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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Das Gesprächsführungspraktikum im 2. Studienjahr des Modellstudiengangs HannibaL: Eine Evaluation mittels Selbsteinschätzungen der Studierenden

Forschungsarbeit Humanmedizin

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  • corresponding author Thomas von Lengerke - Medizinische Hochschule Hannover, Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie, Hannover, Deutschland
  • Angelika Kursch - Medizinische Hochschule Hannover, Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie, Hannover, Deutschland
  • Karin Lange - Medizinische Hochschule Hannover, Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie, Hannover, Deutschland
  • APG-Lehrteam MHH* - Medizinische Hochschule Hannover, Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie, Hannover, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2011;28(4):Doc54

doi: 10.3205/zma000766, urn:nbn:de:0183-zma0007668

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2011-28/zma000766.shtml

Eingereicht: 27. Januar 2011
Überarbeitet: 10. August 2011
Angenommen: 8. September 2011
Veröffentlicht: 15. November 2011

© 2011 von Lengerke et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Im MHH-Modellstudiengang HannibaL werden Gesprächsführungskompetenzen für Anamneseerhebung und Diagnosemitteilung durch eine Objective Structured Clinical Examination (OSCE) geprüft, die Teil der dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung äquivalenten Prüfungen sind. Das vorbereitende Gesprächsführungspraktikum im 2. Studienjahr wurde 2009/10 evaluiert.

Mittels lernzielspezifischer Fragebogen wurden der Lernbedarf erhoben, Vorher-Nachher-Vergleiche der selbsteingeschätzten Kompetenzen durchgeführt und zentrale Lehrmethoden bewertet (5-Punkt-Likertskalen, „5“=hohe Ausprägung). Zu T0 (Beginn des Praktikums) nahmen 267 Studierende teil (Teilnahmerate: 93,7%), von denen 180 den T1-Fragebogen beim letzten Praktikumstermin ausfüllten (67,4%). Es wurden Varianzanalysen mit Messwiederholungsfaktor und T-Tests für verbundene Stichproben durchgeführt.

Die höchsten Lernbedarfe zeigten sich bei den „to show how“-Items zu Anamneseerhebung und Diagnosemitteilung (M=4,4). Die T1-T0-Vergleiche zeigten die größten Verbesserungen bei den anamnesespezifischen Items („to know how“: Mittelwertsdifferenz=+1,7, „to show how“:+1,8, p<.0001 wie bei allen Tests) und beim „to know how“-Item zur Diagnosemitteilung (+1,6), gefolgt von der Umsetzung einer Diagnosemitteilung (+1,4), partizipativer Entscheidungsfindung (+1,2), der Einschätzung eigener Stärken/Schwächen (+1,0) und dem sicheren Zugehen auf neue Patienten (+0,7). Studierende mit T0-Werten von „1“ oder „2“ auf den jeweiligen Skalen verbesserten sich über alle Items im Mittel um 2,2 Punkte, solche mit „3“ um 1,1, und mit „4“ oder „5“ um 0,1. Methodisch wurde der Einsatz der Simulationspatienten am hilfreichsten bewertet (M=4,8; 87% mit dem Wert „5“).

Das Gesprächsführungspraktikum ist bezüglich aller zentralen Lernziele mit deutlichen Lernfortschritten assoziiert. Methodisch wird vor allem der Einsatz von Simulationspatienten (pro Praktikumsgruppe mit 10 Studierenden zu 3 von 7 Terminen mit jeweils 2-4 Simulationspatienten) am besten bewertet. Die Evaluation spricht für einen weiteren Ausbau des Gesprächsführungscurriculums an der MHH und von hochschul-/fakultätsübergreifenden Aktivitäten, die abschließend diskutiert werden.

Schlüsselwörter: Arzt-Patient-Gesprächsführung, Ausbildung im Medizinstudium, Anamneseerhebung, Diagnosemitteilung, Gesundheitskommunikation


Einleitung

Durch die Neufassung der Approbationsordnung für Ärzte [1], die in §1 als ein neues Ziel der Ausbildung die Vermittlung praktischer Erfahrungen im Umgang mit Patienten spezifiziert, sowie den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) [2] hat die Vermittlung sozial-kommunikativer Kompetenzen im Medizinstudium eine zentrale curriculare Bedeutung. Auch der Modellstudiengang HannibaL (Hannoverscher integrierter, berufsorientierter und adaptiver Lehrplan) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) stellt den praktischen Umgang mit Patienten und ihren Erkrankungen in den Mittelpunkt. In ihm werden seit dem WS 2005/06 alle neu an der MHH immatrikulierten Studierenden ausgebildet.

Zu HannibaL gehört auch ein 28-stündiges Praktikum zur Arzt-Patient-Gesprächsführung. Es wird von den Forschungs- und Lehreinheiten Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie in Kooperation mit dem Institut für Allgemeinmedizin, der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie sowie des Arbeitsbereichs Klinische Psychologie der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie angeboten. Seine Lernziele bestehen aus grundlegenden Kompetenzen in der Erhebung von Anamnesen, der Vermittlung von Diagnosen sowie der Anwendung partizipativer Entscheidungsfindung (PEF) in diesem Rahmen. Diese Kompetenzen werden an zwei von sechs Stationen einer Objective Structured Clinical Examination (OSCE) geprüft. Diese ist ein Teil der hochschulinternen Prüfungen, die in HannibaL den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung ersetzen. An den anderen vier OSCE-Stationen werden Untersuchungstechniken geprüft, die in den anderen Teilen des Moduls „Diagnostische Methoden“** gelehrt werden, zu dem das Praktikum gehört. Zugleich wurden 2010 im dritten Jahr Simulationspatienten (SP) nicht nur in der OSCE, sondern auch im Praktikum eingesetzt. Über die zentrale Evaluation des Gesamtmoduls hinaus war es daher von Bedeutung, das Praktikum einer im Hinblick auf seine Lernziele spezifischen Evaluation zu unterziehen.

Praktikumskonzept und -inhalte

Das Praktikum umfasst sieben Termine zu je vier Unterrichtsstunden. Die Studierenden jedes Jahrganges werden in 28 Zehnergruppen eingeteilt, um mehrmaliges Probehandeln in Rollenspielen untereinander und mit SP zu ermöglichen. Der Einsatz von SP ist seit ihrer erstmaligen Beschreibung [3] international zu einem Standard des praktischen Erlernens kommunikativer Kompetenzen im Medizinstudium geworden [4], [5], und inzwischen auch in Deutschland verbreitet [5], [6], [7]. Dabei gilt das Feedback der SP als wichtiger Teil des Lernprozesses [4], [8]. Die hier eingesetzten SP wurden vor allem aus Mitgliedern des Deutschen Diabetiker Bundes (Bezirk Hannover) rekrutiert, und daneben aus Herzgruppen und instruierten Patienten der Abteilung Allgemeinmedizin. In geringerer Zahl werden auch Personen aus einem größeren Pool von Amateurschauspielern eingesetzt, der seit 2007 durch Vermittlung des Amateurtheaterverbandes Niedersachsen aufgebaut werden konnte (in der OSCE machen Amateurschauspieler das Gros der SP aus, wobei jeder SP nur im Praktikum oder der OSCE eingesetzt wird). Insgesamt stehen z. Z. circa 80 SP zwischen 23 und 77 Jahren zur Verfügung (61,3% Frauen). Ihr Einsatz wird durch angemessene Honorare vergütet.

Tabelle 1 [Tab. 1] gibt einen Überblick über die sieben Praktikumstermine. In den ersten beiden Einheiten werden die Grundlagen der ärztlichen Gesprächsführung vor dem theoretischen Hintergrund der Axiome von Watzlawick [9] und den Modellen von Schulz von Thun [10] vermittelt. Dabei werden praktische Übungen (z. B. Rollenspiele) vor allem zu aktivem Zuhören, nonverbaler Kommunikation und Gesprächsanfängen eingesetzt.

Vorbereitend zur dritten Einheit erhalten die Studierenden als Selbststudiumsanteil den Auftrag, mit einer älteren Person eine biopsychosoziale Anamneseerhebung zu erproben. Die Auswertung dieser Erfahrung erfolgt im Plenum zu Beginn der dritten Einheit, die schwerpunktmäßig die inhaltliche und praktische Auseinandersetzung mit der Strukturierung und Durchführung von Anamnesen beinhaltet. Hierbei wird ein Erstkontakt in einer Arztpraxis als Setting zugrunde gelegt. Die Studierenden nutzen zur Vorbereitung und Auswertung der Rollenspiele einen vom APG-Lehrteam entwickelten Beobachtungsbogen, der die wesentlichen Kriterien der Calgary-Cambridge Guides [11], [4], [12] und von Füeßl und Middeke [13] aufgreift. Zur vierten Einheit werden pro Zehnergruppe zwei SP eingeladen, wobei durch ihre Rotation und durch Aufteilen der Gruppen bis zu acht Gespräche pro Praktikumsgruppe geführt und ausgewertet werden können. Zum Trainieren einer biopsychosozialen Anamneseerhebung berichten die SP dabei über eigene Krankheitssymptome (unter Ausschluss aktuell vorhandener Symptome und Notfallsituationen) oder greifen auf vom Dozententeam vorgegebene Fallgeschichten zurück.

Schwerpunktthema der fünften Sitzung ist das verständliche und patientenorientierte Mitteilen einer Diagnose in Anlehnung an die Calgary-Cambridge Guides [11], [4], [12] und SPIKES [14]. Im Rollenspiel üben die Studierenden mit Hilfe eines wiederum spezifischen Beobachtungsbogen das „breaking bad news“ als ärztliche Aufgabe. In der sechsten Sitzung ermöglichen wiederum SP das Ausprobieren des Gelernten. Den Rollenspielen liegen Fallvignetten zugrunde, deren Inhalte den jeweiligen SP angepasst werden. Sie beziehen sich entweder auf Diabetes mellitus Typ 2, Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Bandscheibenvorfall, chronische Bronchitis/COPD, gutartige Prostatahyperplasie oder Brustkrebs. Diese Krankheiten stellen (angelehnt an das Propädeutikum und andere Module) mögliche Themen der OSCE-Station Diagnosemitteilung dar. Neben Kurzanamnese, Untersuchungsergebnissen und Diagnose enthalten sie Therapieoptionen, so dass die Studierenden PEF [15] erproben können. Mittels eines vorab ausgefüllten Profilbogens und im Briefing vor den jeweiligen Praktikumsterminen haben die SP selbstverständlich Mitspracherecht zu den Krankheitsbildern, die sie bereit sind, zu spielen. Die letzte Einheit bietet unter Einbindung von SP Raum zur Wiederholung und zum Prüfungstraining. Je nach Bedarf sind die SP auf Anamneseerhebung und Diagnosemitteilung vorbereitet.

Das Praktikum wird 14-tägig von einer Vorlesung begleitet (acht Termine zu je einer Stunde), die den theoretischen Hintergrund vertieft (neben den bereits genannten Referenzen auch unter Bezug auf [16]) sowie klinisches Wissen u. a. im Rahmen von Patientenvorstellungen vermittelt. Videogestütztes Lernen ist Bestandteil des Praktikumskonzeptes, sowohl durch den Einsatz von Lehrvideos zur Analyse und Diskussion als auch im Einsatz zur Aufzeichnung und Auswertung von praktischen Übungen der Studierenden. Schriftliche Unterlagen werden den Studierenden in der Regel über die eLearning-Plattform ILIAS der MHH zur Verfügung gestellt.

Der vorliegende Artikel berichtet im Folgenden über die Ergebnisse der internen Evaluation des Praktikums im Studienjahr 2009/10. Dabei stehen im Hinblick auf dessen zentrale Lernziele der Lernbedarf der Studierenden und ihre Kompetenzen zu Beginn des Praktikums (T0) sowie der Lernfortschritt zum Ende des Praktikums (T1) im Mittelpunkt. Die zentrale Fragestellung lautet, ob die Studierenden ihre Kompetenzen zu T1 höher einschätzen als zu T0. Darüber hinaus werden zentrale Methoden wie der Einsatz der SP evaluiert. Alle Daten wurden über Selbstangaben erfasst.


Methode

Fragebogen

Die eigens für die Lernziele entwickelten Fragebogen orientierten sich an den Kompetenzen, die an den OSCE-Stationen Anamneseerhebung und Diagnosemitteilung geprüft werden. Der T0-Fragebogen beinhaltet sieben Items zur Selbsteinschätzung, und zwar in Anlehnung an [17] Items zum eigenen Wissen („to know how“) und Zutrauen in die eigene Handlungsfähigkeit („to show how“) bezüglich Anamneseerhebung und Diagnosemitteilung, jeweils ein „to show how“-Item zur Selbstsicherheit im Patientenkontakt und zur Abstimmung von Therapieoptionen mit Patienten (PEF) sowie ein Item zum Bewusstsein über die eigenen Stärken und Schwächen in der Gesprächsführung (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Parallel enthält der Bogen eine Spalte zum jeweiligen Lernbedarf. Abschließend bietet er ein Freitextfeld, in dem nach bereits vorhandenen Erfahrungen mit Patienten im medizinischen Bereich (außer Pflegepraktikum) gefragt wird. Die Angaben zu Alter und Geschlecht komplettieren den Bogen.

Der Abschlussfragebogen (T1) greift die sieben kompetenzbezogenen Fragen für den Prä-Post-Vergleich wieder auf und enthält darüber hinaus Aussagen zur Bewertung des Einsatzes der SP, der Videounterstützung und dem Ausmaß der Theorie- und Praxisphasen. Für alle Items stand eine Likertskala von 1 (stimmt gar nicht) bis 5 (stimmt voll und ganz) zur Verfügung. Zusätzlich erhielten die Studierenden im T1-Fragebogen in Freitextfeldern die Möglichkeit, aus ihrer Sicht besonders Positives zu benennen und Optimierungsvorschläge zu formulieren.

Stichprobe und Vorgehen

Insgesamt haben im Studienjahr 2009/10 285 Studierende am Praktikum teilgenommen. Der T0-Fragebogen wurde in der ersten Praktikumseinheit ausgegeben und von 267 Studierenden ausgefüllt (Teilnahmerate: 93,7%). Von diesen füllten 180 Studierende den T1-Fragebogen am Ende des Praktikums aus (dies entspricht 63,2% der Praktikumsteilnehmer und 67,4% der T0-Stichprobe). Die Befragung erfolgte anonymisiert durch Verwendung eines persönlichen Codes. Als Gründe für die T0-Ausfälle sind studienorganisatorische Umstände anzunehmen, etwa durch einige Studienortswechsler an die MHH zu Beginn des Sommertrimesters (also zwischen der zweiten und dritten Praktikumseinheit), die noch in das Praktikum aufgenommen wurden. Hinsichtlich der T1-Ausfälle ist zu berücksichtigen, dass pro Studierendem ein Fehltermin formal zulässig ist und aufgrund der Prüfungsdichte gegen Ende des Sommertrimesters einige der Studierenden den letzten Termin als „ihren“ Fehltermin genommen haben (zur Frage der dadurch möglicherweise induzierten Selektivität der T1-Teilnahme vgl. die durchgeführte Dropout-Analyse, s. u.).

Auswertungsmethoden

Nach einer Beschreibung der Stichprobe nach Geschlecht, Alter und Erfahrung mit Patienten sowie einer Analyse des Teilnahmeausfalls von T0 zu T1 (Dropoutanalyse) wurden mögliche Unterschiede im Lernbedarf zu T0, in den Kompetenzeinschätzungen zu T0 sowie den Bewertungen der Methoden zu T1 jeweils mittels Varianzanalyse mit Messwiederholung getestet. Die sieben bzw. vier Items wurden dabei jeweils als Messwiederholungsfaktor definiert. Bei allen drei Varianzanalysen wurde die Sphärizitäts-Annahme mit dem Mauchly's Sphericity Test überprüft. Dieser Test war jeweils signifikant (p<.0001), und die Annahme damit verletzt (es zeigten sich also jeweils ungleich große Varianzen der Differenzen aller Paare von Messwerten). Da Epsilon in allen Analysen > .75 war (Lernbedarf: .87; Kompetenzeinschätzungen: .91; Bewertungen der Methoden: .89), wurde die Huynh-Feldt-Korrektur angewendet und die entsprechenden Freiheitsgrade und p-Werte berichtet. Allerdings ergaben sich dadurch weder im Vergleich zum Modell unter Annahme der Sphärizität noch zum multivariaten Ansatz divergierende Schlussfolgerungen Der Lernfortschritt bezüglich der einzelnen Kompetenzen (Längsschnittanalysen T1-T0) wurde jeweils mittels T-Test für verbundene Stichproben getestet (alle Analysen: SPSS/PASW Statistics Version 18).


Ergebnisse

Beschreibung der Stichprobe und Dropoutanalyse

Tabelle 3 [Tab. 3] beschreibt die Stichprobe zu T0 nach Geschlecht und Alter bzw. der Erfahrung mit Patienten. Mehr als zwei Drittel der Studierenden sind Frauen (68,8%). Auffällig ist, dass sie eine höhere Altersvariabilität als die männlichen Studenten aufweisen (Standardabweichung=3,6, vs. 2,4), während sie sich im Mittel nicht signifikant unterscheiden. Eigene Erfahrung mit Patienten außerhalb des Pflegepraktikums haben insgesamt knapp die Hälfte der Studierenden (49,8%, wobei dieser Anteil bei den Männern höher als bei den Frauen – 56,4% vs. 45,7% –, allerdings nicht signifikant).

Die im Hinblick auf die Längsschnittanalysen durchgeführte Dropoutanalyse ergab folgende Ergebnisse. Von den Studierenden, für die zu beiden Messzeitpunkten Daten vorlagen, waren 67% Frauen, während dieser Anteil in der Gruppe ohne Daten zu T1 mit 72,7% höher lag, allerdings statistisch nicht signifikant (Chi²=0.81, p=.368). Ebenfalls nicht signifikant waren der Altersunterschied zwischen beiden Gruppen (M=22,8 vs. 22,9, F(1,257)=0.02, p=.899) und die Häufigkeit von Erfahrung mit Patienten (46,9% vs. 55.8%, Chi²=1.85, p=.174). Beim Lernbedarf ergab sich ein signifikanter Unterschied in Gestalt eines höheren Wertes in der Gruppe mit Daten zu T0 und T1 bezüglich der Einschätzung eigener Stärken und Schwächen in der ärztlichen Gesprächsführung (M=4,1 vs. 3,8, F(1,260)=3.99, p=.047). In den Selbsteinschätzungen zu den eigenen Kompetenzen zu T0 zeigten sich Unterschiede in dem Zutrauen, eine Anamnese erheben zu können (M=2,5 in der Gruppe mit Daten zu T0 und T1 vs. 2,2, F(1,264)=6.19, p=.013), dem Wissen, worauf bei einer verständlichen Diagnosemitteilung zu achten ist (3,1 vs. 2,7, F(1,266)=11.43, p=.001), und dem Zutrauen, eine schwerwiegende Diagnose mitteilen zu können (2,7 vs. 2,4, F(1,266)=4.63, p=.032).

Subjektiver Lernbedarf zu T0

Wie Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt, sehen die Studierenden für sich im Mittel einen erkennbaren Lernbedarf hinsichtlich der Lernziele des Praktikums. Zugleich gibt es signifikante Unterschiede (F(5,247)=23,4, p<.0001). Der im Mittel höchste Bedarf zeigt sich bei den „to show how“-Items bezüglich Anamneseerhebung und Diagnosemitteilung (jeweils M=4,4 [Median=5, hier nicht gezeigt]), gefolgt von dem Item zur PEF (Median=5) und den beiden entsprechenden Wissensitems (Median=4). Die Werte für das sichere Zugehen auf neue Patienten und die Einschätzung eigener Stärken und Schwächen bezüglich ärztlicher Gesprächsführung fallen – auf ähnlichem Niveau – etwas geringer aus (M=4,0 bzw. 3,9 und Median=4).

Selbsteinschätzungen der Kompetenzen zu T0 und T1 und Lernfortschritt (Vergleich T1-T0)

Wie Abbildung 2 [Abb. 2] zunächst für T0 zeigt, gab es die im Mittel niedrigsten Selbsteinschätzungen der eigenen Kompetenzen bei den „to show how“-Items zur Anamneseerhebung und Diagnosemitteilung (M=2,2 bzw. 2,4 [Median=2, hier nicht gezeigt]), gefolgt von den entsprechenden Wissensitems (Median=2 bzw. 3) sowie der Frage zur PEF (Median=3). Die Werte für sicheres Zugehen auf neue Patienten und die eigenen Stärken und Schwächen fallen etwas höher aus (M=3,4 bzw. 3,1, Median=3). Damit verhalten sich die Selbsteinschätzungen der Kompetenzen invers zum jeweiligen Lernbedarf (s. o.). Die Unterschiede sind statistisch signifikant (F(5,429)=48,6, p<.0001).

Die „T1-T0“-Vergleiche zeigen, dass sich bei allen sieben Lernzielen signifikante Fortschritte ergaben. Die größten Unterschiede gab es bei den anamnesespezifischen Items („to know how“: Mittelwertsdifferenz = 1,7, „to show how“: 1,8, p<.0001 bei sämtlichen Tests) und beim „to know how“-Item zur Diagnosemitteilung (1,6). Es folgen die Selbsteinschätzungen zur Mitteilung einer Diagnose (1,4), PEF (1,2), Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen (1,0) sowie zum sicheren Zugehen auf neue Patienten (0,7). Zugleich ergab eine nach Ausgangsniveau stratifizierte Auswertung, dass Studierende, die sich zu T0 auf der jeweiligen Skala durch den Wert 1 oder 2 beschrieben hatten, sich über alle Items im Mittel um 2,2 Punkte verbessert hatten, solche mit einer 3 um 1,1 Punkte, und solche mit 4 oder 5 um 0,1 (hier nicht gezeigt).

Wie Abbildung 3 [Abb. 3] zeigt, haben die Studierenden den Einsatz der SP im Mittel am besten bewertet (M=4,8), wobei 87% „stimmt voll und ganz“ ausgewählt hatten. Die Theorie- und Praxiseinheiten wurden auf einem Niveau und etwas weniger positiv als die SP bewertet (M=4,2 und 4,0). Der Einsatz von Videotechnik zur Aufnahme von Rollenspielen wurde im Vergleich dazu von mehr Studierenden als wenig positiv bewertet (M=3,5). Die Unterschiede waren statistisch signifikant (F(2,673)=64.9, p<.0001). Der Median der Items (außer dem bezüglich der SP) lag jeweils bei 4.


Diskussion

Zusammenfassend ist das Gesprächsführungspraktikum im 2. HannibaL-Studienjahr aus Sicht der Studierenden bzgl. aller zentralen Lernziele mit bedeutsamen Lernfortschritten assoziiert. Dies gilt vor allem für Anamneseerhebung und Diagnosemitteilung als den zentralen Themen, und zwar sowohl im Sinne des „to know how“ als auch des „to show how“. Dabei zeigte die Erhebung einer biopsychosozialen Anamnese den stärksten Lernfortschritt, gefolgt von der patientenorientierten Mitteilung einer Diagnose, PEF, der Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen und dem Zutrauen, sicher auf neue Patienten zugehen zu können. Dabei hatten die zwei letzteren zu Beginn den geringsten Lernbedarf und die besten Selbsteinschätzungen gezeigt. Weiterhin hatten sich Studierende mit anfangs eher schlechten Selbsteinschätzungen („1“ oder „2“ auf 5-Punkt-Skalen) über alle Lernziele im Mittel um 2,2 Punkte verbessert, solche auf mittlerem Niveau um 1,1 Punkte, und solche mit guten oder optimalen T0-Werten um 0,1 Punkte. Bei der Methodenbewertung schnitt der SP-Einsatz am positivsten ab, gefolgt von der Menge an Theorie- und Praxisphasen sowie dem Einsatz von Videofeedback.

Bevor diese Ergebnisse hinsichtlich ihrer möglichen Implikationen für die Vermittlung sozial-kommunikativer Kompetenzen im Medizinstudium diskutiert werden, sind einige, vor allem methodische Einschränkungen der Studie zu nennen. Zunächst handelt es sich um einen Prä-Post-Vergleich und damit lediglich um ein quasi-experimentelles Design [18]. Es war also im Hinblick auf das Praktikum als Intervention kein (randomisierter) Vergleich mit einer Kontrollgruppe (z. B. mit „traditioneller“ Ausbildung in der Gesprächsführung) möglich, der sicherlich ein Gewinn für die Einordnung der Ergebnisse wäre. Dies ist allerdings im Rahmen der vorliegenden Thematik nicht ungewöhnlich [19], [20], [21], [22], [23], [24], [25], [26], [27], [28], [29], und gleichwohl erlaubt der Vorher-Nachher-Vergleich die Darstellung eines Kompetenzzuwachses. Zugleich ist zu fragen, welche externen Einflussfaktoren aus dem Umfeld der Studierenden diese spezifischen Gesprächsführungskompetenzen verbessert haben sollten. Dennoch zeigt eine frühere Studie mit Kontrollgruppe, in der in einer Experimentalgruppe mit OSCE-Training auf einigen Parametern schlechtere Ergebnisse als in einer Kontrollgruppe aus einem früheren Semester gefunden worden waren [30], dass kausalen Interpretationen der Praktikumseffekte in der vorliegenden Studie mit Bedacht begegnet werden sollten.

Zweitens basiert die Abbildung der Lernfortschritte ausschließlich auf Selbsteinschätzungen der Studierenden. Eine objektivierende Erfassung durch Performanzbewertungen im Praktikum war didaktisch nicht erwünscht, und eine Verknüpfung mit den OSCE-Noten aus organisatorischen Gründen nicht ohne Weiteres möglich (Letzteres ist seitens der Autoren für zukünftige Studienjahre beabsichtigt). Streng genommen wurden durch die lernzielbezogenen Selbsteinschätzungen also keine Kompetenzen erfasst (wozu Beobachtungsbogen, SP-Befragungen oder theoretische Prüfungen notwendig wären [31]), sondern entsprechende Selbstwirksamkeitserwartungen (SWE). Generell sind SWE als Überzeugungen definiert, fähig zu sein, zielführendes Verhalten selbst ausführen zu können [32]. Je selbstwirksamer sich eine Person erlebt, desto wahrscheinlicher wird sie ein Verhalten zukünftig auch ausführen (hier also Fähigkeiten zeigen) können. Daher wird im vorliegenden Fall die genannte Einschränkung zumindest z. T. dadurch kompensiert, dass positive SWE auch bei Medizinstudierenden eine wichtige vermittelnde Größe zwischen übungsinduzierten Fähigkeiten und der Performanz z. B. in einer OSCE darstellen [33]. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die gestiegenen SWE zu einer verbesserten Performanz beitragen haben – die auch hätte dargestellt werden können, wenn entsprechende Messungen verfügbar gewesen wären (vgl. auch [34]).

Drittens wurde ein selbstentwickelter Fragebogen eingesetzt, um die konkreten Lernziele des Praktikums möglichst genau abzubilden. Somit ist zum Einen die Vergleichbarkeit zu anderen Studien eingeschränkt, und alternativ wäre z. B. eine Adaptation der Skalen von Parle et al. [35] ähnlich wie durch Ammentorp et al. [36] möglich gewesen (wobei diese allerdings den Transfer von der Fort- auf die Ausbildung hätte leisten müssen). Zum Anderen müssen weitere Analysen und Erfahrungen mit den Skalen zeigen, ob die numerisch eher geringen Lernfortschritte bei den Studierenden mit hohen Selbsteinschätzungen ihrer Kompetenz zu T0 Deckeneffekte darstellen bzw. ob durch modifizierte Antwortskalen auch in dieser Subgruppe deutlichere Veränderungen darstellbar wären.

Schließlich lag von 32,6% der T0-Teilnehmer kein T1-Fragebogen vor. Dabei ist wie erwähnt zu berücksichtigen, dass ein Fehltermin formal zulässig war und aufgrund der Prüfungsdichte am Ende des Sommertrimesters einige Studierende den letzten Termin als Fehltermin gewählt haben. Hier könnte vermutet werden, dass die T1-Teilnahme insofern selektiv war, dass besonders Studierende mit positiven Selbsteinschätzungen zugunsten anderer Prüfungen auf die letzte Praktikumseinheit verzichtet haben. Die Dropoutanalyse deutet allerdings darauf hin, dass dieser Effekt eher schwach ausgefallen ist. Zwar zeigten alle signifikanten Unterschiede in den T0-Kompetenzeinschätzungen zwischen T1-Teilnehmern und -Nichtteilnehmern (drei von sieben Items) höhere Werte bei den T1-Teilnehmern, jedoch ist das Niveau dieser Unterschiede (0,3-0,4 Skalenpunkte) eher kein Indiz für ein ausgeprägtes „Expertentum“ der T1-Teilnehmer. Zugleich hatten unter den T1-Teilnehmern auch die mit relativ guten Selbsteinschätzungen einen Lernfortschritt gezeigt, so dass – hätten alle T0-Teilnehmer zu T1 teilgenommen – die Zuwächse insgesamt im Mittel zumindest nicht durch negative Veränderungen reduziert worden wären. Da zugleich Geschlecht, Alter und Erfahrung nicht signifikant mit dem Dropout assoziiert waren, scheint dieser die interne Validität nicht schwerwiegend beeinträchtigt zu haben. Nichtsdestotrotz sind hier zukünftig organisatorische Maßnahmen erstrebenswert, um die T1-Teilnahmeraten zu erhöhen, z. B. eine entsprechende zusätzliche Onlineversion des T1-Fragebogens.

Insgesamt deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass das Praktikum bedeutsam zur Vermittlung sozial-kommunikativer Kompetenzen der MHH-Studierenden beiträgt. Es setzt an Lernbedarfen an, die seitens der Studierenden formuliert werden. Die Lernfortschritte, die sich in Selbsteinschätzungen ergeben haben, weisen sowohl auf die Angemessenheit der Inhalte und Methoden des Praktikums für die Studierenden als auch ihre Offenheit für diese hin. Dies ist nicht zuletzt im Hinblick auf die Platzierung des Praktikums im 2. Studienjahr relevant, da einige der Studierenden in den Einstiegsplena der Praktika die Befürchtung äußerten, für sorgsame Anamneseerhebungen und – vor allem – fundierte Diagnosemitteilungen über kein ausreichendes medizinisches Wissen zu verfügen. Da diese Befürchtung auch in den Freitextfeldern des Abschlussbogens nicht genannt worden war, ist anzunehmen, dass der Gesprächsführungsfokus des Praktikums erfolgreich deutlich gemacht werden konnte. Wiewohl die OSCE als Teil der Modulabschlussprüfungen gewiss ebenfalls motivierend wirkt, konnte den Studierenden u. E. durch den methodisch-didaktischen Aufbaus des Praktikums die notwendige Orientierung zum Gesamtkonzept und dessen Zielsetzung vermittelt werden, die ein strukturiertes, aufeinander aufbauendes und standardisiertes Lehren und Lernen ermöglichte.

Die besonders positive Bewertung der SP als didaktisch-methodisches „Mittel“ deckt sich mit den Ergebnissen zahlreicher früherer Studien (vgl. zusammenfassend [4], [6], [7]) und den Angaben in den T1-Freitextfeldern, die von 53% der Studierenden genutzt worden waren und bei denen sich 44 der 139 positiven Nennungen auf die SP bezogen. Sie ermutigt, diese seit 2008 auch auf das OSCE-vorbereitende Praktikum ausgebaute „Infrastruktur“ zu verstetigen und weiter zu optimieren, u. a. durch weitere Schulung der Feedbackkompetenz der SP [37] und Weiterentwicklung von Rollenstandards sowie weiterer qualitätssichernder Maßnahmen [38]. Auch das Fehlen von negativer Kritik zur interaktiven Methode des Rollenspiels, die hohe Anteile an Selbsterfahrung und Positionierung vor Mitstudierenden beinhaltet [39], im entsprechenden Freitextfeld des T1-Fragebogens spricht für das Praktikumskonzept. Durch Aufteilen der Zehnergruppen in Kleingruppen auch bei den SP-Terminen und das explizite Trainieren konstruktiver Rückmeldungen wurden die Studierenden mit dem Agieren vor der Gruppe von Anfang an vertraut gemacht.

Die signifikant weniger positiven Bewertungen der Quantität von Theorie- und Praxiseinheiten werden ebenfalls in den Freitextfeldangaben gespiegelt, in denen von insgesamt 73 Optimierungsvorschlägen 43 das Bedürfnis nach mehr Praxis und weniger Theorie benannten. Möglicherweise ist diese Balance vor allem hinsichtlich der Lernziele zur Übermittlung auch schwerwiegender Diagnosen noch nicht optimal gelungen, die als Thema erst ab dem fünften Praktikumstermin speziell aufgegriffen wurde. Dies hat im Rahmen der Qualitätssicherung und kontinuierlichen Weiterentwicklung des Praktikumskonzeptes im Nachlauf zum Studienjahr 2009/10 bereits zu einer konzeptionellen Veränderung geführt, die auf die konsequente Vermittlung der Grundlagen ärztlicher Gesprächsführung an den Themen Anamneseerhebung (im 1. Praktikumstermin) und Diagnosemitteilung (2. Termin) i. S. einer Themenzentrierung „von Anfang an“ hinausläuft.

Schließlich spiegelt die eher moderat positive Bewertung des Einsatzes von Videofeedback einen Optimierungsbedarf im Rahmen des Praktikumskonzeptes wider. Denn unabhängig davon, dass sich diese Methode als wertvoll bei der Vermittlung von Kommunikationskompetenzen erwiesen hat [4], [24], bedingt sie durch die Vorführung und Besprechung der Aufnahmen einen deutlichen Mehraufwand an Zeit. In diesem Zusammenhang ist unsere Erfahrung, dass die Studierenden in der Tendenz eher die Präferenz äußern, zuungunsten von Videoanalysen die Anzahl der Rollenspiele zu erhöhen. Hier ist es eine Aufgabe für die Weiterentwicklung des Praktikumskonzeptes, die Integration dieser Methode konsequenter zu gestalten und eine bessere Balance zwischen vertiefter Analyse und der Anzahl von Simulationen herzustellen. Zudem wären Infrastrukturen wie Beobachtungsräume mit entsprechender Ausrüstung (und verspiegelten Glaswänden wie beispielsweise im Studienhospital Münster®) förderlich.

Im Übrigen wies eine weitere Auswertung der Freitextfelder auf weitere, „atmosphärische“ Hintergründe für den Erfolg des Praktikums hin. Die fachliche, pädagogische und persönliche Kompetenz des/r jeweiligen Dozenten/in wurde in 51 Nennungen honoriert. 14 Nennungen beschrieben die Gruppengröße von 10 Studierenden als optimal. Zudem wurden die Gelegenheit, aktives Erfahrungslernen mit den anderen unter Wahrung der eigenen Individualität zu erleben, und die geringe Schwelle auch für eher introvertierte Studierende, sich zu engagieren, positiv wahrgenommen. Noch mehr Partnerinterviews und Kleingruppenarbeit innerhalb der Zehnergruppen wurden in neun Nennungen eingefordert.

Auf eine nach Geschlecht und Erfahrung stratifizierte Darstellung der Ergebnisse wurde verzichtet, da die entsprechenden Auswertungen lediglich marginale Unterschiede ergaben. So zeigte sich bei den Prä-Post-Vergleichen mit dem Faktor Geschlecht lediglich bezüglich des sicheren Zugehens auf neue Patienten ein Interaktionseffekt dergestalt, dass die Männer zu T0 geringfügig bessere Selbsteinschätzungen hatten (M=3,8 vs. 3,2) und die Frauen über einen etwas deutlicheren Lernfortschritt berichteten (0,8 vs. 0,5; p=.032). Alle anderen Tests blieben ebenso wie die bei den Methodenbewertungen ohne signifikante Ergebnisse. Auch beim Lernbedarf fielen alle Mittelwertsdifferenzen mit maximal 0,4 Punkten geringer als beim Lernfortschritt aus. Die Unterschiede deuten damit zwar auf eine teilweise leicht positivere Selbstsicht der männlichen Studierenden hin und sind mit stärker ausgeprägten Arztidealen bei weiblichen Medizinstudierenden [40] konsistent. Dennoch scheinen genderspezifische Aspekte in der vorliegenden Studierendenkohorte hinsichtlich der Aneignung kommunikativer Kompetenzen untergeordnet.

Insgesamt stellt die positive Evaluation des Gesprächsführungspraktikums aus unserer Sicht ein weiteres, empirisches Argument für ein jahrgangsübergreifenden Curriculum zu sozial-kommunikativen Kompetenzen und Arzt-Patient-Gesprächsführung auch an der MHH dar, das bestehende Angebote longitudinal [41] in einer Lernspirale integriert und weiterentwickelt. Langfristig könnte dies auch Evaluationen beinhalten, die die Auswirkungen eines solchen Curriculums auf die spätere Performanz der Studierenden bzw. postgradual Ärzte im praktischen Jahr bzw. im Berufsalltag analysiert (zumal solche Effekte nicht voraussetzungslos sind [42]).

Darüber hinaus schließen wir uns der Empfehlung an, hochschul- bzw. fakultätsübergreifende Aktivitäten nicht zuletzt im Hinblick auf valide und reliable Prüfungsmethoden zu stärken [43]. Dafür sprechen auch dadurch zu erwartende Effizienzsteigerungen. Diese sind nicht zuletzt deshalb bedeutsam, weil die Umsetzung von Lehrkonzepten wie dem hier evaluierten (das praxisorientiertes Lehren und Lernen in kleinen Gruppen von Studierenden und mittels SP ermöglicht) beträchtlichen personellen, organisatorischen und finanziellen Aufwand erfordert.

Es ist plausibel anzunehmen, dass dieser Aufwand besonders dann nachhaltig durchzusetzen ist, wenn jahrgangsübergreifende Curricula in diesem Kompetenzbereich zum Standard werden. Optimalerweise basieren solche, möglichst interdisziplinär konzipierten Aktivitäten auf einem konsentierten Rahmenmodell. Eine Blaupause für ein solches Modell könnte das britische Konsensuspapier [44] darstellen. Es definiert zunächst Respekt als Basis effektiver klinischer Kommunikation und benennt mit den Stichworten Theorie und Evidenz, Aufgaben klinischer Kommunikation, spezifischen Themen wie z. B. Verhaltensveränderung, Medien sowie Kommunikation über den Patienten hinaus praktisch alle relevanten Kernthemen. Wir hoffen, dass die hier vorgelegte Evaluation eines curricularen Bausteines an der MHH zu diesem Gesamtprozess beitragen wird.


Anmerkungen

*APG-Lehrteam MHH (Arzt-Patient-Gesprächsführungs-Lehrteam MHH): Karin Lange (Federführung), Ulrich Brinkmeier, Gundula Ernst, Angelika Kursch, Thomas von Lengerke, Thomas Schneller (Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie); Siegfried Geyer (Federführung), Anja Löbel, Friederike Otto, Stefanie Sperlich (Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Soziologie); Eva Hummers-Pradier, Carsten Kruschinski, Heidrun Lingner, Christiane Müller, Erika Penner (Institut für Allgemeinmedizin); Uwe Hartmann, Susanne Philippsohn, Lotta Winter (Arbeitsbereich Klinische Psychologie der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie); Burkard Jäger, Maike Möllenkamp, Angela Trieschmann (Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie)

**Lehrverantwortlicher des Jahrgangsübergreifenden Curriculums Innere Medizin: Prof. Dr. med. Hermann Haller (als Studiendekan für Medizin und Aufbau- und Ergänzungsstudiengänge an der MHH federführend bei der Entwicklung von HannibaL); Modulverantwortliche Diagnostische Methoden: Dr. med. Saskia Merkel.


Danksagung

Wir danken den Studierenden des Jahrgangs des Modellstudiengangs HannibaL mit Studienbeginn 2008 für ihre Beteiligung an der Studie und damit für ihre Bereitschaft, neben den Datenerhebungen des Evaluationsbüros des Studiendekanat Medizin der MHH einen weiteren Fragebogen auszufüllen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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