gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Eine qualitative Untersuchung zur Entstehung und Korrektur von Fehlvorstellungen über das physiologische Elektrokardiogramm (EKG) bei Medizinstudierenden höherer Semester

Artikel ECG

Suche in Medline nach

  • corresponding author Mathias Trauschke - Leibniz Universität Hannover, Institut für Didaktik der Naturwissenschaften (AG Biologiedidaktik), Hannover, Deutschland

GMS J Med Educ 2019;36(6):Doc72

doi: 10.3205/zma001280, urn:nbn:de:0183-zma0012802

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001280.shtml

Eingereicht: 18. Oktober 2018
Überarbeitet: 15. Juli 2019
Angenommen: 13. August 2019
Veröffentlicht: 15. November 2019

© 2019 Trauschke.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: In dieser qualitativ-explorativen Studie werden Vorstellungen von Studierenden im klinischen Studienabschnitt der Humanmedizin über das im präklinischen Studienabschnitt behandelte physiologische Elektrokardiogramm (EKG) erfasst und auf mögliche Fehlvorstellungen untersucht. Ferner wird eine theoriegeleitet entwickelte Intervention zur Verknüpfung von Kurvenverlauf und der dadurch repräsentierten räumlichen Ausbreitung von Erregungsmustern (animierte Vektorschleife) erprobt.

Methodik: Im Zuge einer Lernpotenzialdiagnostik wurden Studierende einzeln mithilfe problemzentrierter, Leitfaden-gestützten Interviews befragt. Die entwickelte Intervention wurde mithilfe einzeln durchgeführter Vermittlungsexperimente unter Nutzung von lautem Denken erprobt. Die Datenauswertung erfolgte durch qualitative Inhaltsanalyse. Vorstellungen und die diesen zugrundeliegenden basalen Kognitionen wurden im Lichte der Conceptual Metaphor Theory analysiert.

Ergebnisse: Eine charakteristische Fehlinterpretation besteht darin, dass Probanden die räumlichen und zeitlichen Aspekte der Erregungsausbreitung nicht mit dem Verlauf des EKG verknüpfen und im Kurvenverlauf lediglich eine Zu- und Abnahme von elektrischer Aktivität im Myokard erkennen. Wie die Auswertung der Vermittlungsexperimente zeigt, kann eine theoriegeleitet entwickelte Intervention zum einem Umlernen führen. Anhand von rekonstruierten Metaphernkonzepten wird dieser Verstehensprozess exemplarisch illustriert und aufgezeigt, wie Studierende im Verlauf der Interviews ein EKG als zweidimensionale Repräsentation der räumlichen Erregungsausbreitung im Myokard angemessen erläutern können.

Schlussfolgerung: Durch das Erfassen typischer Fehlvorstellungen zum physiologischen Elektrokardiogramm und das Aufzeigen lernförderlicher Interventionen liefert die Studie einen Beitrag zum verstehenden Lernen, der in der physiologischen Grundausbildung von Medizinstudierenden genutzt werden kann.

Schlüsselwörter: EKG (Fehlvorstellungen), Modell der Didaktischen Rekonstruktion, Conceptual Metaphor Theory


1. Einleitung

Im EKG aufgezeichnete Potenzialdifferenzen rühren von der Herzerregung. Das EKG kann über Lage und Frequenz des Herzen sowie über Rhythmus und räumliche Ausbreitung von Erregung Auskunft geben. Richtung und Größe der Potenziale variieren im Verlauf der Erregungsausbreitung, was durch Vektoren dargestellt werden kann. Der aus den einzelnen Vektoren gebildete Summenvektor beschreibt im Verlauf der Erregung eine typische schleifenförmige Bahn. Der zeitliche Verlauf des Summenvektors lässt sich im EKG, projiziert auf eine jeweilige Ableitungsebene, sichtbar machen [1]. Die Befähigung zum Auswerten von Elektrokardiogrammen gehört zu den zentralen Kompetenzen, welche Studierende der Human- wie auch Veterinärmedizin erwerben sollen. Gleichwohl stellt das Erlernen dieser Kompetenz eine besondere Herausforderung dar [2]. Eine Reihe von Untersuchungen zum Vermitteln und Erlernen von Kenntnissen und Fähigkeiten zur EKG-Interpretation gehören daher zum Gegenstand medizindidaktischer Forschung [2], [3], [4], [5], [6]. Die Ansätze rekurrieren vor allem auf die Interpretationskompetenz pathologischer EKG im klinischen Studienabschnitt. Weniger berücksichtigt bleiben basale Vorstellungen von Medizinstudierenden über die Grundlagen des physiologischen EKG. In einer qualitativen Studie wurde daher das Verständnis Studierender über Elektrokardiogramme erfasst, um mögliche Lernschwierigkeiten identifizieren und ein theoriegeleitet entwickeltes Lernangebot erproben zu können. Dazu wurden Vorstellungen von Studierenden der Humanmedizin über das physiologische EKG mithilfe Leitfaden-gestützter Interviews [7] und qualitativer Inhaltsanalyse [8] erfasst. Eine entwickelte Intervention (Videoanimation siehe Anhang 1 [Anh. 1]) wurde in Vermittlungsexperimenten [9] erprobt.

Abstrakte Sachverhalte – wie etwa der im EKG repräsentierte Aspekt variierender Potenzialrichtungen [1] – werden kognitiv durch konzeptbildende Metaphern [10] erschlossen. Die in der naturwissenschaftsdidaktischen Vorstellungsforschung genutzte Conceptual Metaphor Theory [11], [12] diente daher als Analyseinstrument, um Denkprozesse zu modellieren. In Interviews und Vermittlungsexperimenten rekonstruierte Vorstellungen wurden folglich mittels systematischer Metaphernanalyse [13] interpretiert. Der Aufsatz beschreibt typische Fehlvorstellungen über das physiologische EKG und identifiziert einen möglichen Lernweg zum Erlangen fachlich angemessener Vorstellungen über die im EKG abstrakt abgebildete Information über Erregungsrichtungen.


2. Theoretischer Rahmen

Dieser Forschungsansatz basiert auf dem holistischen Ansatz der Kognitionslinguistik, dass Syntax und Semantik eng verknüpft sind. Sprachliche Phänomene sind daher von analytischem Interesse, um konzeptuelle Strukturen zu modellieren [14]. Um das Verstehen (und Nicht-Verstehen) eines physiologischen Elektrokardiogramms zu analysieren oder Vorhersagen über lernförderliche Interventionen treffen zu können, wird die Conceptual Metaphor Theory [10], [11], [12] genutzt. Nach dem Ansatz der verkörperten Kognition (Embodied Cognition) generieren wir durch Interaktion mit unserer physischen und sozialen Umwelt verkörperte Vorstellungen, die den Kern unserer verfügbaren Kognitionen ausmachen. Durch unwillentliche Projektion solcher „cognitive primitives“ [11] können auch abstrakte Sachverhalte mental repräsentiert werden. Verkörperte, zur kognitiven Erschließung abstrakter Sachverhalte genutzte Vorstellungen werden dabei als konzeptbildende Metaphern bezeichnet. Dieser kognitionslinguistische Metaphernbegriff ist vom philosophischen und alltäglichen Verständnis einer Metapher klar abzugrenzen, da Metaphern hier traditionell als bewusst genutzte Ausdrücke bildhaft-poetischer Sprache bezeichnet werden [14].

Unter anderem strukturieren „Orientierungsmetaphern“ [10] unser Denken, wie am Beispiel der More Is Up-Metapher [10] deutlich wird. Die erfahrungsbasierte Vorstellung von Mehr Ist Oben kann das Verständnis anderer, abstrakt zugänglicher Sachverhalte strukturieren. Im Hinblick auf Vorstellungen über das Elektrokardiogramm liegt die theoriegeleitete Vermutung nahe, dass Studierende den Kurvenverlauf durch diese Orientierungsmetapher erschließen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).


3. Forschungsfragen

Mit dieser Studie wird beabsichtigt, Vorstellungen über das physiologische EKG von Studierenden der Humanmedizin im klinischen Studienabschnitt zu erfassen und bestehende Fehlvorstellungen zu analysieren. Eine entwickelte Vermittlungsintervention soll zudem explorativ getestet werden. Folgenden Forschungsfragen sind von Interesse:

1.
Welche Vorstellungen konstruieren Studierende der Humanmedizin zum physiologischen EKG und welche konzeptbildenden Metaphern strukturieren dieses Verständnis?
2.
Welche Vorstellungen zum physiologischen EKG konstruieren Studierende der Humanmedizin in der Interaktion mit einer theoriegeleitet entwickelten Intervention?

4. Forschungsdesign und Methoden

Unter Vorstellungen werden aus Äußerungen von Personen rekonstruierte kognitive Konstrukte verstanden, welche Individuen kontextspezifisch zugeschrieben werden können. Ein solches Rekonstruieren subjektiver Bedeutungswelten legt einen qualitativ-explorativen Forschungsansatz nahe. Als Forschungsrahmen diente das in der fachdidaktischen Vorstellungsforschung etablierte Modell der Didaktischen Rekonstruktion [15]. Dabei werden zunächst fachspezifische Vorstellungen Lernender vor dem Hintergrund möglicher Verständnisschwierigkeiten analysiert (Lernpotenzialdiagnose). Zudem werden die in Originalpublikationen und/oder akademischen Lehrbüchern repräsentierten fachwissenschaftlichen Vorstellungen aus Vermittlungsabsicht untersucht (fachliche Klärung), um dann aus einem wechselseitigen Vergleich Lernangebote zu entwickeln und explorativ zu erproben (Didaktische Strukturierung).

Das methodische Setting orientierte sich dabei am Vermittlungsexperiment [9]. In Einzelsitzungen wurden Vorstellungen Studierender der Humanmedizin (N=10, 5.-10. Semester) zum physiologischen EKG vor, während und nach der Interaktion mit der entwickelten Intervention (vgl. Anhang 1 [Anh. 1]) erhoben (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Um etwaige Fehlvorstellungen erfassen zu können, wurden Probanden aus dem klinischen Abschnitt ausgewählt, da sie bereits Lehrveranstaltungen zum physiologischen EKG belegt haben. Da (Fehl)vorstellungen auf der Basis konzeptbildender Metaphern rekonstruiert werden, ist eine Zuordnung der Testpersonen zu bestimmten Semestern nicht notwendig, denn über erfahrungsbasierte Kognitionen verstandene Sachverhalte gelten innerhalb gleicher Kulturkreise als beständig [11].

In der Interventionsphase wurden die Probanden zu lautem Denken [16] aufgefordert, um einen möglichst lückenlosen analytischen Zugriff auf die individuellen Denkprozesse bei der Auseinandersetzung mit der Animation zu gewährleisten. In der Absicht, individuelle prä-Konzepte sowie mögliche Lerneffekte rekonstruieren zu können, wurden die Probanden vor und nach der Intervention auf Basis von Leitfaden-gestützten Interviews [7] zum Elektrokardiogramm befragt. Die Dauer der einzelnen Sitzungen betrug 45 bis 60 Minuten. Alle videografierten Aussagen wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse [8] und der systematischen Metaphernanalyse [13] ausgewertet. Um die Intersubjektivität der qualitativen Forschungsergebnisse und deren Interpretation zu gewährleisten, erfolgte die gesamte Datenauswertung durch konsensuelle und argumentative Validierung [17] in einem zweistufigen Verfahren: Die einzelnen Transkripte wurden zunächst durch den Autor ausgewertet, um die konzeptbildenden Metaphern zu identifizieren. Eine Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe führte auf Basis des dabei entstandenen Kategoriensystems eine erneute Analyse der Transkripte durch. Der Konsensbildung hinsichtlich der rekonstruierten Metaphern im Forschungsteam folgte die argumentative Validierung der Daten in der Arbeitsgruppe Biologiedidaktik des Institutes für Didaktik der Naturwissenschaften an der Leibniz Universität Hannover.

Alle Probanden wurden detailliert über das methodische Vorgehen informiert und haben ihr Einverständnis erklärt. Die Daten wurden anonymisiert, eine Zuordnung der Zitate zu entsprechenden Personen aufgrund von Pseudonymen nicht möglich.


5. Ergebnisse

5.1 Fehlvorstellungen über das physiologische EKG

Bei zwei Probanden konnten kontinuierlich fachlich korrekte Vorstellungen identifiziert werden. Auf Äußerungen dieser Studierenden wird im weiteren Verlauf nicht eingegangen. Bei acht Versuchspersonen konnten fachlich fehlleitende Vorstellungen identifiziert werden, die nachfolgend kategorial geordnet dargestellt sind. Aufgeführt und expliziert werden exemplarische Zitate der im Zuge der qualitativen Inhaltsanalyse erhaltenen geordneten Aussagen. Die daraus abgeleiteten Metaphernkonzepte entsprechen der Einzelstrukturierung am Ende der Inhaltsanalyse.

5.1.1 Metaphernkonzept I: Je höher die Kurve, desto mehr Erregung [6]

Exemplarische Äußerungen (Ankerbeispiele)

Karla

(27-31): [Die Erregung im EKG ist] dort [am größten], wo die Zacke am höchsten ist.“

(36-41): „Ich würde [die Linien mit] Vorhoferregung und Rückerregung des Vorhofs [beschriften]. „Die Vorhöfe sind hier vollständig erregt, würde ich sagen (markiert das Maximum der P-Welle).“

Justus

(147-158): „Das ist die P-Welle. Das andere ist auch die P-Welle – der auf- und absteigende Anteil der P-Welle. Das ist dann der absteigende Anteil der P-Welle. Da das die Vorhoferregung ist, interpretiere ich das (...) als steigende und die abfallende Erregung der Vorhöfe.“

Explikation und Metaphernanalyse

Anstieg und Abfall der Kurvenabschnitte werden in sechs Fällen als Zu- und Abnahme von Erregung gedeutet. Kurvenmaxima werden als Zeitpunkte größter Erregung begriffen. Die Bedeutung der abstrakten EKG-Kurve wird mental dabei durch die Orientierungsmetaphern More Is Up bzw. Less Is Down repräsentiert.

Diese Form der Interpretation eines physiologischen EKG ist fehlleitend, weil Kurvenmaxima (Hochpunkte von P-Welle oder R-Zacke) fehlerhaft als Zeitpunkt vollständiger Erregung von Vorhöfen beziehungsweise Kammern begriffen werden.

Eine weitere didaktische Herausforderung zeigt sich darin, dass der grundlegende Zusammenhang zwischen EKG-Kurve und räumlichem Verlauf von Erregungsausbreitung nicht erkannt wird.

Einzelstrukturierung (Metaphernkonzept)

More Is Up I – je höher die Kurve, desto größer die Erregung.

5.1.2 Metaphernkonzept II: Je höher die Kurve, desto mehr Zellen sind erregt [3]

Exemplarische Äußerungen (Ankerbeispiele)

Justus

(109-142): „Also ich würde hier [zeigt auf das Maximum der R-Zacke] sagen, dass die Erregung am größten ist. (...) Es gibt ja verschiedene Phasen: Systole und Diastole. Systole ist die Austreibungsphase, Diastole die Füllungsphase und bei der Systole ist die Erregung vermutlich am größten, wenn der größtmögliche Anteil vom Herzmuskellen (...) erregt ist und das ist am Hochpunkt kurz vor der Systole.“

Explikation und Metaphernanalyse

Justus stellt sich vor, dass der Peak der R-Zacke mit einer maximalen Anzahl erregter Herzzellen einhergeht. Auch hier ist das Verstehen durch die More Is Up-Metapher strukturiert. In dieser Ausprägung wird jedoch der Kurvenverlauf (hoch/runter) mit der Anzahl erregter Zellen (viele/wenig) verknüpft. Diese Vorstellung ist aus fachdidaktischer Perspektive ebenfalls als Lernhindernis einzustufen, da sie fachlich fehlleitend ist: Die Anzahl der maximal depolarisierten Myokardzellen ist erst am Ende des QRS-Komplexes erreicht, nicht aber am Peak der R-Zacke.

Einzelstrukturierung (Metaphernkonzept)

More Is Up II – Je höher die Kurve, desto mehr Zellen sind erregt.

5.1.3 Metaphernkonzept III: Je höher die Kurve, desto stärker die Kontraktion [2]

Exemplarische Äußerungen (Ankerbeispiele)

Lara

(54-62): „Dadurch, dass die verschiedenen Vektoren, die die elektrische Kontraktion oder die elektrische Erregung darstellen, addiert werden, ist natürlich da, wo der höchste Ausschlag ist, auch die stärkste Kontraktion. (...) Also hier ist oben an der R-Zacke auch die massentechnisch höchste elektrische Kontraktion gerade vorhanden.“

Explikation und Metaphernanalyse

Laras Vorstellung ist ebenfalls durch die metaphorische Nutzung der More Is Up-Metapher gekennzeichnet. In diesem Falle wird nun der höchste Kurvenausschlag mit der höchsten Erregung und gleichsam der stärksten Kontraktion der Ventrikel verknüpft. Die Äußerungen verdeutlichen zudem, dass Erregung und Kontraktion für Lara gleichbedeutend sind. Sie spricht sogar von „elektrischer Kontraktion“. Diese Vorstellung ist aus medizinischer Perspektive insofern problematisch, weil die Auswertung von Elektrokardiogrammen in der Regel keine Hinweise auf die Kontraktilität des Herzen zulässt. Zudem ist die angenommene Proportionalität von Kurvenausschlag und Kontraktionsausprägung fachlich nicht korrekt.

Einzelstrukturierung (Metaphernkonzept)

More Is Up III – Je höher die Kurve, desto stärker die Kontraktion des Myokards.

5.1.4 Metaphernkonzept IV: Vektorgrößen repräsentieren Anzahl erregter Zellen [1]

Exemplarische Äußerungen (Ankerbeispiele)

Nadja

(81-99): „Wenn ein paar [Zellen] erregt sind, [...] dann ist der Vektor relativ klein (...).“

(81-99): „Wenn wir über die Hälfte [der Zellen] erregt haben, (...) dann wird der Vektor wieder kleiner. Das ist der abfallende [Bereich der P-Welle].“

Explikation und Metaphernanalyse

Nadja bringt die Vektoren zur Sprache. Sie stellt sich allerdings vor, dass Zu- und Abnahme der Größe eines Dipolvektors gleichbedeutend mit Anstieg beziehungsweise Abnahme der EKG-Kurve ist. Das abstrakte Konstrukt summierter Dipolvektoren wird somit fachlich nicht angemessen verstanden. Insbesondere kann Nadja im EKG den Zusammenhang mit der Vektorschleife nicht begreifen. Es fehlt die Vorstellung, dass Summationsvektoren während der Herzaktion Größe und Richtung ändern. Erneut wird die More Is Up-Vorstellung metaphorisch genutzt, um den abstrakten Sachverhalt kognitiv zu erschließen (→ kleiner werdender Vektor entspricht Kurvenabfall). Der Richtungs-Aspekt des Erregungsverlaufes ist auch dieser Studentin nicht präsent.

Einzelstrukturierung (Metaphernkonzept)

More Is Up IV – Vektorgröße repräsentiert Anzahl erregter Zellen.

5.2 Vorstellungen zum Zusammenhang von animierter Vektorschleife und EKG

Die theoriegeleitet entwickelte Animation fokussierte auf die Vermittlung des Zusammenhanges von EKG und räumlicher Erregungsausbreitung im Myokard (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). Zwei Probanden konnten die Intention des Lernangebotes korrekt wiedergeben. Es handelte sich bei diesen Studierenden um die zwei Probanden, bei denen ausschließlich fachlich angemessene Vorstellungen zum physiologischen EKG identifiziert wurden (s. 5.1). Deren Äußerungen werden nachfolgend nicht näher betrachtet.

Der Fokus der Auswertung liegt auf der Darstellung des Musters eines erfassten Lerneffekts, welches bei fünf Probanden identifiziert werden konnte. Es wird hier anhand eines Ankerbeispiels (Proband: Justus) dokumentiert.

Der Proband erläutert und versteht die EKG-Kurve zunächst durch Orientierungsmetaphern in Form der metaphorischen Nutzung des More Is Up- bzw. Less Is Down-Konzepts. Anstieg und Abfall der Kurvenabschnitte werden als Zu- und Abnahme von Erregung gedeutet (vgl. 5.1.1 und 5.1.2).

In der Interaktion mit der Animation erkennt Justus, dass zwischen der EKG-Kurve und der sich im zeitlichen Verlauf in die Länge gezogenen Vektorschleife ein konzeptioneller Zusammenhang besteht. Die durch die Animation aufgelöste semantische Verschmelzung der Vorstellungen über die Prozesse Zeit und räumliche Erregungsausbreitung kann explizit nachvollzogen werden.

(291-300): „Die Vektorschleife und die EKG-Kurve sind an sich dasselbe. Also ich betrachte die Erregungsschleife aus verschiedenen Blickwinkeln (...) [Ich] kann es einmal räumlich aus verschiedenen Blickwinkeln nachvollziehen und dadurch, dass ich es in die Länge ziehe, auch zeitlich.

Justus bezeichnet Erregung nun als etwas „Örtliches“ und äußert eine Vorstellung dahingehend, dass die EKG-Kurve die räumliche Ausbreitung von Erregung im Herzen im zeitlichen Verlauf abbilde.

(333-347): „Wenn man das hier betrachtet, ist hier einmal die R- und die S-Zacke. Man sieht, wie die Erregung einmal in die eine und dann in die entgegen[gesetzte] Richtung läuft, weil es wieder Richtung Minus läuft, aber ist es schon etwas Örtliches. Dann sind die Kammern voll erregt.“
(348-355): „In der Steigung [der R-Zacke] – bezogen auf die Herzachse, die so verläuft – läuft die Erregung nach unten, also auf meinen Blickwinkel zu, auf mich zu und [beim sinkenden Bereich der P-Welle] läuft die Erregung wieder von mir weg.“

Der EKG-Verlauf wird nun nicht mehr in der Up-Is-More-Metaphorik fehlgedeutet. Das Verständnis wird über ein neues Metaphernkonzept strukturiert: Die vertikale Ausrichtung des Kurvenverlaufes wird als Repräsentation für einen räumlich verlaufenden Vorgang erfasst (Metaphernkonzept: Up & Down Signifies Spatial Spreading). Im Zuge dessen erkennt er sogar seine fachlich fehlerhafte Betrachtung zur Spitze der R-Zacke und entwickelt eine Idee davon, dass ein Elektrokardiogramm Aussagen über räumliche Erregungsmuster im Herzen zulässt.

(356-378): „Ach stimmt, ich hatte gesagt, auf der hohen Zacke ist die Erregung am meisten. Also theoretisch wird sie nicht weniger als solches, sie verändert sich nur räumlich von mir. (...) Anstieg ist aber, [um] das EKG [zu] betrachten, nicht so zielführend, weil beim EKG primär die Höhen der Zacken nicht so wichtig sind, sondern der Betrachtungswinkel: wo läuft die Erregung eigentlich lang. Wenn ich es am Anfang betrachten will, ist es eher ein Richtungsvektor, [er] gibt also eine Richtung an und nichts Quantitatives wie Millivolt, obwohl wir natürlich in Millivolt messen, aber für die Betrachtung des EKGs – rein didaktisch – ist es primär wichtig zu verstehen, in welche Richtung das verläuft, wenn ich hier einen Anstieg in dieser zweidimensionalen Grafik habe.“

Abschließend soll auf die übrigen drei Probanden eingegangen werden (vgl. Abbildung 3 [Abb. 3]). Norbert erläutert bereits in der Anfangsphase sachlich korrekt, dass ein EKG die räumliche Ausbreitung von Erregung abbildet. Anstieg und Abfall der Kurve werden als Erregungsrichtung interpretiert (Metaphernkonzept: Up & Down Signifies Spatial Spreading).

(38-41): „Das [Ansteigen im EKG] sagt etwas über die Erregungsausbildung aus, also die elektrische Aktivität, die sich in eine Richtung der Elektrode bewegt [und] von der anderen weg, je nachdem welche Ableitung wir abgebildet haben.“

Er konstruiert aber auch fehlleitende Vorstellungen zur EKG-Kurve, die auf das More Is Up- bzw. Less-Is-Down-Konzept zurückzuführen sind.

(26-55): „Dann heben wir uns wieder auf die Ausgangshöhe an und beenden das Ganze mit einem etwas größerem Hügel als dem ersten der P-Welle. Dann laufen wir auf der normalen Strecke aus. (...) Prinzipiell ist die Erregung, die wir abgebildet haben, an der Spitze des QRS-Komplexes am größten, also an der R-Zacke.“

Auch nach der Intervention zeigt sich diesbezüglich ein hybrides Denkgebäude. Es werden weiterhin Fehlvorstellungen konstruiert, die sich auf der beschriebenen Orientierungsmetapher basieren (Metaphernkonzept II: Je höher die Kurve, desto mehr Zellen sind erregt). Gleichwohl äußert Norbert eine Vorstellung darüber, dass im EKG Erregungsrichtungen repräsentiert werden.

(307-321): „Beim Sinken der P-Welle sind weniger Zellen im Vorhof neu erregt als beim Anstieg oder am höchsten Punkt. Also da werden weniger Zellen neu erregt als am höchsten Punkt der P-Welle. [Am höchsten Punkt der P-Welle] sind gerade zu diesem Zeitpunkt am meisten Zellen im Vorhof erregt.“
(391-407): „Die Hauptaussage aus einem EKG ist: Das EKG zeigt die elektrische Erregungsausbreitung des Herzens in unterschiedlichen Richtungen.“

Die animierten Vektorschleifen kann Norbert nach eigener Bekundung nicht umgehend verstehen. Nach kurzer Überlegung bringt er jedoch die auseinandergezogene Vektorschleife mit den entsprechenden EKG-Abschnitten korrekt zusammen.

(163-190): „Jetzt ist es verstanden, [es wurde] erst statisch gezeichnet. (...) Der erste kleine Kreis ist der Teil, der zweite große Kreis ist der Teil und der kleine Kreis ist dann wieder der Teil (zeigt nacheinander auf P-Welle, QRS-Komplex und T-Welle). [Der aufsteigende Teil der R-Zacke] müsste die große Kurve [sein].“

Die eigentliche Intention der Intervention erfasst Norbert nicht, da er keinen Zusammenhang zur Animation und der im EKG repräsentierten Richtung von Erregungsausbreitung bemerkt.

Bei Laura konnten im ersten Teil des Vermittlungsexperiments Fehlvorstellungen identifiziert werden (Metaphernkonzept: Je höher die Kurve, desto mehr Zellen sind erregt). Auch nach der Interaktion mit Lernangebot finden sich diese Vorstellungen. Hervorgehoben werden soll hier die Fehlvorstellung, die sich überdies aus der Interaktion mit dem Lernangebot ergibt:

(590-645): [Die Vektorschleife] geht nach links rüber. Das liegt daran, dass der linke Ventrikel viel dicker ist als der rechte Ventrikel und viel mehr Muskelzellen aufweist, sodass die Schleife dann in die Richtung gebogen ist und nicht z.B. wieder gerade hochläuft.“
(648-669): „Auch wenn ein paar nach hier gehen, die allermeisten gehen nach hier und deswegen läuft es hier weiter lang, also erst im Septum, dann geht es an die Rückseite, in den Kammern läuft das Signal wieder hoch. Dann sind wir wieder auf der Höhe vom AV-Knoten.“

Die Probandin scheint sich vorzustellen, dass die Vektorschleife die sich im Herzgewebe auf- und abwärts bewegende Erregung abbildet. Die More Is Up-Metapher wird also auch für das Verständnis der abstrakten Vektorschleife genutzt. Das Lernangebot führt in diesem Fall zu einer fehlleitenden Vorstellung, weil das abstrakte Konstrukt der Vektorschleife nicht sachdienlich begriffen werden kann.

Die Äußerungen von Maja zeigen, dass sie die Phasen des EKG korrekt benennen kann. Es gibt aufgrund der Datenlage aber keine Hinweise darauf, ob sie eine Vorstellung von der im EKG abgebildeten räumlichen Erregungsausbreitung hat. Sie konstruiert jedoch auch fachlich unpassende Vorstellungen, bei der erneut Vertikalität als Erfahrungsbasis dient:

(33-69): „Also könnte man theoretisch sagen, [dass] hier (zeigt auf die Spitze der R-Zacke) die Erregung am größten ist, weil die Zacke auch am höchsten ist.“

Nach der Interaktion mit dem Lernangebot äußert sie sich zunächst in positiver Weise:

(136-174): „Aha, das habe ich noch nie gesehen. Wie cool ist das denn?! Ja klar, [das] macht total Sinn, wenn man das dazu zieht, aber die Herzschleife so malt. Das sah fast aus wie ein normales EKG. Aha, das ist mir neu. Das sieht nahezu identisch aus.“

Es können zwar die Bereiche der auseinandergezogenen Vektorschleife korrekt den entsprechenden EKG-Abschnitten zugeordnet werden. Die vorliegenden Aussagen deuten aber darauf hin, dass die Vektorschleife auf Basis der More Is Up-Metapher begriffen wird und somit nicht zur Konstruktion einer fachlich angemessenen Idee führt.

(477-498): „Hier oben (zeigt auf Vektorschleife) hätten wir den Beginn der Kammererregung. Das würde dann wahrscheinlich genau den Abschnitt der Q-Zacke darstellen. Hier sieht man [den] aufsteigenden [und] absteigenden [Bereich] (zeigt in der Vektorschleife).

6. Diskussion

Bei Studierenden der Humanmedizin konnten Fehlvorstellungen zum physiologischen EKG identifiziert werden, die sich vor dem Hintergrund der Conceptual Metaphor Theory auf das fachlich fehlleitende Metaphernkonzept More Is Up zurückführen lassen. Dabei besteht eine charakteristische Fehlinterpretation darin, dass Probanden im Kurvenverlauf lediglich eine Zu- und Abnahme von elektrischer Aktivität im Myokard erkennen. Die räumlichen und zeitlichen Aspekte der Erregungsausbreitung werden hingegen nicht mit dem Verlauf des EKG verknüpft. Damit wird die eingangs aufgestellte Vermutung gestützt beziehungsweise lässt sich diese differenzierter formulieren:

Der Kurvenverlauf kann...

1.
als Repräsentation für den Kontraktionszustand,
2.
als Repräsentation für den Erregungsgrad oder
3.
als Repräsentation für die Anzahl der erregten Zellen begriffen werden.
4.
Die Vektörgröße kann ebenfalls als Repräsentation für die Anzahl erregter Zellen verstanden werden (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]).

Aufgrund der limitierten Probandenzahl dieses qualitativen Forschungsansatzes wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Der qualitative Ansatz mit begrenzter Stichprobe erlaubt zudem keine Verallgemeinerung über die untersuchte Probandengruppe hinaus. Wohl aber lässt sich unter Bezugnahme auf die Conceptual Metaphor Theory die Vermutung generieren, dass die beschriebenen Vorstellungen in gleichartiger Weise in größeren Testgruppen zu erwarten sind – denn: solchen „Orientierungsmetaphern” [11] liegen grundlegende und somit allseits geteilte Interaktionen mit der physischen Umwelt zugrunde.

In dieser Studie wurde zudem ein theoriegeleitet entwickeltes Vermittlungsangebot explorativ erprobt, welches auf den konzeptionellen Zusammenhang von Vektorschleife und Kurvenverlauf des EKG fokussiert. Es kann aufgezeigt werden, wie Studierende nach Interaktion mit den animierten Vektorschleifen ein EKG als zweidimensionale Repräsentation der räumlichen Erregungsausbreitung im Myokard im Verlauf der Zeit angemessen erläutern können. Dabei wird deutlich, dass das Metaphernkonzept More Is Up im Verlauf des Vermittlungsexperiments nicht mehr das Verständnis zur EKG-Kurve strukturiert. Stattdessen erlangt die Kurve eine neue Bedeutung, Anstieg und Abfall werden nun als Abbild räumlicher Erregungsausbreitung repräsentiert (Metaphernkonzept: Up & Down Signifies Spatial Spreading) (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]).

Limitationen

Aufgrund des Versuchsansatzes ist zu konstatieren, dass die beobachteten Lerneffekte situativen und deskriptiven Charakter haben, sich epistemologisch aber nicht kausal auf die genutzte Intervention zurückführen lassen. Zudem können keine Aussagen über die Nachhaltigkeit des beschriebenen Lerneffektes getroffen werden. Die Studie beabsichtigt, auf der Basis von einzelnen Fallstudien mögliche Vorstellungsänderungen im Rahmen der Interaktion mit dem bereitgestellten Lernangebot zu rekonstruieren. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass über diese Stichprobe hinaus ebenfalls keine repräsentativen Aussagen über die Lernwirksamkeit der entwickelten Intervention getroffen werden können.

Die Ergebnisse zeigen überdies, dass es zu einem Fehllernen kommen kann, wenn die More Is Up-Metapher auch genutzt wird, um das abstrakte Konstrukt der Vektorschleife zu verstehen. Dabei wird in einem Fall aufgezeigt, dass die Vektorschleife als tatsächliche Erregungsbahn im realen Herzen missverstanden werden kann. Dieser Befund lässt sich erneut mithilfe der Conceptual Metaphor Theory erklären: Nichtphysisches kann physisch gedacht werden, abstrakte Dinge oder Prozesse verstehen wir oftmals durch „ontologische Metaphern“ [10]. Es ist daher vorstellbar, dass die Vektorschleife als tatsächlicher Weg von Erregung durch das menschliche Herz gedacht wird. Auf diese Weise würde vergegenwärtigt man sich den abstrakten Vorgang (Erregung) als eine in einem konkret vorstellbaren, realen Raum (Herz) bewegliche Entität. Eine solche fachlich unangemessene Deutung ist jedoch als lernhinderlich einzustufen. Hypothetisch ist überdies anzunehmen, dass eine solche Fehlvorstellung auch das Erlernen pathologischer Elektrokardiogramme erschwert.

Zwar verweisen diese Fälle von Fehllernen auf mögliche relevante Lehr-/Lernhindernisse in der medizinischen Ausbildung, die beispielsweise als kontrastierende Fehlvorstellungen im Rahmen von Vorlesungen eingesetzt werden können. Als Limitation sei hier aber erneut auf die darauf verwiesen, dass sich die Befunde auf die untersuchte Stichprobe beschränken. Auch erhebt die Studie keinen Anspruch, die mögliche Varianten von Verständnisproblemen hinsichtlich des eingesetzten Lernangebotes vollständig zu erfassen.


7. Schlussfolgerungen

In dieser Studie erfasste Fehlvorstellungen über den Aussagegehalt des physiologischen Elektrokardiogramms lassen sich auf vier identifizierte Metaphernkonzepte zurückführen. Durch Kenntnis dieser Fehlvorstellungen können Maßnahmen für die grundlegende kardiologische Ausbildung getroffen werden. Diese ließen sich beispielsweise in Lehrveranstaltungen zum Initiieren kognitiver Konflikte im Sinne von Kontrastierungen zu fachlich passenden Vorstellungen einbringen [18].

Ein diesbezüglich entwickeltes und im Vermittlungsexperiment erprobtes Lernangebot zeigt ferner einen Ansatz auf, um für Studierende medizinischer Disziplinen den Zusammenhang von Vektorschleife und EKG unmittelbar erfahrbar zu machen und eine Vorstellung davon zu vermitteln, dass die EKG-Kurve Informationen über die räumliche Ausbreitung von Erregungsmustern beinhaltet. Die auseinandergezogene Vektorschleife lässt sich daher als unterstützende Intervention zur Korrektur von Fehlvorstellungen einsetzen. Das Lernangebot kann auch beim erstmaligen Vermitteln im präklinischen Abschnitt verwendet werden, um das Entstehen der beschriebenen Fehlvorstellungen zu minimieren. Der Ansatz ist einfach durchführbar und gut in Vorlesungen oder Seminaren umsetzbar. Da auch Fälle von Fehllernen beschrieben wurden, in denen neben der EKG-Kurve auch die Vektorschleife in der More Is Up-Metaphorik verstanden wird, empfiehlt es sich auch hier, diese möglichen Fehlvorstellungen als kontrastierende Elemente in den Lernprozess einzubinden [18].

Der qualitative Ansatz zur Rekonstruktion von Vorstellungen zum physiologischen EKG hat sich insbesondere durch die Nutzung der Conceptual Metaphor Theory als dienliche Möglichkeit bewährt, um Fehlvorstellungen sowie Lern- und Fehllernprozesse auf einem bisher nicht erforschten Feld zu rekonstruieren. Den Studienergebnissen erwachsen zudem weitere Forschungsfragen. Von Interesse wäre, ob und in welcher Form das beschriebene Umlernen nachhaltig erfolgt und darüber hinaus, in welcher Weise das Verständnis pathologischer Elektrokardiogramme beeinflusst werden kann.

Der hier genutzte forschungsmethodische Ansatz kann sich überdies dazu eignen, um Vorstellungen und eventuelle Lernhindernisse beim Verstehen pathologischer EKG in der klinischen Ausbildungsphase zu erfassen. Ebenso könnte untersucht werden, ob der Ansatz der auseinandergezogenen Vektorschleife auch als Intervention für das Erlernen pathologischer EKG nutzbar sein kann (z. B. bei Schenkelblockbildern mit QRS-Kerben).

Die Forschungsergebnisse können zudem als Datenbasis für weitere, quantitativ strukturierte Vergleichsstudien zur Lernwirksamkeit des entwickelten Lernangebotes dienen. Die dargestellten Vorstellungen liefern Ansätze für ein gezieltes Entwickeln von lernzielbezogenen Wissenstests, um die Vermittlungsergebnisse auch in repräsentativen Interventionsgruppen zu untersuchen.


Danksagung

Ein herzlicher Dank geht an Theresa Sethmann und Anja Schirmer für die Mitwirkung am Forschungsprojekt sowie an Prof. Dr. Harald Gropengießer für den konzeptionellen Austausch. Überdies möchte ich Prof. Dr. Tobias Raupach und der AG Medizindidaktik der Georg-August-Universität Göttingen für ihr Feedback danken. Außerdem danke ich den Gutachter*innen für die konstruktiven Anregungen zum Manuskript.


Audiovisuelles Material

Audiovisuelles Material für diesen Artikel ist im Dryad-Repositorium verfügbar unter: [https://doi.org/10.5061/dryad.f19p512] [19]


Interessenkonflikt

Der Autor erkärt, dass er keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Silbernagel S, Despopoulos A. Taschenatlas der Physiologie. Stuttgart, New York: Thieme; 2003.
2.
Dong R, Yang X, Xing B, Zou Z, Zheng Z, Xie1 X, Zhu1 J, Chen1 L, Zhou1 H. Use of concept maps to promote electrocardiogram diagnosis learning in undergraduate medical students. Int J Clin Exp Med. 2015;8(5):7794-7801.
3.
Mahler SA, Wolcott CJ, Swoboda TK, Wang H, Arnold TC. Techniques for teaching electrocardiogram interpretation: Self-directed learning is less effective than a workshop or lecture. Med Educ. 2011;45(4):347-353. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2010.03891.x Externer Link
4.
Goy JJ, Schlaepfer J, Stauffer JC. Competency in interpretation of the 12-lead electrocardiogram among swiss doctors. Swiss Med Week. 2013;143(May):8-10. DOI: 10.4414/smw.2013.13806 Externer Link
5.
Jablonover RS, Lundberg E, Zhang Y, Stagnaro-Green A. Competency in Electrocardiogram Interpretation Among Graduating Medical Students, Teaching and Learning in Medicine. Teach Learn Med. 2014;26(3):279-284. DOI: 10.1080/10401334.2014.918882 Externer Link
6.
Raupach T, Harendza S, Anders S, Schuelper N, Brown J. How can we improve teaching of ECG interpretation skills? Findings from a prospective randomised trial. J Electrocard. 2016;49(1):7-12. DOI: 10.1016/j.jelectrocard.2015.10.004 Externer Link
7.
Niebert K, Gropengießer H. Leitfadengestützte Interviews. In: Krüger D, Parchmann I, Schecker H, editors. Methoden der Naturwissenschaftsdidaktik. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag; 2014. p.121-132. DOI: 10.1007/978-3-642-37827-0_10 Externer Link
8.
Mayring P. Qualitative Content Analysis. For Qual Soc Res. 2014;1(2):e20. DOI: 10.17169/fqs-1.2.1089 Externer Link
9.
Steffe LP, Thompson PW. Teaching Experiment Methodology: Underlying Principles and Essential Elements. In: Lesh R, Kelly AE, editors. Research design in mathematics and science education. Hillsdale, NJ: Erlbaum; 2000. p.267-307.
10.
Lakoff G, Johnson M. Metaphors We Live By. Chicago, London: The University of Chicago Press; 1980.
11.
Lakoff G, Nunez RE. Where Mathematics Comes From. New York: Basic Books; 2000.
12.
Lakoff G. Mapping the brain's metaphor circuitry: metaphorical thought in everyday reason. Front Hum Neurosci. 2014;8:958. DOI: 10.3389/fnhum.2014.00958 Externer Link
13.
Schmitt R. Systematic Metaphor Analysis as a Method of Qualitative Research. Qual Report. 2005;10(2):358-394.
14.
Lakoff G. Women, Fire, and Dangerous Things. What Categories Reveal about the Mind. Chicago: Univ. of Chicago Press; 1987. DOI: 10.7208/chicago/9780226471013.001.0001 Externer Link
15.
Duit R, Gropengießer H, Kattmann U, Komorek M, Parchmann I. The Model of Educational Reconstruction - a Framework for Improving Teaching and Learning Science. In: Jorde D, Dillon J, editors. Science Education Research and Practice in Europe. Cultural Perspectives in Science Education. Vol.5. Rotterdam: SensePublishers; 2012.
16.
Ericsson KA, Simon HA. How to Study Thinking in Everyday Life: Contrasting Think-Aloud Protocols with Descriptions and Explanations of Thinking. Mind Cult Act. 1998;5(3):178-186. DOI: 10.1207/s15327884mca0503_3 Externer Link
17.
Steinke, I. Quality Criteria in Qualitative Research. In: Flick U, von Kardorff E, Steinke I, editors. A Companion to Qualitative Research. London, Thousand Oaks, New Delphi: Sage Publications; 2004. p.184-190.
18.
Scott R, Asoko MH, Driver R. Teaching for conceptual change: a review of strategies. In: Duit R, Goldger F, Niedderer H, editors. The proceedings of the international workshop on research in physics education: Theoretical issues and empirical studies (Bremen, Germany, March 5-8, 1991). Kiel: IPN; 1992. p.310-329.
19.
Trauschke M. Data from: A qualitative study on the development and rectification of advanced medical students' misconceptions about the physiological electrocardiogram (ECG). Dryad Digital Repository. 2019. DOI: 10.5061/dryad.f19p512 Externer Link
20.
Boroditsky L. Metaphoric structuring: Understanding time through spatial metaphors. Cognition. 2000;75(1):1-28. DOI: 10.1016/S0010-0277(99)00073-6 Externer Link