gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Evaluation des Peer-Teaching-Programms an der Universitäts-Kinderklinik Essen – Eine prospektive Single-Center-Studie

Forschungsarbeit Humanmedizin

  • corresponding author Rainer Büscher - Universitätskinderklinik Essen, Klinik für Kinderheilkunde II, Essen, Deutschland
  • author Dominik Weber - Universitätskinderklinik Essen, Klinik für Kinderheilkunde II, Essen, Deutschland
  • author Anja Büscher - Universitätskinderklinik Essen, Klinik für Kinderheilkunde II, Essen, Deutschland
  • author Maite Hölscher - Universitätskinderklinik Essen, Klinik für Kinderheilkunde II, Essen, Deutschland
  • author Sandra Pohlhuis - Universitätskinderklinik Essen, Klinik für Kinderheilkunde II, Essen, Deutschland
  • author Bernhard Groes - Universitätskinderklinik Essen, Klinik für Kinderheilkunde II, Essen, Deutschland
  • author Peter F. Hoyer - Universitätskinderklinik Essen, Klinik für Kinderheilkunde II, Essen, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(2):Doc25

doi: 10.3205/zma000868, urn:nbn:de:0183-zma0008682

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000868.shtml

Eingereicht: 4. Mai 2012
Überarbeitet: 15. August 2012
Angenommen: 5. November 2012
Veröffentlicht: 15. Mai 2013

© 2013 Büscher et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

An der Universitäts-Kinderklinik Essen werden seit 1986 studentische Tutoren in einem vierzehntägigen Intensivkurs ausgebildet, um im Blockpraktikum Pädiatrie Studierende des 3. und 4. Klinischen Semesters am Krankenbett in basalen pädiatrischen Untersuchungstechniken zu unterrichten („peer-to-peer-teaching“). Die Tutoren werden für ein Jahr als studentische Hilfskräfte in der Klinik eingestellt. Der Schwerpunkt der Tutorenausbildung liegt auf der Vermittlung affektiver und sensomotorischer Fertigkeiten, wie zum Beispiel Kontaktaufnahme zu Eltern und Kindern, sowie auditive und manuelle Fertigkeiten. In dieser prospektiven Studie sollte untersucht werden, ob die Tutoren ausgewählte pädiatrische Untersuchungstechniken ähnlich gut vermitteln können, wie ein erfahrener pädiatrischer Dozent. Einhundertdreiundzwanzig Studierende wurden auf zwei Gruppen verteilt, die entweder einem pädiatrischen Dozenten oder einem studentischen Tutor zugeteilt wurden. Nach einer einstündigen Unterrichtseinheit mussten die erlernten manuellen und verbalen Fertigkeiten im Rahmen einer 10minütigen OSCE-Prüfung demonstriert werden. Gegenüber einer

Kontrollgruppe von 23 Studierenden, die bisher an keinem Unterricht teilgenommen hatte, erzielten beide Untersuchungsgruppen ein signifikant besseres Prüfungsergebnis. Die Studierenden, die von einem Tutor unterrichtet wurden erreichten dabei im direkten Vergleich eine ähnliche Gesamtpunktzahl, wie die Gruppen, die von einem pädiatrischen Dozenten ausgebildet wurden (21,7±4,1 vs. 22,6±3,6 von 38 Punkten, p=0,203). Insbesondere in der Teilaufgabe, in der ausschließlich praktische Fertigkeiten geprüft wurden, zeigte die Gruppe der von einem Dozenten unterrichteten Studierenden keinen punktwerten Vorteil (7,44±2,15 vs. 7,97±1,87 von maximal 16 Punkten, p=0,154). Die Mehrzahl der Studierenden (77%) gab an, dass sie den Unterricht mit den Tutoren als lernförderlich angesehen haben. Die Ergebnisse der quantitativen Untersuchung können belegen, dass der Einsatz von studentischen Tutoren im klinischen Unterricht sinnvoll und lernförderlich ist, wenn diese ausgewählte Lernziele vermitteln sollen.

Schlüsselwörter: Peer teaching, Kinderheilkunde, Tutor, Basale Fertigkeiten, Evaluation


Einleitung

Die Medizinstudenten von heute sind die Lehrenden von morgen [1]. In den medizinischen Curricula der Fakultäten ist aber die Vorbereitung der Studierenden auf eine spätere Lehrtätigkeit kaum berücksichtigt. Dies ist verwunderlich, da in vielen akademischen Lehrkrankenhäusern und Universitätskliniken Berufsanfänger sofort Lehrtätigkeiten übernehmen müssen. Eine mögliche Lösung ist die curriculare Implementierung von Lehrveranstaltungen, in denen schon Medizinstudenten lernen zu lehren [2], [3]. Dabei müssen oft konventionelle Wege verlassen und neue Lern-/Lehrmethoden an den medizinischen Fakultäten etabliert werden [1]. Allerdings wird die Umsetzung der in der neuen Ärztlichen Approbationsordnung [4] geforderten praktischen Lehrvermittlung durch die Begrenzung personeller Ressourcen und, so im Fachgebiet Kinderheilkunde, durch die Besonderheiten der pädiatrischen Patienten und ihrer Eltern erheblich erschwert. Aufgrund des besonderen ‚Patientenguts’ erfordert ein pädiatrisches Praktikum eine erheblich aufwendigere und geduldigere, persönliche und engagierte Betreuung der Studierenden im Umgang mit Kindern und deren Eltern [5], [6], [7], als dies vielleicht in anderen Disziplinen erforderlich ist. Bei zunehmender Knappheit der Ressourcen und immer weiteren Aufgaben für Dozenten und Assistenzärzte sind neue, innovative und günstigere Lösungen zu suchen [5]. Einen möglichen Lösungsansatz für das Problem stellt die Implementierung eines strukturierten, praktischen Unterrichts in basalen pädiatrischen Untersuchungstechniken durch speziell geschulte studentische Ausbilder (Peer-Teacher) dar. Für die Effektivität eines solchen Konzepts (Peer-assisted Learning) in der Kinderheilkunde fehlen bisher Daten aus prospektiven Studien. An der Essener Universitäts-Kinderklinik werden seit über zwanzig Jahren studentische Tutoren in einem vierzehntägigen Intensivkurs geschult, um in den folgenden zwei Semestern ihre Kommilitonen während des Blockpraktikums Pädiatrie in basalen pädiatrischen Untersuchungstechniken am Krankenbett zu unterrichten [8], [9]. Prof. Olbing hat das Ausbildungsprinzip des „Peer-teachers“ an der Essener Kinderklinik erfolgreich etabliert und das Praktikum für Kinderheilkunde 1996 extern evaluieren lassen [10]. Eine standardisierte, quantitative Evaluation der affektiven und sensomotorischen Fertigkeiten ist in der Vergangenheit allerdings nicht erfolgt, da dies als methodisch zu aufwendig angesehen wurde. Es erfolgte lediglich eine Fragebogenerhebung der Studierenden, mit der die Zufriedenheit mit der damals in Deutschland neuen Ausbildungsform ermittelt werden sollte. Eine quantitative Auswertung erfolgte nur indirekt, in dem das Abschneiden in der Semesterabschlussklausur überprüft wurde [10]. Die externe Evaluation zeigte unter anderem, dass die studentischen Tutoren von ihren Kommilitonen als lernförderlich wahrgenommen wurden. In der Literatur gibt es allerdings kaum Studien die belegen, dass studentische „Peers“ Lehrinhalte qualitativ gleichwertig vermitteln können, wie dies von einem berufserfahrenen pädiatrischen Dozenten erwartet werden kann [11]. Eine quantitative Auswertung des Peer-teachings im Fach Kinderheilkunde ist daher unbedingt erforderlich, nicht nur weil die Schulung der Peers und die damit verbundene Organisation des Praktikums zeitaufwendig und teuer sind. Diese Mühe ist aber umso mehr gerechtfertigt, wenn durch eine Studie belegt werden kann, dass in kleinen Bereichen besonders geschulte Studenten ihren Kommilitonen ebenfalls Grundlagenwissen adäquat vermitteln können. Die studentischen Tutoren sollen dabei nicht die Lehraufgaben der Dozenten ersetzen, sondern durch ihre Zwischenstellung in der Krankenhaushierarchie die Aufgabe der Lehrenden erleichtern.

Ziel dieser prospektiven Untersuchung ist daher die Klärung folgender zwei Fragen:

1.
Kann ein studentischer Tutor nach einem vierzehntägigen Vorbereitungskurs einem Studierenden im Blockpraktikum Pädiatrie die gleichen ausgewählten Lerninhalte vermitteln, wie ein erfahrener Dozent?
2.
Wird der Einsatz studentischer Tutoren als lernförderlich empfunden?

Letzteres sollte anhand einer Frage zum Abschluss des Blockpraktikums von allen Teilnehmern erfragt werden.


Methoden und Probanden

Studiendesign

Die Studie ist als randomisierte Vergleichsstudie an 123 Studierenden des gleichen Fachsemesters mit zwei Armen in einem Pre-/Posttest-Design angelegt. Die Studierenden (52 männlich, 71 weiblich), wurden einem Arm A oder B mit 60 bzw. 63 Studierenden pro Gruppe zugeteilt. Weitere 23 zufällig ausgewählte Studierende (9 männlich, 14 weiblich) des gleichen Fachsemesters wurden nicht randomisiert und dienten als Kontrollgruppe. Nur bei diesen Studierenden wurde ein Pre-Test durchgeführt, um die Ausgangsvoraussetzungen zu überprüfen. Die ungleichen Gruppengrößen ergaben sich aus organisatorischen Notwendigkeiten und wurden akzeptiert. Jeweils 63 Studierende erhielten einen studentischen Tutor (Tutor-Student=TS, Gruppe A) und 60 Studierende einen pädiatrischen Dozenten (Dozent-Student=DS, Gruppe B) als Ausbilder. Es erfolgte eine Unterrichtseinheit von einer Zeitstunde Dauer. Während dieser Zeit untersuchten die Studierenden einen Säugling. Es wurde darauf geachtet, dass TS und DS nicht mehr als 2 Studierende in einer Gruppe unterrichteten. Weitere Säuglingsuntersuchungen an anderen Untersuchungstagen erfolgten nicht. Nach 1-4 Tagen erfolgte zur Erfolgskontrolle die Demonstration des Erlernten anhand einer modifizierten OSCE (Objective Structured Clinical Examination)-Prüfung von jeweils 10 Minuten Dauer.

Die Checkliste wurde in der Kinderklinik erstellt, da standardisierte Untersuchungsbögen bisher nicht existieren. Eine Validitätsprüfung konnte daher im Vorfeld nicht erfolgen. Aufgabenstellung und Checkliste entstanden im Rahmen eines Erfahrungsaustausches mehrerer erfahrener pädiatrischer Dozenten. Die Kriterien für den Pre-Test (Kontrollgruppe) und die Abschlussdemonstration waren gleich. Die Demonstration erfolgte vor einem unabhängigen Prüfer, der nicht an der Ausbildung beteiligt, und gegenüber dem Studienziel verblindet war. Um einen Bias zu vermeiden, wurden bei 30 Studierenden während der Prüfung (15 aus jeder Gruppe) Videoaufnahmen durchgeführt. Die Aufnahmen wurden zusätzlich von einem externen Beobachter ausgewertet. Die Studierenden gaben vorab ihr schriftliches Einverständnis, dass Sie mit der Prüfung und im Einzelfall auch mit der Videoaufzeichnung einverstanden waren.

Tutorenschulung

Das Tutorentraining fand vom 09.02.–20.02.2009 in der Essener Kinderklinik statt. Die Tutoren befanden sich zu diesem Zeitpunkt alle im 4. bzw. 5. klinischen Fachsemester und haben sich im Sommersemester 2008 formal für die Schulung beworben; Elf Tutoren wurden für das Programm ausgewählt. Bewerbungsvoraussetzung war eine vorausgegangene Famulatur im Fach Pädiatrie, sowie die vorherige Teilnahme am Blockpraktikum Pädiatrie. Die Ausbildung erfolgte nach einem festen Stundenplan und dauerte insgesamt 80 Stunden. Im Curriculum waren Untersuchungstermine von Kindern, Vorstellung der Befunde und Krankheitsbilder, Schulungen von Untersuchungstechniken, sowie Impulsreferate und Seminare zu unterschiedlichen pädiatrisch-relevanten Themen vorgesehen. Jeder Tutor erhielt ein Arbeitsbuch und untersuchte während des Tutoriats 10 verschiedene Kinder aller Altersgruppen. An der Tutorenausbildung nahmen 7 weitere Oberärzte der Klinik teil. Unterstützung beim Auswählen der Patienten etc. erfolgte durch einen Weiterbildungsassistenten der Klinik, der mit dieser Aufgabe betraut war. Zum Abschluss der 14-tägigen Tutorenausbildung erfolgte für die Tutoren die gleiche OSCE-Prüfung, die auch die Probanden der Studie zu absolvieren hatten. Die pädiatrischen Dozenten waren alle erfahren und standen kurz vor oder nach der Facharztprüfung, eine OSCE-Prüfung wurde vorab nicht durchgeführt.

Probandenauswahl

Aus dem Sommersemester 2009 und dem Wintersemester 2009/2010 wurden 60 bzw. 63 Studierende zufällig einer Untersuchungsgruppe zugeteilt. Alle Teilnehmer absolvierten in dieser Zeit das 14-tägige Blockpraktikum Kinderheilkunde. Alle Studierenden des Blockpraktikums haben in den beiden Semestern zuvor bereits die vollständige Vorlesung Kinderheilkunde gehört bzw. angeboten bekommen und hatten die Semesterabschlussklausur erfolgreich bestanden. Die Gruppengröße von mindestens 60 Teilnehmern in jedem Studienarm ergab sich aus der vorab durchgeführten Fallzahlkalkulation. Nur bei der aus 23 Studierenden bestehenden Kontrollgruppe des Sommersemesters wurde ein Vortest am ersten Tag des Blockpraktikums durchgeführt, um das Eingangswissen später mit dem Ergebnis nach der Intervention vergleichen zu können. Es musste davon ausgegangen werden, dass aufgrund von früheren Famulaturen bzw. Praktika in der Pädiatrie das Ausgangswissen nicht gleich war. Die Kontrollgruppe durchlief das gleiche Blockpraktikum, eine OSCE am Ende wurde aber bei dieser Gruppe nicht mehr durchgeführt. Die zum Teil ungleichen Gruppengrößen ergaben sich aus organisatorischen Gründen bei der Einteilung und Meldung zum Blockpraktikum. Die Studierenden wurden von der Prüfungsleitung vorab über das Ziel der Studie unterrichtet. Keiner der Teilnehmer hat die OSCE-Prüfung vorher schon einmal absolviert.

Die Studie wurde von der Ethikkommission der Universität Duisburg-Essen genehmigt (Antrag 09-3967). Alle Teilnehmer gaben schriftlich Ihr Einverständnis zur Teilnahme an der OSCE-Prüfung. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Ergebnis der Prüfung nicht notenrelevant war. Ein Einverständnis zur Videoaufzeichnung wurde separat mündlich vor jeder Prüfung eingeholt.

„Standardisierte Mütter“

Es erschien uns wichtig, dass zur Überprüfung der kommunikativen Fertigkeiten in der OSCE-Prüfung die Studierenden unter möglich realitätsnahen Bedingungen arbeiten. Die Prüfung wurde daher auch in einem Untersuchungszimmer der Kinderklinik durchgeführt. Unterstützt wurde die Studie von einer Sprechstundenhilfe und einer Kinderkrankenschwester. Sie wurden separat geschult eine Mutter mit Migrationshintergrund zu spielen.

Prüfer

Als Prüfer für die OSCE-Prüfung wurden eine Fachärztin für Pädiatrie, zwei Assistenzärztinnen in der Facharztweiterbildung, sowie ein PJ-Student eingesetzt. Die Prüfer nahmen zuvor nicht am Unterricht der Studierenden teil. Es war den Prüfern auch nicht bekannt, ob ein Studierender von einem Tutor oder pädiatrischen Dozenten unterrichtet wurde. Aufgrund der Heterogenität der Prüfungsgruppe und zur Vermeidung eines Subjektivitäts-Bias (Proband war dem Prüfer persönlich bekannt und wurde deswegen besser benotet) wurde in 30 Fällen eine Videoaufzeichnung der Prüfung durchgeführt. Die Aufnahmen wurden von einem externen Facharzt für Pädiatrie mit dem gleichen Prüfungsbogen ausgewertet. Der externe Gutacher war nicht mit der studentischen Ausbildung an der Kinderklinik Essen betraut, noch waren ihm die Studierenden bekannt.

OSCE-Prüfung

Für die Beantwortung der Forschungsfrage in dieser Studie kam ein regulärer OSCE-Parcours bestehend aus mehreren Stationen aufgrund des hohen personellen Aufwandes bei 146 Einzelprüfungen nicht in Frage. Es wurde daher eine einzige Station konzipiert, die in einer Prüfung mehrere Fertigkeiten prüfen sollte (Anlage 1 [Anh. 1]). Dabei wurden die Teilaufgaben so gestellt, dass nach Möglichkeit unterschiedliche Fertigkeiten geprüft werden konnten:

  • Aufgabe 1: Ansprache der Eltern; Eröffnung der Untersuchung = kommunikative Fertigkeiten
  • Aufgabe 2: Messung Kopfumfang/Palpation der Pulse demonstrieren = praktische Fertigkeiten
  • Aufgabe 3: Neurologische Untersuchung demonstrieren = praktische Fertigkeiten
  • Aufgabe 4a: Zusammenfassung als medizinischer Befund = kommunikative Fertigkeiten, Abstraktion
  • Aufgabe 4b: Checkliste Vorbereitungen = kommunikative Fertigkeiten, Abstraktion

Bei der Vielzahl der Items wurde für diese ‚modifizierte’ OSCE-Prüfung eine Zeitdauer von 10 Minuten festgelegt, die nicht überschritten werden durfte. Die Punkteverteilung in den fünf Items war unterschiedlich und nicht homogen. Von insgesamt 38 Punkten konnten z. B. in Aufgabe 2 maximal 6 Punkte erreicht werden, in Aufgabe 3 (Demonstration der neurologischen Untersuchung) hingegen 16 Punkte. Die OSCE-Prüfung fand für alle Probanden jeweils am letzten Tag der Woche statt, in dem die vier klinischen Untersuchungstermine lagen. So betrug der Abstand zwischen der Dozenten- oder Tutoren-geleiteten Untersuchung des Säuglings und der Prüfung maximal 4 Tage (Montag – Freitag) und minimal 1 Tag (Donnerstag – Freitag). Gleiche Abstände waren aufgrund der Vielzahl der Prüfungen nicht möglich. Die Station sowie der Prüfungsbogen konnten vor Beginn der Studie nicht an einer großen Probandenzahl validiert werden. Teile dieser Station waren im Sommersemester 2009 aber schon Bestandteil der erstmals durchgeführten pädiatrischen OSCE-Prüfung und es konnte an 115 Studierenden eine gute Trennschärfe gezeigt werden.

Fallzahlabschätzung und statistische Auswertung

Bei der Fallzahlberechnung wurde davon ausgegangen, dass in dieser Studie nur eine Frage beantwortet werden soll: Kann ein studentischer Tutor nach einem vierzehntägigen Vorbereitungskurs einem Studierenden im Blockpraktikum Pädiatrie die gleichen ausgewählten Lerninhalte vermitteln, wie ein erfahrener Dozent (ja/nein)? Der α-Fehler liegt bei <0,05 (5%). Für eine akzeptable statistische power der Stichprobe (> 0,80, Effektstärke d≥0,5) muss die Gruppengröße mindestens 60 Studierende pro Arm betragen. Dies wurde bei der Kalkulation der Studie berücksichtigt. Die Darstellung der Messergebnisse erfolgt als Mittelwerte (MW) ± Standardabweichung (SD), wobei der „range“ als Maß für die Streuung der Punktwerte immer zusätzlich angegeben ist. Die Auswertung erfolgte mittels zweiseitigem t-Test für unabhängige Gruppen mit Hilfe des Statistikprogramms GraphPad Prism Version 4,0 (San Diego, CA, USA).


Ergebnisse

Akzeptanz der Prüfung

Obwohl die Teilnahme an der Prüfung nicht notenrelevant war und mit einem extra Zeitaufwand verbunden war, haben wir von den Studierenden, bis auf wenige Ausnahmen nur positives Feedback erhalten und es konnte im allgemeinen keine lustlose oder weniger engagierte Teilnahme an der OSCE-Prüfung festgestellt werden. Die meisten Studierenden fanden diese Studie sinnvoll und nur in einem Fall wurde die Teilnahme verweigert. Drei Studierende waren mit der Durchführung von Videoaufnahmen während der Prüfung nicht einverstanden. Es konnten alle 146 OSCE-Prüfungen von jeweils 10 Minuten Länge bis zum Ende durchgeführt werden. Die Prüfung der Tutoren erfolgte am Ende der vierzehntägigen Tutorenschulung im Februar 2009. Die Ergebnisse der Tutoren in den einzelnen Prüfungsabschnitten sind zum Vergleich jeweils mit abgebildet.

Gesamtergebnis der OSCE-Prüfung

Maximal konnten bei der OSCE-Prüfung 38 Punkte erzielt werden. Die 11 Tutoren konnten in Ihrer Prüfung mit durchschnittlich 30,4±2,2 Punkten ein hohes Testergebnis erreichen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Kontrollgruppe erreichte 14,9±4,1 Punkte, die Gruppe TS kam auf 21,7±4,1 Punkte und die von einem pädiatrischen Dozenten unterrichtete Gruppe (DS) erzielte 22,6±3,6 Punkte (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Tutoren erreichten gegenüber den drei Gruppen ein signifikant besseres Testergebnis (p<0,001); Die Gruppe TS und DS erreichte gegenüber der Kontrollgruppe ein signifikant besseres Prüfungsergebnis (p<0,001), zwischen diesen beiden Gruppen wurde aber kein signifikanter Unterschied in der Gesamtpunktzahl erreicht (p=0,203, siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Häufigkeitsverteilung der OSCE-Ergebnisse von allen 123 Probanden der randomisierten Studie ist in Abbildung 2 [Abb. 2] dargestellt.

Ergebnisse der Einzelprüfungen

Die modifizierte OSCE-Prüfung setzte sich aus 5 Abschnitten zusammen, in denen verschiedene Fertigkeiten geprüft wurden. Die Einzelergebnisse sind in Abbildung 3A dargestellt. Die beiden Gruppen TS und DS sind zur besseren Übersicht auch noch einmal gesondert aufgeführt (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Es fällt auf, dass in allen Aufgaben zwischen den Gruppen mehr oder weniger signifikante Unterschiede zu beobachten waren (siehe Abbildung 4 [Abb. 4] und Tabelle 1 [Tab. 1]). So konnten die Studierenden der Gruppen TS und DS im Vergleich zu den Kontrollen immer eine signifikant höhere Punktzahl erzielen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Hingegen gab es im direkten Vergleich von TS und DS kaum Unterschiede in den Prüfungsergebnissen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Insbesondere in Aufgabe 3, in der ausschließlich praktische Fertigkeiten überprüft wurden, zeigte die Gruppe der von einem Dozenten unterrichteten Studierenden keinen punktwerten Vorteil (7,44±2,15 vs. 7,97±1,87, p=0,154). Bei dieser wichtigen Aufgabe wurden in beiden Gruppen maximal 12 von 16 Punkten erreicht, wobei die Streuung ebenfalls vergleichbar war. Bei der Bearbeitung von Aufgabe 4, in der die Studierenden die erhobenen Untersuchungsergebnisse zu einem medizinischen Befund zusammenfassen sollten, zeigte die Gruppe der von einem Dozenten unterrichteten Studierenden (DS) eine signifikant bessere Leistung (p=0,004). Wenn man hingegen das absolute Punkteverhältnis für diese Aufgabe näher betrachtet, dann scheint dieser Unterschied von 2,95±1,76 vs. 3,7±0,94 erreichten Punkten (von maximal 6 möglichen Punkten) zwar signifikant, aber nicht wirklich relevant zu sein. Die Gruppe der Tutoren schnitt in allen Prüfungen am besten ab und zeigte gegenüber TS und DS und der Kontrollgruppe eine signifikant höhere Punktzahl (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Dies sollte lediglich belegen, dass die 11 Tutoren nach ihrer 14-tägigen Intensivausbildung auch in der Lage waren, den Unterricht im Sinne der Forschungsfrage fachlich gut durchzuführen.

Auswertung der Videoaufnahmen

Bei dreißig OSCE-Prüfungen wurden Videoaufnahmen gemacht. Die 10-minütigen Mitschnitte wurden von einem externen Kinderarzt gesehen und anhand der gleichen Checkliste ausgewertet. Es zeigten sich bei der Beurteilung der einzelnen Aufgaben maximal 1 Punkt Abweichung in Aufgabe 4 und 5 bei zwei unterschiedlichen Probanden, und auch nur maximal ein Punkt Abweichung in Aufgabe 3 bei 6 Probanden. Mit diesem Verfahren sollte sichergestellt werden, dass die Benotung nicht durch persönliches Kennen bzw. Sympathie des Prüfers einem Bias unterlag.

Befragung der Studierenden

Im Sommersemester 2009 wurden insgesamt 112 Studierende nach ihrer Teilnahme am Blockpraktikum Pädiatrie befragt, ob sie die den Unterricht bzw. die persönliche Betreuung durch die Tutoren als lernförderlich empfunden haben („Haben Sie den Einsatz von studentischen Tutoren als lernförderlich empfunden? Ja - Nein“). 86 Studierende (77%) haben angegeben, dass die Arbeit mit den Tutoren als lernförderlich angesehen wurde, während 23% keinen Vorteil in dieser Form der Ausbildung für sich gesehen haben. Einzelgespräche haben ergeben, dass es sich dabei vermehrt um Studierende handelt, die nicht der Auffassung sind, dass studentische Tutoren direkte Aufgaben in der Lehre übernehmen sollten.


Diskussion

In der vorliegenden quantitativen Lern-/Lehrstudie Studie wurde das „peer-to-peer-teaching Konzept“ an der Universitäts-Kinderklinik Essen am Beispiel einer pädiatrisch-neurologischen Standarduntersuchung evaluiert. Obwohl es in der Vergangenheit pädiatrische Studien gab, die sich dieser mit Fragestellung beschäftigten, gibt es nur wenige Publikationen, die sich der Evaluation studentischer Tutoriate im klinischen Unterricht widmen [8], [9], [10]. Die meisten Arbeiten beziehen sich allerdings auf Problem-orientiertes Lernen ?12?, virtuelle Patientenfälle [12], [13] bzw. die pädiatrische Anamnese [14]. Daten zum pädiatrischen peer-teaching unter Einschluss der körperlichen Untersuchung bei Kindern existieren hingegen kaum [15]. Diese Datenlücke sollte mit der vorliegenden Studie geschlossen werden. Es wurde dazu ein personell und zeitlich aufwendiges aber einfaches Design gewählt. In unserer randomisierten Studie konnte am Beispiel der Untersuchung eines Neugeborenen mit einem OSCE festgestellt werden, dass die Vermittlung von ausgewählten Lerninhalten von TS und DS zu gleichen Prüfergebnissen führt. Es ist daher möglich, im klinischen Unterricht studentische Tutoren einzusetzen, wenn diese gut ausgebildet sind und sich deren Verantwortung auf die Vermittlung von Grundelementen der Anamnesetechnik und der klinischen Untersuchung beschränkt. Die Mehrheit der Studierenden hat ferner angegeben, dass sie die Betreuung durch die Tutoren als lernförderlich ansieht. Damit konnten beide initial gestellten Forschungsfragen eindeutig beantwortet werden.

Unserem Wissen nach ist dies die erste Studie, die im Blockpraktikum Pädiatrie prospektiv die Fertigkeiten-Vermittlung durch studentische Tutoren und Dozenten vergleichend untersucht hat. Darin liegt die besondere Stärke dieser Arbeit. Die Ergebnisse, wenn auch aufwendig ermittelt, bestätigen das bisherige Lehrkonzept und motivieren alle Teilnehmer, den bisher eingeschlagenen Weg weiter auszubauen und zu verbessern. Die Vorteile für die Klinik liegen dabei auf der Hand, da aus besonders geförderten, hochmotivierten Tutoren der Nachwuchs in der Kinderheilkunde rekrutiert werden kann. Eine weitere Stärke dieser Studie ist die Kontrolle der OSCE-Ergebnisse durch einen geblindeten, externen Observer. Ein Subjektivitäts-Bias konnte somit vermieden werden, da die interne und externe Prüfung keine Unterschiede zeigte. Der Einsatz ‚standardisierter Mütter‘ war eine weitere Besonderheit dieser Studie. In diesem Fall kam der Migrationshintergrund, der in dieser Region eine besondere Rolle spielt, erschwerend dazu. Die Kommunikation mit Eltern ist zweifellos eine der großen Herausforderungen in der Pädiatrie. Auf Vorerfahrungen konnte bei der Konzeption der Studie nicht zurückgegriffen werden. Der lernförderliche Einsatz von standardisierten Patienten ist in der Literatur gut beschrieben [16], [12], bisher gibt es aber nur wenige Studien, die auch den effektiven Einsatz ‚standardisierter Eltern‘ beschreiben [13]. Im Umgang bzw. der Ansprache von Eltern mit Migrationshintergrund gibt es demzufolge bisher keine „nicht nur empirischen“ Daten. Wir haben daher in diesem Fall versucht, unsere Mitarbeiterinnen aufgrund unserer eigenen Erfahrungen realitätsnah zu schulen.

Bei der Interpretation der Studienergebnisse ist dennoch Vorsicht geboten. Das Studienziel war nicht, den besseren ‚Lehrer’ auszumachen. Eine solche Frage kann mit diesem einfachen Design nicht beantwortet werden. Die Konsequenz aus den Ergebnissen darf auch nicht sein, Dozenten von ihren Lehraufträgen zu befreien und die studentische Lehre durch kostengünstigere, wenn auch gut ausgebildete Peer-teacher zu ersetzen. Vielmehr konnte das Konzept des „peer-to-peer-teaching“ im Blockpraktikum Pädiatrie in einer prospektiven, randomisierten Studie auch quantitativ untersucht werden. Der Tutor kann ausgewählte klinische Lehraufgaben übernehmen und damit zu einer sinnvollen Ergänzung der klinischen Ausbildung beitragen. Indirekt erleichtert und bereichert er durch die Zwischenstellung in der Hierarchie die Aufgaben der etablierten pädiatrischen Dozenten, ersetzt sie aber in keiner Weise, da er nur ausgewählte Lernziele vermitteln soll, nicht aber deren Einordnung und Interpretation in einem Gesamtkontext sicherstellen kann. Die Limitationen des peer-teaching sind bei Etablierung von solchen Programmen immer zu berücksichtigen. Insbesondere bei der Vermittlung von komplexen Fertigkeiten mit differenziertem Hintergrund besteht die Gefahr, dass die Qualität der Anleitung und Instruktionen durch den studentischen Tutor unzureichend ist [17]. Es kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass jeder Tutor auch ein guter Lehrer ist. Das gute Abschneiden der Tutoren in ihrer eigenen OSCE-Prüfung zeigt aber zumindest, dass das nötige Fachwissen und eine hohe Motivation vorhanden waren.

Der Erfolg von Peer-gestütztem Unterricht an den medizinischen Fakultäten kann, wenn auch meist nur subjektiv, anhand zahlreicher Befragungen und Studien belegt werden ?[11], [18], [19], [20], [21]. Es kommt aber nur in sehr wenigen Fällen vor, dass eine quantitative Evaluation der durch Tutoren vermittelten Fertigkeiten im direkten Vergleich mit postgraduierten Dozenten, z.B. durch eine OSCE-Prüfung erfolgt, und meistens werden diese Ergebnisse nur in Form von ‚meeting-abstracts’ publiziert [17], [18]. Aus der Pädiatrie zumindest sind keine größeren Studien zu diesem Thema außerhalb von Kongressberichten bekannt. Es bleibt generell festzustellen, dass durch die Etablierung von Tutoren-Programmen mehrere Ausbildungsziele erreicht werden können [20]:

1.
Die heutigen Medizinstudenten nehmen später in ihren Fakultäten und Kliniken häufiger führende Rollen in der Lehre ein/an.
2.
Durch die Teilnahme an Tutorenprogrammen schulen die angehenden Ärzte kommunikative Fähigkeiten, gerade auch im Umgang mit Patienten, die später von großem Nutzen sein können.
3.
Durch ein besseres Verständnis von Lehren und Lernen kann das Lernverhalten der Studierenden selber stimuliert werden.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Implementierung von Seminaren in den Curricula, wie z. B. „Lehren Lernen für Studierende“, kurzfristig gesehen vielleicht einen Mehraufwand für die medizinischen Fakultäten bedeutet, sich langfristig aber für die Reputation einer Universität auszahlt. Möglicherweise kann eine Verbesserung der damit verbundenen Lehr-/Lernkultur auch zu Standortvorteilen führen [20]. Es gibt von Seiten der Lernpsychologie für den Erfolg eines Tutoren-basierten Unterrichts zwei Erklärungsversuche. Die sogenannte Rollentheorie nach Allen [22] geht davon aus, dass Lehrer und Schüler verschiedene stereotypische Rollen mit verschiedenen Erwartungen, Verantwortlichkeiten und hierarchischen Einstufungen einnehmen, die durch psychologische und physische Barrieren voneinander abgegrenzt werden. In diesem Fall stärkt die Rollenkongruenz der Tutoren und ihrer betreuten Studierenden die Motivation zum Lernen („self-directed learning“), während beim Unterricht durch erfahrene Dozenten die Versagensangst eher der Lerntrigger ist. In einer weiteren Lerntheorie nach Schmidt [23] wird postuliert, dass zwischen Fakultätsmitgliedern und Studierenden eine kognitive Inkongruenz herrscht, wohingegen Kongruenz zwischen studentischen Tutoren und Studierenden. Aus diesem Grund ist der studentische Tutor auch besser in der Lage, vorhandenes Vorwissen bzw. noch vorhandene Mängel, vor allem aber Denkart und Sprachgebrauch der Studierenden in seinen Unterricht mit einzubeziehen [23]. Daher ist die Akzeptanz eines studentischen Tutors meistens größer, als man vielleicht annehmen möchte [23], [24].

Es ist offensichtlich, dass die Studie mehrere methodische Limitationen aufweist, die bei der Erstellung des Studiendesigns größtenteils bereits als potentielle Schwächen erkannt wurden, aber aus Gründen der Praktikabilität in Kauf genommen werden mussten. Ein Problem ist sicherlich, dass die verwendete modifizierte OSCE-Prüfung zwar mehrere Items aufweist, aber nur einen Prüfer. Die Erstellung eines ganzen OSCE-Parcours mit mehreren pädiatrischen Stationen und unterschiedlichen Prüfern wäre sinnvoller, im Sinne der Studienfrage aber organisatorisch viel zu aufwendig gewesen [25]. Es war unser Wunsch, eine OSCE-Station zu konzipieren, die anhand einer einfachen Prüfung wichtige klinisch-praktische Fertigkeiten überprüft. Die Prüfung sollte auch zeitnah nach dem Unterricht erfolgen, da auch nur eine einzige Unterrichtsstunde zu diesem Thema abgehalten wurde. Insofern musste jede Woche eine Prüfung stattfinden und keine gemeinsame Prüfung zum Semesterende. Eine solche Konzeption wäre methodisch sicherlich besser gewesen, personell aber nicht zu tragen. Durch den Einsatz eines externen Beobachters konnte aber zumindest gezeigt werden, dass der Einsatz von nur einem Prüfer während der OSCE keinen Nachteil brachte.

Die Prüfung ist, würde sie an üblichen Kriterien zum Bestehen einer OSCE-Prüfung gemessen, wie z.B. die testzentrierte Ermittlung einer Bestehensgrenze nach Ebel oder Angoff [26], [27] sicherlich schlechter ausgefallen, als erwartet. Lediglich 60% der Teilnehmer hätten bei einer willkürlich festgelegten Bestehensgrenze von 60% die Prüfung bestanden. Man muss daher fragen, ob die gewählte Prüfungsform valide war, um „kompetente“ von „nicht kompetenten“ Studierenden zu trennen, oder ob die Prüfung insgesamt für einen OSCE ein zu hohes Niveau aufwies. Wie bereits erwähnt, hätte die Konzipierung eines ganzen Parcours mit 5-10 Stationen sicherlich eine größere Trennschärfe erreichen können. Man kann auch festzustellen, dass die Aufgabenschwierigkeit der fünf unterschiedlichen Items sehr variierte. So sieht man, dass die Aufgaben 1, 2 und 5 von allen Probanden ungefähr gleich gut bearbeitet wurden, Aufgabe 3 hingegen, wo es ausschließlich um die Demonstration manueller Fertigkeiten ging, sehr unterschiedlich gut gelöst wurde. Bei dieser Aufgabe lag also sicherlich der größte Schwierigkeitsgrad mit der größten Trennschärfe. Um die Validität der Prüfung besser beurteilen zu können, wurden das Prüfungsergebnis einer Kontrollgruppe und der Tutoren in die Auswertung mit einbezogen. Die Tutoren wurden mit der gleichen Aufgabenstellung konfrontiert, wie die Probanden. An deren Ergebnissen kann man sehen, dass die OSCE-Prüfung nach einem längeren Training gut zu lösen war, denn in dieser Gruppe wurden 30,4±2,2 von 38 Punkten erreicht. In der Kontrollgruppe wurden signifikant weniger Punkte erzielt, als in allen anderen Gruppen. Daher kann man sicherlich schlussfolgern: Die Prüfung war im Sinne der Studienfrage adäquat, da alle Studierenden nach der Intervention das Ergebnis der Kontrollgruppe deutlich verbessert haben. Insofern haben die Teilnehmer vom Unterricht profitiert. Die gewählte Prüfungsform wäre kein probates Mittel gewesen, um kompetente von nicht kompetenten Studierenden zu trennen, was hier aber auch nicht untersucht werden sollte.

Bei der Befragung am Ende des Blockpraktikums wurde von 77% der Studierenden angegeben, dass sie den Unterricht durch die Tutoren als lernförderlich angesehen haben. Auch hier wurde bewusst nur eine einzige Frage gestellt, die mit ‚Ja’ oder ‚Nein’ zu beantworten war. Dadurch sollte eine zunehmend zu beobachtende‚Evaluationsmüdigkeit’ vermieden werden. Natürlich lässt sich durch eine einzige Frage keine Aussage zur intrinsischen Motivation eines einzelnen machen. Wäre es bei der Festlegung der Studienfrage und des Designs um eine Bewertung der Ausbildungsqualität durch die Tutoren gegangen (Vergleich Dozenten vs. Peers), so hätte ein ganzer Fragenkatalog mit mehreren Items vorgelegt werden müssen. Ziel solcher Fragen wäre es gewesen, die Motivation der Tutoren und Dozenten, theoretisches Hintergrundwissen, zufriedenstellende und kompetente Beantwortung von Fragen etc. zu eruieren. Ein möglicher Hawthorne-Effekt („Die einen hatten aber einen echten Dozenten und wir nicht...“), der zu einer Verhaltensänderung in der Prüfung geführt haben könnte, kann aufgrund der vorliegenden Ergebnisse daher sicher nicht ganz ausgeschlossen werden [28]. Die Beurteilung der Ausbildungsqualität ist aber bereits an anderer Stelle detailliert evaluiert worden und stand nicht im Fokus dieser Untersuchung [10].


Schlussfolgerung

Die Ergebnisse der quantitativen Lehrstudie haben folgendes belegen können: Es ist möglich und sinnvoll, studentische Tutoren auch im pädiatrischen Unterricht einzusetzen, wenn diese hochmotiviert sind. Ausgewählte Aufgaben können dabei von einem Tutor ähnlich gut vermittelt werden, wie dies ein Fachdozent vermag. Ein zweiwöchiges Intensivtraining scheint dabei auszureichen, um die Tutoren auf Ihre Lehraufgabe vorzubereiten.


Danksagung

Diese Studie wurde durch eine großzügige finanzielle Unterstützung des Studiendekanats der medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen ermöglicht.

Diese Arbeit ist Prof. Dr. Hermann Olbing [†] in Dankbarkeit gewidmet .


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Morrison EH, Hafler JP. Yesterday a learner,today a teacher too: Residents as teachers in 2000. Pediatrics. 2000;105(1 Pt 3):238-241.
2.
Aspegren K. Teaching and learning communication skills in medicine – a review with quality grading of articles. Med Teach. 1999;21(6):563-570. DOI: 10.1080/01421599978979 Externer Link
3.
Lempp H, Seale C. The hidden curriculum in undergraduate medical education: qualitative study of medical students' perceptions of teaching. BMJ. 2004;329(469):770-773. DOI: 10.1136/bmj.329.7469.770 Externer Link
4.
Bundesministerium für Gesundheit. Approbationsordnung für Ärzte, Beschluss des Bundesrates vom 26.4.2002. Bonn: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH; 2002. Drucksache 316/02.
5.
Fallat ME, Glover J; American Academy of Pediatrics, Committee on Bioethics. Professionalism in Pediatrics. Pediatrics. 2007;120(4):e1123-e1133. DOI: 10.1542/peds.2007-2230 Externer Link
6.
Pölzelbauer K. Arzt – Kinde – Eltern: Kommunikation in der Pädiatrrie; Schwerpunkt: Gesprächsführung in Krisensituationen, siehe Informationstexte zu den Lehrveranstaltungen der Universität Heidelberg. Heidelberg: Universität Heidelberg; 2005. Zugänglich unter/available from: http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/zpm/medpsych/Kurstexte_WS_06-07.pdf Externer Link
7.
Crossley J, Davies H. Doctor's consultations with children and their parents: a model of competencies, outcomes and confounding influences. Med Educ. 2005;39(8):757-759. DOI: 10.1111/j.1365-2929.2005.02231.x Externer Link
8.
lbing H, Gottschalk B, Groes A, Rascher W. Akzeptanz von Tutoren im Praktikum Kinderheilkunde. Monatsschr Kinderheilkd. 1992;140(2):128-130.
9.
Bannister SL, Hilliard RI, Regehr G, Lingard L. Technichal skills in paediatrics: a qualitative study of acquisition, attitudes and assumptions in the neonatal intensive care unit. Med Educ. 2003;37(12):1082-1090. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2003.01711.x Externer Link
10.
Steiger J, Rossi E. Evaluation des Pädiatriestudentenpraktikums in Essen. Monatsschr Kinderheilkd. 1997;145:519-525. DOI: 10.1007/s001120050153 Externer Link
11.
Pasquinelli LM, Greenberg LW. A review of medical school programs that train medical students as teachers (MED-SATS). Teach Learn Med. 2008;20(1):73-81. DOI: 10.1080/10401330701798337 Externer Link
12.
Hubal RC, Deterding RR, Frank GA, Schwetzke HF, Kizakevich PN. Lessons learned in modelling virtual pediatric patients. In: Westwood JD (Hrsg). Medicine Meets Virtual Reality 11: NextMed – Health Horizon. Amsterdam: IOS Press; 2003. S.127-130.
13.
Huwendiek S, Reichert F, Bosse HM, de Leng BA, van der Vleuten CP, Haag M, Hoffmann GF, Tönshoff B. Design principles for virtual patients: a focus group study among students. Med Educ. 2009;43(6):580-585. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2009.03369.x Externer Link
14.
Barrows HD. An overview of the uses of standardized patients for teaching and evaluating clinical skills. Acad Med. 1993;68(6):443-451. DOI: /10.1097/00001888-199306000-00002 Externer Link
15.
Lane JL, Ziv A, Boulet JR. A Pediatric Clinical Skills Assessment Using Children as Standardized Patients. Arch Pediatr Adolesc Med. 1999;153(6):637-644.
16.
Wendelberger KJ, Simpson DE, Biernat KA. Problem-based learning in a third-year pediatric clerkship. Teach Learn Med. 1996;8:28-32. DOI: 10.1080/10401339609539760 Externer Link
17.
Frobenius W, Ganslandt T, Jünger J, Beckmann MW, Cupisti S. Effekte von Peer Teaching in einem geburtshilflich-gynäkologischen Praktikum. Geburtsh Frauenheilk. 2009;69:848-855. DOI: 10.1055/s-0029-1185748 Externer Link
18.
Weyrich P, Schrauth M, Nikendei C, Kraus B, Häring HU, Riessen R. Implementierung eines studentischen Tutorsystems im Skills Lab für Innere Medizin – Eine Pilostudie. GMS Z Med Ausbild. 2007;24(1):Doc15. Zugänglich unter/available from: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2007-24/zma000309.shtml Externer Link
19.
Wadoodi A, Crosby JR. Twelve Tips for peer-assisted learning: a classic concept revisited. Med Teach. 2002;24(3):241-244. DOI: 10.1080/01421590220134060 Externer Link
20.
Dandavino M, Snell L, Wiseman J. Why medical students should learn how to teach. Med Teach. 2007;29(6):558-565. DOI: 10.1080/01421590701477449 Externer Link
21.
Cate OT, Durning S. Peer teaching in medical education: twelve reasons to move from theory to practice. Med Teach. 2007;29(6):591-599. DOI: /10.1080/01421590701606799 Externer Link
22.
Allen N, Mondschain B. The medical role in the adolescent crisis intervention centrer. Adolescene. 1976;11(42):157-165.
23.
Schmidt HG, Moust JH. What makes a tutor effective? A structural-equations modeling approach to learning in problem-based curricula. Acad Med. 1995;70(8):708-714. DOI: 10.1097/00001888-199508000-00015 Externer Link
24.
Baroffio A, Nendaz MR, Perrier A, Layat C, Vermeulen B, Vu NV. Effect of teaching context and tutor workshop on tutorial skills. Med Teach. 2006;28(4):e112-119. DOI: 10.1080/01421590600726961 Externer Link
25.
Bosse HM, Wittekindt B, Höffe J. Prüfen in der Kinder- und Jugendmedizin. Monatsschr Kinderheilkd. 2008;156:467-472. DOI: 10.1007/s00112-008-1728-5 Externer Link
26.
Ebel RL. Essentials of educational measurement. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall; 1972.
27.
Angoff WH. Scales, norms, and equivalent scores. In: Thorndike RL (Hrsg). Educational measurement (2nd ed.). Washington, DC: American Council of Education; 1971. S.508-600.
28.
Gnädiger M, Marthy F. Beim Placebo wirkt mehr als die Pille allein. Gedanken zur Studienmethodik anlässlich von zwei Schlafuntersuchungen. Schweiz Med Forum. 2007;7:318-324.
29.
Klamen DL, Yudkowsky R. Using standardized patients for formative feedback in an introduction to psychotherapy course. Acad Psychiatry. 2002;26(3):168-172. DOI: 10.1176/appi.ap.26.3.168 Externer Link
30.
Towle A, Hoffmann J. An advanced communication skills course for fourth-year, post clerkship students. Acad Med. 2002;77(11):1165-1166. DOI: 10.1097/00001888-200211000-00033 Externer Link
31.
Bosse HM, Nikendei C, Hoffmann K, Kraus B, Huwendiek S, Hoffmann GF, Jünger J, Schultz JH. Communication training using "standardized parents" for paediatricians – structured competence-based training within the scope of continuing medical education. Z Arztl Fortbild Qualitatssich. 2007;101(10):661-666. DOI: 10.1016/j.zgesun.2007.11.002 Externer Link