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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Erwartungen deutscher Medizinstudenten an das Berufsleben – Sorgen und Hoffnungen: Ein Projektbericht

Artikel Medizinstudierende

  • Karen Schmidt-Bäse - Technische Universität München, Medizinische Fakultät der TUM, TUM Medical Education Center, München, Deutschland
  • Johanna Huber - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • Martin R. Fischer - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • corresponding author Marjo Wijnen-Meijer - Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Dresden, Deutschland; Technische Universität München, Medizinische Fakultät der TUM, TUM Medical Education Center, München, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(6):Doc72

doi: 10.3205/zma001654, urn:nbn:de:0183-zma0016549

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001654.shtml

Eingereicht: 12. September 2022
Überarbeitet: 18. Juli 2023
Angenommen: 8. August 2023
Veröffentlicht: 15. November 2023

© 2023 Schmidt-Bäse et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Ziel: Erwartungen von Medizinstudierenden an ihr zukünftiges Berufsleben werden durch intrinsisch und extrinsisch Faktoren beeinflusst, die sich im Laufe des Medizinstudiums ändern können. Ziel dieser Studie ist es, weitere Erkenntnisse über die Erwartungen der Studierenden an ihr Berufsleben zu Beginn des Medizinstudiums zu gewinnen. Erkenntnisse über kontextuelle Einflüsse können genutzt werden, um Curricula und Orientierungshilfen für Studierende zu verbessern.

Methodik: Der Projektbericht basiert auf einer Online-Befragung von drei Kohorten von Medizinstudierenden, die sich jeweils im ersten Studienjahr an der LMU befanden. Der Fragebogen bestand aus sechs offenen Fragen, die sich mit der Motivation, den Erwartungen, Vorfreude und Sorgen der Studierenden in Bezug auf ihr Berufsleben befassten. Gefragt wurde auch nach der vermuteten Persönlichkeitsentwicklung und dem Einfluss auf das Privatleben. Bei dieser qualitativen Inhaltsanalyse wurde eine induktive Kodierung verwendet.

Ergebnisse: Die schriftlichen Antworten von 591 Teilnehmern wurden kodiert, kategorisiert und in vier Hauptthemen zusammengefasst: Privatleben, Arbeit, Wissenschaft, persönliche Aspekte. Das Auftreten der Hauptthemen zeigte in allen Studierendengruppen den gleichen Trend, obwohl die Studierenden aus unterschiedlichen Kohorten stammten. Die Studierenden machen sich am meisten Sorgen um die Work-Life-Balance und erwarten, dass dieses ein schwieriges Thema sein wird. Aber viele unserer Studienanfängerinnen und -anfänger sind optimistisch, dass sie in der Lage sein werden, eine gute Work-Life-Balance zu etablieren oder dass sich die Arbeitsbedingungen zum Zeitpunkt ihres Eintretens in das Berufsleben auf ein überschaubares Arbeitspensum geändert haben werden. Die Mehrheit unserer Studierenden erwartet selbstbewusster zu werden mit verbesserter Empathie und Teamfähigkeit, sowie geduldiger und stressresistenter in täglichen Herausforderungen zu werden.

Schlussfolgerung: Die Medizinstudierenden betonen – geschlechtsneutral – den Wunsch nach einer Work-Life-Balance. Für die Zukunft erwarten sie daher bessere Arbeitsbedingungen – eine anhaltende Herausforderung für das Gesundheitssystem.

Schlüsselwörter: Medizinstudierende, Work-Life-Balance, Arztrolle, Umfrage


Einleitung

Alle Medizinstudierenden haben Erwartungen an ihren zukünftigen ärztlichen Beruf, die Rolle und den Ruf des Arztes und die wahrgenommenen Hindernisse in der medizinischen Arbeitswelt. Diese Erwartungen können durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, wie z. B. die Arbeitsmarktbedingungen, Karriereerwartungen der Eltern [1], [2] demographische Veränderungen, technologische Entwicklungen, persönliche Einstellungen und Erfahrungen während des Medizinstudiums. Eine Reihe wichtiger intrinsischer und extrinsischer Faktoren wurden erforscht, und es konnte gezeigt werden, dass sich die Ansichten einiger Aspekte im Laufe der Jahre des Medizinstudiums bis zur Facharztausbildung ändern [3], [4], [5], [6]. Für die medizinischen Fakultäten und die Gemeinschaft medizinischer Fachkräfte ist es wichtig, die Erwartungen der Studierenden zu verstehen, damit wir besser darauf eingehen und sie berücksichtigen können. Eine frühere Studie über die Erwartungen von Medizinstudierenden ergab, dass Fehleinschätzungen einen Einfluss auf die Leistung und das Selbstvertrauen der Studierenden haben [7].

Der zukünftige Ärztemangel, insbesondere in der Hausarztmedizin, ist nicht nur in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, sondern auch in westlichen Ländern mit hohem Einkommen ein großes Problem [8], [9]. Gründe wie Generationenwechsel und Genderaspekte werden diskutiert [4], [10]. Die junge Generation zeigt eine andere Einstellung zur Arbeit als ältere Kolleginnen und Kollegen: „Eine ausgewogene Integration von Berufs- und Privatleben ist ein wesentliches Ziel für die neue Generation von Ärzten“ [11]. Wesentliche Faktoren für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sind Freude, Erfüllung der Arbeitsanforderungen und Zeitmanagement [6]. Die Balance wird durch extrinsische Faktoren wie Peer Groups, Familie und Berufskultur geprägt.

Diderichsen et al. [10][ legten dar, dass es nicht nur den häuslichen/familiären Bereich gibt, sondern auch einen Freizeitbereich (physische Aktivität, Zeit mit Freunden und Hobbys), der in Einklang gebracht werden muss. Andere Aspekte können ebenfalls wichtig sein: „Das Zusammenleben mit einem Partner scheint sowohl männliche als auch weibliche Studenten in ihren Präferenzen zu beeinflussen“ .... (... bei der Wahl des Fachgebiets – von den Autoren hinzugefügt) [3], [6]. Diese Veränderung der Präferenzen kann als eine persönliche Entwicklung angesehen werden, da in mehrere Studien gezeigt wurde, dass (persönliche) Lebensereignisse entscheidend für die persönliche Entwicklung sind [12].

Da die öffentliche Wahrnehmung der sogenannten „Feminisierung“ der Medizin (basierend auf einer Zunahme von Medizinstudentinnen) zunimmt, gewinnen geschlechtsspezifische Aspekte in der Motivation für die Wahl eines Medizinstudiums oder bevorzugter medizinischer Fachrichtungen immer mehr an Aufmerksamkeit. Frauen und Männer haben unterschiedliche Karriereziele und Motive: Männer legen mehr Wert auf berufsbezogene Motive (z. B. Einkommen, Status).

Frauen hingegen legen mehr Wert auf ihren Lebensstil (wie flexible Arbeitszeiten, Kontrolle über ihren Lebensstil) [3]. Die letztendliche Wahl des Fachgebiets wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, wobei das Geschlecht einer davon ist [6]. Die Erkenntnis, dass Frauen eine bemerkenswert positivere Einstellung zur Allgemeinmedizin zeigen als Männer, könnte helfen, den befürchteten zukünftigen Mangel an Hausärzten zu bekämpfen [9], [13], [14].

„Die genaue Kenntnis der Präferenzen der Medizinstudierenden für die zukünftige Fachrichtung, ihre Flexibilität in Bezug auf Ort und Arbeitsbelastung sowie ihre Ansichten über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für die Planung der Versorgung unerlässlich.“ [5]. Für medizinische Lehrende ist es wichtig Erwartungen der Studierenden zu verstehen, damit sie den Übergang in die Realität der (klinischen) Praxis besser unterstützen können, z. B. durch die Entwicklung von Mentoring-Programmen. Darüber hinaus können unsere Ergebnisse für die Entwicklung neuer Seminare im Bereich der Ethik in der Medizin oder der beruflichen Identitätsbildung wertvoll sein.

Ziel dieses Projektberichts ist es, einen tieferen Einblick in die Erwartungen der Studierenden an ihre berufliche Tätigkeit zu Beginn des Medizinstudiums zu geben.

Das Verständnis der Erwartungen von Medizinstudierenden bietet die Möglichkeit, diese in der Ausbildung zu berücksichtigen.


Methodik

Unsere Studie ist Teil einer multizentrischen Studie an fünf medizinischen Fakultäten in Europa. Ziel des internationalen Projekts ist es, weitere Einblicke in die Kontextfaktoren zu gewinnen, die die Erwartungen der Studierenden prägen. Studienanfänger werden in den ersten Wochen des Medizinstudiums gebeten, freiwillig einen elektronischen Fragebogen mit offenen Fragen auszufüllen.

Die Studierenden werden gebeten, die gleiche Aufgabe am Ende des Medizinstudiums zu erledigen, um zu berücksichtigen, inwieweit sich die Erwartungen im Laufe der Zeit ändern. Die Studie wird für fünf aufeinanderfolgende Kohorten wiederholt. Auf diese Weise können die Forschenden die Auswirkungen des Medizinstudiums auf die wahrgenommenen Erfahrungen der Studierenden und auf mögliche Veränderungen in der Einstellung zur Gesundheitsversorgung identifizieren. Darüber hinaus wird jede Universität ein Logbuch führen, um den Einfluss interner und externe Kontexte auf die Erwartungen der Studierenden zu verfolgen. Die Studie läuft an fünf Standorten (neben München sind dabei: Stockholm, Leeds, Utrecht, Nikosia). Die Studie startete 2017 und hat eine Laufzeit von 10-12 Jahren. Sie entstand als gemeinsames Forschungsprojekt von Teilnehmern eines internationalen Austauschprogramms.

Unsere Studie basiert auf Daten, die im Rahmen einer Studierendenbefragung in München erhoben wurden (mit dem Befragungstool „Unipark“-ESF-Befragungssoftware). In München starten alle Medizinstudierenden in den ersten beiden Jahren gemeinsam an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Für die anschließende klinische Ausbildung können sie entweder an die TU München wechseln oder an der LMU bleiben.

Drei Kohorten von Medizinstudierenden im ersten Studienjahr wurden gebeten, in den ersten Wochen des Medizinstudiums einen elektronischen, Fragebogen mit offenen Fragen auszufüllen, wobei die Teilnahme freiwillig war. Die Anonymität ist gewährleistet: Jeder Teilnehmer erhält einen generierten Code, der für jede Person erhalten bleibt. Eine Zuordnung von Antworten zu Personen ist nicht möglich. Die Befragung besteht aus zwei Abschnitten. Der erste Abschnitt umfasst demografische Informationen (Geschlecht, Alter, Fragen zur Pseudonymisierung). Diese demographischen Daten wurden mit Microsoft-Excel analysiert, um eine vergleichbare Zusammensetzung der Kohorten zu gewährleisten. Im zweiten Abschnitt werden die folgenden sechs Fragen gestellt:

1.
Warum möchten Sie Arzt/Ärztin werden?
2.
Welche Erwartungen haben Sie an Ihren zukünftigen Beruf als Arzt/Ärztin?
3.
Worauf freuen Sie sich in Ihrem zukünftigen Beruf als Arzt/Ärztin?
4.
Worauf haben Sie in Ihrem zukünftigen Beruf als Arzt/Ärztin keine Lust?
5.
In Ihrer Vorstellung: Wie wird sich der Arztberuf auf Sie als Person und Ihr Privatleben auswirken?
6.
Welche Fragen stellen sich Ihnen, wenn Sie an Ihre berufliche Zukunft denken?

Unsere Befragung ist eine Weiterentwicklung der Befragung der oben genannten multizentrischen Studie: Nur die ersten vier Fragen sind Teil des Fragebogens, der von den anderen Universitäten verwendet wird. Frage 5 und 6 wurden nur in unserer Studie in München abgefragt. Frage 5 hatte als Ziel mögliche Implikationen für die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden zu untersuchen. Frage 6 kann Aufschluss über mögliche Ängste und Hoffnungen für Zukünftiges geben, die entweder mit der persönlichen Situation oder den bevorstehenden Entwicklungen im Gesundheitswesen verbunden sind. Für alle sechs Fragen verwenden wir ausschließlich offene Fragen in der Hoffnung, dass wir dadurch neue Themen aufspüren können, die für die Zukunftsvorstellungen der Studierenden wichtig sind.

In diesem Paper werden die Ergebnisse der ersten drei Erhebungsrunden von 2019 bis 2021 vorgestellt.

Das Projekt wurde in deutscher Sprache durchgeführt. Die Antworten wurden von zwei unabhängig voneinander arbeitenden Forschern ins Englische übersetzt. Auf diese Weise sind die Daten für die internationalen Forschenden zugänglich. In unserer qualitativen Inhaltsanalyse haben wir eine induktive Kodierung verwendet. Die Antworten wurden Zeile für Zeile in einem offenen Kodierungsprozess entsprechend dem Wortlaut und ihrem semantischen Gehalt kodiert, gefolgt von einer axialen Kodierung zur Identifizierung der Hauptkategorien. Um herauszufinden, welcher Code am weitesten verbreitet war, wurde die Anzahl der Antworten jedes Codes gezählt (Daten nicht angezeigt). Die Daten wurden als Gruppe analysiert. Wir gruppierten die identifizierten Codes in 11 Kategorien, die in vier Hauptthemen zusammengefasst wurden. Für jede Frage (F1-F6) sind die drei oder vier wichtigsten Themen in Tabelle 1 [Tab. 1] aufgeführt.


Ergebnisse

Demografische Daten

Wir haben 918 Studierende im Jahr 2019, 921 im Jahr 2020 und 847 im Jahr 2021 zur Teilnahme an der Umfrage eingeladen. Der Fragebogen wurde von 144, 283 bzw. 181 Studierenden beantwortet. Daraus ergab sich eine Rücklaufquote von 15,6% für 2019, 30,7% für 2020 und 21,4% für 2021.

Mindestens eine offene Frage wurde von 139 (2019)/245(2020)/ 178 (2021) Studierenden beantwortet. Das Alter wurde von 11 (2019), 16 (2020) bzw. 10 (2021) Studierenden nicht angegeben. In den Jahren 2019 und 2020 waren mehr als zwei Drittel der teilnehmenden Studierenden Frauen, was einem um 6 Prozentpunkte höheren Anteil gegenüber allen Studienanfängerinnen und -anfänger [15], die in Deutschland in diesen beiden Jahren veröffentlicht wurden, entspricht (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Im Jahr 2022 ist der Frauenanteil unserer teilnehmenden Studierenden um mehr als 10% höher als in den Vorjahren (bisher keine deutschlandweiten Daten veröffentlicht).

Das gemittelte Alter war für die ersten beiden Kohorten (21 Jahre) in etwa gleich, betrug aber nur 20,5 Jahre im Jahr 2021. In den ersten beiden Kohorten beginnt etwa 1/6 der Studierenden mit dem Medizinstudium im Alter von 25 Jahren oder älter, während es 2021 weniger „ältere Anfänger“ gab. Die Mehrheit der „älteren Anfänger“ sind Frauen. Dies entspricht dem oben erwähnten Geschlechterverhältnis für die Kohorten 2020 und 2021, während im Jahr 2019 der Anteil der männlichen „älteren Anfänger“ etwa um 15 Prozentpunkte höher lag als der Gesamtanteil der Männer (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Die Antworten auf die Fragen variierten in der Länge von wenigen Wörtern bis zu mehreren Sätzen.

Privatleben

Der Vergleich des Auftretens der Hauptkategorien zeigte, dass die „Work-Life-Balance“ innerhalb der Antworten bei vier der sechs offenen Fragen vorkommt: Die Studierenden machen sich Sorgen um die Work-Life-Balance und erwarten, dass es sich um ein schwieriges Thema handeln wird. Zum Beispiel:

„Ich glaube, dass das Privatleben in gewisser Weise eingeschränkt sein wird und vor allem die Arbeit in einem Krankenhaus nicht zu meiner Work-Life-Balance passen wird, aber ich denke, dass dieser Beruf sehr erfüllend sein wird.“ (Studentin – weiblich 2019, F5).
„Ein sehr anspruchsvoller und anstrengender, aber auch erfüllender Beruf, der dennoch mit dem Familienleben vereinbar ist.“ (Student – männlich 2021, F2).

Sie erwarten, dass es sich um einen anerkannten Job in einem angesehenen und finanziell abgesicherten (F1-3) Arbeitsfeld handeln wird.

„Eine sehr abwechslungsreiche und spannende Tätigkeit in einem sehr zufriedenstellenden Umfeld, Arbeitsplatzsicherheit, angemessene Vergütung und viele Karrieremöglichkeiten.“ (Student – männlich 2021, F2).

Die Annahmen über die persönliche Entwicklung sind divers: Nur wenige Studierende gehen von „keiner persönlichen Veränderung“ aus. Die Mehrheit erwartet, selbstbewusster zu werden mit gesteigerter Empathie und Teamfähigkeit zu und auch geduldiger und stressresistenter in täglichen Herausforderungen zu werden.

„Außerdem gehe ich davon aus, dass die Anforderungen mir helfen werden, widerstandsfähig gegen Müdigkeit und Stress zu werden.“ (Student – männlich 2019, F5).
„Ich werde offener und verständnisvoller und gewinne mehr Selbstvertrauen.“ (Studentin – weiblich 2021, F5).

Arbeit

Sie sind ernsthaft besorgt über übermäßige Bürokratie und zu wenig Zeit für Patienten, z. B. aufgrund des wirtschaftlichen Drucks (F4).

„Ich bin der Bürokratie nicht gewachsen und möchte mich nicht durch äußere Zwänge einschränken lassen, wie viel Zeit ich mit meinen Patienten verbringe.“ (Studentin – weiblich 2019, F4)
„Gesundheitsfragen sollten nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt werden.“ (Student – männlich 2021, F4)

Obwohl sie sich erst im ersten Jahr befinden, denkt die Mehrheit der Studierenden im Jahr 2019 und etwa 30 % in den Jahren 2020 und 2021 bereits über die bevorzugten Fachrichtungen und Arbeitsplatzmerkmale nach.

„Werde ich wirklich der Spezialist wie geplant oder mache ich etwas ganz anderes?“ (Studentin – weiblich 2019, F6).

Die Antworten auf Frage 4 zeigten, dass es ernsthafte Bedenken hinsichtlich der „Hierarchie“ in der Klinik und über „Diskriminierung von Frauen“ gibt.

„Ich habe keine Lust auf die Benachteiligung von Frauen, auch nicht in Bezug auf den Kinderwunsch. Ich hoffe, dass der Sexismus verschwindet.“ (Studentin – weiblich 2021, F4).

Der Hierarchieaspekt war in der Gruppe der älteren Studierenden deutlich präsenter: Die Anzahl der Nennungen steigt von 5% (Gruppe der jungen Studierenden) auf über 15% (Alter >24 Jahre; siehe Tabelle 3 [Tab. 3]).

Einige Studentinnen befürchten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

„Wird es Jobmodelle geben, die zu den Eltern passen? Werden Frauen in höhere Positionen befördert oder werden sie immer noch von Männern dominiert werden?“ (Studentin – weiblich 2021, F6).
„Ich hoffe, dass Frauen in Krankenhäusern gleich behandelt werden, denn das war in den Kursen, die ich besucht habe, nicht der Fall.“ (Studentin – weiblich 2021, F2).

Andere erwähnten zukünftige (technische) Aspekte, die durch die Verbreitung von KI im medizinischen Bereich vorangetrieben werden z. B. Assistenzsysteme. Die Studierenden äußerten die Hoffnung auf verbesserte Arbeitsbedingungen in der Zukunft als Folge der Pandemie. Im Gegensatz dazu ist die Erwähnung von pandemiespezifischem Vokabular wie „systemrelevant“ bei allen Fragen sehr selten.

„... Krise wie die Corona-Pandemie: Wie beeinflussen diese Krisen den ärztlichen Beruf?“ (Studentin – weiblich 2020, F6).

Persönliches und Wissenschaft

Das Thema „Menschen helfen“ war in F1, F2 und F3 am weitesten verbreitet. Die Studierenden sind motiviert, Ärzte zu werden, weil sie Menschen helfen wollen. Mindestens ein Drittel der Studierenden ist sehr naturwissenschaftlich interessiert, aber nur etwa 1/10 plant wirklich zu forschen (F1+ F2).

„Ich sehe zwei Gründe, Ärztin zu werden: 1. Großes Interesse an Naturwissenschaften mit besonderem Augenmerk auf die Forschung. 2. Ich möchte in einem Umfeld arbeiten, in dem ich Menschen aktiv und direkt helfen kann. Medizin ist das einzige Fach, das beides optimal miteinander verbindet.“ (Studentin – weiblich 2019, F1).

Die Studierenden machen sich Sorgen, falsche Entscheidungen zu treffen und fragen sich, ob sie gut genug sind für diesen herausfordernden Beruf.

„Werde ich gut und intelligent genug sein? Kann ich dem Druck standhalten?“ (Studentin – weiblich 2019, F6).
„Was passiert, wenn ich Fehler mache? Werde ich mit der Verantwortung richtig umgehen und werde ich in der Lage sein, selbst zu entscheiden?“ (Student – männlich 2021, F6)

Obwohl die Antworten der Studierenden aus unterschiedlichen Kohorten stammten, zeigte sich, dass das Auftreten der Themenschwerpunkte in allen Studierendengruppen dem gleichen Trend folgt. Die Studierenden sind in der Lage, positive und negative Aspekte der ärztlichen Tätigkeit zu unterscheiden.


Diskussion

In diesem Projektbericht beschreiben wir eine Online-Befragung von drei Kohorten von Medizinstudierenden im ersten Studienjahr zu ihren Erwartungen an ihr zukünftiges Berufsleben und zu möglichen prägenden Faktoren.

Privatleben

Unsere Studierenden machen sich am meisten Sorgen um die Work-Life-Balance und erwarten, dass dieses ein schwieriges Thema sein wird. In Übereinstimmung mit anderen Untersuchungen [5], [10] haben wir festgestellt, dass dieser Wunsch nach Work-Life-Balance geschlechtsneutral ist.

Die Studierenden von heute müssen den häuslichen/familiären Bereich mit dem Freizeitbereich in Einklang bringen. Die Prioritäten können sich im Laufe des Medizinstudiums ändern: Lebensereignisse wie das Zusammenleben mit einem Partner, die Heirat oder das Elternsein beeinflussten die Perspektiven auf die Work-Life-Balance [3], [6] sowie auf die Entscheidungen zur zukünftigen Spezialisierung, siehe unten.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu beachten, dass die vermeintliche Möglichkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben einer der Anreize ist, Medizinstudierende für den Beruf des Hausarztes zu gewinnen [9], [11], [16]. Folglich sollte sich die angehende Ärzteschaft der Bedeutung ihres persönlichen Wohlbefindens bewusst sein, um eine effektive Versorgung zu gewährleisten. Vor allem der Umgang mit den eigenen Emotionen scheint für junge Ärztinnen und Ärzte eine Herausforderung zu sein [17]. In einer britischen Studie gaben jedoch weniger als die Hälfte der 137 Medizinstudierenden an, Unterstützung beim Erlernen der Selbstfürsorge zu erhalten [6]. Daher empfahlen die Autoren, dass Lehrende an medizinischen Fakultäten Selbstfürsorge hervorheben sollten und Studierende in der Entwicklung von Zeitmanagementfähigkeiten unterstützen sollten. Im Gegensatz dazu sind viele unserer Studienanfängerinnen und -anfänger optimistisch, dass sie eine gute Work-Life-Balance finden werden oder dass sich die Arbeitsbedingungen zum Zeitpunkt ihres Berufseinstiegs auf ein überschaubares Arbeitspensum geändert haben werden.

Persönliches und Wissenschaft

Die Mehrheit der Studierenden beginnt ein Medizinstudium, weil sie Menschen helfen wollen. Eine Reihe von Studien haben ergeben, dass Studierende dazu neigen, empathische und idealistische Motivationen während des Medizinstudiums zu verlieren [18], [19]. Sie werden weniger idealistisch und zugleich zynischer gegenüber Patienten und dem Beruf. Einige Studien identifizieren das dritte Jahr der US-Lehrpläne (die Zeit, in der die Studierenden dem klinischen Leben ausgesetzt sind) als den Beginn dieses Rückgangs, während die Studie von Morley [20] darauf hindeutet, dass der Rückgang bereits in den ersten beiden Jahren beginnt: Einige Aspekte, die die idealistischen Motivationen repräsentieren, nehmen ab und Dinge wie Geld, Lebensstil und Karriere nehmen mit Voranschreiten der medizinischen Karriere zu. Der Rückgang könnte auch zu der Beobachtung beitragen, dass es im zweiten Studienjahr zu einem dramatischen Verlust des Interesses an der Allgemeinmedizin kommt. Sollte dieser Zusammenhang bestehen, brauchen wir Interventionen, um den Idealismus zu bewahren und genügend Studierende in der Allgemeinmedizin auszubilden [5]. Die kanadischen Forscher führten dies einerseits auf die Curricula und andererseits auf die „kulturellen Einflüsse“ (Hidden Curriculum) [19], [21], aufgrund abwertender Kommentare von Lehrenden der Fakultät zur Allgemeinmedizin, zurück. Dies könnte zu Herausforderungen bei der Rekrutierung in Fachgebieten wie der Allgemeinmedizin führen [22].

Eine systematische Übersichtsarbeit legt nahe, dass pädagogische Interventionen wirksam sein können, um Empathie bei Vorklinik-Medizinstudierenden zu erhalten und zu verbessern [18]. Schreibinterventionen zum Beispiel, bei denen Studierende Aufsätze aus der Sicht des Patienten schreiben, können medizinische (schriftliche) Fähigkeiten in bestimmten affektiven Dimensionen verbessern [23], [24]. Weitere Recherchen sind erforderlich, um die besten Herangehensweisen zu klären. Auch die geschlechtsspezifischen Effekte verschiedener medizinischer Humanwissenschaften bedürfen noch weiterer Studien [25]. Wenn man sich die Lehrmethodik dieser möglichen Interventionen ansieht, könnte es für medizinische Lehrende ratsam sein, Ainoda zu folgen [26]:

Obwohl selbstgesteuertes Lernen (SDL) in der medizinischen Ausbildung weit verbreitet ist, vor allem in der naturwissenschaftlich-technischen Dimension – „aus patientenzentrierter Sicht sollten sozio-emotionale Ziele beim selbstgesteuerten Lernen stärker betont werden ... zur Entwicklung von Kommunikationsfähigkeiten zwischen Patient und Arzt oder zur Förderung ethischer oder altruistischer Einstellungen“.

Frühe Studien führten das schwindende Interesse an der Gesundheitsversorgung in unterversorgten Bevölkerungsgruppen oder der Gesellschaft auf die oben genannte Abnahme des Idealismus während des Medizinstudiums zurück [27], [28]. Im Gegensatz dazu empfahlen Morley [20] und andere explizit diese Aktivitäten als mögliche alternative Interventionen. Interessanterweise decken ehrenamtlich helfende Studierende während der ersten Welle der Pandemie im Jahr 2020 sowohl altruistische als auch introjizierte Motivationen auf – „Pflichtbewusstsein und der Wunsch zu helfen waren... Die wichtigsten Gründe für ehrenamtliche Tätigkeit“ [29]. Alle freiwillig teilnehmenden Studierende befanden sich bereits in der klinischen Phase.

Obwohl mindestens ein Drittel unserer Studierenden sehr naturwissenschaftlich interessiert ist, freut sich nur etwa 1/10 darauf, tatsächlich zu forschen. Im Gegensatz dazu ergab eine Befragung von Pharmaziestudierenden an 13 deutschen Universitäten im Jahr 2018, dass 26,6% dieser Studierenden beabsichtigten, in den Naturwissenschaften und in der Hochschullehre zu arbeiten [30]. Es besteht ein deutlicher Bedarf, wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Medizin in die Anwendung zu überführen. Um dies zu fördern, wurden in den letzten 10 Jahren eine Reihe von Clinician Scientist-Programmen eingerichtet (Stand 2021: 72 Programme an 39 Standorten in Deutschland [31]).

Diese Programme ermöglichen eine „geschützte Forschungszeit“ während der Facharztausbildung. Die umfangreiche Förderung durch die DFG unterstreicht die Bedeutung dieser Programme [32]. Um die forschungsinteressierten Ärztinnen und Ärzte auf eine langfristige akademische Karriere vorzubereiten, sind in den letzten Jahren weitere Programme auf fortgeschrittenem Niveau entstanden (z. B. BIH Charite’ Clinician Scientist Program; DZIF-Akademie). Seit 2019 werden Clinician Scientist-Professuren von der Else Kröner-Stiftung unterstützt, um die Attraktivität dieses Berufsweges zu erhöhen [https://www.ekfs.de/suche?search_api_fulltext=clinician%20scientist].

Arbeit

Der Hierarchieaspekt war in der Gruppe der älteren Studierenden deutlich präsenter. Obwohl dieses in der Befragung nicht explizit als Frage gestellt wurde, schließen wir aus einer hohen Anzahl von Antworten auf die offenen Fragen, dass diese Studierenden bereits vor dem Medizinstudium im medizinischen (oder naturwissenschaftlichen) Bereich ausgebildet wurden. Daher spekulieren wir, dass es einen Zusammenhang zwischen bereits vorhandenen Erfahrungen im klinischen Arbeitsfeld und der Erwähnung von „Hierarchie“ gibt. Lind et al. [33] identifizierten festgefahrene Hierarchien und Machtunterschiede als Schlüsselfaktoren, die zur wahrgenommenen schlechten Behandlung der Studierenden während des Medizinstudiums beitragen. Die Position der Studierenden im klinischen Umfeld ist oft schwach, weil sie nicht in der Lage sind Entscheidungen zu treffen oder die erforderlichen Tätigkeiten in der Patientenversorgung durchzuführen. Dies kann zu Demotivation führen („Ich fühle mich nicht wie ein wichtiger Teil des klinischen Teams“ [34]) und kann als suboptimale Lernumgebung definiert werden [33].

Suboptimale Lernumgebungen wie „erheblicher Mangel an vertraulichem und nicht strafendem Feedback von Fakultätsmitgliedern nach geringfügigen Fehlern“ können schließlich zu einer Verringerung der Patientensicherheit führen, weil die wichtige Speak-up Kultur nicht erlernt worden ist [33], [35].

Interessanterweise wurde die Erfahrung, sich nützlich zu fühlen und zur Gemeinschaft der Beschäftigten im Gesundheitswesen zu gehören, von solchen Medizinstudierenden positiv berichtet, die während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 freiwillig im Krankenhaus arbeiteten [36], [37].

Einige Frauen äußern sich besorgt über eine mögliche geschlechtsspezifische Diskriminierung in ihrem zukünftigen Arbeitsleben.

Während des Medizinstudiums gibt es bereits eine hohe Anzahl von Wahrnehmungen der Studierenden von schlechten Behandlungen, die je nach Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit signifikant variieren [38]. Hinzu kommt eine hohe Variabilität in dieser Wahrnehmung innerhalb der Fachabteilungen: Der Gesamtumgang in der Allgemeinmedizin war signifikant besser als in allen anderen Fachbereichen. In der Pädiatrie fühlen sich Frauen besser behandelt als Männer, wohingegen in der Chirurgie Frauen einen ungünstigen Umgang berichteten.

Dies kann nicht nur einen Einfluss auf das Lernen während des Medizinstudiums haben, sondern auch auf die Wahl der Fachrichtung in späteren Jahren. Das berichtete Auftreten schlechter Behandlungen nahm mit der Anzahl der Studienjahre zu [7], [34] und die Frauen waren durch diesen Umgang schwerwiegender und längerfristig beeinträchtigt. Vergleicht man die verschiedenen Fakultäten, so waren diese schlechten Behandlungen interessanterweise vor allem in den Fakultäten der Medizin und Erziehungswissenschaften vorhanden [34] – in beiden Berufsfeldern sind die meisten Studierenden weiblich. Für die Entwicklung einer professionellen Arzt-Patienten-Behandlung könnte es wichtig sein, welche Atmosphäre die angehenden Ärzte selbst erlebt haben.

Persönliche Entwicklung

Andere Befunde [7], [39] verdeutlichen, dass das Medizinstudium eine starke sozialisierende Erfahrung darstellt. „Die Unterrichtsatmosphäre ... ist nicht nur für das Lernen wichtig, sondern auch für den Aufbau einer positiven Einstellung gegenüber der Identität der eigenen Berufstätigen ...“ [34]. Die Mehrheit unserer Studierenden erwartet, selbstbewusster mit mehr Empathie und Teamfähigkeit, geduldiger und stressresistenter in täglichen Herausforderungen zu werden. Diese Hoffnungen bestätigen die Ergebnisse von Gasiorowski [7], die positive Veränderungen in Form von verbesserter Reife und Selbstvertrauen bei Medizinstudierenden im letzten Jahr feststellte. .. „die sich auf die Berufspraxis künftiger Ärztinnen und Ärzte auswirken dürften.“ [7]. Dies scheint auch für andere Gesundheitsberufe wie die Ergotherapie zu gelten: eine Reihe von externen (z. B. klinische Erfahrungen, Beziehungen zu Gleichaltrigen, Personal und Patienten) und interne Aspekte (wie z. B. bestimmte persönliche Merkmale) wurden ermittelt, die die wichtige Grundlage des beruflichen Vertrauens während der Studienzeit beeinflussen [40].

Der Start ins Berufsleben könnte die Persönlichkeitsreifung fördern, da bei jungen Erwachsenen vermehrte Gewissenhaftigkeit, Extraversion und Verträglichkeit festgestellt wurde [41].

Asselmann et al. [41] spekulierten, dass subjektive Wahrnehmungen der neuen Rolle zu einem erhöhten persönlichen Engagement und schließlich zu einem höheren Engagement für die neue soziale Rolle führen. Dies „... könnte von Anpassungsprozessen hin zu einem „reiferen“ Verhalten führen ...“ [41] und führt zu der oben erwähnten Steigerung der Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit. Dies passt zu den Erkenntnissen von Picton [6]: Medizinstudierenden im fünften Jahr erwarteten eine weniger arbeitslastige Balance als die Medizinstudierenden im 3. Jahr.

Picton vermutet, dass dies auf ein verbessertes Rollenverständnis der reiferen Studierenden zurückzuführen sein könnte. Es könnte aber auch an der emotionalen Distanzierung von der Arbeit als innerer Akt des Selbstschutzes liegen [42].

An dieser Stelle ist es interessant die Erfahrungen derjenigen Medizinstudierenden zu beobachten, die sich während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie freiwillig gemeldet haben, um im Krankenhaus zu helfen: Die Studierenden hatten in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung profitiert. Sie berichteten von einem überwiegend positiven

Einfluss auf ihre berufliche Identifikation und fühlen sich in ihrer Berufswahl bestätigt [36], [37]. Es ist möglich, dass dies auf verschiedene komplementäre Faktoren zurückzuführen ist:

Wundrack et al. [12] untersuchten den Einfluss von persönlichen versus kollektiven Lebensereignissen auf die Persönlichkeitsentwicklung: „... Persönliche Lebensereignisse implizieren in der Regel die Anpassung einer neuen sozialen Rolle, während kollektive Lebensereignisse auch die Anforderungen bestehender sozialer Rollen verändern können, indem sie die sozialen Praktiken und ihre Bedeutungen um sie herum ändern (=Kultur).“ [12]. Zusammenfassend würde dies erklären, warum die Studierenden ihre Position im klinischen Setting nicht mehr wie bereits erwähnt als "schwach" erlebten: Kultureller Wandel in den klinischen Teams (getrieben durch das kollektive Lebensereignis COVID-19-Pandemie) zusammen mit der Forderung, eine neue soziale Rolle als echtes Teammitglied einzunehmen, (basierend auf dem persönlichen Lebensereignis „Volunteering“) ermöglicht die berichtete persönliche Reifung.

Diese Annahme wird durch eine kulturübergreifende Untersuchung junger Erwachsener aus 62 Nationen unterstrichen, die signifikante kulturelle Unterschiede hinsichtlich des Zeitpunkts der Persönlichkeitsreifung aufzeigte [42], [43]. „In Übereinstimmung mit der Theorie der sozialen Investitionen zeigten die Ergebnisse, dass Kulturen mit einem früheren Beginn der Verantwortung für die Rolle der Erwachsenen durch eine frühere Persönlichkeitsreifung gekennzeichnet waren.“ [43].


Grenzen der Studie

Unsere Studie weist einige Einschränkungen auf: Die mittlere Rücklaufquote von 22,6% ist niedrig und schwankte zwischen den drei Jahren enorm (SD 6,2). Die deutlich höchste Rücklaufquote im Jahr 2020 (30,7%) dürfte darauf zurückzuführen sein, dass diese Studienanfängerinnen und Studienanfänger zu diesem Zeitpunkt mit dem Medizinstudium begonnen haben, in dem die Lehre zu 100%-Online-Unterricht verschoben wurde.

In unserer Studie wurden ausschließlich offene Fragen verwendet. Es ist möglich, dass dies zu der niedrigen Rücklaufquote beiträgt, wenn man bedenkt, wie lange die Beantwortung im Vergleich zu vorgegebenen Antworten dauert. Da der Vergleich demografischer Merkmale eine Überrepräsentation von weiblichen Studierenden zeigte, könnte es eine geschlechtsspezifische Verzerrung in den Antworten geben. Aus den Antworten auf Frage 5 geht hervor, dass unsere Formulierung in Frage 5 wahrscheinlich nicht präzise genug ist: Hier beschäftigen sich viele Antworten nur mit dem „Privatleben“ und achten nicht besonders auf die persönliche Entwicklung. Unsere Studie wurde an einer deutschen Universität durchgeführt und unsere Daten lassen sich nicht auf die Erfahrungen von Studierenden an anderen deutschen Universitäten verallgemeinern. Erste Daten aus anderen europäischen Ländern berichteten jedoch über ähnliche Hauptthemen für die ersten vier Fragen [44].


Schlussfolgerung

Unser Bericht liefert interessante Daten zu den Erwartungen und Ängsten von Münchner Medizinstudierenden im ersten Studienjahr. Erste Erkenntnisse zu kontextuellen Einflüssen wurden identifiziert und werden in den folgenden Kohorten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Verbesserung der Lehrpläne und der Studierendenberatungen weiter untersucht. Einige kritische Aspekte könnten in einem anderen Licht gesehen werden, wenn man die vielfältigen positiven Erfahrungen aus dem ehrenamtlichen Engagement während der ersten Welle der Pandemie betrachtet. Daraus könnte der Rat an medizinische Lehrende abgeleitet werden, mehr „Service-Learning-ähnliche Interventionen“ in die Curricula der medizinischen Fakultäten zu integrieren.

Die angehenden Ärztinnen und Ärzte betonen den geschlechtsneutralen Wunsch nach Work-Life-Balance. Dies wird eine Herausforderung für die Personalplanung im Gesundheitswesen sein. Wir sind gespannt, wie sich die genannten Zukunftsaspekte „KI“, „Arbeitsbedingungen“ und „Verbesserung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Pandemie“ in den nächsten Jahren bzw. den nächsten Jahrgängen entwickeln.


Ethische Genehmigung

Die Genehmigung für die Studie wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität München eingeholt (Bewilligung Nr. 439/19s). Die Umfrage war anonym und freiwillig, und alle Teilnehmer gaben ihre Zustimmung gemäß der Deklaration von Helsinki. Alle Studierenden erhielten Informationen über Art, Zweck und Ablauf der Umfrage und ihr Recht, ihre Einwilligung jederzeit zu verweigern oder zu widerrufen.


Danksagung

Wir danken den Studentinnen Dorine Hamann und Elena Pepeldjiyska (LMU München) für die Datenerhebung und die Primärkodierung. Wir danken Michael Meyer, Studiendekan der Medizinischen Fakultät der LMU München, für die Unterstützung.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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