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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die Häufigkeit der Verwendung bestimmter Feedbackmethoden in der Lehre der Humanmedizin: Eine Befragung von Lehrenden an den Medizinischen Fakultäten in Baden-Württemberg

Artikel Feedback

  • author Kevin Kunz - Universität Freiburg, Medizinische Fakultät, Kompetenzzentrum Evaluation in der Medizin Baden-Württemberg, Freiburg, Deutschland
  • author Mirka Burkert - Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Heidelberg, Kompetenzzentrum für Prüfungen in der Medizin Baden-Württemberg, Heidelberg, Deutschland
  • author Felix Heindl - Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Kompetenzzentrum E-Learning in der Medizin Baden-Württemberg, Ulm, Deutschland
  • author Katrin Schüttpelz-Brauns - Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim, GB Studium und Lehrentwicklung, Mannheim, Deutschland
  • corresponding author Marianne Giesler - Universität Freiburg, Medizinische Fakultät, Kompetenzzentrum Evaluation in der Medizin Baden-Württemberg, Freiburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2019;36(4):Doc45

doi: 10.3205/zma001253, urn:nbn:de:0183-zma0012536

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001253.shtml

Eingereicht: 21. Dezember 2018
Überarbeitet: 26. April 2019
Angenommen: 19. Juni 2019
Veröffentlicht: 15. August 2019

© 2019 Kunz et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Feedback ist eine der wichtigsten Methoden bei der Umsetzung kompetenzorientierter Lehre. Um mehr über den Einsatz von Feedbackmethoden an den Medizinischen Fakultäten in Baden-Württemberg zu erfahren, wurde eine Bestandsaufnahme an fünf Fakultäten durchgeführt.

Methodik: Im Sommersemester 2017 wurden Lehrende der Medizinischen Fakultäten in Freiburg, Heidelberg, Mannheim, Tübingen und Ulm zum Thema Feedback befragt. Der Link zum Fragebogen wurde an die Lehrkoordinatorinnen und Lehrkoordinatoren der verschiedenen Fächer an den einzelnen Standorten verschickt, mit der Bitte, diesen an alle Lehrenden in ihrem Fach weiterzuleiten. An einem Standort konnten alle Lehrenden direkt angeschrieben werden. Die Daten wurden online erhoben.

Ergebnisse: Insgesamt nahmen 464 Lehrende an der Befragung teil. Die meisten Lehrenden sehen Feedback in der medizinischen Ausbildung als wichtig (23%) bzw. sehr wichtig (72%) an. Einige Feedbackmethoden werden jedoch kaum genutzt. Gründe hierfür sind vor allem, dass einige Methoden nicht bekannt sind – z.B. Checklisten (56%) – oder von den Lehrenden als nicht erforderlich für ihre Lehrveranstaltungen eingestuft werden, z.B. schriftliches Feedback (31%). 55% der Lehrenden wünschen sich Fortbildungen oder Informationen zum Thema Feedback.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass der Einsatz von Feedbackmethoden in der medizinischen Lehre ausbaufähig ist und dass die Dozentinnen und Dozenten Feedback als wichtig empfinden. Demnach sollte einer stärkeren Nutzung von Feedbackmethoden in der Lehre nichts im Weg stehen. Damit dies jedoch umgesetzt werden kann, ist es wichtig, dass den Lehrenden die einzelnen Methoden bekannter gemacht werden.

Schlüsselwörter: Feedback, Feedbackmethoden, Medizinische Ausbildung, formatives Feedback, kompetenzorientierte Lehre


Einleitung

Die Entwicklung und Förderung von Kompetenzen hängen unmittelbar mit dem Feedback zusammen, das Lernende von Lehrenden erhalten [1], [2], [3], [4]. Ohne gezieltes Feedback werden gute Leistungen von Studierenden nicht bestätigt oder gefestigt, Fehler werden nicht korrigiert [5]. Damit ist Feedback eine der zentralen Methoden bei der Umsetzung kompetenzorientierter Lehre und zur Kompetenzentwicklung [6], [7]. Das Ziel von Feedback besteht darin, den Studierenden Informationen über ihren Leistungsstand hinsichtlich definierter Aspekte ärztlicher Tätigkeit bzw. zu persönlichen Kompetenzen und Fertigkeiten zu geben und dadurch Weiterentwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen, um die Leistung nachhaltig zu verbessern [5], [8]. Dementsprechend wird das Geben von konstruktivem Feedback von Studierenden als wichtigste Lehraktivität wahrgenommen [9]. Zudem werden Lehrende, die regelmäßig Feedback geben, von Studierenden besser bewertet [10]. Demgegenüber zeigen Studien, dass viele Medizinstudierende den Eindruck haben, zu selten spezifisches Feedback von Dozierenden zu erhalten [11], [12], [13]. Dies deckt sich mit den Beurteilungen des Wissenschaftsrates. Dieser bewertet das Engagement der Lehrenden in der Medizin beim Geben von Feedback als nicht ausreichend und mahnt eine intensivere Betreuung der Studierenden an [14]. Damit ein konstruktiver Feedbackprozess und eine gute Betreuung von Studierenden gewährleistet sind, ist es wichtig, dass Lehrende im Geben von Feedback geschult werden und Feedbackregeln bzw. -standards kennen [5], [11].

Bisher gibt es im deutschsprachigen Raum keine Publikationen, die Aufschluss darüber geben, welche der in der Literatur gängigen Feedbackmethoden derzeit in welcher Häufigkeit an den Medizinischen Fakultäten in der Lehre verwendet werden. Es wurde daher an den Medizinischen Fakultäten Baden-Württembergs im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundprojekts MERLIN (Medical Education Research – Lehrforschung im Netz BW), das zur kompetenzorientierten Gestaltung und Weiterentwicklung des Studiums der Humanmedizin in Baden-Württemberg beitragen soll, eine Bestandsaufnahme zur Nutzung von Feedbackmethoden durchgeführt. Ziel dieser Bestandsaufnahme war es, ein Bild davon zu erhalten, welche Feedbackmethoden derzeit in der Lehre der Humanmedizin eingesetzt bzw. aus welchen Gründen bestimmte Methoden gegebenenfalls nicht genutzt werden. Die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme sollen dazu beitragen, den Einsatz von Feedbackmethoden in der Lehre der Humanmedizin zu optimieren.


Methoden

Ablauf der Untersuchung

Auf Grundlage des aktuellen Forschungsstandes wurden in der Lehre der Humanmedizin einsetzbare Feedbackmethoden identifiziert. Davon ausgehend wurde am Kompetenzzentrum Evaluation in der Medizin Baden-Württemberg in Freiburg ein aus insgesamt 35 Fragen bestehender Fragebogen entwickelt.

Der Fragebogen enthält Fragen zur Wichtigkeit von Feedback, zur Häufigkeit der Nutzung einzelner Feedbackmethoden und zu Gründen für deren Nicht-Nutzung. Die Fragen konnten meist mit einer vierstufigen Antwort-Skala beantwortet werden. Darüber hinaus gab es Single-Choice-Fragen sowie die Möglichkeit, Freitextkommentare abzugeben. Bei einigen Fragen konnten auch Mehrfachangaben gemacht werden. Um einen Überblick über die Nutzung von Feedbackmethoden in den Lehrveranstaltungen zu erhalten, wurden die Lehrenden um Angaben gebeten, in welcher Häufigkeit (1=nie bis 4=sehr häufig) sie ausgewählte Feedbackmethoden (mündliches, schriftliches und technologiegestütztes Feedback sowie Checklisten und Peerfeedback) in der Lehre einsetzen. Zudem wird die Bekanntheit ausgewählter Feedbackmethoden abgefragt. Um herauszufinden, auf welchem Kenntnisstand über die einzelnen Methoden sich die Lehrenden befinden, wurde die Bekanntheit von in der Literatur gängigen Feedbackmethoden auf einer vierstufigen Skala erfragt (1=Methode unbekannt, 2=unbekannt, mehr Information gewünscht, 3=bekannt, nicht eingesetzt, 4=bekannt, eingesetzt).

Für diese Bestandsaufnahme wurde bei den Feedbackmethoden grob zwischen eher informell und wenig standardisiert durchgeführten (z.B. mündliches oder schriftliches Feedback) und standardisierten Feedbackmethoden unterschieden. Standardisierte Methoden folgen einem bestimmten Ablauf und es werden Checklisten bzw. Fragebögen zur Leistungsbewertung eingesetzt. Beispiele hierfür sind Mini-CEX (Mini Clinical Evaluation Exercise), DOPS (Direct Observation of Procedural Skills) oder CEC (Clinical Encounter Cards) [2], [12], [15], [16], [17]. Auch technologiegestütztes Feedback (z.B. Audience Response Systeme) würde unter die Kategorie der standardisierten Methoden fallen. Zudem gibt es Methoden, die informell oder standardisiert durchgeführt werden können, wie das Peerfeedback. Ebenfalls abgefragt wurde, in welcher Form bzw. in welchen Situationen die Lehrenden Feedback geben und ob der Wunsch nach Informationen oder Fortbildungen zum Thema Feedback besteht.

Der Fragebogen wurde im Sommersemester 2016 in einer Pilotstudie an der Medizinischen Fakultät Freiburg getestet. Befragt wurden Lehrkoordinatorinnen und -koordinatoren. Anschließend wurde der Fragebogen überarbeitet. Hierbei wurden Fragen ergänzt oder umformuliert, der inhaltliche Aufbau blieb erhalten. Nach der Überarbeitung wurde der Fragebogen von einer kleinen Gruppe praktisch tätiger Ärztinnen und Ärzte der Uniklinik Freiburg sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des MERLIN-Projekts in Freiburg erprobt, um die Praxistauglichkeit des Fragebogens zu überprüfen und gegebenenfalls weitere Änderungen vorzunehmen.

Im Sommersemester 2017 wurde mit dem überarbeiteten Fragebogen online eine Befragung an den Medizinischen Fakultäten in Freiburg, Heidelberg, Mannheim, Tübingen und Ulm durchgeführt. Befragt werden sollten alle Lehrenden der Humanmedizin des ersten und zweiten Studienabschnitts sowie des Praktischen Jahres an den jeweiligen Standorten. Der Befragungszeitraum betrug sechs Wochen. Nach zwei bzw. vier Wochen erhielten die Lehrenden jeweils ein Erinnerungsschreiben. Die Lehrenden wurden von den MERLIN-Projektverantwortlichen an den einzelnen Standorten per E-Mail kontaktiert. An vier Standorten erhielten Lehrkoordinatorinnen und Lehrkoordinatoren des ersten und zweiten Studienabschnitts die Befragungsinformationen jeweils über einen E-Mail-Verteiler zugeschickt. Sie wurden gebeten, diese Informationen an alle Lehrenden in ihrem Fach weiterzuleiten. An einem Standort konnten alle Lehrenden und PJ-Betreuenden unmittelbar über einen E-Mail-Verteiler angeschrieben werden. Über die genaue Anzahl der Weiterleitungen und somit die Gesamtzahl der Lehrenden, die die Einladung zur Befragung erhalten haben, können keine Aussagen getroffen werden. Daher war die Berechnung einer Rücklaufquote nicht möglich. Insgesamt wurden standortübergreifend ca. 1200 Lehrende direkt per Mail kontaktiert.

Die Teilnahme an der Befragung erfolgte über einen Link, den die Lehrenden in der Einladung zur Befragung per E-Mail zugeschickt bekamen. Die Daten wurden mit der Befragungssoftware EvaSys erhoben. Den Lehrenden wurden Zahlencodes zugeordnet, um deren Anonymität bei der Auswertung sowie der Ergebnisdarstellung zu wahren. Die Teilnahme an der Studie war für die Lehrenden freiwillig.

Stichprobe

Insgesamt nahmen 464 Lehrende an der Befragung teil. Davon waren 60% männlich. 20% der Lehrenden verfügten über weniger als 5 Jahre, 28% über 5-10 Jahre, 33% über 11-20 Jahre und 19% über mehr als 20 Jahre Lehrerfahrung. Bezogen auf die Lehrerfahrung gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Standorten (χ2=19,84, df=12, p=.07, w=.207). Es konnten jedoch geschlechterspezifische Unterschiede festgestellt werden: Dozenten hatten insgesamt mehr Lehrerfahrung als Dozentinnen (χ2=29,08, df=3, p=.00, w=.250). Die weiteren Auswertungen legen dar, dass 36% der befragten Lehrenden im ersten Studienabschnitt lehren, 83% im zweiten und 60% im Praktischen Jahr. Eine Überprüfung der Befragungsbeteiligung der Lehrenden in den einzelnen Studienabschnitten zeigte für den ersten Studienabschnitt signifikante Unterschiede zwischen den fünf medizinischen Fakultäten (χ2=20,87, df=4, p=.00, w=.212): An zwei Standorten nahmen im Verhältnis deutlich weniger Lehrende aus dem ersten Studienabschnitt an der Befragung teil als an den anderen Standorten. Im zweiten Studienabschnitt (χ2=2,85, df=4, p=.58, w=.078) und im Praktischen Jahr (χ2=6,80, df=4, p=.15, w=.121) gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Standorten. In Bezug auf das Geschlecht der Lehrenden zeigte sich, dass im ersten Studienabschnitt verhältnismäßig mehr Dozentinnen (χ2=3,98, df=1, p=.05, w=.093) und im PJ mehr Dozenten (χ2=21,55, df=1, p=.00, w=.216) an der Befragung teilgenommen haben. Im zweiten Studienabschnitt gab es keine signifikanten Unterschiede bei der Verteilung der Geschlechter (χ2=1,34, df=1, p=.25, w=.054). Aus Datenschutzgründen wurde nicht erhoben, in welchen Fächern die Lehrenden unterrichten und welche Lehrformate (z.B. Vorlesungen oder Seminare) sie durchführen, da hierdurch womöglich Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich gewesen wären.

Statistische Auswertung

Die Auswertung erfolgte mit IBM SPSS Version 24 (IBM SPSS Statistics für Windows, Version 24). Zur Überprüfung der Antwortverteilungen wurden Einzelitemanalysen und Chi-Quadrat-Tests durchgeführt.


Ergebnisse

Im folgenden Abschnitt werden einige zentrale Ergebnisse der Bestandsaufnahme dargestellt.

Wichtigkeit von Feedback

Feedback wird in der medizinischen Ausbildung von einer Mehrzahl der Lehrenden als wichtig (23%) bzw. sehr wichtig (72%) empfunden. 5% der Lehrenden finden Feedback nicht wichtig. Bei der Beurteilung der Wichtigkeit von Feedback in Abhängigkeit des Geschlechts der Befragten (χ2=2,61, df=3, p=.46, w=.075) bzw. in Abhängigkeit des Standorts (χ2=12,21, df=12, p=.43, w=.162) konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden.

Häufigkeit der Nutzung von Feedbackmethoden

Aus Abbildung 1 [Abb. 1] geht hervor, dass mündliches Feedback die von den Lehrenden am häufigsten genutzte Feedbackmethode ist. In der Reihenfolge der Nutzungshäufigkeit folgt die Peerfeedback-Methode. Relativ wenige Lehrende nutzten Checklisten – z.B. Mini-CEX, DOPS oder CEC –, schriftliches und technologiegestütztes Feedback, um Studierenden Rückmeldungen zu ihren Leistungen zu geben. Eine Überprüfung inwieweit die Häufigkeit der Nutzung der Feedbackmethoden in den Studienabschnitten unterschiedlich ausgeprägt ist, ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Studienabschnitten.

Gründe für die Nicht-Nutzung von Feedbackmethoden

Diejenigen, die im Fragebogen angekreuzt hatten, eine Methode nie einzusetzen, wurden nach den Gründen gefragt, warum sie diese Methode nicht nutzen. Es konnte pro Methode jeweils ein Grund angekreuzt werden. Die prozentualen Angaben für die Gründe der Nicht-Nutzung beziehen sich jeweils auf diejenigen, die aussagen, eine „Methode nie genutzt“ zu haben (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Nur wenige Befragte antworteten, dass sie kein mündliches Feedback geben (n=22 bzw. 5%), d.h. die meisten Befragten (95%) geben zumindest „selten“, wenn nicht sogar öfter mündliches Feedback. Peerfeedback wird von 31% der Lehrenden nicht eingesetzt. Von diesen Lehrenden nutzen 23% die Methode nicht, weil sie ihnen unbekannt ist und 21%, da sie die Methode für nicht erforderlich für ihre Lehrveranstaltungen halten. 76% der Lehrenden geben an, keine Checklisten einzusetzen. Der meistgenannte Grund ist, dass die Methode nicht bekannt ist (56%). Weitere Auswertungen zeigen, dass 65% der befragten Lehrenden die Methode des schriftlichen Feedbacks nicht anwenden. Von diesen halten 31% schriftliches Feedback für nicht erforderlich für ihre Lehrveranstaltungen. 23% nutzen die Methode aus Zeitgründen nicht. Von den im Fragebogen abgefragten Methoden kommt technologiegestütztes Feedback am wenigsten zum Einsatz. 81% der Befragten nutzen diese Methode nicht. Hiervon geben 24% der Lehrenden an, dass die Methode ihnen nicht bekannt ist und 35% der Lehrenden nennen technische Gründe als ausschlaggebend für die Nicht-Nutzung.

Bekanntheit von Feedbackmethoden

Wie Abbildung 2 [Abb. 2] zeigt, sind Videofeedback, Feedback von (Schauspiel-)Patientinnen und Patienten, Audience Response Systeme und Peerfeedback die unter den Lehrenden bekanntesten Feedbackmethoden. Bei der Bekanntheit der Methode „Feedback von (Schauspiel-)Patientinnen und -patienten“ gibt es signifikante Unterschiede zwischen Lehrenden, die im ersten und zweiten Studienabschnitt lehren (χ2=21,82, df=6, p=.001, w=.217). Lehrende aus dem ersten Abschnitt gaben häufiger an, die Methode nicht zu kennen. Am häufigsten in der Lehre eingesetzt werden Peerfeedback, Feedback von (Schauspiel-) Patientinnen/Patienten und Audience Response Systeme.

Einige Feedbackmethoden sind der Mehrzahl der Lehrenden unbekannt. Neben dem 360°-Feedback – 65% der Befragten kennen die Methode nicht – trifft dies insbesondere auf die Checklisten zu. CEC sind 72% der Lehrenden unbekannt. 62% kennen DOPS nicht und 59% der Dozentinnen und Dozenten sind Mini-CEX nicht bekannt.

Feedbacksituationen

Weiter wurde erhoben, in welchen Situationen die Lehrenden den Studierenden Feedback geben. Mit Abstand am häufigsten geben die Lehrenden in Lerngruppen innerhalb von Lehrveranstaltungen Feedback (71% häufig oder sehr häufig). Ebenfalls relativ häufig regen die Lehrenden Studierende an, sich gegenseitig Feedback zu geben (40%). In der Reihenfolge der Häufigkeit folgen Feedback im Rahmen von Prüfungen (38%) sowie Feedback in Pausen (34%). Im Gegensatz dazu geben die meisten Befragten an, nie Feedback zu einem Lernportfolio (75%) oder online über eine Lernplattform zu geben (89%). Befragt wurden die Lehrenden auch, ob sie den Studierenden die Möglichkeit bieten, ihnen Feedback zu geben. 20% der Lehrenden ermöglichen den Studierenden dies sehr häufig, 48% häufig, 24% selten und 8% nie.

Wunsch nach weiteren Informationen zum Thema Feedback

55% der Lehrenden wünschen sich Weiterbildungen, Kooperationen oder Informationen zum Thema Feedback; am häufigsten wurden Seminare, E-Learning- bzw. Blended-Learning-Formate oder Infomaterialien als Wunschangebote genannt.


Diskussion

Feedback ist für eine kompetenzorientierte Lehre von großer Bedeutung, da die Studierenden über ihren aktuellen Leistungsstand sowie über ihre Stärken und Schwächen informiert werden müssen, um ihre jeweiligen Kompetenzen weiterentwickeln zu können [5]. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Relevanz von Feedback in der medizinischen Ausbildung von den Lehrenden mehrheitlich anerkannt wird.

Mündliches Feedback und Peerfeedback werden von den Lehrenden häufig genutzt, um den Studierenden Rückmeldungen über ihren Leistungsstand zu geben. Insbesondere das Erteilen von mündlichem Feedback scheint ein relativ regelmäßiger Bestandteil der medizinischen Lehre zu sein. Beim mündlichen Feedback gilt allerdings zu beachten, dass aufgrund seiner Beiläufigkeit die Möglichkeit besteht, dass die Studierenden die daraus erhaltenen Informationen gar nicht als Feedback wahrnehmen. Deswegen ist es wichtig, dass Lehrende die Studierenden darauf hinweisen, wenn eine von ihnen erteilte Information als Feedback verstanden werden soll [10]. Damit Feedback die beabsichtigte Wirkung erzielt und von den Studierenden akzeptiert wird, ist zudem relevant, dass das Feedback von den Lehrenden auf adäquate Weise unter Beachtung einiger Regeln zum Geben von Feedback vermittelt wird [5], [18], [19], [20]. Gleiches sollte auch gelten, wenn Studierende Lehrpersonen Feedback geben.

Einige Feedbackmethoden finden allerdings derzeit noch kaum Anwendung in der medizinischen Lehre. Während mündliches Feedback und Peerfeedback relativ häufig zum Einsatz kommen, werden Checklisten, technologiegestütztes sowie schriftliches Feedback von den meisten Befragten nicht genutzt, um Studierenden Rückmeldungen über ihre Leistungen zu geben (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Ein Grund hierfür könnte sein, dass Peerfeedback und insbesondere mündliches Feedback spontan, informell und ohne größere Vorbereitung ablaufen können (auch wenn die Anwendung dieser Methoden ebenfalls strukturiert und vorbereitet erfolgen sollte). Die Nutzung von Checklisten, schriftlichem sowie technologiegestütztem Feedback erfordert hingegen auf jeden Fall einen längeren Vorlauf und kann ohne getroffene Vorbereitungen – z.B. erstellte Übungsfragen zur Nutzung von Audience Response Systemen in Vorlesungen – nicht erfolgen.

Bei der Bewertung der Ergebnisse zur Nutzungshäufigkeit der Feedbackmethoden muss jedoch berücksichtigt werden, dass es sich bei der Frage, wie häufig eine Methode eingesetzt wurde, um eine subjektive Einschätzung seitens der Lehrenden handelt und dass auch nicht abgefragt wurde, ob die jeweilige Methode aktuell genutzt wird. Zudem gilt es zu beachten, dass bestimmte Angebote, die abgefragt wurden, wie z.B. Lernportfolios oder Lernplattformen, an einzelnen Fakultäten derzeit unter Umständen noch nicht umfangreich eingesetzt werden bzw. Lehrende in deren Anwendung nicht involviert sind. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, warum so wenige Lehrende angaben, diese Methoden zum Geben von Feedback einzusetzen. Für die Nutzung dieser Methoden müsste es an den Fakultäten zunächst eine Strategie für deren Einsatz geben, z.B. zu digitalem Lernen und Lehren.

Den Nicht-Einsatz von technologiegestützten Feedbackmethoden erklären die Lehrenden vor allem mit technischen Gründen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Ein möglicher Hauptgrund für die hohe Zahl an Nennungen von technischen Gründen, aufgrund derer technologiegestütztes Feedback nicht eingesetzt wird, könnte sein, dass die technische Expertise zur Anwendung der Methode nicht vorhanden ist. Weitere Erklärungen könnten sein, dass nicht in jedem Vorlesungs- oder Seminarraum die technischen Voraussetzungen vorhanden sind, um beispielsweise Audience Response Systeme anzuwenden oder dass die Einrichtung und Anwendung solcher Systeme als zu aufwändig empfunden werden. Ein weiterer Grund könnte sein, dass die Methode bei einigen Lehrenden nicht zu der Lehrveranstaltung passt, die sie durchführen, beispielsweise wenn die Veranstaltung in einem klinischen Setting stattfindet.

Checklisten werden insbesondere deshalb nicht eingesetzt, weil vielen Lehrenden die Methode nicht bekannt ist, obwohl Checklisten als relativ leicht zu implementieren und Rückmeldungen mit ihnen ab einer gewissen Fallzahl als reliabel gelten [15], [16], [17]. Daher müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, um die Feedbackmethoden, deren Relevanz sowie deren Anwendungsmöglichkeiten bekannter zu machen. Den Lehrenden sollten die Vorzüge, Nachteile sowie möglichen Einsatzgebiete der einzelnen Methoden vermittelt werden. Zudem sollte die Bekanntheit der in der Literatur beschriebenen Grundregeln des Feedbackgebens gesteigert werden [5], [18], [19], [20]. Das Ergebnis, dass Feedback von Lehrenden an Studierende noch kein selbstverständlicher Bestandteil in der medizinischen Lehre ist, deckt sich mit den Ergebnissen anderer Studien, denen zufolge Medizinstudierende eher selten Feedback infolge einer beobachteten Situation erhalten [12], [13].

Eine Möglichkeit, die Bekanntheit von Feedbackmethoden und -regeln zu steigern, wären handliche Informationsflyer – ähnlich der im Rahmen des MERLIN-Projekts an der Universität Freiburg entwickelten Informationskarten für PJ-Betreuende und -Studierende. Zudem wäre es sinnvoll, besser auf vorhandene Informationsmaterialien zu verweisen bzw. neue Informationsmaterialien – Handbuch, Film, etc. – zu entwickeln. Diese Materialien könnten ausgewählte und in der Literatur häufig thematisierte Feedbackmethoden kurz beschreiben, ihre Einsatzmöglichkeiten aufzeigen sowie Stärken und Schwächen der einzelnen Methoden darstellen. Zur Steigerung der Motivation und zur Veranschaulichung der Möglichkeiten wäre zudem eine Sammlung von Best-Practice-Beispielen sinnvoll.

Zusammenfassend betrachtet, ist es relevant, dass es nicht per se auf die Häufigkeit des Feedbacks ankommt, sondern dass auch auf die Qualität des Feedbacks zu achten ist. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass die gewählte Methode für das Format der Lehrveranstaltung geeignet ist (z.B. Audience Response Systeme für Vorlesungen) und dass die Wahl der Feedbackmethode auch von den anvisierten Lernzielen abhängt (z.B. DOPS bei praktischen Fertigkeiten). Für die Umsetzung eines konstruktiven Feedbackprozesses gilt auch zu berücksichtigen, dass Feedback immer in einer Interaktion stattfindet [5], [21]. Hierfür ist es wichtig, dass relevante Kommunikationsregeln beachtet werden [5], [22], [23].

Einschränkungen der Studie

Die Verteilung der Befragungsunterlagen erfolgte überwiegend durch Weiterleitung über die Lehrkoordinatorinnen und Lehrkoordinatoren. Eine Ausnahme bildete ein Standort, an dem alle Lehrenden direkt angeschrieben werden konnten. Eine Einschränkung ist daher, dass durch dieses Vorgehen bei der Rekrutierung nicht festgestellt werden kann, wie viele Lehrende insgesamt bzw. pro Standort die Befragungsunterlagen bzw. den Link zum Fragebogen erhalten haben. Deshalb lassen sich keine Aussagen über die Rücklaufquote und die Repräsentativität der Studie treffen. Aus Datenschutzgründen wurde zudem nicht abgefragt, in welchen Fächern die Lehrenden in der Lehre tätig sind oder in welchen Lehrformaten sie lehren.


Schlussfolgerungen

Der Einsatz von Feedbackmethoden in der medizinischen Lehre ist ausbaufähig und eine große Mehrheit der Lehrenden hält Feedback in der medizinischen Lehre für wichtig oder sehr wichtig. Demnach sollte einer stärkeren Nutzung von Feedbackmethoden eigentlich nichts im Weg stehen. Damit der Einsatz von Feedbackmethoden allerdings erhöht werden kann, müssen die Bekanntheit der Methoden gesteigert und deren Anwendungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Alle Medizinischen Fakultäten in Baden-Württemberg arbeiten stetig an der Entwicklung von gezielten Maßnahmen zur Verbesserung der Nutzung von Feedbackmethoden. Zur Überprüfung der Effektivität dieser Maßnahmen soll die vorliegende Befragung nach einer angemessenen Zeit wiederholt werden, um mögliche Änderungen bei der Verwendung der Feedbackmethoden zu erfassen.


Anmerkung

Der Fragebogen kann beim Kompetenzzentrum Evaluation in der Medizin Baden-Württemberg, Freiburg angefordert werden.


Förderung

Die Studie wurde im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundprojekts MERLIN (Medical Education Research – Lehrforschung im Netz BW) der Medizinischen Fakultäten Freiburg, Heidelberg, Mannheim, Ulm und Tübingen unter Federführung des Standortes Freiburg durchgeführt; Förderzeichen: 01Pl12011A.


Ethik

Die Forschung wurde gemäß der Deklaration von Helsinki durchgeführt und von der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg genehmigt (149/17). Alle Teilnehmenden wurden schriftlich über den Verlauf der Studie aufgeklärt und erklärten ihre Einwilligung. Die Teilnahme war freiwillig. Keinerlei individuelle Daten der Teilnehmenden werden in der vorliegenden Studie berichtet.


Danksagung

Unser Dank gilt allen am MERLIN-Projekt beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die konstruktive Zusammenarbeit und den anregenden Austausch. Wir danken auch allen Lehrkoordinatorinnen und Lehrkoordinatoren sowie allen Lehrenden für ihre Beteiligung an der Befragung.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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