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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Das Lehrdeputat – Barriere für die Digitalisierung an Hochschulen? Ein Positionspapier zu den Rahmenbedingungen medizinischer Hochschullehre im digitalen Zeitalter am Beispiel Bayern

Artikel Digitalisierung

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  • corresponding author Christoph Müller - Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Würzburg, Deutschland
  • author Saskia Füngerlings - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Daniel Tolks - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland; Leuphana Universität Lüneburg, Zentrum für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Lüneburg, Deutschland
  • Arbeitsgruppe E-Learning des Kompetenznetzes Medizinlehre Bayern

GMS J Med Educ 2018;35(3):Doc34

doi: 10.3205/zma001180, urn:nbn:de:0183-zma0011804

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2018-35/zma001180.shtml

Eingereicht: 24. Oktober 2017
Überarbeitet: 6. März 2018
Angenommen: 5. Juni 2018
Veröffentlicht: 15. August 2018

© 2018 Müller et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Dieses Positionspapier beschreibt die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Anrechnung digitaler Lehrformate auf das Lehrdeputat in der medizinischen Hochschulbildung am Beispiel Bayern. Es zeigt die Notwendigkeit präziser, dem technologischen Fortschritt angepasster Regelungen, wenn der Digitalisierungsprozess in der Hochschullehre nicht ins Stocken geraten soll.

Wenn Hochschulen als Orte der Innovation im Einsatz digitaler Lehr- und Lernformate fungieren sollen, bedarf es neben finanzieller Ressourcen vor allem einer strukturellen und strategischen Positionierung im Bereich des E- und Blended-Learnings sowie der Verbreitung und nachhaltigen Verankerung digitaler Angebote innerhalb der Fakultäten und Hochschulen. Hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen und des Umgangs mit digitaler Lehre bei der Anrechnung auf das eigene Lehrdeputat herrscht jedoch große Unsicherheit, was unter anderem an der komplexen, vom didaktisch-methodischen Wandel der Lehre in Teilen überholten Gesetzes- und Verordnungslage liegt, die durch den dezentralen Bildungsföderalismus an Komplexität dazugewinnt.

Unter Berücksichtigung veränderter und im Wandel begriffener Lehr- und Lernformate sollen Wege gefunden werden, die (rechtlichen) Rahmenbedingungen dem digitalen Wandel anzupassen, um nicht zuletzt engagierten Lehrenden Anreize zum Ausbau digitaler Formate zu bieten.

Schlüsselwörter: Lehrdeputat, E-Learning, Digitalisierung, Blended-Learning, medizinische Ausbildung


Einleitung

Die Digitalisierung hat einen weitreichenden Einfluss auf unseren Alltag und einen Wandel in nahezu allen Bereichen der Gesellschaft hervorgerufen [1], [2], wodurch sich auch die Strukturen der Lehr- und Lernorganisation sowie die Rollen und Anforderungsprofile von Studierenden, Lehrenden und Hochschulmitarbeitern grundlegend ändern. Dabei entstehen neue didaktische Möglichkeiten und Handlungsspielräume auf der Ebene der Kompetenz- und Wissensvermittlung, aber auch Herausforderungen, auf die die Hochschulen entsprechend reagieren müssen [3], [4]. Laut dem Hochschulforum Digitalisierung sind die strukturellen Voraussetzungen an Hochschulen grundsätzlich nicht ungünstig für das Entstehen von Innovationen im Bereich der digitalen Medien, da beispielsweise das hohe Maß an Autonomie durch dezentrale Institute und Lehrstühle Innovationen fördern kann [4]. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass die Hochschulleitungen die Digitalisierung der Lehre mittragen müssen, wenn umfassende und tief in die Kompetenz von Lehrenden und Lernenden hineinreichende Digitalisierungsprozesse erfolgreich umgesetzt werden sollen. So setzt sich der Einsatz von digitalen Lehr- und Lernmethoden in den Hochschulen langsam durch und ist dabei sehr heterogen auf die Hochschulen verteilt [2]. Wenn Hochschulen erfolgreich als Orte der Innovation im Einsatz mit digitalen Medien in der Lehre fungieren sollen, sind neben der Verfügbarkeit finanzieller Ressourcen die strukturelle und strategische Verbreitung und Verankerung digitaler Lehr- und Lernangebote innerhalb der Hochschule von großer Bedeutung [4]. Laut dem Abschlussbericht des Hochschulforums Digitalisierung hat die Hochschulpolitik erkannt, dass die Rahmenbedingungen für Hochschulen weiterentwickelt werden müssen, allerdings herrscht gerade hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen digitaler Lehre eine große Unsicherheit [2]. Das liegt einerseits am dezentralen Bildungsföderalismus, der durch unterschiedliche Landeshochschulgesetze und Lehrverordnungen sowie durch unterschiedliche Regelungen der einzelnen Hochschulen zu einer unterschiedlichen Handhabung in der Anerkennung von digitaler Hochschulbildung führt [4]. Andererseits ist die Anrechenbarkeit von digitalen Lehr- und Lernangeboten auf das Lehrdeputat, der Umgang mit digitalen Prüfungen oder aber urheberrechtliche Fragen bei Erstellung und Nutzung von Lehr- und Lernmaterialien grundsätzlich häufig unzureichend geregelt und vermittelt [3], [4]. Dies trägt dazu bei, dass an vielen deutschen Hochschulen eine Förderung digitaler Lehr -und Lernangebote nicht stattfindet [4].

Vertreter der Hochschulen in Europa haben im Rahmen der Tagung der European University Association (EUA) folgerichtig festgestellt und bemängelt, dass die Digitalisierung durch Hemmnisse auf nationaler und internationaler Ebene aufgehalten wird. Dabei werden komplexe Förderungsregelungen, nicht mehr zeitgemäße Datenschutzbestimmungen, aber auch Regulierungen, die zum Beispiel die physische Präsenz von Dozenten erfordern, angeführt. Die Teilnehmer der Tagung fordern eine engere interinstitutionale Kollaboration auf nationaler und internationaler Ebene [5]. Programmbegleitende Untersuchungen in Europa haben laut dem Horizon Report 2014 ebenfalls gezeigt, dass starre staatliche Strukturen und Budgets sowie fehlende Anreize für innovative Lehrende Faktoren sind, die die Weiterverbreitung neuer Lernmethoden behindern [6]. So fordern auch Arnold und Kollegen, dass das Lehrdeputat neu strukturiert werden muss, um die erheblichen andersartigen zeitlichen Belastungen zu berücksichtigen, die durch die mediengerechte Aufbereitung der Inhalte, die notwendige Kooperation bei der Medienproduktion und die asynchrone Kommunikation mit den Lernenden entstehen [7]. Bischof und von Stuckrad sprechen von einer „schlafenden Revolution“, die von einer Vielzahl institutioneller Barrieren gebremst wird [1]. Sie fordern von der Politik, diese systematisch abzubauen und die rechtlichen Rahmenbedingungen an den technologischen Fortschritt anzupassen, und zugleich von den Hochschulen, die Digitalisierung als strategische Aufgabe anzunehmen, was sich nicht zuletzt aus deren institutionellem Selbstverständnis und dem gesellschaftlichen Auftrag ergibt [1], [2].

In diesem Artikel betrachten wir die rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen der Lehrdeputatsanrechnung beim Einsatz digitaler Lehrformate am Beispiel der bayerischen Lehrverpflichtungsverordnung, die in diesem Beitrag stellvertretend und exemplarisch für die insgesamt 16 in der Bundesrepublik Deutschland gültigen Lehrverpflichtungsordnungen herangezogen wird. Wir möchten damit dazu beitragen, die bestehende Unsicherheit bei der Frage der Lehrdeputatsanrechnung aufzuklären und eine Barriere beim Einsatz neuer Lehrkonzepte aufzulösen. In Summe soll dies dazu führen, dass die Berücksichtigung digitaler Lehrformate bei der Berechnung des Lehrdeputats in Zukunft als ein fördernder Faktor für die Digitalisierung der Hochschullehre fungiert. Außerdem plädieren wir für eine Vereinheitlichung in der momentan noch unterschiedlichen Handhabung bei der Anerkennung digitaler Hochschulbildung.

Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass durch die stärkere Honorierung von E-Learning-Aktivitäten in der Lehre durch größere Flexibilität hinsichtlich der gesetzlichen Rahmenbedingungen herkömmliche, traditionelle Lehrformen keineswegs ersetzt werden sollen, sondern eine veränderte Lehr- und Lernkultur mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung von Studium und Lehre in den Fokus rücken soll.


1. Definition und aktueller Stellenwert von E-Learning

„E-Learning“ wird unter Berücksichtigung gebräuchlicher Definitionen für die folgenden Ausführungen definiert als „Oberbegriff für alle Varianten der Nutzung digitaler Medien zu Lehr- und Lernzwecken, sei es auf digitalen Datenträgern oder über das Internet, etwa um Wissen zu vermitteln, für den zwischenmenschlichen Austausch oder das gemeinsame Arbeiten an digitalen Artefakten“ [8]. Wesentliche Charakteristika des elektronischen Lernens sind asynchrone und synchrone Kommunikationsmöglichkeiten, Multi- und Hypermedialität von Lehr-/Lerninhalten sowie die Bereitstellung in virtuellen Lernräumen, die zeit- und ortsunabhängig für Lehrende wie Lernende verfügbar sind [7].

Für heutige und zukünftige Studierende, die mit technischen Geräten aufgewachsen sind und aufwachsen, ist „Lernen und Medialität untrennbar miteinander verbunden“ [9]. In Verbindung mit der allgegenwärtigen Forderung nach einer aktivierenden und studierendenzentrierten Lehre, die besonders durch den Einsatz digitaler Medien erreicht und an die Lebenswirklichkeit einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft angepasst werden kann, gelten Hochschulen in besonderer Weise als „Orte der Innovation im Einsatz digitaler Medien in der Lehre“ [4] und sollen laut den Zielvorstellungen der digitalen Zukunftsstrategie der bayerischen Staatsregierung „zu einem ‚Digitalen Campus‘ werden, auf dem alle Akteure der Wissenschaft die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen und von ihnen profitieren“ [10].


2. E-Learning in der medizinischen Lehre

In der medizinischen Ausbildung halten zunehmend neue digitale Szenarien, Konzepte und Methoden Einzug in die Lehre [11]. Im Gesundheitswesen wird der Ausbildung und dem Erwerb sowohl von professionsspezifischen als auch interprofessionellen Kompetenzen eine zunehmende Bedeutsamkeit zugesprochen, für die spezifische Lehrformate erprobt und etabliert werden müssen [12]. Die für die Ausbildung der Medizinstudierenden verbindliche Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) erwähnt neben Vorlesungen explizit Seminare sowie praktische Übungen, zu denen der Unterricht am Krankenbett, Praktika und Blockpraktika zählen, als bevorzugte Veranstaltungsformen (§ 2 Abs. 1 ÄApprO) [13]. Konkrete Lehrformen und Methoden bleiben unerwähnt. Folglich ist der Begriff „E-Learning“ weder in dieser Form noch in Synonymen oder Umschreibungen zu finden. Die große Anzahl erfolgreicher (v.a. kommerzieller) E-Learning-Angebote ist ein deutlicher Indikator für die Sinnhaftigkeit des Einsatzes digitaler Medien im Rahmen der medizinischen Aus- sowie Weiterbildung und seine Relevanz für die praxisnahe Ausbildung. Vor diesem Hintergrund verwundert es zunächst, dass der Anteil elektronischer Lehr- und Lerninhalte in der medizinischen Lehre an staatlichen Hochschulen verhältnismäßig gering ist und in unterschiedlichem Maße an den medizinischen Fakultäten eingesetzt wird [14], [15]. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die „Finanzierung von Digitalisierungsinitiativen“ in der Medizin wie auch in anderen Wissenschaften einen „sehr hohen Anteil an externer Projektfinanzierung“ aufweist, aber „finanzielle Anreizstrukturen zur nachhaltigen und strukturell-strategischen Verankerung digitaler Lehr- und Lernformate in der Hochschule“ oft fehlen beziehungsweise durch unattraktive Rahmenbedingungen limitiert werden [4]. Hinzu kommt der für die Universitätsmedizin charakteristische Dualismus von Forschung und Lehre einerseits und Krankenversorgung andererseits [16], der bei Ärztinnen und Ärzten, die wissenschaftlich tätig sind, und sich darüber hinaus in der Lehre engagieren, zu einer „Dreifachbelastung” führt. Auch im Medizinstudium werden allgemeine Bildungstrends verstärkt Einzug halten: die zunehmende Bedeutsamkeit des Selbststudiums, der Gruppen und -Projektarbeit (shift from teaching to learning), die Durchführung studienbegleitender und kompetenzorientierter Prüfungen ((e)-assessment), die Integration der virtuellen Komponente in die Lernumgebung (virtual learning environment) und die Entwicklung des gesamten Campus zum Lernort (mobile learning) [17]. Dies führt zu einer veränderten Rolle der Lehrperson, die „nicht mehr alleinige Bereitstellerin von Wissen und Informationen” ist, da „diese vielmehr kollektiv gesucht, entwickelt und diskutiert” [18] werden. Dieser Paradigmenwechsel der Lehrpersonen von Wissensvermittlern zu „Wissensbereitstellern”, Beratern und Moderatoren kann maßgeblich und sinnhaft durch die Nutzung digitaler Lehrformate unterstützt werden. Laut Rummler verändern sich durch die Medien die Methoden, Lernwege und Strategien der Lernenden, was dazu führt, dass die pädagogischen Interventionen angepasst werden müssen [19]. Trotz der eher düsteren Bestandsaufnahme zeigen die neusten Entwicklungen an den medizinischen Hochschulen immerhin, dass sich neue und innovative technologie-unterstützte Lern- und Lehrmethoden wie die Inverted-Classroom-Methode langsam etablieren [20].


3. Kapazitäre und dienstrechtliche Bestimmungen zur Anrechenbarkeit von E-Learning auf das Lehrdeputat gemäß der bayerischen Lehrverpflichtungsverordnung (LUFV)

3.1. Im Spannungsfeld zwischen Föderalismus und Idealismus

Wie bereits erwähnt, führt der deutsche Bildungsföderalismus zu „große[n] Unterschiede[n] sowohl in den Landeshochschulgesetzen und Lehrverordnungen als auch zwischen einzelnen Hochschulen bezüglich etwaiger Regelungen zur Förderung und Anerkennung von digitaler Hochschulbildung“ [4]. Diese Uneinheitlichkeit und partielle Intransparenz der rechtlichen Rahmenbedingungen verunsichert Lehrende und lässt die Digitalisierung der Lehre stocken [21].

Erfahrungen der im Bereich E-Learning tätigen Hochschulmitarbeiterinnen und -mitarbeiter decken sich mit den Untersuchungen Bernd Kleimanns, wonach der „mit Entwicklung, Einsatz und Pflege von E-Learning verbundene Zeitaufwand“ [22] auf drei Arten erbracht werden kann:

  • Durch „freiwillige Mehrarbeit“ der Dozierenden, die ihre Lehre aus idealistischen Motiven mit elektronischen Lehr- und Lerneinheiten anreichern,
  • durch „Reduktion bei Forschung und Selbstverwaltung“, wodurch ein Umschichtungsprozess stattfindet und das Engagement in anderen Aufgabenbereichen infolge von Priorisierungen reduziert wird,
  • oder durch „Reduktion der Präsenzlehre“, indem Aktivitäten im Bereich des E-Learnings auf das Lehrdeputat angerechnet werden und ggf. Teile der Präsenzlehre ersetzen [22].

Während die beiden erstgenannten Szenarien mittel- und langfristig zu negativen Folgen führen – „im Fall a) für die Arbeitszufriedenheit der Lehrenden, im Fall b) für die Leistungen in Forschung und Selbstverwaltung“ – herrscht weitgehend Konsens darüber, dass es nötig ist, den durch die Digitalisierung der Lehre anfallenden Mehraufwand zu kompensieren, was durch die Anrechenbarkeit auf das Lehrdeputat zu verwirklichen ist. Darüber hinaus ist es möglich, „durch einen überschaubaren Mehraufwand des Lehrpersonals in der mediengestützten Lehre Zeiteinspareffekte zu erzielen, die den Mehraufwand überkompensieren“ [22].

3.2. Bestimmungen der bayerischen Lehrverpflichtungsverordnung (LUFV)

Die Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV) vom 14. Februar 2007 (GVBl S. 201, BayRS 2030-2-21-WFK) in der jeweils geltenden Fassung, die für Lehrpersonen an staatlichen Universitäten und Universitätsklinika rechtlich bindend ist, legt die dienstrechtlichen Vorgaben zur Ermittlung des Lehraufwands fest [23]. Für die medizinische Lehre an Universitäten und Universitätsklinika sind folgende Bestimmungen unter Aussparung detaillierter (Sonder-)Regelungen maßgeblich: Der Umfang einer Lehrveranstaltungsstunde umfasst mindestens 45 Minuten Lehrzeit pro Woche der Vorlesungszeit des Semesters (§ 2 Abs. 1). Lehrveranstaltungen, die nicht in Wochenstunden je Semester ausgedrückt werden oder sich nicht auf alle Wochen der Vorlesungszeit erstrecken, sind in Lehrveranstaltungsstunden umzurechnen; hierzu ist die Summe der einzelnen Unterrichtsstunden durch die Zahl der Wochen der Vorlesungszeit des Semesters zu teilen (§ 3 Abs. 6). Außerdem ist zu beachten, dass die Höhe der Lehrverpflichtung so bemessen ist, dass „nicht nur die Aktualisierung des Lehrinhalts, sondern auch die Modernisierung der Vermittlungsform in den vorgesehenen Vor- und Nachbereitungszeiten eingeschlossen ist”, weshalb die „Bereitstellung begleitenden Informations- und Lehrmaterials zum Präsenzstudium [...] den Umfang der Lehrverpflichtung daher nicht [berührt]” [24].

Hinsichtlich der konkreten Anrechnungsfaktoren wird unterschieden zwischen Vorlesungen, Übungen und Seminaren sowie „deren moderne, insbesondere internetbasierte Ausgestaltung” die voll (= Faktor 1,0) auf die Lehrverpflichtung angerechnet werden, Kolloquien und Repetitorien zu sieben Zehnteln (= Faktor 0,7) und Exkursionen zu drei Zehnteln (= Faktor 0,3). „Andere Lehrveranstaltungen” - im Folgenden nicht näher spezifiziert - werden zur Hälfte (= Faktor 0,5) auf die Lehrverpflichtung angerechnet (§ 3 Abs. 2) [23]. Die in der Medizin gebräuchliche Veranstaltungsform des Praktikums - in der ÄApprO als „praktische Übung” bezeichnet (ÄApprO § 2 Abs. 1), die in der LUFV nicht genannt ist, wird im Folgenden analog zu Vorlesung, Übung und Seminar angesehen und entsprechend mit Faktor 1,0 gewertet.

Die Möglichkeit der „modernen” und „internetbasierten” Ausgestaltungen von Vorlesungen, Übungen und Seminaren kann als grundsätzliches Einverständnis damit gewertet werden, dass diese genannten Veranstaltungsformen virtuell abgehalten werden können. Die Entscheidung, ob die Lehre digital erbracht wird, ist laut Kultusministerkonferenz „zunächst eine Frage der methodischen Gestaltung, über die der selbstständig Lehrende entscheidet” [24].

Darüber hinaus gilt: Wenn keine ständige Betreuung der Studierenden erforderlich ist, wird die Lehrveranstaltung zu drei Zehnteln (= Faktor 0,3) auf die Lehrverpflichtung angerechnet (ebd.). Lehrveranstaltungen, an denen zwei oder mehr Lehrpersonen beteiligt sind, werden - den einzelnen an der Durchführung der Lehrveranstaltung Beteiligten entsprechend dem Maß ihrer jeweiligen Lehrbeteiligung anteilig - insgesamt nur einmal angerechnet. Soweit eine Lehrveranstaltung fachübergreifend durchgeführt wird, darf sie bei den beteiligten Lehrpersonen insgesamt höchstens zweifach angerechnet werden (§ 3 Abs. 7) (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Für die Errechnung der Semesterwochenstunden der einzelnen Lehrveranstaltungstypen ergeben sich folgende Rechenformeln, die bei der Semestererklärung zur Ausweisung der geleisteten Lehrverpflichtung Anwendung finden:

Berechnungsformel bei wöchentlich stattfindenden Veranstaltungen mit gleicher Stundenzahl:

Formel 1

Berechnungsformel bei unregelmäßig stattfindenden Veranstaltungen, Blockveranstaltungen oder Exkursionen:

Formel 2

Grundsätzlich gilt, dass die Lehrverpflichtung zum Teil auch durch den Einsatz und die Betreuung von Multimedia-Angeboten erfüllt werden kann (24), die als „Zusatzangebote” gelten und nicht Bestandteil der in Tab. 2 aufgeführten, curricular vorgegebenen Lehrveranstaltungen sind, wobei hierfür folgende Regelungen gelten: „Die Erstellung und Betreuung von Multimedia-Angeboten kann in einem dem Zeitaufwand entsprechenden Umfang auf die Lehrverpflichtung angerechnet werden, jedoch höchstens bis 25 v.H. der festgelegten Lehrverpflichtung. Eine Veranstaltungsstunde (Anrechnungsfaktor 1) entspricht drei Arbeitsstunden” (§ 3 Abs. 9).

Konkret kann folglich maximal ein Viertel der gesamten Lehrverpflichtungsstunden für die Erstellung und Betreuung eines Multimedia-Projektes aufgewendet werden, wobei die Berechnung - analog zu unregelmäßig stattfinden Veranstaltungen oder Blockveranstaltungen - in geleisteten (Zeit-)Arbeitsstunden erfolgt. Rechenbeispiel: Ein Dozent mit einem Lehrdeputat von 10 SWS möchte ein Multimedia-Angebot erstellen. Laut § 3 Abs. 9 kann er maximal 25% des Lehrdeputats, in seinem Fall 2,5 SWS, für dieses Projekt aufwenden. Der Erstellungs- und Betreuungsaufwand für eine Lehrveranstaltungsstunde kann bis zu drei Arbeitsstunden entsprechen, wodurch für das Multimedia-Projekt in diesem Beispiel 7,5 Zeitstunden pro Woche zur Verfügung stehen. Auf eine Arbeitswoche mit 40 Stunden Wochenarbeitszeit umgerechnet, kann sich der Dozent rund einen Arbeitstag pro Woche der Vorlesungszeit mit dem Projekt beschäftigen, was durchaus sehr großzügig anmutet, aber besonders in der medizinischen Lehre aufgrund der bereits genannten Dreifachbelastung der Lehrenden ohne entsprechende „Rückendeckung” des Vorgesetzten bzw. Freistellung in anderen Tätigkeitsbereichen nicht zu realisieren sein wird.

3.3. Vorschlag einer Veranstaltungstypologie unter Berücksichtigung von E-Learning-Formaten

Mangels einer konkreten Lehrveranstaltungstypologie innerhalb der LUFV im Bereich elektronisch unterstützter Veranstaltungen, schlagen wir unter Berücksichtigung der gültigen gesetzlichen Bestimmungen folgende Typologie der Lehr- und Lernformen vor, die den im Bereich E-Learning entscheidenden Aspekt der „Betreuung” als wesentliches Unterscheidungsmerkmal heranzieht und den Versuch unternimmt, Formen digitaler Lehre beispielhaft in das bestehende Raster zu integrieren, um so eine erste Orientierung zu geben (siehe Tabelle 4 [Tab. 2]):

Zu betonen ist hierbei, dass der (oft einmalige) Erstellungsaufwand bzw. die Aktualisierung der E-Learning-/Online-Materialien für die Veranstaltungsformen 1-3 nicht angerechnet werden kann. Der Anrechnungsfaktor laut LUFV bezieht sich ausschließlich auf die tatsächliche Veranstaltungszeit, wobei die in ihrem Umfang durchaus divergierenden Vor- und Nachbereitungszeiten bereits in den unterschiedlichen Faktoren berücksichtigt sind [24].

Bewusst werden die gültigen Anrechnungsfaktoren in der Typologie gelistet, da es in den Zuständigkeitsbereich des Gesetzgebers fällt, die Anrechnungsfaktoren zu ändern oder anzugleichen. Wünschenswert ist in jedem Fall die Präzisierung der genannten Lehrveranstaltungsarten, da diese wie im Falle der „anderen Lehrveranstaltungen” sehr vage bleiben. Darüber hinaus ist insbesondere die Berücksichtigung hybrider Lehrformate wie das Inverted-Classroom-Modell von großer Bedeutung, da hier die Grenzen zwischen ständig betreuten Veranstaltungsteilen (Präsenz-Phase) und nicht ständig betreuten bzw. gegebenenfalls nicht betreuten Veranstaltungsteilen (Online-Phase), die trotz allem einen hohen Vorbereitungsaufwand erfordern, fließend sind.


4. Kritik und Handlungsempfehlungen

Angesichts der Digitalisierung der Gesellschaft und der Relevanz digitaler Medien für das Lernen heutiger Studierender tritt neben die technische, didaktische und methodische Frage nach dem Umgang mit digitalen Medien in der Lehre auch die strukturell-strategische Auseinandersetzung der Hochschulen mit den politischen, institutionellen und universitären Rahmenbedingungen digitaler Lehre. Laut Jäckel steigen die Erwartungen von Lehrenden und Lernenden an die technologische Ausstattung schneller, als sie erfüllt werden können, was dazu führt, dass die Strukturen unwillkürlich als defizitär erlebt werden [25]. Das Hochschulforum Digitalisierung fordert in diesem Zusammenhang „auf allen Handlungsebenen weiter erhebliche Anstrengungen, um die Mehrwerte der Digitalisierung flächendeckend an deutschen Hochschulen zu nutzen” [2]. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass eine Präzisierung der einzelnen Lehrverpflichtungsverordnungen und idealerweise die Vereinheitlichung der Lehrverpflichtungsverordnungen über die Ländergrenzen hinweg zwar ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen bedeuten, der Problematik aber alleine nicht gerecht werden. Es bedarf darüber hinaus weiterer Maßnahmen, adressiert an verschiedene Akteure der Hochschulen, um die Digitalisierung der Lehre nachhaltig voranzutreiben.

4.1. Gesetzliche Regelungen

Wie eingangs festgestellt, klafft eine Lücke zwischen der politischen Absicht, die Digitalisierung in der Hochschullehre zu fördern und voranzutreiben, und dem Status quo der digitalen Lehre innerhalb der Fakultäten. Die derzeitigen Regelungen in Deutschland sind zudem sehr heterogen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gesetzeslage auch in der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter, die neue digitale Lehr- und Lernformen einsetzten möchten, nur wenig bekannt ist. Greift man ferner den Umstand auf, dass die Verweildauer des wissenschaftlichen Personals an einer Hochschule vergleichsweise kurz ist und Wissenschaftler zwecks ihrer beruflichen Weiterentwicklung in vielen Fällen ihren universitären Arbeitgeber - auch bundeslandübergreifend - wechseln, ist die Vereinheitlichung der 16 Lehrverpflichtungsordnungen wünschenswert. Vor dem Hintergrund aktueller Förderprojekte, genannt sei hier exemplarisch das “Bund-Länder-Programm Qualitätspakt Lehre (QPL)” des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), das in seiner aktuellen Förderperiode bis 2020 insgesamt 71 Universitäten, 61 Fachhochschulen sowie 24 Kunst- und Musikhochschulen mit einer Vielzahl an Einzelprojekten, auch im Bereich des E- und Blended-Learnings, fördert, mutet die Existenz von 16 Lehrverpflichtungsverordnungen unzeitgemäß an.

Die bestehenden Regelungen sind als unzureichend einzuschätzen und hemmen insbesondere die Innovationskraft von neuen Lehr- und Lernszenarien. So würden beispielsweise reine Online-Angebote wie die Durchführung eines MOOCs (Massive Open Online Course) nicht voll auf das Lehrdeputat angerechnet. Die Verrechnung des Lehrdeputats für neue und sehr progressive Lern- und Lehrmethoden wie die Entwicklung und der Einsatz von Serious Games [26] oder Virtual Reality-Anwendungen [27] sind momentan nicht abbildbar. Blended-Learning-Angebote nach dem Flipped- bzw. Inverted-Classroom-Ansatz befinden sich einem Graubereich, da die rechtlichen Regelungen zur Anrechenbarkeit der individuellen Phase, in der oftmals zu vermittelnde Inhalte digital aufbereitet zur Verfügung gestellt werden, schwer auszudeuten sind. Dies hat zur Folge, dass auf Seiten der wissenschaftlichen Mitarbeiter nur die Personen, denen überdurchschnittliche hohe Ressourcen zur Verfügung stehen und/oder die besonders motiviert und mitunter auch bereit sind, sich auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten mit der Entwicklung digitaler Lehre zu beschäftigen, neue innovative Projekte anstoßen können, wie es auch in dem Artikel von Oliver Janoschka angemerkt wird [28]. Aktuell gültige Regelungen bergen die Gefahr, dass motivierte Mitarbeiter, die sich besonders für den Einsatz von neuen Medien in der Hochschulbildung einsetzen, einerseits nicht ihre Lehrdeputatsleistung erreichen und andererseits im schlechtesten Fall ihre eigene Stelle „wegrationalisieren“, da der anfangs sehr zeitintensive Erstellungsaufwand letztlich in den Folgesemestern überkompensiert werden kann und zu Zeiteinspareffekten führt [22].

Eine gesetzliche Neuregelung sollte mit Bedacht durchgeführt werden und die neuen Rahmenbedingungen für ein verändertes Lernverhalten mit einbeziehen und adäquat abbilden, eben weil die Anrechnung von Multimedia-Produktion und Online-Lehre auf das Lehrdeputat als wirksame Maßnahme zur Steigerung der Nutzung von E-Learning durch die Lehrenden angesehen wird, so die Meinung von 78% von 201 befragten Hochschulen im Rahmen der „E-Readiness”-Umfrage der HIS GmbH und des Multimedia Kontor Hamburg [21]. Nur so können die Hochschulen ihrer eigentlich zugedachten Aufgabe als Innovationsmotoren wieder gerecht werden.

Digitale Lehrveranstaltungen, wie bspw. Online-Phasen im Rahmen von Inverted-Classroom- Veranstaltungen, sollten als gleichberechtigt zu den traditionellen Veranstaltungsformen angesehen und entsprechend auf das Lehrdeputat angerechnet werden können: Wird ein Seminar nach dem Inverted-Classroom-Modell abgehalten, bleiben die Präsenzzeiten von bspw. 2 SWS erhalten, allerdings bedeutet die Konzeption, Erstellung und Betreuung der Online-Phase einen deutlichen Mehraufwand für die Lehrenden. Auch auf Seiten der Studierenden erhöht sich der Workload, da die Online-Phasen zur Vorbereitung der Präsenzzeiten unumgänglich sind und eine entsprechende Bearbeitungs- bzw. Vorbereitungszeit erfordern. Insofern ist es nur konsequent, dass IC-Veranstaltungen mit einer höheren SWS-Zahl versehen werden müssen als herkömmliche Seminare. Aber auch die Erstellung und Betreuung eines Multimedia-Projektes nach § 3 Abs. 9 der LUFV sollte in begründeten Fällen, etwa bei besonders hohem Erstellungsaufwand, bei inhaltlich komplexen oder technisch sehr anspruchsvollen digitalen Themen, zu einem höheren Prozentsatz als 25% auf die eigene Lehrleistung anrechenbar sein. Sinnvoll ist in diesem Zusammenhang auch eine Differenzierung zwischen der tatsächlichen, überaus zeitaufwändigen Erstellung eines neuen digitalen Projektes und der Betreuung eines bestehenden Projektes. Demnach könnte ein Kompromiss auch die grundsätzliche Erhöhung der anrechenbaren Stunden auf 50% des Lehrdeputats beinhalten, wenn ein Multimedia-Projekt erstellt wird, während für die Betreuung des Projektes weiterhin eine Höchstgrenze von 25%, bzw. in begründeten Fällen von ebenfalls 50%, gelten kann.

4.2. Hochschulen und Fakultäten

Studien zeigen, dass „grundlegende organisatorische Infrastrukturen für digitale Lehre an sehr vielen Hochschulen in Deutschland vorhanden sind”, diese aber „abhängig von Hochschultyp, -trägerschaft und -größe erheblich differieren können” [29], was angesichts des Bildungsföderalismus und des sehr heterogenen Umgangs der Hochschulen und Fakultäten mit digitaler Lehre keinesfalls verwunderlich ist.

Die mehrfach erwähnten und zum Teil kritisierten, weil unzulänglich an den technologischen Fortschritt angepassten, rechtlichen Regelungen lassen andererseits aber gerade wegen ihrer Unschärfe und Vieldeutigkeit einen großen Handlungsspielraum für die Hochschulen und Fakultäten im Umgang mit digitaler Lehre zu. Deshalb plädieren wir an dieser Stelle für einen großzügigen Umgang bei der Auslegung der Lehrverpflichtungsverordnung, um innovative Projekte zu fördern, E-Learning-Akteure zu unterstützen und den Einsatz engagierter Lehrender zu honorieren.

Zu empfehlen ist ferner die Ausarbeitung einer gesamtuniversitär oder zumindest fakultär verbindlichen Richtlinie, die kapazitäre, dienstrechtliche und urheberrechtliche Aspekte im Umgang mit digitaler Lehre enthält und den Lehrenden als maßgebliche Orientierungshilfe u.a. bezüglich der Anrechenbarkeit digitaler Lehrformate dienen kann, indem sie idealerweise auch konkrete und zeitgemäße Good-Practice-Beispiele beinhaltet, die nicht durch gesetzliche Regelungen abgebildet sind. Exemplarisch sei hier das Strategiepapier „E-Learning-Anrechnung an der UDE” der Universität Duisburg-Essen genannt, das die gesetzlichen Vorgaben der nordrhein-westfälischen Lehrverpflichtungsverordnung erklärt, kommentiert und eine für die gesamte Hochschule gültige E-Learning-Strategie definiert [30].

Untrennbar mit der Wettbewerbsfähigkeit und der Attraktivität einer Hochschule verknüpft ist das Renommee bzw. die Reputation der Universität und „zahlreiche Hochschulen versprechen sich von der E-Learning-Nutzung eine Reputationssteigerung” [21]. Als geeignete Maßnahmen werden in diesem Zusammenhang die „Einhaltung einschlägiger Zielvereinbarungen auf Fakultätsebene”, „Mindestanteile von E-Learning-Kursen im Curriculum”, „interne Benchmarkings zwischen Fakultäten”, „Medienberichterstattung über exemplarische E-Teaching-Angebote” oder „exzellente Evaluationsergebnisse” genannt (ebd.), die sich auf die Attraktivität digitaler Lehre für die Lehrenden auswirken, etwa durch Auszeichnungen und Lehrpreise, Qualitätssiegel, E-Learning-Zertifikate oder E-Teaching-Awards.

4.3. Kooperationsprojekte

Kooperationsprojekte, beispielsweise die gemeinsame Entwicklung, Durchführung und Betreuung digitaler Lehr- und Lernformate über die Plattform der Virtuellen Hochschule Bayern (vhb) oder im Rahmen anderer Verbünde, bieten in diesem Kontext zwei Vorteile: Zum einen führt ein Kooperationsprojekt zum wissenschaftlichen Austausch unter den Wissenschaftlern und Hochschulen, aber auch zur Arbeitsverteilung und damit zur planbaren und schnellen Realisierbarkeit gerade umfangreicher digitaler Projekte. Zum anderen ist durch finanzielle Anreizstrukturen die Möglichkeit gegeben, Ressourcen und zusätzliches Personal (z.B. in Form von studentischen Hilfskräften) für das Projekt heranzuziehen.


5. Ausblick und Zusammenfassung

E-Learning bzw. digitale Lehrformate müssen sich dem nicht aufzuhaltenden technologischen Fortschritt anpassen und sind deshalb naturgemäß ständig im Wandel begriffen. Obwohl digitale Lehre in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist und dem Themenkomplex seitens der Universitäten und vor allem der Studierenden ein hoher Stellenwert beigemessen wird [29], wird auch in Zukunft noch viel Diskussions- und Handlungsbedarf auf alle Akteure der Hochschulbildung zukommen.

Betrachtet man lediglich die rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen, was das Ziel dieser Analyse war, so ist festzustellen, dass viele offene Fragen nicht geklärt sind: Welche Auswirkungen haben Online- oder Blended-Learning-Angebote auf den Studyload der Studierenden? Werden SWS angerechnet, wenn der Dozent nicht vor Ort, sondern nur online zur Verfügung steht (zum Beispiel in Chatrooms)? Wer überprüft und wie wird überprüft, ob der Student die Online-Zeit wirklich auch mit den digitalen Inhalten verbracht hat? Die Liste ungeklärter oder zumindest nicht präzise beantwortbarer Fragen ließe sich weiterführen, was zugunsten einer Thesenliste als Anregung zum adäquaten Umgang mit digitaler Lehre, die oben genannte Kritikpunkte und Forderungen beinhaltet und darüber hinaus auch weitere Forderungen aufnimmt, ausgespart bleiben soll.

Politik
  • Anhebung der prozentualen Anrechenbarkeit digitaler Lehrformate auf das Lehrdeputat.
  • Flexiblere Anrechenbarkeitsmodelle, um die stetig fortschreitende Entwicklung neuer Lehr-und Lerntechnologien und Konzepte adäquat abbilden zu können.
  • Angleichung oder Vereinheitlichung der Regelungen für alle Bundesländer angesichts des fluktuierenden akademischen Mittelbaus.
  • Förderung von neuen Lern- und Lehrtechnologien und Konzepten sowie nachhaltige curriculare Verankerung digitaler Lehrformate.
Hochschulen und Fakultäten
  • Flexible Auslegung der bestehenden Regularien, um neue innovative Projekte zu fördern und Anreize für Lehrende zu schaffen.
  • Ausarbeitung einer transparenten, im Idealfall fakultäts- oder hochschulweit gültigen E-Learning-Strategie.
Akteure
  • Schließen von Kooperationen und Suche nach Förderungsmöglichkeiten, um die Arbeitslast auf mehrere Personen zu verteilen und Lehrdeputatsbeschränkungen zu umgehen.
  • Bessere (intra- und interfakultäre sowie intra- und interuniversitäre) Vernetzung der E-Learning-Akteure zum Zweck des Erfahrungsaustauschs über digitale Lehrformate und deren Anrechenbarkeit auf das Lehrdeputat.

Der Artikel verfolgt die Absicht, bestehende Unsicherheiten bei der Frage der Anrechnung digitaler Lehrformate auf das Lehrdeputat zu nennen, aufzuklären und dazu beizutragen, eine wichtige Barriere beim Einsatz neuer Lehrkonzepte aufzulösen. Im Vordergrund steht die Forderung zumindest nach einer Präzisierung der bestehenden Lehrverpflichtungsverordnungen, wobei eine Angleichung der bundesweit insgesamt 16 gültigen Verordnungen in Zeiten von BMBF-Förderprojekten zur Verbesserung der Studienbedingungen und der Lehrqualität mit Schwerpunkten im Ausbau und der Verankerung digitaler Lehrformate und angesichts der personellen Fluktuation des akademischen Mittelbaus in der deutschen Hochschullandschaft dringend nötig erscheint.

Es wäre wünschenswert, wenn in Zukunft die Berechnung des Lehrdeputats als ein fördernder Faktor für die Digitalisierung der Hochschullehre fungiert und nicht, wie aktuell, durch unpräzise Regelungen und den damit verbundenen Unsicherheiten auf Seiten der Lehrenden einen limitierenden Faktor darstellt.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Bischof L, von Stuckrad T. Die digitale (R)evolution? Chancen und Risiken der Digitalisierung akademischer Lehre. Report No.: 174. Gütersloh: CHE gemeinnütziges Centrum für Hochschulentwicklung; 2013. S.1-62.
2.
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