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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

15 Jahre Modellstudiengang Medizin an der Ruhr-Universität Bochum

Artikel Gesamtdarstellung Studiengang

  • A. Burger - Ruhr Universität Bochum, Zentrum für Medizinische Lehre, Bochum, Deutschland
  • B. Huenges - Ruhr Universität Bochum, Abteilung für Allgemeinmedizin, Bochum, Deutschland
  • U. Köster - Ruhr Universität Bochum, Zentrum für Medizinische Lehre, Bochum, Deutschland
  • M. Thomas - Ruhr Universität Bochum, Zentrum für Medizinische Lehre, Bochum, Deutschland
  • B. Woestmann - Ruhr Universität Bochum, Abteilung für Allgemeinmedizin, Bochum, Deutschland
  • H. Lieverscheidt - Ruhr Universität Bochum, Zentrum für Medizinische Lehre, Bochum, Deutschland
  • H. H. Rusche - Ruhr Universität Bochum, Zentrum für Medizinische Lehre, Bochum, Deutschland; Ruhr Universität Bochum, Abteilung für Allgemeinmedizin, Bochum, Deutschland
  • corresponding author T. Schäfer - Ruhr Universität Bochum, Zentrum für Medizinische Lehre, Bochum, Deutschland

GMS J Med Educ 2019;36(5):Doc59

doi: 10.3205/zma001267, urn:nbn:de:0183-zma0012673

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001267.shtml

Eingereicht: 16. Oktober 2018
Überarbeitet: 9. Juli 2019
Angenommen: 25. Juli 2019
Veröffentlicht: 15. Oktober 2019

© 2019 Burger et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zum Wintersemester 2003 führte die Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum (RUB) den Modellstudiengang Medizin (MSM) ein. Für 9 aufeinanderfolgende Jahrgänge hatten je 42 von 280 StudienanfängerInnen der Ruhr-Universität Bochum die Gelegenheit, ihr Studium im Modellstudiengang Medizin zu beginnen. Die Plätze wurden unter freiwilligen Bewerbungen intern verlost. Der konsequent Problem-, Praxis- und Patientenorientierte MSM verzichtete weitgehend auf Vorlesungen, hob die Trennung von Vorklinik und Klinik auf und prüfte die Grundlagenkenntnisse in äquivalenten, integrierten Prüfungen mit klinischen Anwendungen. Nach vergleichender Auswertung von Regelstudiengang (RSM) und MSM führte die Fakultät die beiden Studiengänge zu dem seit 2013 angebotenen integrierten Reformstudiengang Medizin (iRM) zusammen, der durch ein themenorientiertes Hybridcurriculum gekennzeichnet ist. Dieser Artikel befasst sich mit den Erfahrungen mit der Entstehung, Konzeption und Einführung des Modellstudiengangs Medizin.

Schlüsselwörter: Problemorientiertes Lernen, POL, Themenzentriertes Curriculum, Integration, Kleingruppenunterricht


1. Gründung des Modellstudiengangs

Am 18. Oktober 2001 fasste der Fakultätsrat der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum den Beschluss, einen Modellstudiengang Medizin (MSM) durchzuführen und begann auf Basis der Modellstudiengangsklausel und der zu dieser Zeit in Überarbeitung befindlichen Novelle der Approbationsordnung für Ärzte, das Konzept einer Patienten-, Praxis- und Problemorientierten Lehre zu entwickeln.

Die Initiative hierzu ging vom Dekanat der Medizinischen Fakultät aus. Mit Blick auf die Zukunftsperspektiven der medizinischen Ausbildung in Nordrhein-Westfalen sollte die Fakultät durch den Innovationsschub der Studienreform zukunftsfähig aufgestellt werden. Das Dekanat benannte 2001 den Leiter der Abteilung für Allgemeinmedizin zum Fakultätsbeauftragten für Studienreform. Dieser stellte ein interdisziplinäres Team von MitarbeiterInnen mit ärztlicher, pädagogischer, psychologischer und sozialwissenschaftlicher Ausbildung zusammen. Dieses „Büro für Studienreform“ (BfS) koordinierte innerhalb von zwei Jahren die Entwicklung des Konzepts und die Implementierung des Modellstudiengangs, der parallel zum etablierten Regelstudiengang Medizin mit Inkrafttreten der neuen Approbationsordnung zum Wintersemester 2003/04 für 42 Studierende angeboten wurde.

Das didaktische Grundprinzip beruhte auf den Grundsätzen des aktiven Lernens im Sinne des Konstruktivismus [1] mit seinen vier Säulen des lerner-zentrierten aktiven Wissenserwerbs, des Anknüpfens an Vorwissen, der Lernförderung durch soziale Interaktion und der Anwendung des Erlernten in authentischen Aufgaben [2]. Basierend auf Hardens SPICES-Modell zur Curriculum-Entwicklung [3] war die Ausbildungsstrategie des neuen Studiengangs durch Studierendenzentriertheit, Problemorientierung, Integration von Grundlagen und Klinik, Stärkung der Allgemeinmedizin und eine auf einem Lernzielkatalog beruhende systematische Lernspirale gekennzeichnet.

Die Entwicklung des Curriculums erfolgte im Austausch mit den Medizinischen Fakultäten Maastricht, Witten-Herdecke und Berlin, die bereits Erfahrung mit problem-orientiertem Lernen gemacht hatten. Mitglieder des BfS und interessierte Lehrende nahmen an Workshops in Berlin und Maastricht teil. Das BfS stand in engem Kontakt zum Studiendekanat Medizin der Universität Witten-Herdecke.


2. Organisation und strukturelle Verankerung

Die Prozesssteuerung erfolgte im Auftrag der Fakultät durch das Büro für Studienreform (BfS) unter Leitung des Fakultätsbeauftragen für Studienreform.

Die laut Approbationsordnung ausbildungsrelevanten Fächer wurden aufgefordert, je einen „koordinierenden Fachvertreter“ zu benennen, der als Ansprechpartner für den weiteren Entwicklungsprozess fungierte. Für die Querschnittsbereiche wurden entsprechend verantwortliche Personen durch das Studiendekanat benannt. Die koordinierenden Fachvertreter wurden mit der Zusammenstellung der Kernlernziele ihrer Fächer und Querschnittsbereiche beauftragt, aus denen das BfS einen Lerninhaltekatalog zusammenstellte.

Zur Entwicklung des Modellstudiengangs wurden mehrere Arbeitsgruppen (AG) gegründet [4], in denen jeweils Lehrende, Studierende und Organisierende vertreten waren.

Aufgabe der AG Reformstudiengang war, den Prozess zu initiieren und zu begleiten. Sie legte die Grundlagen zur Formulierung der Studien- und Prüfungsordnung [5].

Die Curriculum-AG hatte die Aufgabe, das Curriculum vom 1. bis zum 10. Semester auf Basis des Bochumer Lerninhaltekatalogs neu zu strukturieren. Die Abfolge der Blöcke (Module) und deren Inhalte wurden geplant und festgelegt. Für die einzelnen Blöcke wurden Blockkonstruktionsgruppen mit den jeweiligen Fachvertretern gebildet. Basierend auf einem konsentierten Musterstundenplan entwickelten die Blockkonstruktionsgruppen die konkreten Stundenpläne durch Festlegung der Veranstaltungsinhalte und operationalisierten die Lernziele des Themenblockes in einem definierten und effizienten systematischen Prozess (4). Wenn die Inhalte der Blöcke feststanden, wurden POL-Fallkonstruktionsgruppen konstituiert, in denen von realen Patienten abgeleitete Fälle im Sinne der für Erwachsenenbildung geforderten Authentizität [1] entsprechend der Inhalte des Blockes für die jeweilige Woche didaktisch aufbereitet wurden. Diese bildeten dann den thematischen Rahmen der jeweiligen Semesterwoche (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Zum Start des Modellstudiengangs wurde zur Überwachung der universitätsinternen Äquivalenzprüfungen zum 1. Staatexamen ein Prüfungsausschuss als Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne gegründet, zur vorgeschriebenen Evaluation von Modellstudiengängen eine Evaluationskommission [5].


3. Veränderung der Lehr-/Lernkultur am Standort

Die gemeinsame Entwicklung eines neuen Curriculums und die Erstellung eines integrativen Lehrinhaltekatalogs machten allen Beteiligten deutlich, wie relevant die fächerübergreifende Zusammenarbeit ist. Redundanzen zwischen den Fächern konnten überprüft und ein Gesamtkonzept entwickelt werden, dass für Lehrende und Studierende gleichermaßen transparent war [4].

Angepasst an den aktuellen, konkreten Fortbildungsbedarf der Lehrenden wurden medizindidaktische Workshops zunächst zur Qualifizierung von allgemeinmedizinischen Lehrpraxen, zur Curriculumentwicklung und zum Problemorientierten Lernen unter Einbindung externer Expertise organisiert. Hieraus entwickelte sich dann ein umfassendes medizindidaktisches Fortbildungscurriculum, das heute als Medizindidaktik Bochum (MeDiBo) bundesweit anerkannte Zertifikate „Medizindidaktik“ im Umfang von 120 Stunden vergibt [6].

Obligatorisch besuchten alle Lehrenden, die eine POL-Gruppe mit je 7 Studierenden übernehmen sollten, ein zweitägiges Tutorentraining. Sie lernten dort, ihre POL-Gruppe beim selbstgesteuerten Lernen zu unterstützen und Feedback zu geben. Das WIE des Lernens rückte damit in den Fokus und begründete eine neue Lernkultur.

Eine neue Erfahrung für Lehrende war, dass Studierende im POL ihre Lernziele selbst bestimmten und sich diese gegenseitig, am besten interaktiv, vorstellten. Die Ziele folgten den Lerninteressen der Studierenden und konnten mit den intendierten Lernzielen übereinstimmen, mussten es aber nicht. Dieses selbstbestimmte Lernen führte anfänglich auf beiden Seiten zu Unsicherheiten, war allerdings auch sehr motivierend. Im Laufe der Zeit wurde jedoch deutlich, dass diese Art der Lehre und des Lernens insbesondere die kommunikativen Kompetenzen, den Umgang mit eigenen Unsicherheiten, das selbstbestimmte Lernen, aber auch diagnostische Fähigkeiten beförderte [7]. In Anlehnung an Hardens SPICES-Modell erfolgte ein bewusster Perspektivwechsel hin zur Eigenverantwortlichkeit der Studierenden mit reservierten Zeiten für das Selbststudium.

Das gemeinsame Engagement von Lehrenden und Studierenden führte zu einer größeren gegenseitigen Wertschätzung und einem anderen Blick für die Lehre. Dies äußert sich u.a. durch den Umgang mit Evaluationsergebnissen (Lehrende wurden ausgezeichnet, schlecht benotete Veranstaltungen wurden genauer analysiert). Es gab einen „Newsletter Lehre“, in dem innovative Lehrkonzepte und Evaluationsergebnisse vorgestellt wurden. Auch die Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM), bei der abhängig von der Evaluation der Lehrveranstaltungen den Lehrstuhlinhabenden Gelder zukommen, diente und dient der Honorierung guter Lehre.

Mit dem Modellstudiengang wurde auch das Blended Learning systematisch eingeführt, indem alle Veranstaltungen durch Angebote zur Vor- und Nacharbeit auf einer Web-basierten Lernplattform (Blackboard) begleitet wurden.


4. Inhalte

Die Inhalte des Medizinstudiums in Deutschland sind in der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) [https://www.gesetze-im-internet.de/_appro_2002/BJNR240500002.html] und in den vom Institut für Medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen herausgegebenen Gegenstandskatalogen [8] für die schriftlichen Teile der Ärztlichen Prüfung klar umrissen, an denen sich die Fakultäten im Sinne des „Constructive Alignments“ [9] orientieren.

Wie in § 41 Abs. 2 Nr.1 der ÄApprO gefordert, benannte die Fakultät das im Modellstudiengang verfolgte Reformziel für den Modellstudiengang über die Zielsetzung des § 1 ÄApprO hinaus in §1 der Studienordnung für den MSM der RUB vom 20.04.2005 [5]: „Besonders gefördert werden sollen dabei die Fähigkeiten zu Team-Kommunikation und ärztlicher Interaktion, das problemorientierte und interdisziplinäre Denken, sowie die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen.“

Als Kriterien für die Aufnahme von klinischen Lehrinhalten wurden die Häufigkeit, die Gefährlichkeit und der Beispielcharakter von Erkrankungen zugrunde gelegt. In einem Konsensprozess unter den beteiligten Fächern erfolgte die Operationalisierung der Lehrziele. Dabei wurden naturwissenschaftlicher Grundlagen nach dem sogenannten „Z-Modell“ in den Semestern 1 bis 10 mit klinischen Inhalten im Sinne eines integrierten Curriculums miteinander verschränkt. Anstelle systematischer Vorlesungen wurden die relevanten Grundlagenthemen durch sorgfältig ausgewählte POL-Fälle zur Selbsterarbeitung nahegelegt und in Begleitseminaren vertieft [10].

Zum Erwerb übergeordneter Kompetenzen wurden drei vertikale Ausbildungsstränge entwickelt:

  • Ärztliche Interaktion
  • Gesundheitsökonomie, Wissenschaftlichkeit, Methodologie und Forschung
  • Medizinische Ethik, Humanitäre Hilfe, Medizinrecht und Geschichte der Medizin.

Die Inhalte der drei vertikalen Ausbildungsstränge waren systematisch über das gesamte Studium verteilt und wurden im Rahmen einer Lernspirale in komplexer werdenden Kontexten wieder aufgegriffen. Dabei erwies sich der frühe Unterricht in medizinischer Ethik förderlich zum Erhalt einer positiven Einstellung zu ethischen und medizingeschichtlichen Fragestellungen [11]. Im Strang Gesundheitsökonomie, Wissenschaftlichkeit, Methodologie und Forschung erfuhren die Studierenden die Spanne vom Grundverständnis des Gesundheitssystems und der Epidemiologie bis zur Entwicklung eigener Forschungsansätze. Sie erlernten den Umgang mit statistischen Programmen und erarbeiteten und präsentierten zudem vom ersten Semester an wissenschaftliche Fragestellungen.

Alle Studierenden wurden speziell geschulten hausärztlichen Patenpraxen zugeteilt, bei denen sie fünf über das Studium verteilte Hospitationen von jeweils 2 Wochen absolvierten. Hier konnten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verfestigt und vertieft werden. Der frühe und wiederholte Kontakt mit den Patenpraxen stärkte den Bezug zum Patienten und zur Primärversorgung, ermöglichte aber auch den Lehrärzten eine Beobachtung der Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden. Eine weitere Stärkung erfuhr die Allgemeinmedizin durch die Anerkennung der Hospitationen als Famulatur sowie die Mitwirkung bei den Strängen und bei zahlreichen Querschnittsbereichen.

Die professionelle Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden wurde unterstützt durch POL-Tutoren und Mentoren, zu denen zum Teil auch über das Studium hinaus Verbindung gehalten wurde. Auch das BfS nahm wichtige Funktionen der Studienberatung und -begleitung wahr.


5. Didaktik

Das Curriculum verzichtete weitgehend auf Vorlesungen und setzte auf die Arbeit in Kleingruppen (6 POL-Gruppen mit je 7 Studierenden), die dann wiederum in zwei Seminargruppen zu 21 Studierenden zusammengefasst wurden. Die fachübergreifende Unterrichtsplanung in Themenblöcken folgte einer Lernspirale, die auf dem eigens entwickelten Bochumer Lehrzielkatalog beruhte. Das erste Staatsexamen wurde durch gleichwertige, kumulativ zu durchlaufende staatsexamensersetzende Prüfungen (3 Modified Essay Question Tests und 2 OSCEs) ersetzt.

Durch die beiden wöchentlich stattfindenden, je eineinhalbstündigen POL-Sitzungen in den Semestern 1 bis 5, in denen selbstbestimmt an Patientenfällen gelernt wurde, erlebten sich die Studierenden als im Mittelpunkt des Studiums stehend. Die Arbeit in Gruppen zu 7 Studierenden wurde bis zum 10. Semester beibehalten. POL wurde hier im Sinne von Henk Schmidt als Methode zum Wissenserwerb [13] durch Problemdiskussion auf Basis des Vorwissens, Erkennen von Wissenslücken und deren Schließen im Selbststudium und anschließender gemeinsamer Ergebnispräsentation und fallbezogenen Diskussion in einem siebenschrittigen Verfahren [12] umgesetzt.

Die Präsenzpflicht lag in den ersten 5 Semestern bei 18 Unterrichtseinheiten/Woche. Aus dem Musterstundenplan ist das Verhältnis zwischen POL-Gruppensitzungen, Seminaren, Praktika, Übungen und reservierten Lernzeiten zu ersehen. Der Praxiseinstieg erfolge im 1. Semester durch die Einbeziehung klinischer Fächer und das Üben ärztlicher Fertigkeiten im Rahmen von gegenseitiger Untersuchung. Nach dem 1. Semester erfolgte die erste Hospitation in der Patenpraxis für Allgemeinmedizin, die weiteren nach dem 3., 4. und 9 Semester. Nach dem 5. Semester stand eine zweiwöchige Hospitation in einer speziell geschulten Kinderarztpraxis an (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Übungen fanden passend zu den Blockthemen ab dem 1. Semester im Rahmen der Praktika, der praktischen Übungen und im Unterricht am Krankenbett statt. Um unterschiedliche Schwerpunkte kennenzulernen, wurde zwischen den großen Klinikenstandorten des Universitätsklinikums der Ruhr-Universität (UK-RUB) rotiert.

Die in den Blockkonstruktionsgruppen entworfenen und gepflegten Blockbücher gaben den Studierenden einen Überblick über den jeweiligen Themenblock und Hinweise zum Vor- und Nachbereiten sowie Groblernziele und Literaturempfehlungen.


6. Prüfung/Evaluation

Dem integrierten, themenorientieren Curriculum angepasst wurden fächerübergreifende, fallbasierte Äquivalenzprüfungen zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung eingeführt. Nach dem ersten und zweiten Studienjahr waren dies jeweils ein Modified Essay Question Test (MEQ) und eine Objective Structured Clinical Examination (OSCE) mit 7 Stationen. Die verbliebenden Themen wurden nach dem 5. Semester in einem dritten MEQ geprüft. Bei Bestehen aller fünf Prüfungen wurde die Äquivalenz zum ersten Staatsexamen erreicht. Wie dort konnte jede Prüfung für sich zweimal wiederholt werden. Bei Nichtbestehen durfte bis zum 8. Semester weiterstudiert werden. Die klinischen Fächer und Querschnittsbereiche wurden nach dem 5. Semester in Kombination mit dem MEQ3, nach dem 8. und nach dem 10. Semester in fallbezogenen Multiple-Choice-Prüfungen (MC) überprüft. Der Methodenwechsel war einerseits begründet durch die höhere Reliabilität durch breitere Streuung der Prüfungsinhalte und andererseits zur Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen gedacht, das auch eine MC-Prüfung ähnlichen Formats ist. Die fächerübergreifende Integration erfolgte hierbei durch Fragen unterschiedlicher Fächer zum jeweils selben Fall, um am Ende fachbezogene Noten ausweisen zu können.

Der Wissensfortschritt der Studierenden beider Studiengänge wurde mit Hilfe des an der Charité und der Universität Witten-Herdecke entwickelten formativen Progresstests Medizin (PTM) [14] verglichen. Dabei erzielten die Studierenden des MSM höhere Scores, die auf eine Überlegenheit bei Fragen zur Klinik zurückzuführen waren (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]) [15]. Ablesen lässt sich der Effekt des Z-Curriculums mit Verknüpfung grundlegender und klinischer Inhalte ab dem ersten Semester des Studiums im MSM.

Bei der Selbst- und Fremdeinschätzung der Zielerreichung hinsichtlich der in der Studienordnung definierten Ausbildungsziele schätzten sich Studierende des MSM als kompetenter ein als die Studierenden des RSM (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]). Die Einschätzungen der Lehrenden, die in beiden Studiengängen unterrichteten, bestätigten dieses Bild (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]). Bei diagnostischen und therapeutischen Kompetenzen, wissenschaftlichem Denken und Berücksichtigung körperlicher Aspekte der Patientinnen und Patienten lagen die Schätzungen jedoch nahe beieinander.

Dies bestätigte sich in den Staatsexamensergebnissen des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung, in denen sich im fragenspezifischen Vergleich der Erfolgsraten die beiden Studiengänge kaum unterschieden [16].

Signifikante Unterschiede waren jedoch in der Studiendauer festzustellen. Eine Analyse der ersten drei Jahrgänge ergab, dass 73,8%, 78,6% und 76,2% der Studienanfänger das 2. Staatsexamen erfolgreich und in Mindeststudienzeit absolvierten. Im Regelstudiengang lagen diese Quoten bei 51,9%. 51,3% und 49,2%.

Alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen wurden schriftlich evaluiert. Die Evaluationsergebnisse aller Lehrveranstaltungen wurden regelmäßig veröffentlicht. Darüber hinaus erfolgte am Ende eines Blockes jeweils ein sogenanntes Blockabschlussgespräch mit Studierenden, Lehrenden und Organisierenden. Zusätzlich gab es mit den Sprechern der POL-Gruppen blockübergreifende Semestergespräche [17], [18].


7. Zusammenführung von Modell- und reformiertem Regelstudiengang zum integrierten Reformstudiengang Medizin (iRM)

Nachdem 2011 zwei Kohorten den Modellstudiengang erfolgreich durchlaufen hatten, leitete die Fakultät einen erneuten Reformprozess ein, um aus den beiden parallel laufenden Studiengängen einen neuen gemeinsamen Studiengang Medizin für die Gesamtkohorte der an der Ruhr-Universität eingeschriebenen Medizinstudierenden zu entwickeln.

Diese von vornherein beabsichtigte Zusammenführung wurde insbesondere von klinischer Seite eingefordert, da die Vielzahl klinischer Veranstaltungen am Krankenbett (praktische Übungen am Patienten, Untersuchungskurse, Unterricht am Krankenbett, Blockpraktika, PJ) für zwei unterschiedliche Studiengänge und mit Studierenden mit sehr unterschiedlichem Studienfortschritt einen erheblichen logistischen und inhaltlichen Aufwand bedeuteten.

Eine neu eingerichtete Curriculum-AG unter Leitung des Studiendekans und unterstützt durch das ZML, das 2009 aus dem BfS hervorgegangen war, schlug dem Fakultätsrat nach ausgiebigen Diskussionen und Abwägungen der eigenen Erfahrungen und internationaler Erfahrungen zu integrierten Curricula [19], [20], [21]] unter Einbeziehung der Lehrenden und Studierenden die Implementierung eines „integrierten Reformstudiengangs“ (iRM) vor, der die folgenden Merkmale des Modellstudiengangs Medizin auf die nun mit ca. 300, später 342 Studienanfänger erheblich größere Kohorte übertragen sollte. Hierzu zählten ein integriertes, themenzentriertes Curriculum, der frühe Patientenkontakt, die Stärkung der Allgemeinmedizin mit Praxishospitation in frühen Semestern, die Weiterführung des problemorientierten Lernens, die Organisation der Studierenden in feststehenden Kleingruppen und die Einrichtung vertikaler Ausbildungsstränge zu den Themen Ärztliche Interaktion, praktische ärztliche Fertigkeiten, wissenschaftliches Arbeiten und Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns.

Zeitgleich zur Entwicklung des iRM äußerten die medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften der medizinischen Grundlagenfächer erhebliche Vorbehalte gegenüber Modellstudiengängen, bei denen das Erste Staatsexamen durch universitätsinterne Prüfungen ersetzt wurde. Im Ersten Staatsexamen, beruhend auf den Gegenstandskatalogen, sah man einen Garanten für die Qualität der medizinischen Ausbildung und wohl auch die Existenzberechtigung vorklinischer Grundlagenfächer in bestehendem Umfang. Der Fakultätsrat beschloss darauf hin, bei der Landesregierung einen Modellstudiengang unter Beibehaltung des Ersten Staatsexamens mit der Möglichkeit, die Famulatur zu einem anderen Zeitpunkt durchführen zu können, zu beantragen, um das Hospitationspraxenprogramm bereits während der ersten beiden Studienjahre beginnen und wie im Modellstudiengang als Famulatur anrechnen zu können. Diesem Antrag folgte das Gesundheitsministerium nicht. Damit entschied die Fakultät, den iRM formal als Regelstudiengang zu implementieren.

Die Entwicklung des neuen iRM-Curriculums wurde durch das ZML und das Studiendekanat begleitet und in regelmäßigen Konferenzen der Fachvertreter der beim jeweiligen Studienabschnitt beteiligten Fächer unter Beteiligung von Studierendenvertretern entwickelt. Hierbei waren die Erfahrungen bei der Entwicklung des MSM sehr hilfreich.

Im Unterschied zum Modellstudiengang wurden die POL-Gruppen von 7 auf 10 Teilnehmer vergrößert und die Frequenz der POL-Sitzungen reduziert, wodurch die POL-Fälle nun eine andere Funktion im Curriculum übernahmen, indem sie nicht mehr in ihrer Gesamtheit das im Selbststudium und den Begleitseminaren zu erarbeitende Wissen umrissen, sondern vielmehr zum Transfer des in den Themenblöcken erworbenen Wissens auf klinische Fälle herausforderten. Hierzu wurden neue Musterstundenpläne entwickelt, die eine systematische Einführung in das Thema durch Vorlesungen, gefolgt von Seminaren und schließlich von Praktika zur Anwendung des Gelernten vorsehen, umklammert von den POL-Sitzungen, die in 34 Gruppen à 10 Studierende stattfinden.

Auf eine nach dem 3. Semester stattfindende dreitägige Hospitation in einer Hausarztpraxis wird von Beginn an systematisch vorbereitet, indem im Rahmen des Praktikums zur Einführung in die klinische Medizin und im Praktikum zur Berufsfelderkundung im Umfang von zusammen 100 Unterrichtsstunden im Sinne des „Z-Modells“ klinische Inhalte bereits in der Vorklinik mit Grundlageninhalten verknüpft werden.

Basierend auf dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) wurden der Strang Ärztliche Interaktion und der Strang Wissenschaftliches Arbeiten ausgebaut und vertikal im Curriculum verankert.

Der erste Jahrgang des iRM wird im Herbst 2019 das Studium abschließen.


Fazit

Der Modellstudiengang Medizin an der Ruhr-Universität betonte die Problem-, Patienten- und Praxisorientierung. Er bediente sich des problemorientierten Lernens als strukturierte Unterrichtsform in einem themenbasierten, fächerübergreifenden Curriculum, flankiert durch Seminare, Sprechstunden, Praktika und praktischen Übungen, die bereits ab dem ersten Semester von Lehrenden aus Vorklinik, klinischer Theorie und Klinik gemeinsam bestritten wurden. Durch weitgehenden Verzicht auf systematische Vorlesungen wurde den Studierenden ausreichend Selbstlernzeit gewährt. Im Rahmen des hausärztlichen Patenpraxenprogramms erhielten die Studierenden langfristigen, verbindlichen Kontakt zur Allgemeinmedizin. In Ergebnissen des Progresstests Medizin und des 2. Staatsexamens zeigte sich die Nicht-Unterlegenheit im Bereich des Wissenserwerbs, während die intendierten Lernziele u.a. in den Bereichen Problemlösungskompetenz, praktische Erfahrung, wissenschaftlichem Denken von Studierenden wie Lehrenden des Modellstudiengangs als höher eingestuft wurden.

Die Entwicklung und Durchführung des Modellstudiengangs parallel zu einem (reformierten) Regelstudiengang bescherte der Lehre an der Fakultät eine erheblich höhere Bedeutung als bislang, führte zur Etablierung eines medizindidaktischen Qualifizierungsprogramms, bewirkte Erfahrungen mit neuen Lehr- und Prüfungsformen, entwickelte eine Kultur des gemeinsamen Austausches und der Evaluation zu lehrbezogenen Inhalten und ebnete den Weg für eine gezielte Entwicklung eines neuen integrierten Reformstudiengangs, der im Rahmen der in der Approbationsordnung festgelegten Gliederung als Regelstudiengang ein Z-Curriculum mit Verzahnung von Vorklinik und Klinik realisiert.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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