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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Zuschauen allein reicht nicht: Kooperationsskripts zur Förderung simulationsbasierten Lernens

Artikel Simulation

  • corresponding author Jan M. Zottmann - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Peter Dieckmann - Herlev Hospital, Center for Human Resources Capital Region of Denmark, Copenhagen Academy for Medical Education and Simulation (CAMES), Herlev, Dänemark; University of Copenhagen, Department for Clinical Medicine, Kopenhagen, Dänemark; University of Stavanger, Faculty of Health Sciences, Stavanger, Norwegen
  • author Tatjana Taraszow - Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Erziehungswissenschaften, Berlin, Deutschland
  • author Marcus Rall - InPASS, Institut für Patientensicherheit und Teamtraining GmbH , Reutlingen, Deutschland
  • author Frank Fischer - LMU München, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie, München, Deutschland

GMS J Med Educ 2018;35(3):Doc35

doi: 10.3205/zma001181, urn:nbn:de:0183-zma0011812

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2018-35/zma001181.shtml

Eingereicht: 27. November 2016
Überarbeitet: 2. Mai 2018
Angenommen: 6. Juni 2018
Veröffentlicht: 15. August 2018

© 2018 Zottmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Ziele: Medizinstudierende, die an einem simulationsbasierten Training teilnehmen, sollen zusätzlich zu medizinischem Faktenwissen auch allgemeineres Wissen wie Heuristiken für den Umgang mit kritischen Ereignissen erwerben. Obgleich die aktive Teilnahme als großer Vorteil dieser Art von Training angesehen wird, verwenden die Studierenden dabei einen Großteil ihrer Zeit darauf, die im Simulator handelnden Personen zu beobachten. Vor diesem Hintergrund wurden Lernende während der Beobachtungsphasen eines simulationsbasierten Trainings instruktional mit einem Kooperationsskript (d. h. einem Set von Scaffolds, die Lernenden in Gruppen bestimmte Rollen und Aktivitäten zuweisen) unterstützt. Das Skript zielte darauf ab, die Lernenden bei der Fokussierung auf Heuristiken zu unterstützen und eine (inter-)aktivere Kursteilnahme zu fördern. Der Studie lag die Hypothese zugrunde, dass die Lernenden von einer instruktionalen Unterstützung mit Kooperationsskript sowohl im Hinblick auf individuelle und kooperative Lernprozesse als auch auf den individuellen Lernerfolg profitieren würden.

Methoden: Insgesamt nahmen 34 Medizinstudierende im 7. bis 12. Semester an dieser Feldstudie mit Kontrollgruppendesign teil. Die unabhängige Variable war der Einsatz des Kooperationsskripts (mit/ohne). Es wurden vier simulationsbasierte Notfallkurse untersucht, an denen die Studierenden freiwillig teilnahmen. Der Erwerb von Fähigkeiten zur Anwendung der Prinzipien des Crisis Resource Management (CRM) war ein Lernziel dieser Kurse. Das Kooperationsskript instruierte die Lernenden, während der Beobachtungsphasen des Trainings und im Anschluss bestimmte Aktivitäten auszuführen. Darüber hinaus legte das Skript die Reihenfolge der Aktivitäten fest und wies den Lernenden Rollen zu. Individuelle Lernprozesse (gemessen anhand der während der Beobachtungsphasen gemachten Notizen) und kooperative Lernprozesse (gemessen anhand von Äußerungen während der Kooperations- und Beobachtungsphasen) wurden erfasst. Der Lernerfolg wurde zu Beginn und am Kursende über eine Selbsteinschätzung der Fähigkeiten zur Anwendung von CRM-Heuristiken gemessen. Am Kursende erfolgte zusätzlich ein kurzer videobasierter CRM-Anwendungstest.

Ergebnisse: Das Kooperationsskript hatte den erwarteten positiven Effekt auf individuelle und kooperative Lernprozesse. Lerndende mit Skript zeigten eine erhöhte Fokussierung auf heuristische Strategien sowie erhöhte kooperative Aktivität. Die beiden experimentellen Bedingungen unterschieden sich jedoch nicht bezüglich des objektiven Maßes für individuellen Lernerfolg. Allerdings zeigten die Selbsteinschätzungsdaten, dass Studierende der Kontrollbedingung über den Kursverlauf hinweg einen größeren Zuwachs an Fähigkeiten zur Anwendung heuristischer Strategien wahrnahmen. Wir vermuten, dass unser Skript eine Kompetenzillusion auf Seiten der Lernenden verhinderte, die in der Kontrollgruppe als Ergebnis flüssiger Informationsverarbeitung aufgetreten sein könnte.

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass simulationsbasierte Trainings in der medizinischen Ausbildung von einer zusätzlichen instruktionalen Unterstützung profitieren können – Beobachtungsphasen in solchen Trainings lassen sich mit Hilfe von Kooperationsskripts aktiver und zielgerichteter gestalten.

Schlüsselwörter: Simulationsbasiertes Lernen, Beobachtungslernen, Instruktionale Unterstützung, Kooperationsskripts, CRM Crisis Resource Management


1. Einleitung: Strukturierung der gemeinsamen Beobachtung von simulationsbasierten Trainings mit Hilfe von Kooperationsskripts

Eine aktive Teilnahme wird als zentraler Vorteil simulationsbasierter Trainings angesehen [1]. Allerdings können in vielen simulationsbasierten Übungskursen nur wenige Personen gleichzeitig aktiv in der Simulation trainieren, während die übrigen Teilnehmenden das laufende Szenario entweder live oder per Videoübertragung beobachten. Tatsächlich verbringen die einzelnen Lernenden einen Großteil ihrer Zeit in solchen Settings damit, anderen beim Handeln zuzusehen. In diesen Beobachtungsphasen fehlt es oftmals an einer formalen Anleitung der Lernenden und an einer Struktur, um andere Beobachter als Informationsquelle oder zur Validierung der eigenen Beobachtungen nutzen zu können. In der Konsequenz stellt sich die wichtige Frage, wie diese Beobachtungsphasen spontan von Lernenden genutzt werden und wie sie sich instruktional unterstützen lassen, um ein effektiveres Lernen zu ermöglichen. Eine weitere Überlegung betrifft den Wissenserwerb. Es erfordert mehr als medizinisches Faktenwissen, um als Arzt/Ärztin erfolgreich sein zu können; simulationsbasierte Kurse bieten Lernenden vielschichtige und dynamische Situationen, in denen zusätzlich zu domänenspezifischem medizinischen Faktenwissen auch allgemeineres Wissen vermittelt werden kann, etwa Heuristiken zur Bewältigung kritischer Situationen in Gesundheitseinrichtungen. Die Prinzipien des Crisis Resource Management (CRM) sind ein typisches Beispiel für Heuristiken aus dem medizinischen Kontext. Das CRM-Konzept [2] zielt darauf ab, alle verfügbaren Ressourcen zu koordinieren und zu nutzen, um die Patientensicherheit zu verbessern. Das Konzept geht dabei über Team- und Kommunikationsfähigkeiten hinaus – es deckt individuelle kognitive Aspekte wie Fixierungsfehler, Aufmerksamkeitszuteilung, oder Antizipation ab. Die CRM-Heuristiken umfassen insgesamt 15 Leitsätze bzw. Prinzipien (beispielsweise „Fordere Hilfe an (lieber früh als spät)“, „Kenne Deine Arbeitsumgebung (Technik und Organisation)“, oder „Kommuniziere sicher und effektiv“) [3]. Es fehlt bislang an systematischer empirischer Forschung zu der Frage, wie Studierende in simulationsbasierten Trainings Wissen zu CRM-Heuristiken erwerben. Dieser Beitrag stellt eine interdisziplinäre Feldstudie vor, die darauf abzielte,

  • Lernende in einem simulationsbasierten Training bei der Fokussierung auf heuristische Strategien für komplexe, dynamische Situationen instruktional zu unterstützen und
  • Beobachtungsphasen so zu gestalten, dass effektivere Lernprozesse ermöglicht werden.

In der medizinischen Ausbildung bieten Simulatoren eine kontrollierte und sichere Lernumgebung mit Möglichkeiten, die in der klinischen Welt nicht gegeben sind: Simulationen können beispielsweise beschleunigt, verlangsamt, oder sogar angehalten werden; Lernenden können hier Rollen und Aufgaben übernehmen, die sie in der klinischen Praxis nicht übernehmen könnten [4]. In ihrem BEME Review weisen Issenberg und Kollegen [5] darauf hin, dass sich eine simulationsbasierte medizinische Ausbildung am besten eignet, um Lernende auf den realen Patientenkontakt vorzubereiten. Sie schlussfolgern, dass realitätsnahe high-fidelity Simulationen in der Medizin pädagogisch wirksam sind. Die Frage, wie Gruppen von Lernenden die Beobachtungsphasen in simulationsbasierten Trainings zum Lernen nutzen, war bislang allerdings nicht Gegenstand systematischer Forschung. Jahrzehntelange Forschung zum Beobachtungslernen hat gezeigt, dass Beobachtung den Erwerb von Konzepten und Prinzipien sowie von Strategien zur Problemlösung beträchtlich unterstützen kann. Verschiedene Studien haben Bedingungen identifiziert und belegt, unter denen Beobachtungslernen effektiv ist (z. B. [6]). Theorien wie die Sozialkognitive Lerntheorie [7] oder Cognitive Apprenticeship [8] legen nahe, dass bei der Beobachtung eines Modells, das in der Simulation eine Aufgabe bearbeitet, substanziell gelernt wird. Lernen am Modell setzt allerdings unter anderem voraus, dass ein Lernender seine Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Aktivitäten eines Modells fokussieren kann und Zugang zu heuristischen Strategien hat, die auf ein vorgegebenes Szenario angewendet werden können.

Wir schlagen in diesem Beitrag den Einsatz sogenannter Kooperationsskripts vor, um Studierende während Beobachtungsphasen instruktional zu unterstützen. Kooperationsskripts unterstützen das Lernen in Gruppen, indem sie Rollen und Aktivitäten an die Lernenden verteilen. Skripts helfen bei der Strukturierung von Lernprozessen, indem sie kooperative Aktivitäten sequenzieren [9], [10]. Skripts können kooperative Aktivitäten auch fördern, etwa den Austausch neuer Ideen (Externalisierung), das Stellen von Fragen (Elizitation) oder Aushandlungsprozesse (Konsensbildung) mit Lernpartnern [11]. Darüber hinaus unterstützen Skripts eine tiefere individuelle Elaboration [12] und eine bessere Koordination von kooperativen Aktivitäten, die dem Wissensaufbau dienen [13], was wiederum zu besseren individuellen Lernerfolgen führt [14]. Zum Einsatz von Kooperationsskripts im Kontext der medizinischen Ausbildung allgemein und speziell im Kontext des simulationsbasierten Lernens liegen kaum empirische Studien vor. Rummel und Spada [15] fanden positive Effekte von Skripts auf das kooperative Problemlösen. In ihrer Untersuchung kooperierten Dyaden von Ärzten und Psychologen in einer computergestützten Umgebung bei der Lösung eines komplexen klinischen Falls, der eine interdisziplinäre Lösung erforderte. Stegmann und Kollegen [16] fanden heraus, dass Medizinstudierende, die Peers bei der simulierten Arzt-Patienten-Kommunikation beobachteten, maßgeblich von einer instruktionalen Unterstützung profitierten, welche die Aufmerksamkeit der Lernenden auf spezifische Aspekte der Simulation lenkte. Kiesewetter und Kollegen [17] beforschten im Kontext der medizinischen Ausbildung die Internalisierung von Kooperationsskripts (d. h. den schnellen Abruf von Skriptinformation ohne zusätzliche externale instruktionale Unterstützung). Die vorliegende Studie wurde mit dem Ziel durchgeführt, weitere empirische Evidenz für die Wirksamkeit von Kooperationsskripts in realen Lern-Settings und insbesondere im Kontext der medizinischen Ausbildung zu generieren.


2. Forschungsfragen und Hypothesen

Im Rahmen einer Feldstudie wurden die Effekte von Kooperationsskripts in den Beobachtungsphasen simulationsbasierter Kurse auf individuelle Lernprozesse (RQ1), kooperative Lernprozesse (RQ2), und den individuellen Lernerfolg bezüglich der Anwendung von CRM-Heuristiken (RQ3) untersucht.

Folgende Hypothesen wurden überprüft:

1.
Das Kooperationsskript hat einen positiven Effekt auf individuelle Lernprozesse (insbesondere auf die Elaboration der CRM-Heuristiken);
2.
das Kooperationsskript hat einen positiven Effekt sowohl auf den Inhalt (d. h. vermehrte Bezugnahme auf CRM-Heuristiken) als auch auf die Art der Aktivitäten (d. h. vermehrte Externalisierung, Elizitation und Konsensbildung) bei kooperativen Lernprozessen;
3.
das Kooperationsskript hat einen positiven Effekt auf den individuellen Lernerfolg bezogen auf die Fähigkeiten zur Anwendung von CRM-Heuristiken in simulierten Notfallsituationen.

3. Methoden

3.1. Stichprobe und Studiendesign

Insgesamt nahmen 34 Medizinstudierende der Universität Tübingen im 7. bis 12. Semester an der Studie teil (Durchschnittsalter: 25,75 Jahre). Wir untersuchten eine Zufallsstichprobe von vier simulationsbasierten Notfallkursen. Jeder Kurs bestand aus vier aufeinanderfolgenden Schulungstagen und beinhaltete eine dedizierte einstündige Vorlesung zu CRM-Heuristiken am zweiten Schulungstag. Die Studierenden wurden zufällig einem von zwei Kursen zugeteilt, die unabhängige Variable der Studie war der Einsatz des Kooperationsskripts. Die daraus resultierenden Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich der Variablen Alter, Geschlecht und Vorwissen. Vierzehn Studierende gaben an, bereits zuvor an einem simulationsbasierten Training teilgenommen zu haben, allerdings jeweils nur einmal. Die Teilnahme am Kurs erfolgte freiwillig. Die Teilnehmenden wurden darüber informiert, dass im Rahmen des Kurses eine empirische Studie durchgeführt wird, sie wurden jedoch nicht auf ihre Zuteilung zu einer bestimmten experimentellen Bedingung aufmerksam gemacht. Die Studie wurde in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki des Weltärztebunds (World Medical Association, WMA) durchgeführt. Zusätzlich wurden die Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis berücksichtigt.

3.2. Beschreibung des simulationsbasierten Trainings

Der Patientensimulator (Laerdal SimMan®) wurde in einer typischen Klinikumgebung mit authentischen, voll funktionsfähigen medizinischen Geräten aufgebaut und ähnlich wie ein echter Patient behandelt. Zu Beginn der jeweiligen Kurse nahmen die Studierenden an einem CRM-Vortest teil, bei dem sie ihre Fähigkeiten selbst einschätzen sollten, CRM-Heuristiken in einer Notsituation anwenden zu können. Danach stellte die Kursleitung den Studierenden den Simulator vor und erläuterte den Ablauf von Szenario und Debriefing. Das simulationsbasierte Training bestand aus sieben bis acht Szenarien. Jedes der Szenarien simulierte Situationen mit einer Dauer von ca. 20 Minuten, in denen ein Team von vier oder fünf Studierenden mit einem Notfall konfrontiert wurde, bei dem es galt, einen Patienten zu retten. Die übrigen sechs bis acht Studierenden im Kurs beobachteten das Geschehen im Simulator aus einem nahegelegenen Raum über eine Audio-/Videoprojektion. Zu Beginn jeder Beobachtungsphase erhielten die Lernenden Anweisungen entsprechend der experimentellen Bedingungen (zwei Kurse mit Kooperationsskript, zwei Kurse ohne Kooperationsskript). Nach Abschluss des Szenarios fand ein ca. 40-minütiges videogestütztes Debriefing statt, bei dem die Kursleitung zusammen mit der gesamten Teilnehmergruppe die zuvor simulierte Situation analysierte und reflektierte. In jedem Szenario arbeitete ein anderes Team von Studierenden im Simulator, sodass im Verlauf des Trainings alle Kursteilnehmenden ein oder zwei praktische Einsätze im Simulator und etliche Beobachtungen machen konnten. Die Szenarien in den vier untersuchten Kursen waren nicht vollkommen identisch, aber allesamt auf folgende Ziele ausgerichtet:

  • Die Lernenden sollten mit typischen Problemsituationen konfrontiert werden, um den Umgang mit Stress in realen Notfällen zu trainieren bzw. sich daran zu gewöhnen.
  • Die Lernenden sollten Gelegenheit haben, domänenspezifisches Wissen (d. h. medizinisches Faktenwissen) zu erwerben und anzuwenden.
  • Die Lernenden sollten Gelegenheit haben, allgemeineres Wissen (d. h. zu CRM-Heuristiken) zu erwerben und anzuwenden. Nach dem letzten Debriefing des Trainings wurde ein individueller CRM-Nachtest durchgeführt, der mit dem individuellen CRM-Vortest identisch war (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).
3.3. Experimentelle Bedingungen
3.3.1. Kontrollbedingung

Die Lernenden in der Kontrollbedingung (n=20) nahmen an einem regulären simulationsbasierten Training ohne Kooperationsskript teil. Studierenden in dieser Bedingung wurde ein Blatt Papier ausgehändigt, auf dem sie während der Beobachtungsphasen Notizen machen konnten. Das Blatt enthielt folgende kurze Aufgabenbeschreibung: „Beobachten Sie ihre Kommilitonen in der Simulatorumgebung – auf diesem Blatt können Sie sich dabei ggf. Notizen machen“. Die Studierenden erhielten weder während noch nach der Beobachtungsphase zusätzliche kooperationsbezogene Instruktionen.

3.3.2. Kooperationsskript-Bedingung

Das Kooperationsskript in dieser Studie instruierte die Lernenden in der Skriptbedingung (n=14), konkrete Aktivitäten auszuführen, gab für diese Aktivitäten eine bestimmte Reihenfolge vor, und teilte den Lernenden schließlich Rollen zu, die sie einnehmen sollten [10]. Das Skript strukturierte die individuellen Lernprozesse während der Beobachtungsphasen, indem es die Aufmerksamkeit der Studierenden während der Beobachtung auf bestimmte CRM-Heuristiken lenkte. Alle Studierenden in dieser Bedingung erhielten die Aufgabe, die anderen Studierenden im Simulator vor dem Hintergrund eines einzelnen CRM-Prinzips zu beobachten und sich Notizen zu machen. Die zu beobachtenden CRM-Prinzipen variierten während der Beobachtungsphasen; Untergruppen von zwei Lernenden bekamen Kooperationsskripts, die auf das gleiche CRM-Prinzip fokussierten. Zusätzlich teilte das Kooperationsskript jedem der beiden Lernpartner Rollen zu: Der Analytiker für positive Situationen sollte während des Szenarios auf Situationen achten, in denen die handelnden Personen das CRM-Prinzip erfolgreich anwendeten. Anschließend sollten diese Situationen während einer kurzen Kooperationsphase dem Lernpartner vorgestellt werden. Im Gegensatz dazu sollte sich der Analytiker für negative Situationen auf Situationen konzentrieren, in denen CRM-Prinzipien gar nicht oder falsch angewendet wurden und anschließend über diese berichten. Während der Kooperationsphase mussten sich die Lernpartner in jeder Dyade auf ein besonders interessantes Beispiel für die erfolgreiche Anwendung sowie ein Beispiel für eine weniger erfolgreiche Anwendung des jeweiligen CRM-Prinzips aus dem Szenario einigen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Nach jedem Szenario wurden die Rollen getauscht, um einen Perspektivenwechsel zu ermöglichen, der mit einer tieferen Elaboration und einem umfassenderen Verständnis der Inhalte einhergeht [9]. Jede Beobachtungsphase dauerte ca. 20 Minuten, die nachfolgende Kooperationsphase ca. 5 Minuten.

3.4. Datenquellen, abhängige Variablen, und Instrumente
3.4.1. Individuelle Elaboration

Die individuelle Elaboration wurde anhand der schriftlichen Notizen gemessen, die die Lernenden während der Beobachtungsphasen erstellten. Wir unterschieden dabei medizinische Inhalte von Inhalten mit Bezug zu CRM-Heuristiken. Segmente, die ausschließlich medizinisches Faktenwissen enthielten (z. B. „regelmäßige Kontrolle der Pupillen“), wurden als „medizinischer Aspekt“ codiert. Ein Segment wurde dann als CRM-bezogen codiert, wenn die Notiz zwischenmenschliche Handlungen (z. B. „Team kommuniziert“) thematisierte, bestimmten CRM-Prinzipien ähnelte (z. B. „hat Hilfe angefordert“), oder wenn es in der Notiz um die praktische Anwendung eines CRM-Prinzips in einer bestimmten Situation ging (z. B. „präzise Anweisung an die Krankenschwester“). Die Häufigkeit der Notizen der Lernenden wurde gezählt. Als Indikator für individuelle Elaboration wurde die Summe aller auf medizinische Inhalte und CRM-Heuristiken bezogenen Segmente herangezogen, die den in der Beobachtungsphase individuell gemachten Notizen entnommen werden konnte. Wir untersuchten 16 von 30 Beobachtungsphasen, die während der Kurse stattfanden; daraus ergab sich eine Datenquelle von 92 einzelnen Seiten mit handschriftlichen Notizen. Die Codierung der Segmente stimmte zwischen zwei unabhängigen Auswertern in ausreichendem Maße überein (Cohen’s κ=.91).

3.4.2. Kooperative Elaboration

Die kooperative Elaboration wurde mit Hilfe von Audioaufzeichnungen der Kommentare der Lernenden erfasst, die diese während der Kooperationsphasen und während des Austauschs in den Beobachtungsphasen machten. Für die Erfassung der kooperativen Elaboration untersuchten wir jeweils 11 von 30 Kooperations- und Beobachtungsphasen (dies entspricht 55 von 150 Minuten der Kooperationsphasen und 55 von 600 Minuten der Beobachtungsphasen). Zwei unabhängige Auswerter analysierten diese Audio-Kommentare hinsichtlich Inhalt und Aktivität mit Hilfe eines Time-Sampling-Verfahrens [11] und Intervallsequenzen [18]. Dabei wurde erneut zwischen medizinischen Inhalten und Inhalten mit Bezug zu den CRM-Heuristiken unterschieden; bei der inhaltlichen Klassifizierung der Kommentare wurde eine ausreichende Übereinstimmung zwischen den beiden Auswertern erzielt (Cohen’s κ=.74 bis .93; MD=.77). Neben dem Inhalt codierten die Auswerter auch die Art der kooperativen Aktivität, indem sie die Kommentare den Kategorien Elizitation, Externalisierung und Konsensbildung zuordneten [11]. Die Übereinstimmung zwischen den Auswertern bei der Einordnung der Kommentare in diese Kategorien lag bei Cohen’s κ=.72.

Zusätzlich baten wir die Lernenden, am Kursende einen Kooperationsfragebogen mit 14 Items auszufüllen (z. B. „In den Beobachtungsphasen habe ich mich über die CRM-Prinzipien ausgetauscht“). Die Studierenden bewerteten ihre Interaktion retrospektiv auf einer vierstufigen Likert Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 4 (trifft zu). Ein individueller Gesamtmittelwert wurde als Indikator für die selbsteingeschätzte Aktivität (bzw. die selbst eingeschätzte Intensität des Informationsaustausches) während der Beobachtungsphasen herangezogen. Die Reliabilität dieser Skala war mit Cronbach’s α=.67 zufriedenstellend.

3.4.3 Wissenserwerb

Subjektives Maß: Die Fähigkeiten zur Anwendung heuristischer Strategien in einer Krisensituation wurden über eine Selbsteinschätzung durch die Studierenden zu Beginn und am Kursende gemessen. Im Vortest baten wir die Teilnehmenden, ihre Expertise im Umgang mit Notfallsituationen anhand von 15 Items auf einer vierstufigen Likert-Skala einzuschätzen. Jedes Item nahm auf eines der 15 CRM-Prinzipien Bezug (z. B. „Wie beurteilen Sie Ihre Fähigkeit, in einem Notfall Ihre Pläne effektiv zu kommunizieren?“). Die Reliabilität des Vortests war zufriedenstellend (Cronbach’s α=.85). Im Nachtest-Fragebogen baten wir die Lernenden abermals, ihre Expertise bezüglich der Anwendung von CRM-Heuristiken in einer Notfallsituation einzuschätzen (Cronbach’s α=.85). Wir verwendeten den Mittelwert aller Nachtest-Items (mittels Regression um die Vortest-Einschätzung bereinigt) als Indikator für die selbsteingeschätzten Fähigkeiten zur Anwendung von CRM.

Objektives Maß: Wir baten die Lernenden, CRM-Heuristiken auf einen kurzen Nachtest-Videofall anzuwenden, der eine Situation zeigte, in der ein Patient wiederbelebt werden musste. Dieser Videofall wurde von medizinischen Experten eigens dafür entwickelt, um Studierenden die (im dargestellten Fall größtenteils erfolglose) Anwendung von CRM zu demonstrieren. Das Testergebnis der Lernenden wurde als objektiver Indikator für ihre Fähigkeiten zur Anwendung von CRM herangezogen. Die Lernenden hatten die Aufgabe, das Verhalten der im Video handelnden Personen vor dem Hintergrund der CRM-Heuristiken zu analysieren. Ein medizinischer Experte (d. h. ein erfahrener Dozent von simulationsbasierten Kursen) beurteilte die schriftlichen Analysen der Lernenden und vergab Noten von 1 (ausgezeichnet) bis 6 (durchgefallen).

3.4.4. Statistische Tests

Wir verwendeten t-Tests für unabhängige Stichproben, um die Signifikanz der Effekte des Kooperationsskripts auf die individuelle Elaboration, die kooperative Elaboration, sowie den Wissenserwerb zu bestimmen. Für alle statistischen Tests wurde ein α-Level von .05 festgelegt.


4. Ergebnisse

4.1. Individuelle Elaboration (RQ1)

Es fanden sich keine Unterschiede zwischen den experimentellen Bedingungen hinsichtlich der Selbsteinschätzung im Vortest, t(32)=-1.02, p=.317, n.s.. Es gab jedoch einen signifikanten Unterschied zwischen der Skript- und der Kontrollbedingung hinsichtlich der individuellen Elaboration der CRM-Heuristiken während der Lernphase, t(13)=-4.13, p=.001, d=1.73. Die Notizen der Lernenden aus der Kontrollbedingung enthielten überhaupt keine Segmente mit Bezug zu heuristischen Strategien. Die Bedingungen unterschieden sich nicht hinsichtlich der individuellen Elaboration von medizinischem Faktenwissen, t(32)=-0.35, p=.729, n.s. (siehe Tabelle 1 [Tab. 1] für einen Überblick über die Ergebnisse der Studie).

4.2. Kooperative Elaboration (RQ2)
4.2.1. Inhalt

Hinsichtlich des Inhalts der kooperativen Elaboration gab es einen signifikanten Unterschied zwischen den Lernenden mit Skript und den Lernenden der Kontrollbedingung. Letztere bezogen sich während der untersuchten Kooperationsphasen überhaupt nicht auf CRM-Heuristiken, t(12)=5.63, p<.001, d=1.80. Hinsichtlich des medizinischen Faktenwissens fanden wir keinen signifikanten Unterschied zwischen der Skript- und der Kontrollbedingung, t(16)=0.47, p=.645, n.s..

4.2.2. Aktivitäten: Elizitation, Externalisierung, Konsensbildung

Lernende mit Skript beteiligten sich allgemein aktiver als die Lernenden der Kontrollbedingung. Im Hinblick auf die Elizitation stellten Lernende, die mit dem Skript unterstützt wurden, signifikant mehr Fragen, als das die Lernenden in der Kontrollbedingung taten, t(16)=2.47, p=.025, d=1.30. Im Hinblick auf die Externalisierung ließen mit dem Skript unterstützte Lernende ihre Lernpartner signifikant häufiger an ihren Gedanken teilhaben als Lernende der Kontrollbedingung, t(15.96)=2.66, p=.017, d=0.97. Im Hinblick auf die Konsensbildung waren Lernende mit Skript stärker an Aushandlungsprozessen beteiligt als Lernende der Kontrollbedingung, t(15.81)=4.63, p<.001, d=1.63. Die subjektiven Maße aus dem Kooperationsfragebogen zeigten außerdem, dass sich Lernende in der Skriptbedingung beim Informationsaustausch zu heuristischen Strategien als aktiver erlebten, als Lernende in der Kontrollgruppe dies taten. Dieser Unterschied in der Selbsteinschätzung der Aktivität war signifikant, t(31)=-2.31, p=.028, d=0.82.

4.3. Wissenserwerb (RQ3)
4.3.1. CRM Anwendungstest

Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen den experimentellen Bedingungen hinsichtlich des Abschneidens im CRM Anwendungstest. Beide Bedingungen (also mit und ohne Kooperationsskript) schnitten im Test nach Einschätzung des beurteilenden Experten leicht unterdurchschnittlich ab, t(28.97)=0.47, p=.642, n.s..

4.3.2. Selbsteinschätzung der Fähigkeiten zur Anwendung von CRM

Hinsichtlich der Effekte des Kooperationsskripts auf die selbsteingeschätzte Verbesserung der Fähigkeiten zur Anwendung heuristischer Strategien zeigte sich ein Unterschied zwischen den Lernenden mit Skript und den Lernenden der Kontrollbedingung: Lernende in der Kontrollbedingung nahmen im Vergleich zur Skriptbedingung einen signifikant größeren Zuwachs ihrer Fähigkeiten zur Anwendung von CRM-Heuristiken über den Kursverlauf hinweg wahr, t(31)=2.07, p=.047, d=0.74.


5. Diskussion

Die Studienergebnisse zeigen, dass das Kooperationsskript die erwarteten positiven Effekte auf Kooperationsprozesse und teilweise auf das Lernen hatte. Hinsichtlich des Inhalts zeigten Studierende mit Skript eine erhöhte Fokussierung auf heuristische Strategien und verbesserten Informationsaustausch zu Heuristiken im Vergleich zur Kontrollbedingung. Das Verhalten der Studierenden mit Skript während der Beobachtungsphasen kann insgesamt als aufmerksamer beschrieben werden [19]. Die mit dem Skript unterstützten Lernenden zeigten erhöhte Aktivität im Hinblick auf Elizitation, Externalisierung und Konsensbildung. Wir können zwar nicht sicher sein, dass die Aufzeichnungen und Kommentare der Studierenden sämtliche ihrer Gedanken zu den CRM-Heuristiken enthielten; unsere Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass dieser Aspekt in der Kontrollbedingung nur selten in Betracht gezogen wurde – einer Bedingung, die dem typischen Aufbau von simulationsbasierten Trainings aus der Praxis entsprach. Allerdings fand sich kein statistischer Unterschied zwischen den beiden Bedingungen hinsichtlich der Elaboration von medizinischem Faktenwissen. Die Verlagerung der Aufmerksamkeit der Studierenden hin zu CRM erfolgte offensichtlich nicht auf Kosten des Erwerbs von Faktenwissen.

Hinsichtlich des individuellen Lernerfolgs unterschieden sich subjektive und objektive Maße deutlich. Interessanterweise zeigten die Selbsteinschätzungsdaten, dass Studierende in der Kontrollbedingung über den Kursverlauf hinweg einen größeren Zuwachs ihrer Fähigkeiten zur Anwendung heuristischer Strategien wahrnahmen, als das bei den Lernenden mit Skript der Fall war. Dies könnte als Beleg für die geringe Akkuratheit von Medizinstudierenden bei der Selbsteinschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten gewertet werden [20]. Aus unserer Sicht ist es aber naheliegender, dass das Kooperationsskript eine Kompetenzillusion auf Seiten der Lernenden verhinderte [21]. Das Auftreten solch einer Kompetenzillusion in der Kontrollgruppe könnte mit Hilfe der Fluency-Theorie erklärt werden [22]: Lernende, die den Prozess der Informationsverarbeitung als leicht und flüssig erleben, laufen Gefahr, vor diesem Hintergrund inadäquate Urteile zu fällen. Studien haben gezeigt, dass die Wahrnehmung der Berühmtheit nicht-berühmter Namen [23] oder des Wahrheitsgehalts wiederholter Behauptungen [24] durch flüssige Informationsverarbeitung erhöht werden können. In ähnlicher Weise haben empirische Studien gezeigt, dass das subjektive Erleben von Leichtigkeit bzw. Mühelosigkeit Lernende zu einer positiv voreingenommenen Selbsteinschätzung ihrer Leistung verleiten kann [21]. Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass die Teilnehmenden in der Kontrollgruppe, die in den Beobachtungsphasen nicht instruktional bei der Fokussierung auf die CRM-Heuristiken unterstützt wurden, das Konzept CRM für leicht verständlich hielten – insbesondere im Vergleich zu medizinischem Faktenwissen. Infolgedessen hielten Studierende in der Kontrollgruppe den Erwerb von Fähigkeiten zur Anwendung von CRM möglicherweise für eine leichte Aufgabe. Im Gegensatz dazu investierten Lernende mit Skript während des Trainings mehr Mühe in die Elaboration der CRM-Heuristiken. Der Einsatz des Skripts könnte einem negativen Effekt der flüssigen Verarbeitung entgegengewirkt haben, indem es die Lernerfahrung schwieriger gestaltete [25] und den Lernenden so ermöglichte, sich adäquater einzuschätzen.

Auch wenn individuelle und kooperative Lernprozesse gefördert werden konnten, führte das Skript nicht zu den erwarteten positiven Effekten auf den Lernerfolg. Dieses Ergebnis steht im Kontrast zu früheren Studien, die eine klare Verbindung von Skript-induzierter tieferer kognitiver Elaboration und einer Steigerung des Lernerfolgs nachweisen konnten [12], [26]. Eine mögliche Erklärung dieser Diskrepanz könnte sein, dass sich Strategietrainings anfänglich oft negativ auf die Leistung auswirken, wenn neue Lernstrategien übernommen werden [27]. Ein positiver Effekt des Skripts könnte hierdurch überlagert worden sein; die Messung der Effekte erfolgte möglicherweise zu früh während des Anpassungsprozesses. Eine zweite Erklärung könnte sein, dass die Intervention zu kurz war, um den Lernerfolg zu beeinflussen. Das Kooperationsskript kam in der vorliegenden Studie nur in Teilen des Trainings zum Einsatz, während Skripts in anderen Studien die Lernprozesse für einen Großteil der Gesamtlernzeit strukturierten [13]. Eine dritte Ursache für den fehlenden Effekt könnte in der Art und Weise liegen, wie die Anwendung der CRM-Heuristiken gemessen wurde: In der Forschung zum Lernen mit Simulationen wird häufig gefordert, neu erworbene Fähigkeiten im Kontext von Anwendung und Transfer zu testen [28]. Möglicherweise erlaubte die Analyse eines kurzen Videofalls keine valide Messung der anwendungsbezogenen Fähigkeiten der Studierenden. Unterschiedliche Lernstile und -präferenzen der Studienteilnehmenden [vgl. [29]] könnten einen Einfluss auf Lernprozesse und Lernerfolg gehabt haben. Die verhältnismäßig geringe Teilnehmerzahl stellt ebenfalls eine Limitation dieser Studie dar. Um zu überprüfen, welche der hier genannten Erklärungen letztlich zutreffen, sollten weitere Studien mit größeren Stichproben, einer längeren Intervention mit Kooperationsskripts, und einer verzögerten Messung der Anwendung neu erlernter Strategien durchgeführt werden. Für die Testung der Anwendung von CRM-Heuristiken könnte man Teilnehmende am Kursende eine Videoaufzeichnung ihrer eigenen Leistung im Simulator analysieren lassen.

Darüber hinaus könnten andere Aspekte simulationsbasierter Trainings von einer instruktionalen Unterstützung profitieren. Zum Beispiel könnten Kooperationsskripts dabei helfen, Video-Debriefings durch eine klare Rollenverteilung effektiver zu gestalten und die Teilnehmenden zu aktiven Partnern im Lernprozess zu machen [30]. Das Debriefing wird als wichtiger Bestandteil simulationsbasierten Lernens angesehen, da hier eine Reflexion der Handlungen innerhalb des Szenarios angeregt wird [31]: Die Teilnehmenden können darüber nachdenken, was sie im Szenario gut gemacht haben und wie sie diese gute Leistung reproduzieren können; sie können zudem darüber nachdenken, wie sie ihre Leistung künftig verbessern [32]. Eine lernzielorientierte Reflexion der Teilnehmenden ließe sich zweifellos instruktional unterstützen. Kooperationsskripts könnten eine Option sein, um die Reflexivität der Lernenden während der Debriefings zu fördern – ein Konzept, das zunehmend in den Blickpunkt gerät [33].

Abschließend lässt sich sagen, dass unsere Ergebnisse den Schluss nahelegen, dass simulationsbasierte Kurse in der medizinischen Ausbildung durch eine zusätzliche instruktionale Unterstützung deutlich verbessert werden können. Eine derartige Unterstützung scheint insbesondere dann angezeigt, wenn Lernende Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen erwerben sollen, die für das sichere Arbeiten in der medizinischen Praxis erforderlich sind. Kooperationsskripts können helfen, Beobachtungsphasen in simulationsbasierten Trainings zu (inter-)aktiveren, aufmerksamer erlebten und zielgerichteteren Erfahrungen zu machen. Unsere Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass Skripts Lernende dabei unterstützen, ihre Fortschritte bei der Aneignung von Fähigkeiten besser einzuschätzen. Skripts können somit einen wichtigen Beitrag zu einem zentralen Aspekt des simulationsbasiertens Lernen leisten, nämlich der Bereitstellung von pädagogischem Feedback zum Lernfortschritt [5], [30]. Wir empfehlen allerdings eine Replikation unserer Studie, um die Befunde weiter zu validieren. Unsere Ergebnisse unterstreichen außerdem die Notwendigkeit, die soziale Dimension simulationsbasierter Trainings in Zukunft systematischer zu beforschen [34]. Schließlich liegt mit den Ergebnissen unserer Studie weitere Evidenz dafür vor, dass sich die positiven Effekte einer instruktionalen Unterstützung mit Kooperationsskripts nicht nur im Labor, sondern auch in realen Bildungskontexten nachweisen lassen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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