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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Integration einer OSCE in das zahnmedizinische Physikum

Forschungsarbeit Zahnmedizin

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  • corresponding author Anja Ratzmann - Universitätsmedizin Greifswald, Zahnmedizinische Propädeutik, Greifswald, Deutschland
  • author Ulrich Wiesmann - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Medizinische Psychologie, Greifswald, Deutschland
  • author Bernd Kordaß - Universitätsmedizin Greifswald, Zahnmedizinische Propädeutik, Greifswald, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2012;29(1):Doc09

doi: 10.3205/zma000779, urn:nbn:de:0183-zma0007797

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2012-29/zma000779.shtml

Eingereicht: 31. Mai 2011
Überarbeitet: 1. September 2011
Angenommen: 7. Oktober 2011
Veröffentlicht: 15. Februar 2012

© 2012 Ratzmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Einleitung: An der Universität Greifswald wird im vorklinischen Abschnitt des Studienganges der Zahnmedizin im Rahmen der Community Medicine/Dentistry der Kurs „Der Frühe Patientenkontakt (FPK)“ durchgeführt. Der Kurs basiert auf drei Prinzipien: dem Patientenbesuchsprogramm, speziellen problemorientierten Seminaren und dem ärztlichen Kommunikationstraining. Die wesentliche Zielstellung besteht darin, den Studierenden bereits zu Beginn des Zahnmedizinstudiums einen realen Patientenkontakt zu ermöglichen und somit das Studium frühzeitig patientennah zu gestalten. Die Studierenden trainieren das Erheben einer umfangreichen Anamnese sowie die klinische Befundung.

Methode: Der Kurs wird im Rahmen des zahnmedizinischen Physikums anhand eines OSCE an einem standardisierten Patienten überprüft. Das OSCE bestand aus den drei Stationen: Anamnesegespräch, Zahnstatus und Mundhygienestatus.

Ziel: Es wurde der Mehrwert eines zusätzlichen Trainings (Anamnesedurchführung und klinische Untersuchung) in Vorbereitung auf die OSCE- Prüfung untersucht. Dazu wurden die Prüfungsleistungen einer Gruppe ohne Training (Kontrollgruppe) und einer Gruppe mit Training (Interventionsgruppe) verglichen.

Ergebnisse: Die Interventionsgruppe war in folgenden Items signifikant besser als die Kontrollgruppe: in der erreichten Gesamtpunktzahl für das OSCE- Früher Patientenkontakt, sowie in den wichtigsten Punkten der Anamnese und der klinischen Untersuchung. Tendenziell zeigte die Experimentalgruppe zusätzlich bezüglich des Items „Mundhygienestatus“ höhere Rangwerte.

Schlussfolgerung: In der vorliegenden Untersuchung konnte der positiver Effekt eines zusätzlichen Trainings auf die Prüfungsleistung im OSCE gezeigt werden. Unter Berücksichtigung der Limitation der Studie und der Ergebnisse des Literaturstudiums empfiehlt sich aus unserer Sicht die Durchführung eines solchen Trainings zur Vorbereitung auf die OSCE- Prüfung.

Schlüsselwörter: zahnmedizinische vorklinische Ausbildung, Früher Patientenkontakt, OSCE, OSCE-Training


Einleitung

An der Universität Greifswald wird im vorklinischen Abschnitt des Studienganges der Zahnmedizin der Kurs „Der Frühe Patientenkontakt (FPK)“ durchgeführt. Der Kurs basiert auf drei wesentlichen Prinzipien: dem Patientenbesuchsprogramm, speziellen problemorientierten Seminaren und dem ärztlichen Kommunikationstraining. Die wesentliche Zielstellung besteht darin, den Studierenden bereits zu Beginn des Zahnmedizinstudiums einen realen Patientenkontakt zu ermöglichen und somit das Studium frühzeitig patientennah zu gestalten. Der Kurs umfasst verschiedene Module und erstreckt sich über die ersten vier vorklinischen Semester. Das Projekt ist bereits detailliert beschrieben worden [1].

Anhand klinisch–praktischer Prüfungen in Form eines OSCE (objective structured clinical examination) ist es möglich, praktische und kommunikative Fertigkeiten zu überprüfen [2]. Dieses Prüfungsformat wurde erstmals von Harden et al publiziert [3]. Bei einem OSCE rotieren die Studierenden durch einen Prüfungsparcours mit einer Serie unterschiedlicher Prüfungsstationen, an welchen sie definierte klinisch- praktische Fertigkeiten unter Beweis stellen müssen. Die Beurteilung der Prüfungsleistung erfolgt anhand eines inhaltlich definierten Bewertungsbogens (Checkliste). Die Aufgabenstellung ist standardisiert. Somit soll eine objektive und strukturierte Prüfung ermöglicht werden. Die Einbindung von OSCEs in das zahnmedizinische Curriculum ist vorwiegend aus internationalen Publikationen bekannt [4], [5], [6], [7]. Diese Arbeiten beschreiben die Konzeption und Durchführung von OSCEs bzw. fokussieren auf mögliche Veränderungen des studentischen Lernverhaltens.

Im Rahmen des Münchener Modells der Medizinerausbildung wurde der Mehrwert eines zusätzliches OSCE- Trainings bezüglich der Durchführung von Anamnese und klinischer Untersuchung evaluiert [8]. Dazu wurden die Leistungen einer Gruppe ohne Training (Kontrollgruppe) mit den Leistungen der Gruppe mit Training (Interventionsgruppe) verglichen. Die Interventionsgruppe schnitt in folgenden Tests besser ab: Erkennen wichtiger Kriterien in Anamnese und Untersuchung, Verhalten gegenüber Patienten und Erkennen der richtigen Diagnose.

Während bisher an deutschen Universitäten kaum Erfahrungen im Fachgebiet „Zahnmedizin“ mit dieser Prüfungsform vorliegen, sind international bereits Publikationen zur Implementierung eines OSCE in das Zahnmedizinstudium erschienen [4], [5], [6], [7], [9], [10], [11], [12]. Eine amerikanische Autorengruppe evaluierte anhand eines OSCE die kommunikativen Kompetenzen von Studierenden des ersten (Freshmen) und zweiten Studienjahres (Sophomores) „Zahnmedizin“ bei der Aufklärung in der oralen Krebsprävention an Patienten mit einer Raucheranamese [4]. In diesem Rahmen wurde der Effekt eines zusätzlichen Kommunikationstrainings evaluiert. Alle Studierenden wurden vorab in der Patientenberatung bei der Raucherentwöhnung geschult. Ärztliche Gesprächsführung und Anamnesetraining waren Bestandteil der vorklinischen Ausbildung jeweils im ersten und zweiten Studienjahr. Die Studierenden des zweiten Studienjahres nahmen zusätzlich an einem Kurs der Verhaltenswissenschaften teil. Zu Beginn (Prä-Test) und am Ende (Post-Test) der Untersuchung wurde für alle Studierenden ein OSCE an einem standardisierten Patienten mit einer Raucheranamnese durchgeführt. Anschließend erfolgte eine randomisierte Zuordnung in zwei Gruppen. Die Interventionsgruppe erhielt eine zusätzliches Trainingseinheit, in welchem Ausbilder das Arzt-Patientengespräch, die intra- und extraorale Untersuchung sowie die Patientenaufklärung zur Tabakentwöhnung demonstrierten. Anschließend übten die Studierenden gegenseitig die klinische Untersuchung unter Aufsicht der Ausbilder. Als Bewertungsbogen diente eine spezielle entwickelte Checkliste des Centers for Clinical Teaching der Medical University of Carolina. Diese beinhaltete Items zum Verhalten des Studierenden im Arzt-Patientengespräch, sowie wichtige Items zum Thema Rauchentwöhnung. Die Autoren fanden keine Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe zu Beginn (Prä-OSCE) und Ende (Post-OSCE) der Untersuchung in den jeweiligen Studienjahren. Bezüglich der Aufklärungsgespräche zur Raucherentwöhnung stellen sich die Ergebnisse ähnlich dar. Es wurden keine Gruppenunterschiede zwischen Prä- und Posttest gefunden.

Eine weitere Untersuchung zum Einfluss eines Kommunikationstrainings auf studentische Kompetenzen bei der Aufklärung von Patienten mit einer Raucheranamnese wurde von Koerber et al durchgeführt [13]. Es nahmen 22 Studierende an der Untersuchung teil, die per Zufall einer Interventions- bzw. Kontrollgruppe zugeteilt wurden. Alle Teilnehmer wurden vorab in einem speziellen Seminar zum Thema „Raucherentwöhnung“ geschult. Anschließend führten sie die Patientenaufklärung an standardisierten Patienten im Sinne eines OSCE durch. Die Interventionsgruppe erhielt eine zusätzliches 12 stündiges motivationales Training [14]. Anschließend wurde erneut ein OSCE durchgeführt. Im OSCE wurde das Verhalten am Patienten auf der Grundlage der im motivationalen Training vermittelten Gesprächstechniken, die Arzt- Patienteninteraktion und der Effekt des Aufklärungsgesprächs auf das Rauchverhalten des Patienten bewertet. Die Bewertung des Verhaltens der Studierenden wurde anhand spezieller Checklisten [15], [16] vorgenommen; anhand der Likert–Skala wurde bewertet, wie effektiv der Prüfling bestimmte Handlungen im Patienteninterview durchführte. Weiterhin erfolgte eine Bewertung der Arzt- Patientenbeziehung und eine Evaluation des Trainings aus studentischer Sicht. Die Interventionsgruppe verwendete signifikant häufiger Techniken aus dem motivationalen Training. Weiterhin gelang es besser, die Patienten in das Aufklärungsgespräch zu involvieren. Hinsichtlich der anderen untersuchten Variablen (Arzt- Patienten- Beziehung, Effektivität des Aufklärungsgespäches) konnten keine signifikanten Effekte nachgewiesen werden.

Der Einfluss eines Kommunikationstrainings auf die Sorgfalt bei der Behandlung von Patienten wurde an Medizinstudenten des dritten Studienjahres untersucht [17]. An drei US-amerikanischen medizinischen Fakultäten wurde spezielle Curricula mit dem Schwerpunkt „Arzt- Patientenkommunikation“ entwickelt. Insgesamt nahmen 293 Studierende an der Studie (Interventionsgruppe, n=155; Kontrollgruppe, n=138) teil. Die Interventionsgruppe absolvierte das spezielle einjährige Curriculum. Zu Beginn und zum Ende des Studienjahres nahmen alle Teilnehmer an einem OSCE zur Überprüfung ihrer kommunikativen Fähigkeiten teil. Das OSCE bestand aus 10 Stationen. Es wurden standardisierte Patienten eingesetzt. Zur Beurteilung der studentischen Prüfungsleistungen wurde ein spezieller Bewertungsbogen entwickelt, welcher wichtige 21 Items [18] zur Arzt-Patienten-Kommunikation enthielt. Die Teilnehmer der Interventionsgruppe zeigten signifikant bessere Ergebnisse hinsichtlich der kommunikativen Fähigkeiten.


Zielstellung

Der Einfluss eines zusätzlichen Trainings auf die OSCE-Prüfungsleistung im Rahmen des zahnmedizinischen Physikums wurde bisher noch nicht untersucht. In der vorliegenden Arbeit wurde daher erstmalig der Einfluss eines zusätzlichen Trainings (Anamnese und klinische Befundung) auf die OSCE-Prüfung im Rahmen der zahnärztlichen Vorprüfung evaluiert.

  • Hypothese 1: Im Vergleich zur Kontrollgruppe werden von der Interventionsgruppe in der Erhebung der Anamnese, des zahnärztlichen Befundes und des Mundhygienestatus sowie in der OSCE-Gesamtnote bessere Leistungen erzielt.
  • Hypothese 2: Es bestehen keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Untersuchungsgruppen in den Wissensdisziplinen praktische/mündliche „Zahnersatzkunde“, Anatomie, Physiologie und Biochemie.

Darüber hinaus ist es im Rahmen dieser Studie möglich, für die Gesamtstichprobe Zusammenhänge zwischen Prüfungsformen zu testen: OSCE-Leistungen und klassische Prüfungsleistungen hängen nicht zusammen, d.h. der Übereinstimmungsgrad von Wissens- und Kompetenzprüfungen ist gering. Zu dieser Fragestellung liegen bisher keine Untersuchungen vor.


Methode

Untersuchungsteilnehmer und Untersuchungsplan

An der Untersuchung nahmen insgesamt 72 Studierende zweier Prüfungsjahrgänge (WS 2007 und WS 2008) teil. Alle Prüfungsteilnehmer haben zuvor den Kurs „FPK“ absolviert. Der Untersuchung lag also ein non-randomisierter Zwei Gruppen-Versuchsplan zu Grunde. Die Kontrollgruppe (16 Frauen, 17 Männer) bildeten die Physikums-Kandidaten des WS 2007, die ohne weitere Vorbereitung am OSCE teilnahm. Die Physikums-Kandidaten des WS 2008 bildeten die Interventionsgruppe (22 Frauen, 17 Männer), die ein OSCE-Training erhielt. Das OSCE-Training bestand aus zwei Sitzungen und lief folgendermaßen ab: Die Studierenden bildeten jeweils ein 2er-Team. Im Rotationsprinzip wurde gegenseitig von jedem Teilnehmer eine Anamnese und ein zahnärztlicher Befund erhoben.

Struktur der zahnärztlichen Vorprüfung (Physikum)

Das zahnärztliche Physikum bestand aus mehreren Teilprüfungen: Für die Leistungen in Anatomie, Physiologie und Biochemie wurde jeweils eine Note (1-6) gegeben. Zusätzlich wurde das OSCE „Früher Patientenkontakt“ durchgeführt, welches sich aus drei Stationen zusammensetzte (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], 2 [Abb. 2] und 3 [Abb. 3]). Aus diesen Teilprüfungen wurde ein Gesamtwert berechnet (Gesamtpunktzahl-OSCE). Schließlich wurde die praktische und mündliche Prüfungsleistung in Zahnersatzkunde erhoben. Die praktische Prüfungsleistung wurde nach einem Punktesystem bewertet, aus welchem eine Note gebildet wurde. Die mündliche Prüfungsleistung wurde entsprechend des gängigen Bewertungssystems (Note 1-6) benotet. Die Gesamtnote der Zahnersatzkunde setzte sich aus den Ergebnissen des OSCE sowie der mündlichen und praktischen Prüfung „Zahnersatzkunde“ zusammen.

OSCE-Prüfung

Jeder dieser OSCE- Stationen war ein spezieller Bewertungsbogen mit definierten Items zugeordnet. Die einzelnen Prüfungsstationen wurden entsprechend der Lernziele des Kurses „Der Frühe Patientenkontakt“ auf der Basis eines „Blueprint“ [19] konzipiert. Die Prüfung erfolgte an zwei standardisierten Patienten (Schauspieler). Es handelte sich dabei um professionelle Schauspieler der Theaterakademie Vorpommern. Beide Patienten hatten eine zuvor festgelegte, identische Krankengeschichte, welche auf einem detaillierten Rollenscript basierte. Diese Script wurde den Schauspielern vorab zugestellt. Anschließend erfolgte eine Simulation der Prüfung an der zahnärztlichen Behandlungseinheit mit dem das OSCE betreuenden wissenschaftlichen Assistenzarzt. Bei diesem Training wurden die Schauspieler exakt auf das Rollenscript kalibriert, um Unterschiede während der einzelnen Prüfungen zu vermeiden. Zusätzlich wurde darauf geachtet, dass die Schauspieler in Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht und Oralstatus ähnlich waren.

Während der OSCE-Prüfung standen jedem Teilnehmer klinische Befundunterlagen zur Verfügung. Im Anschluss an das Patienteninterview wurde die Befunderhebung anhand dieser Unterlagen vervollständigt.

Die deskriptiven und inferenzstatistischen Auswertungen erfolgten mit dem Statistikprogramm SPSS. Die Überprüfung der Normalverteilung wurde durch den Kolmogorov-Smirnow-Test durchgeführt. Mittels Mann Withney U-Tests wurden systematische Gruppenunterschiede hinsichtlich des Effektes des OSCE-Trainings getestet; die Signifikanzen bivariater Korrelationen wurden anhand Spearmans rho geprüft [20].


Ergebnisse

In Tabelle 1 [Tab. 1] sind die deskriptiven Statistiken dargestellt. Die deskriptiven Statistiken zeigen, dass die Leistungsfähigkeit aller Prüfungsteilnehmer bei den zehn Indikatoren im oberen Bereich liegt. Die Verteilungen der zehn Variablen sind auf Normalverteilung geprüft worden. Für OSCE-Gesamtpunktzahl, -Gesamtnote, Anamnese-, Physiologie- und Biochemieprüfung fiel der Kolmogorov-Smirnov-Test signifikant aus (p<.05), so dass die Nullhypothese der Normalverteilung abgelehnt werden musste. Aus diesem Grunde werden die inferenzstatistischen Prüfungen mit parameterfreien Verfahren durchgeführt.

In Tabelle 2 [Tab. 2] sind die bivariaten Korrelationen für das Gesamtkollektiv aufgeführt (Spearmans rho); eine getrennte Betrachtung der Interkorrelationen für die Kontroll- und Interventionsgruppe wiesen keine systematischen Unterschiede auf. Es zeigen sich hohe Zusammenhänge zwischen der jeweiligen OSCE-Einzeldisziplin (Anamnese, Befund, Mundhygienestatus) und der OSCE-Gesamtnote bzw. OSCE Gesamtpunktzahl. Die drei OSCE-Einzeldisziplinen hängen nicht zusammen, ausgenommen Anamnese und Mundhygienestatus. Weiterhin wurden signifikante Zusammenhänge zwischen der klinische Befundung und der Prüfungsleistung Anatomie gefunden.

Die Ergebnisse der Prüfungen auf Gruppenunterschiede sind in Tabelle 3 [Tab. 3] aufgeführt. Die Interventionsgruppe war in folgenden Items signifikant besser als die Kontrollgruppe: OSCE-Gesamtpunktzahl und -Gesamtnote, Anamneseführung und Befundung. In der Bestimmung des Mundhygienestatus unterschieden sich die beiden Gruppen nicht. Mit Ausnahme der letztgenannten Variablen konnte somit Hypothese 1 gestützt werden. Übereinstimmend mit Hypothese 2 fanden sich keine Unterschiede in den Prüfungsfächern Anatomie, Physiologie und Biochemie sowie in der praktischen und mündlichen Prüfungsleistung in Zahnersatzkunde.


Diskussion

Die vorliegende Studie untersuchte den Einfluss eines zusätzlichen Trainings auf die OSCE-Prüfungsleistung im Rahmen des zahnmedizinischen Physikums. Unsere Literaturübersicht zeigte, dass nur wenige Studien zur Evaluation solcher Trainingseffekte anhand von OSCEs vorliegen.

Eine Untersuchung zum Effekt eines OSCE-Trainings wurde für den Münchener Modellstudiengang Medizin beschrieben [8]. Ähnlich wie in unserer Untersuchung wurden eine Interventionsgruppe (Gruppe mit Training) und eine Kontrollgruppe gebildet. Beide Gruppen absolvierten dasselbe OSCE. Die Ergebnisse zeigen, dass die Interventionsgruppe in wichtigen Kompetenzbereichen (Erkennen wichtiger Kriterien in Anamnese und Untersuchung, Verhalten gegenüber Patienten und Erkennen der richtigen Diagnose) besser abschnitt als die Kontrollgruppe. In unserer Untersuchung erwiesen sich Kompetenz- und Wissensbereiche als unabhängig voneinander, d.h. die Leistungen im OSCE ließen sich nicht aus den Leistungen in den anderen Fächern vorhersagen. In Übereinstimmung zu den Befunden des Münchner Modellstudiengangs Medizin fanden wir signifikante Gruppenunterschiede bezüglich der OSCE–Gesamtleistungen zugunsten der Interventionsgruppe, während die Leistungen in den anderen Fächern des Physikums sich nicht unterschieden. Letzteres Datenmuster weist darauf hin, dass die beiden Jahrgänge hinsichtlich der allgemeinen intellektuellen Leistungsfähigkeit gleiche Voraussetzungen mitbringen. Das bessere Abschneiden der Interventionsgruppe insbesondere hinsichtlich Anamnese und klinischer Befundung kann aus unserer Sicht allerdings darauf zurückgeführt werden, dass sie vorher die Gelegenheit hatte, das OSCE-Verfahren kennen zu lernen und ihre praktischen Kompetenzen zu prüfen.

Unsere Ergebnisse stehen auch in Einklang mit den Resultaten von Yedidia et al. [17]. Ihre Ergebnisse unterstreichen den positiven Effekt eines Kommunikationstrainings auf die im Rahmen eines OSCE erhobene kommunikative Kompetenz. Im Gegensatz zu unserer Studie diente das Training jedoch nicht der primär Vorbereitung auf das OSCE, sondern der Frage, inwieweit eine solche Maßnahme dazu beiträgt, dass die Studierenden eine bessere Kompetenz in der späteren Patientenbehandlung erlangen.

Cannick et al. [4] fanden dagegen keine Unterschiede in der OSCE-Performanz zwischen einer Trainings- und Kontrollgruppe. Ihr einmaliges Training war nicht ausreichend, um einen positiven Effekt auf die kommunikativen Fähigkeiten zu bewirken. Eine mögliche Ursache wäre im Ablauf der Trainingseinheit zu sehen. Während es sich bei Cannick et al [4] vorrangig um eine Hospitation handelte, führten die Teilnehmer in unserer Studie Anamnese und Befundung aktiv durch. Auch Koerber et al. [13] fanden keine Gruppenunterschiede in ihrer Motivationsstudie zur Raucherentwöhnung mit Standardpatienten. Allerdings war die klinische Befundung nicht Bestandteil der OSCE-Leistung, sondern es ging um die gezielte Beeinflussung des Standardpatienten. Daher ist es schwierig, einen Vergleich zu unserer Untersuchung zu ziehen.

In den aufgeführten Studien wurden die kommunikativen Fähigkeiten der Studierenden jeweils vor und nach der Intervention anhand eines OSCE überprüft. Auch erfolgte eine randomisierte Zuordnung in die Untersuchungskollektive. Dies war aufgrund des Studiendesigns nicht möglich, da wir zwei aufeinander folgende Prüfungsjahrgänge miteinander verglichen haben. Ebenfalls erfolgte kein Basis- OSCE. Somit kann keine Aussage getroffen werden, inwiefern sich die beiden Studienjahre eventuell bereits vorab hinsichtlich ihrer kommunikativen Fähigkeiten und klinischen Fertigkeiten unterschieden.

Die Zusammenhangsanalysen ergaben eine Korrelation zwischen den OSCE- Stationen „Anamnese“ und „Mundhygienestatus“, nicht jedoch zum klinischen Befund. Diese Ergebnisse erklären sich aus dem Ablauf des OSCE. Während der Prüfung standen jedem Prüfling klinische Befundunterlagen zur Verfügung. Im Anschluss an das Patienteninterview wurde die Befunderhebung anhand dieser Unterlagen vervollständigt. Insofern bildet die Befunderhebung weniger kommunikative Fähigkeit ab, sondern entspricht eher einer Lernleistung. Dahingegen basieren Anamneseerhebung und Mundhygienestatus als Bestandteile des Patienteninterviews auf kommunikativen Fähigkeiten. Ebenfalls zeigte sich ein systematischer Zusammenhang zwischen OSCE- Leistungen und den klassischen Lernfächern Anatomie und Biochemie. Während es sich bei der Leistung in Biochemie wahrscheinlich um einen Zufallsbefund handelt, könnte sich der Zusammenhang zwischen Anatomie und klinischer Befundung aus inhaltlichen Überschneidungen der Lerninhalte erklären. Die anatomischen Strukturen der Mundhöhle werden im Kursus der mikroskopischen und makroskopischen Anatomie ausführlich besprochen. Das Wissen um die Bestandteile und Bezeichnungen oraler Strukturen aus dem Anatomiekurs könnte die Erhebung des klinischen Befundes erleichtern und somit diesen Zusammenhang erklären.

Aus unserer Sicht stellt das OSCE eine geeignete Prüfungsform dar, um ärztliche Fähigkeiten, wie z.B. Anamneseerhebung zu überprüfen.

Kritisch ist zu erwähnen, dass die Organisation und Durchführung eines OSCE im Vergleich zu konventionellen Prüfungsformen einen hohen zeitlichen und personellen Aufwand bedeutet. Ob die Motivation der am OSCE Beteiligten eine Rolle für die in der Literatur beschriebenen positiven Ergebnisse eine Rolle spielt, lässt sich aus den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung nicht beantworten. Die Erhebung des studentischen Feedbacks zu unserem OSCE ist Schwerpunkt einer laufenden studentischen Evaluation.


Schlussfolgerung

In der vorliegenden Untersuchung konnte der positive Effekt eines zusätzlichen Trainings auf die Prüfungsleistung im OSCE gezeigt werden. Unter Berücksichtigung der Limitation der Studie und der Ergebnisse des Literaturstudiums empfiehlt sich aus unserer Sicht die Durchführung eines solchen Trainings zur Vorbereitung auf die OSCE-Prüfung.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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