Anstrengungen lohnenswert erscheinen.

Mit diesen Annahmen lassen sich die unterschiedlichen Auswirkungen von Feedback erklären: Häufig ist die Aufmerksamkeit einer potentiell Feedback empfangenden Person auf die mittlere Ebene (Task-motivation Processes) gerichtet, weil einerseits viele Aufgaben automatisiert bewältigt werden und andererseits die eigene Person eher selten im Fokus steht. Feedback verschiebt diesen Aufmerksamkeitsfokus bei der empfangenden Person entweder auf die untere Ebene (Task-learning Processes), was zu alternativen, verbesserten Handlungsstrategien führen kann oder auf die obere Ebene (Meta-task Processes), wo z.B. das Selbstbewusstsein beeinträchtigt und dementsprechende Abwehr hervorgerufen werden kann. Je höher in dieser Hierarchie das Feedback und damit der „locus of attention“ ansetzt, umso weniger effektiv wird daher die Performanz beeinflusst [10], [11], [13], [17].

Ein weiteres Feedback-Modell schlagen Hattie und Timperley [10] vor, die sich in ihrem Review auf die Bedingungen konzentrieren, die die positiven Effekte des Feedbacks maximieren. Sie betonen dabei die Bedeutung klarer Lernziele und konkreter Rückmeldungen zum Lernprozess. Feedback muss demnach Antworten auf drei zentrale Fragen liefern:

„Wohin bewege ich mich? (Was sind die Ziele?), Wie komme ich dorthin? (Welcher Fortschritt in Richtung auf die Ziele wird gemacht?), und Was kommt als nächstes? (Welche Schritte müssen unternommen werden, um besser voranzukommen?)“ (Übersetzung d. Autors CT)

Zudem differenzieren sie vier Ebenen, auf die sich Feedback beziehen kann, die den von Kluger und DeNisi [11] beschriebenen drei Ebenen ähneln:

1.
die Aufgabe,
2.
den Prozess zur Lösung der Aufgabe,
3.
die Selbststeuerung der Lernenden,
4.
das Selbst der Lernenden.

Für alle Ebenen gilt, dass Feedback, welches sich auf konkrete Aufgaben bezieht und Verbesserungsvorschläge, respektive neue Lernziele, beinhaltet, stärkere Effekte hervorbringt als unspezifisches Lob oder Tadel. Sie bestätigen die geringe Effektivität von Feedback auf der Ebene des Selbst.

Besonders effektiv kann Feedback demnach sein, wenn es sich auf den Prozess der Aufgabenerfüllung oder auf die Selbststeuerung der Lernenden in Bezug auf den Lernprozess bezieht. Im letzteren Fall hängt dies aber in besonderem Maße von der Feedback empfangenden Person ab, u.a. von der Bereitschaft, Feedback zu suchen und damit umzugehen, dem Vertrauen in die Richtigkeit der eigenen Handlungen, dem Selbstwirksamkeitsempfinden und der Attribution von Erfolg und Misserfolg.

Feedback, das sich auf die Aufgabe selbst bezieht, kann wiederum dann sehr effektiv sein, wenn es auch auf den Lösungsprozess und die Selbstregulation verweist. Außerdem spielt der Zeitpunkt des Feedbacks insofern eine Rolle, als auf der Ebene der Aufgabe, insbesondere, wenn sie einfach ist, ein unverzügliches Feedback, auf der Ebene des Prozesses und bei schwierigeren, komplexeren Aufgaben dagegen ein verzögertes Feedback effektiver ist [10], [13].

Auch scheint die Art des Feedbacks einen wichtigen Einfluss zu haben. In einer der wenigen empirischen Studien zur Effektivität verschiedener Arten des Feedbacks konnten v. Ridder et al. zeigen, dass ein positiv eingebettetes Feedback die Zufriedenheit und die Selbstwirksamkeit der Feedbackempfangenden erhöht [21]. In Bezug auf die Performanz ergab die Studie keine eindeutigen Ergebnisse. Die Leistungen der Gruppe, die positiv eingebettetes Feedback erhielt, waren zwar besser als die Leistungen der Gruppe mit negativ eingebettetem Feedback, allerdings traf dies schon vor der Feedbackintervention zu.

Feedback und Reflexion

Pelgrim et al. [16] diskutieren in einer Beobachtungsstudie bei allgemeinärztlichen Konsultationen mit realen Patient*innen das Feedbackgeben und -empfangen. Sie analysierten den Zusammenhang zwischen spezifischem Feedback, der Reflexion durch die Lernenden und der Nutzung des Feedbacks, gemessen an der Entwicklung eines Aktionsplans für das zukünftige Lernen. Sie fanden heraus, dass nur einem spezifischen Feedback von Seiten der Trainer*innen eine Reflexion durch die Lernenden folgt. Die Reflexion wiederum fördert die Nutzung des Feedbacks für die Entwicklung von Aktionsplänen.

Mit der Frage, wie die Reflexion über das Feedback beschaffen sein muss, damit sie zu Veränderungen auf der Leistungsebene führt, setzen sich Poole et al. [17] auseinander. Ihrer Ansicht nach setzt eine Reflexion dann ein, wenn Ereignisse eintreten, die die Erwartungen, wie Dinge sich üblicherweise entwickeln, brechen oder die Selbstbilder der beteiligten Personen infrage stellen. Die dadurch entstehende Irritation führt im besten Fall zu einer kritischen Analyse des eigenen Wissens und der Selbstwahrnehmung. Dadurch werden Denk- und Lernprozesse angeregt, die zur Überarbeitung der Selbstkonzepte und Scripts und damit zur Integration neuen Wissens oder neuer Fertigkeiten führen. Diese Leistung muss von den Lernenden erbracht werden. Damit dies gelingt, sind bestimmte Voraussetzungen notwendig [22]:

1.
eine adäquate Selbsteinschätzung,
2.
metakognitive Fähigkeiten, wie die Reflexion eigener Gedanken und Gefühle, um im Feedback vermittelte Informationen verarbeiten und im Sinne der Kompetenzentwicklung nutzen zu können und
3.
die Regulation dabei möglicherweise aufkommender belastender Emotionen, weil ein positives Selbstbild infrage gestellt werden könnte.

Aufgabe der Lehrenden ist es, ein sicheres Umfeld zu schaffen und einen kompetenten Umgang im Sinne einer respektvollen und unterstützenden Beziehung mit den Lernenden zu pflegen. Dazu gehört es, auch den affektiven Aspekten aufseiten der Lernenden Beachtung zu schenken [17], [22]. Dies hilft ihnen, die Irritationen von Selbstkonzept und Handlungsskripten positiv aufzunehmen und zu verarbeiten.

Feedbackempfängerinnen und -empfänger und ihre Motivation

Eine weitere Variable, deren Einfluss auf die Effektivität von Feedback untersucht wurde, ist der sogenannte Regulationsfokus. Damit werden aus motivationspsychologischer Sicht verschiedene Strategien zusammengefasst, die letztendlich dazu dienen, angenehme Gefühlszustände zu vermehren und unangenehme zu vermeiden [23]. Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass angenehme Zustände angestrebt oder erhalten werden (Promotions-Fokus) aber auch, dass unangenehme Zustände vermieden werden (Präventions-Fokus). Je nach Persönlichkeitsstruktur der Einzelnen, oder auch beeinflusst von der Art der Aufgabenstellung oder des Ziels, ist das Handeln in seiner Grundrichtung eher auf Promotion oder auf Prävention gerichtet. Kluger und van Dijk [14] gingen der Frage nach, wie der Regulationsfokus mit positivem bzw. negativem Feedback interagiert.

Aufgaben, die das Präventions-System aktivieren sind eher Notwendigkeiten, Verpflichtungen und Dinge, die getan werden müssen, um Schmerz zu vermeiden, während zum Promotions-System Dinge zählen, die als Wünsche oder Sehnsüchte betrachtet werden, also etwas das man tut, weil eine erfolgreiche Erledigung Freude verspricht. Aufgaben mit Promotions-Fokus erfordern demnach eher Eifer, Kreativität und Offenheit, Aufgaben mit Präventions-Fokus eher Wachsamkeit, Aufmerksamkeit für Details und die Befolgung von Regeln. Nach Kluger und van Dijk [14] ist das Gesundheitssystem ein gutes Beispiel für einen Mix aus promotion- und prevention-focus.

“Doctors, for example, are required to be aware of potential mistakes and errors and at the same time to think innovatively, to handle complex situations and to make relatively risky decisions.” (ebd.)

Beim Promotions-Fokus bewirkt positives Feedback eine Steigerung der Motivation und Performanz, negatives Feedback dagegen ein Absinken von beidem. Umgekehrt steigert beim Präventions-Fokus negatives Feedback die Motivation und Performanz, positives Feedback dagegen wirkt sich hier tatsächlich negativ sowohl auf die Motivation als auch auf die Leistung aus.

Zwischenfazit

Auch wenn die übergreifende Feedback-Theorie (noch) fehlen mag, können einige Aussagen zu Feedback als gesichert gelten. Die Befunde lassen sich nach folgenden Kriterien ordnen:

  • Fokus auf der Feedback gebenden Person oder der Feedback empfangenden Person und das Verhältnis der beiden zueinander,
  • Inhalte/Material des Feedbacks,
  • die Art des Feedbacks.

Im Hinblick auf die Feedbackpraxis stellt sich die Frage, welche der oben beschriebenen Variablen im Alltag berücksichtigt und gegebenenfalls auch gezielt beeinflusst werden können. Dies wird im Folgenden anhand der Praxisbeispiele diskutiert.


Die Praxisbeispiele

Die acht beim Workshop des KusK vorgestellten Praxis-Beispiele zeigen einen breiten Ausschnitt des Einsatzes von Feedback an den deutschsprachigen medizinischen Fakultäten. Allen ist gemeinsam, ein Verhalten konkret zu optimieren und dabei für eine konstruktive Lernumgebung zu sorgen. Das Vorgehen ist dabei sehr heterogen und fußt auf unterschiedlichen Vorüberlegungen.

Anhang 1 [Anh. 1] zeigt einen Überblick über die acht Praxisbeispiele anhand der oben beschriebenen Kriterien. Alle Praxisbeispiele finden sich in ausführlicher Form in den Anhängen.


Diskussion der Praxisbeispiele vor dem Hintergrund der Literatur

Im Folgenden werden die in den Anhängen dargestellten Praxisbeispiele anhand der aus den konzeptuellen Überlegungen abgeleiteten Variablen für effektives Feedback in der Lehre kritisch diskutiert.

Definition von Feedback

In den vorgestellten Praxisbeispielen zielt Feedback in diversen Settings und für unterschiedliche Zielgruppen regelmäßig auf die Verbesserung eines gezeigten Verhaltens. Der Schwerpunkt liegt auf formativem, mündlichem Feedback und den Feedbackgebenden. In den Trainings wird zum Teil gezielt für negatives oder kritikwürdiges Stimulusmaterial gesorgt. Ein Training der Feedbackempfangenden oder eine Anleitung zur Reflexion finden noch selten statt.

Feedbackquelle und -häufigkeit

In der Literatur herrscht große Einigkeit darüber, dass singuläre Feedback-Ereignisse nicht ausreichen, sondern es einer Feedback-Kultur bedarf [11], [13], [16], [17], [24] im Rahmen derer Feedback regelmäßig und wiederholt gegeben und empfangen wird. Jede Anstrengung, sowohl Lehrende als auch Studierende im Feedbackgeben zu trainieren, wie sie sich in diversen Praxisbeispielen zeigen (siehe Anhang 2 Anamnese und Feedback [Anh. 2], siehe Anhang 3 Dozierendentraining [Anh. 3], siehe Anhang 4 Studierenden-Basiskurs [Anh. 4], siehe Anhang 5 Train the Trainer [Anh. 5], siehe Anhang 6 Zahnmedizin [Anh. 6]), ist daher zu begrüßen. Ansätze mit wiederholtem und ggf. aufeinander aufbauendem Feedback wie im Beispiel Allgemeinmedizin (siehe Anhang 7 [Anh. 7]), zeigen in die richtige Richtung.

Ein von einer ganzen Expertengruppe erarbeitetes Feedback wie im Beispiel Emotionen (siehe Anhang 8 [Anh. 8]) könnte unter dem Gesichtspunkt der Maßgeblichkeit und damit der erwartbaren Akzeptanz der Feedbackquelle besonders effektiv sein. Für das Peer-Feedback, das ebenfalls häufig eingesetzt wird, stellt sich hingegen die Frage, ob es mit Blick auf die Verbesserung der Performanz, den Feedback-gebenden Lernenden möglicherweise mehr nutzt, als den Feedback empfangenden Lernenden.

Modelle zur Wirkung von Feedback

Die Forderung, Feedback solle sich nicht auf das Selbst beziehen, ist in Kommunikationstrainings insofern kritisch, als Kommunikation immer eng mit der Persönlichkeit verknüpft ist. Die Anforderung, die Persönlichkeit der Feedback empfangenden Person außen vor zu lassen, ist in diesem Fall schwer zu erfüllen. Umso wichtiger und diffiziler ist es daher, die Subjektivität des Feedbacks durch eindeutige Ich-Aussagen zu unterstreichen, worauf im Beispiel des Feedbacktrainings für Simulationspatient*innen (SPs) (siehe Anhang 9 [Anh. 9]) besonderes Augenmerk gelegt wird.

Ein Problem besteht darin, dass die Feedback gebende Person nicht ohne Weiteres einschätzen kann, in welchem inneren Zustand sich die Feedback empfangende Person gerade befindet. Dies gilt auch im Hinblick auf den Aufmerksamkeitsfokus. Um hier negative Reaktionen zu vermeiden, könnten Vorgehensweisen erfolgversprechend sein, bei denen die Lernenden nicht selbst im Fokus des Feedbacks stehen, weil z.B. nicht ihre eigenen Äußerungen in einem Patientengespräch Gegenstand des Feedbacks sind, sondern ihre Bewertungen von Reaktionen, die sie in einem Video gesehen haben (siehe Anhang 8 Emotionen [Anh. 8]). Da die vorgegebenen Reaktionen keine eigenen Handlungen sind und die Feedbacks sich zudem auf die konkrete Verhaltensoption beziehen, kann vermutet werden, dass die Lernenden dies selbst dann nicht als Kritik an ihrer Person verstehen, wenn sie von der Expertenmeinung abweichen. Allerdings müsste hier überprüft werden, ob sich diese Form des indirekten Feedbacks tatsächlich auch auf die Leistung in einer Gesprächsführungssituation auswirkt.

Der Bezug auf eine konkrete Aufgabe oder Situation dürfte umso besser gelingen, je klarer die Aufgabenstellung und die Anforderungen beschrieben sind. Die Erwartung leitliniengerechter Therapieempfehlungen und nachvollziehbarer Schlüsse auf Differentialdiagnosen in Patientenberichten (siehe Anhang 7 Allgemeinmedizin [Anh. 7]) scheinen hier ein gutes Beispiel zu sein, insbesondere, wenn im Feedback mithilfe eines vorbereiteten Bogens dafür gesorgt wird, dass zu jedem der vorgegebenen Lernziele eine konkrete Rückmeldung gegeben wird. Wissenslücken können dabei durch entsprechende Hinweise auf Lehrmaterial und Tipps ausgeglichen werden, wie auch im Beispiel Zahnmedizin (siehe Anhang 6 [Anh. 6]) beschrieben.

Es empfiehlt sich außerdem, die konkreten Lernziele schon beim Training für die Lehrenden im Umgang mit Bewertungschecklisten und ihrer Skalierung zu berücksichtigen und diese den Lernenden mitzuteilen wie im Beispiel Allgemeinmedizin (siehe Anhang 7 [Anh. 7]). Auch beim Training für die Moderation des Peerfeedbacks (siehe Anhang 5 Train the Trainer [Anh. 5]) werden gezielt die Lernziele für die Studierenden einbezogen. Dies sollte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Aufmerksamkeitsfokus der Studierenden sich auf die Aufgabe und ihre Erfüllung richtet.

Die Art der Aufgabenstellung ist mit Blick auf das Feedback insofern von Bedeutung, als für den Wissenstransfer oder bei komplexeren Aufgaben ein verzögertes Feedback effektiver ist [13]. Es ist also dem Lernen auch zuträglich, wenn Lernende bspw. zuerst komplette Patientenberichte vollenden, ehe sie eine Rückmeldung erhalten (siehe Anhang 7 Allgemeinmedizin [Anh. 7]).

Feedback und Reflexion

Lernziele zu klären ist das Eine, Abweichungen anzusprechen das Andere. Unter diesem Gesichtspunkt ist es auch förderlich, in Feedbacktrainings gezielt Stimulusmaterial einzusetzen, das auch kritikwürdiges Verhalten enthält oder Konflikte provoziert, wie in den Beispielen Studierenden-Basiskurs (siehe Anhang 4 [Anh. 4]) und Train the Trainer (siehe Anhang 5 [Anh. 5]) oder SPs (siehe Anhang 9 [Anh. 9]) beschrieben, um eine Reflexion darüber anzuregen.

Je spezifischer das Feedback dann ist, umso eher wird es genutzt, um in der Reflexion neue, individuelle Lernziele oder Aktionspläne zu entwickeln [25]. Dies kann unterstützt werden durch Hinweise auf Lerninhalte, die eigentlich bereits gelernt sein sollten, wie im Beispiel Zahnmedizin (siehe Anhang 6 [Anh. 6]) beschrieben oder durch zusätzliches Feedback mit der Aufforderung, Berichte zu überarbeiten, wie im Beispiel Allgemeinmedizin (siehe Anhang 7 [Anh. 7]).

Da im Bereich der medizinischen Ausbildung die Lehrenden in Bezug auf Feedback oft selbst noch Lernende sind, müssen auch ihre möglicherweise hemmenden Reaktionen Beachtung finden. Die Autorinnen des Praxisbeispiels Dozierendentraining (siehe Anhang 3 [Anh. 3]) berichten von geringeren Widerständen beim Formulieren von Feedback, wenn die Teilnehmer*innen die Feedback-Regeln zunächst selbst erarbeitet haben, im Vergleich zu einem zuvor praktizierten deduktiven Vorgehen. Dies könnte damit zu tun haben, dass die Selbst-Konzepte während des Formulierens der Feedback-Regeln intakt bleiben oder beiläufig rekonstruiert oder weiterentwickelt werden.

Ebenso wird im Praxisbeispiel Zahnmedizin (siehe Anhang 6 [Anh. 6]) berichtet, dass eben jene Studierenden nach dem Feedback in Rechtfertigung verfallen, also ihre Selbst-Konzepte und Scripts verteidigen, die an den auf freiwilliger Basis durchgeführten Kommunikationsschulungen nicht teilgenommen haben. Insofern scheint es empfehlenswert, Lehrende auch auf die Moderation von Peer-Feedbacks vorzubereiten, wie im Beispiel Train the Trainer (siehe Anhang 5 [Anh. 5]) beschrieben. Neben der Ausgewogenheit der Lernziele könnte dabei explizit die Anleitung von Reflexion im Sinne einer Rekonstruktion der Selbst-Konzepte und Scripts thematisiert werden.

Eine weitere Möglichkeit, die notwendigen Irritationen durch das Feedback auf ein erträgliches und förderliches Maß zu begrenzen, könnte die eigene Auswahl der Patient*innen, über die ein Bericht angefertigt wird, sein (siehe Anhang 7 Allgemeinmedizin [Anh. 7]). Man darf annehmen, dass die Studierenden, die für sie besonders schwierigen Fälle, bei denen sie mit einem überwiegend negativen Feedback rechnen müssten, eher vermeiden werden. Auch die schriftlichen Arbeitsproben zum Feedbackgeben (siehe Anhang 5 Train the Trainer [Anh. 5]) könnten unter diesem Gesichtspunkt eine gute Wahl sein, da das schriftliche Feedback die Möglichkeit bietet, es zu optimieren bevor es eingereicht wird. Es besteht insofern eine hohe Wahrscheinlichkeit, eine regelkonforme Arbeitsprobe zu erhalten, sodass die vorgenommenen Modifikationen am Feedback u.U. nötig sind, um die compare and contrast-Methode anwenden zu können. So können Negativbeispiele genutzt werden, ohne dass sie jemandem öffentlich zugeordnet werden können und müssen, was die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Widerständen gegen eine Reflexion senken dürfte.

Feedbackempfängerinnen und -empfänger und ihre Motivation

Um Lehrende und ärztlich Tätige auf die Herausforderung der Begleitung lebenslanger Lernprozesse gut vorzubereiten, ist es empfehlenswert, die unterschiedlichen Reaktionen der Lernenden respektive Kolleg*innen in Rollenspielen zu antizipieren, wie im Beispiel Dozierendentraining (siehe Anhang 3 [Anh. 3]) anhand der Modifikation der Reflexionsniveaus der Feedbackempfangenden oder Kolleg*innen beschrieben. Drei Reflexionsniveaus der Lernenden werden unterschieden und im Rollenspiel dargestellt:

1.
reflektiertes Verhalten mit eigenen Lösungsideen,
2.
reflektiertes Verhalten ohne eigene Lösungsideen,
3.
kein reflektiertes Verhalten.

So bleibt das Training nicht bei der Qualität der primären Feedbackmitteilung stehen, sondern bezieht lernförderliche bis lernhemmende Reaktionsoptionen der Lernenden ein und trägt dazu bei, konstruktive Umgangsweisen zu entwickeln.

Vor dem Hintergrund der Bedeutung des oben beschriebenen Regulationsfokus wird die Frage, ob positives oder negatives Feedback hilfreicher ist, zu einem komplexen Problem. In einer Feedbackkultur, in der negatives Feedback eher vermieden wird [18] ist es daher sinnvoll, Aktivitäten zu beobachten, die die Lernenden möglichst im Promotionsfokus bewältigen. Auch unter diesem Aspekt sind gewisse Freiräume in der Auswahl von Aufgaben oder, wie im Beispiel Allgemeinmedizin (siehe Anhang 7 [Anh. 7]), zumindest der Patient*innen, über die berichtet wird, umso entscheidender. Die Teilaufgabe, die red flags (Informationen, die abwendbar gefährliche Krankheitsverläufe anzeigen) zu erkennen und zu beachten, könnte allerdings den Präventionsfokus aktivieren, zumindest sofern sie vorher klar kommuniziert wird. In Bezug auf die red flags, sollte daher auch dezidiert negatives Feedback gegeben werden, wenn diese übersehen werden.

Stärken und Limitationen

Limitationen der vorliegenden Arbeit ergeben sich aus der Art und Weise ihrer Entstehung. Die im Workshop verwendete Literatur und die vorgestellten Praxisbeispiele wurden nicht anhand systematischer umfassender Literaturrecherchen oder aufgrund eines theoretisch fundierten Konzepts ausgewählt. Vielmehr wurden von den auswählenden Autor*innen aktuelle Artikel vorgeschlagen, die ihnen vor dem Hintergrund auch informell geführter gegenwärtiger Diskussionen besonders relevant erschienen. Auch die Auswahl der vorgestellten Praxisbespiele verlief nicht streng theoriegeleitet und systematisch. Vielmehr wurden angemeldete Workshopteilnehmer*innen und einzelne Autor*innen, die die Absicht hatten, am Workshop teilzunehmen, aufgefordert, Praxisbeispiele einzureichen. Mit Blick auf die Vorbereitung eines an den konkreten Interessen und Fragen der Teilnehmer*innen eines Workshops mit begrenzter Platzzahl war dieses pragmatische Vorgehen vertretbar.

Die Praxisbeispiele decken daher die Praxis des Feedbacks in der Medizinischen Ausbildung in der D-A-CH-Region sicher nicht umfassend ab. Die Praxisbeispiele geben jedoch einen guten Einblick in entsprechende Lehr-Lernsituationen, die in der Medizinischen Ausbildung zur Anwendung kommen. Dabei sind die einzelnen Beispiele immer an die jeweiligen fakultätsinternen Gegebenheiten, die Ressourcen und das individuelle Setting adaptiert. Auf Grundlage der Praxisbeispiele können daher interessierte Personen aus der Ideenvielfalt schöpfen und entsprechende eigene Konzepte entwickeln.

Aus der Theorie und den diskutierten Praxis-Beispielen lassen sich folgende Empfehlungen ableiten:


Fazit/Empfehlungen

Auf Grundlage der verwendeten Literatur und der oben beschriebenen Praxisbeispiele sind verschiedene Aspekte für die Lehre ableitbar. Feedback ist ein komplexer Prozess, dessen Erfolg von vielen Variablen abhängt, die sich im Einzelfall überlagern und gegenseitig in ihrer Wirkung hemmen oder fördern können. Dennoch können Empfehlungen formuliert werden, die die Effektivität von Feedback positiv beeinflussen können:

1.
Es braucht eine Lern- und Feedbackkultur, die stabile, respektvolle und unterstützende Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden ermöglicht – im Sinne glaubwürdiger und maßgeblicher Feedbackquellen – und in der Feedback regelmäßig nach hinreichender Beobachtung der Lernenden stattfindet.
2.
Feedback muss in Lehr-Lernprozesse eingebunden sein. Der Standard mit dem verglichen wird, muss transparent kommuniziert werden: welche Ziele sollen erreicht werden, wie geschieht dies momentan und wie kann und soll es weitergehen? (Aktions- und Handlungsplan).
3.
Feedback soll sich im Wesentlichen auf die Prozesse richten, wie Lernende Aufgaben erfüllen und sich selbst steuern. Feedback zu Ergebnissen einer Aufgabe kann dies effektiv unterstützen, wenn es auf die Prozesse verweist. Feedback, das sich ausschließlich auf die Person bezieht ohne Bezug zu einer konkreten Handlung, sollte unterbleiben.
4.
Feedback gebende Personen müssen darin geschult werden, die Ebenen, auf die sich das Feedback gemäß Punkt 3 dieser Empfehlungen richten soll, zu erkennen und gezielt anzusprechen.
5.
Feedback darf und soll irritieren im Sinne einer Störung inadäquater Selbstkonzepte und Scripts. Derart gestörte Selbstkonzepte und Scripts der Lernenden müssen durch Reflexion rekonstruiert werden. Lehrende sollen diese Prozesse ermöglichen und respektvoll, konstruktiv und unterstützend begleiten.
6.
Feedbackgeberinnen und -geber müssen auf die Begleitung der Reflexionsprozesse vorbereitet werden, um konstruktive Reaktionen der Lernenden zu fördern. Der Regulationsfokus sowie die Rekonstruktion von Selbstkonzepten und Scripts können dabei Schlüsselkonzepte sein.
7.
Lernende müssen auf die Reflexionsprozesse ebenfalls explizit vorbereitet werden, um die metakognitiven Fähigkeiten zu entwickeln, die sie brauchen, um Feedback als Lernchance wahrzunehmen und zu nutzen.

Danksagung

Wir bedanken uns bei den Organisator*innen des Workshops mit Unterstützung der Geschäftsstelle der GMA für die Realisierung des Workshops. J.M. Monica van de Ridder gilt unser besonderer Dank für die thematische Leitung des Workshops und viele anregende Impulse. Für die anregenden, vielfältigen, spannenden Praxisbeispiele danken wir den Autorinnen und Autoren, insb. Waltraud Silbernagel, Martin Perrig, Mireille Schaufelberger und Michaela Wagner-Menghin. Und natürlich vielen Dank an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmern des KusK Workshops für offene, interessierte, wohlwollend kritische und konstruktive Diskussionen.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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