gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Vorteile von Lernzielen und des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin

Leitartikel Lernziele

Suche in Medline nach

  • corresponding author Marjo Wijnen-Meijer - Technische Universität München, Fakultät für Medizin, Klinikum Rechts der Isar, TUM Medical Education Center, Lehrstuhl für Medizindidaktik, medizinische Lehrentwicklung und Bildungsforschung, München, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(5):Doc65

doi: 10.3205/zma001647, urn:nbn:de:0183-zma0016472

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001647.shtml

Eingereicht: 13. August 2023
Überarbeitet: 13. August 2023
Angenommen: 13. August 2023
Veröffentlicht: 15. September 2023

© 2023 Wijnen-Meijer.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Leitartikel

In Deutschland ist die Verbesserung der medizinischen Ausbildung die Grundlage für die Sicherstellung eines hohen Niveaus der Gesundheitsversorgung. Die Ausbildung der Ärzte wird staatlich geregelt. Rechtsgrundlage ist die Ärztliche Approbationsordnung [1]. Der im Jahr 2021 veröffentlichte Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin 2.0 (NKLM) legt einen besonderen Fokus auf die Arzt-Patienten-Kommunikation und wird für alle deutschen medizinischen Fakultäten verpflichtend sein [2]. Dieser soll somit unter anderem dazu dienen, die Gesundheitsversorgung zu verbessern und mit Inkrafttreten der neuen Ärztlichen Approbationsordnung das Kerncurriculum definieren [1], [3].

Lernziele stellen einen ersten Schritt zur weiteren Verbesserung der medizinischen Ausbildung dar. Trotz der im Rahmen dessen obligatorischen Spezifikationen, vor allem im Hinblick auf neue Lernstandards, können Lehrinhalte weiterhin im Ermessen der Fakultäten im Curriculum verbleiben. Der NKLM 2.0 wird somit zur Grundlage für die Verbesserung der Bildungsstandards, um einen Beitrag zur Lehrplanentwicklung zu leisten [1]. Der Grundgedanke besteht darin, die Patientensicherheit zu erhöhen und alle Verantwortungsbereiche abzudecken, die erforderlich sind, um zukünftige Medizin*innen für die praktische Tätigkeit bestmöglich auszubilden [4]. Dabei spielen viele Faktoren eine essentielle Rolle - Grundlagenforschung, ethische Grundsätze und Kompetenzen in den Bereichen fachliches Wissen, Empathie, Kommunikations- und Reflexionsfähigkeiten sowie praktische Fähigkeiten werden dabei einbezogen [5]. Allerdings gibt es hinsichtlich der Lerninhalte noch Raum für Weiterentwicklung, so dass sowohl fakultätsinterne als auch fakultätsübergreifende Diskussionen des Lehrplans sinnvoll sein werden [1]. Ein wesentlicher Bestandteil des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin 2.0 ist die Gewährleistung einer Verknüpfung von Theorie und Praxis sowie die Beschreibung aller Kompetenzen, über die Medizinstudierende am Ende ihres Studiums verfügen müssen [6]. Daher kann dieser als Leitfaden unter anderem für die inter- und multiprofessionelle Lehre im Medizinstudium dienen.

Die vom Medizinischen Fakultätentag und der Bundesärztekammer festgelegten Lernziele fokussieren auf den Zweck der medizinischen Ausbildung, um die Lernerfahrung für Studierende und den gesamten akademischen Bereich zu verbessern und die Vergleichbarkeit der Ausbildungsqualität als Vorbereitung auf einen herausragenden medizinischen Studienabschluss zu gewährleisten [5]. Seit den 1960er Jahren ist ein Rückgang der Kompetenzen bei der körperlichen Untersuchung zu verzeichnen [7]. Für den Arztberuf von morgen sind neue, moderne und zukunftsweisende Ausbildungsstrategien gefragt. Daher ist es am wichtigsten, die Kompetenzen der jungen Ärzt*innen zu ermitteln und sicherzustellen, dass das Curriculum eine umfassende und standardisierte medizinische Ausbildung mit einer strukturierten Gliederung der Lernziele schafft [8]. So werden kompetenzbasierte medizinische Ausbildungsformate Teil des Medizinstudiums und neue Prüfungsformate werden die bisherigen Multiple-Choice-Fragen ersetzen [3]. Dozent*innen sollten Lernziele als Grundlage für Lehreinheiten nutzen, um den Lernerfolg der Studierenden zu fördern [9]. Die Konsequenz sollte also sein, dass ein Zusammenhang zwischen Gelehrtem, Gelerntem und Abgefragtem gewährleistet wird, was als Constructive Alignment in der Literatur bezeichnet wird. Darüber hinaus sollen die erworbenen Kompetenzen der Studierenden nach Abschluss einer Lehreinheit im Vorfeld festgelegt werden [10]. Für den Lernprozess sind interaktive Lernstrategien wichtig, um die gewünschten Ergebnisse zu verbessern sowie medizinische Fehler und/oder unerwünschte Ereignisse aufzudecken [11]. Lernziele dienen dazu, die Vorlesungen rational und wissenschaftlich zu gestalten und Lehrpläne und entsprechende Prüfungen zu erstellen [12]. Darüber hinaus sollen sie eine Grundlage für ein Modul schaffen [9]. Es wird empfohlen, die Lernziele spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert (SMART) zu formulieren. Außerdem gilt es als ratsam, die Blooms Taxonomie, ein Klassifikationssystem nach Benjamin Bloom, anzuwenden [13]. Dieses besteht aus sechs Stufen und wird üblicherweise als Pyramide dargestellt. Die seit 2001 geltende überarbeitete Version beschreibt die Aktivitäten der sechs kognitiven Fähigkeiten: erinnern, verstehen, anwenden, analysieren, bewerten und erstellen. Die Basis all dieser Prozesse ist fundiertes Wissen [14].

Lernziele definieren das gewünschte Lernergebnis, eine fokussierte Denkweise und wie nachhaltiges Wissen generiert werden kann. Lernziele werden von Studierenden, Dozierenden, Akkreditierungsstellen und Fakultäten verwendet und bei der Planung von Curricula eingesetzt [15].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lernziele sowohl für Studierende als auch für Dozierende als Wegweiser dienen. Darüber hinaus fördern sie strukturierte Lehrstrategien und systematisches Lernen, außerdem werden unerwünschte Redundanzen im Lehrplan vermieden und somit die Qualität in der Lehre erhöht. Auch die Transparenz in der medizinischen Ausbildung kann durch strukturierte Vorlesungen für Studierende und auch für Dozierende gewährleistet werden. Die eindeutige Formulierung von angemessenen kompetenzorientierten Prüfungsfragen wird dadurch sichergestellt. Die Erhöhung der Lehrqualität kann somit einen wertvollen Beitrag zur Professionalisierung innerhalb eines interdisziplinären Kontextes leisten [6].

Lernziele spielen in vielen Artikeln dieser Ausgabe eine implizite oder explizite Rolle. Bei der Entwicklung und Evaluierung neuer Lehrformate ist der Ausgangspunkt, was die Studierenden in dem jeweiligen Kurs lernen sollen. Das Planspiel von Götz zur Vermittlung medizinsoziologischer Themen ist ein hervorragendes Beispiel [16]. Darici et al. beschreiben, wie Eye-Tracking die visuelle Kompetenz der Studierenden in einem Online-Kurs für Histologie entwickelt [17]. Der Artikel von Besse et al. beschreibt auch, inwieweit die Studierenden die Lernziele erreichen – in diesem Fall in Bezug auf das Thema der Transidentität [18]. Andere Artikel untersuchen die Auswirkungen verschiedener Lehrformate auf das Erreichen der Lernziele. Beispiele hierfür sind der Artikel von Awad et al. der kommerzielle synthetische Hautsubstitute für chirurgische Simulationstrainings vergleicht, und Weigel et al. die beschreiben, ob Studierende in Tablet-basierten oder präsentationsbasierten Seminaren mehr Wissen über Radiologie erwerben [19], [20].


Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Plange N, Feltgen N; Arbeitsgemeinschaft Lehre. Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin NKLM 2.0 – Auswirkungen auf die Lehre in der Augenheilkunde [The “Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin NKLM 2.0”—Implications for medical education in ophthalmology]. Ophthalmologie. 2023;120(5):520-528. DOI: 10.1007/s00347-022-01753-w Externer Link
2.
Foadi N, Koop C, Mikuteit M, Paulmann V, Steffens S, Behrends M. Defining Learning Outcomes as a Prerequisite of Implementing a Longitudinal and Transdisciplinary Curriculum with Regard to Digital Competencies at Hannover Medical School. J Med Educ Curric Dev. 2021;8:23821205211028347. DOI: 10.1177/23821205211028347 Externer Link
3.
Recker F, Dohmen S, Riedel F, Egger E, Weiss M, Stope M, Mustea A. Implementierung kompetenzbasierter Lehre und Prüfungen in die Frauenheilkunde im Rahmen der neuen ärztlichen Approbationsordnung [Implementation of competence-based teaching and examinations in gynecology and obstetrics within the framework of the new 2020 Medical Licensing Regulation]. Gynäkologe. 2021;54:515-520. DOI: 10.1007/s00129-021-04813-5 Externer Link
4.
Sterzn J, Adili F, Bender M. Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Chirurgie – allgemeiner Teil mit fachbezogenen ärztlichen Handlungskompetenzen am Ende des Praktischen Jahres [National Learning Objectives Catalogue in Surgery – General Part Defining Competences of Medical School Graduates in Surgery]. Zentralbl Chir. 2019;144(6):573-579. DOI: 10.1055/a-1033-7769 Externer Link
5.
Frosch M. 83. Ordentlicher Medizinischer Fakultätentag. Berlin: MFT Medizinischer Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland e. V.; 2022.
6.
Neuber K, Weidtmann K, Coors E, Harendza S. Die neue Approbationsordnung für Arzte: Das Hamburger Konzept im Fach Dermatologie und Venerologie [The new German educational law for medical schools: the Hamburg concept in dermatology and venereology]. J Dtsch Dermatol Ges. 2006;4(3):198-204. DOI: 10.1111/j.1610-0387.2006.05924.x Externer Link
7.
Gelfman DM. Changing the Learning Objectives for Teaching Physical Examination at the Medical School Level. Am J Med. 2020;133(3):e77-e78. DOI: 10.1016/j.amjmed.2019.07.055 Externer Link
8.
Singler K, Stuck A, Masud T, Goeldlin A, Roller RE. Lernzielkatalog für die studentische Lehre im Fachbereich „Geriatrie“ an Fakultäten für Humanmedizin. Eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG), der deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG), der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG) und der Schweizerischen Fachgesellschaft für Geriatrie (SFGG) auf Basis der Empfehlungen der Europäischen Facharztvereinigung-Sektion Geriatrie (UEMS-GMS) 2013 [Catalogue of learning goals for pregraduate education in geriatric medicine. A recommendation of the German Geriatric Society (DGG), the German Society of Gerontology and Geriatrics (DGGG), the Austrian Society of Geriatrics and Gerontology (ÖGGG) and the Swiss Society of Geriatric Medicine (SFGG) on the basis of recommendations of the European Union of Medical Specialists Geriatric Medicine Section (UEMS-GMS) 2013]. Z Gerontol Geriat. 2014;47(7):570-576. DOI: 10.1007/s00391-014-0809-4 Externer Link
9.
Orr RB, Csikari MM, Freeman S, Rodriguez MC. Writing and Using Learning Objectives. CBE Life Sci Educ. 2022;21(3):fe3. DOI: 10.1187/cbe.22-04-0073 Externer Link
10.
Bloch RF, Bürgi H. The Swiss Catalogue of Learning Objectives. Med Teach. 2002;24(2):144-150. DOI: 10.1080/01421590220120759 Externer Link
11.
Thompson DA, Cowan J, Holzmueller C, Wu AW, Bass E, Pronovost P. Planning and implementing a systems-based patient safety curriculum in medical education. Am J Med Qual. 2008;23(4):271-278. DOI: 10.1177/1062860608317763 Externer Link
12.
Ochsendorf F, Bandholz T, Emmert S, Hartmann K, Hartmann M, Hornung T, Jünger M, Kollewe T, Löser C, Moll I, Psotta-Schachtner C, Sponraft-Ragaller P, Ständer S, von Stebut-Borschlitz E, Hamm H. 111 Top-Lernziele Dermatologie: Lernzielkatalog für Haut- und Geschlechtskrankheiten der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. J Dtsch Dermatol Ges. 2016;14(6):637-643. DOI: 10.1111/ddg.13044 Externer Link
13.
Chatterjee D, Corral J. How to Write Well-Defined Learning Objectives. J Educ Perioper Med. 2017;19(4):E610.
14.
Armstrong P. Blooms Taxonomie. Nashville (TN): Vanderbilt University, Center for Teaching; 2010. Zugänglich unter/available from: https://cft.vanderbilt.edu/guides-sub-pages/blooms-taxonomy/ Externer Link
15.
Mitchell K, Manzo W. The Purpose and Perception of Learning Objectives. J Polit Sci Educn. 2018;14(4):456-472. DOI: 10.1080/15512169.2018.1433542 Externer Link
16.
Götz K. Explaining the health system in a practical way - the use of a simulation game in medical sociology teaching. GMS J Med Educ. 2023;40(5):Doc57. DOI: 10.3205/zma001639 Externer Link
17.
Darici D, Reissner C, Missler M. Webcam-based eye-tracking to measure visual expertise of medical students during online histology training. GMS J Med Educ. 2023;40(5):Doc60. DOI: 10.3205/zma001642 Externer Link
18.
Besse M, Signerski-Krieger J, Engelmann H, Fink N, Methfessel I, Belz M. Community-supported teaching on the topic of transgender identity in undergraduate medical education – a pilot project. GMS J Med Educ. 2023;40(5):Doc58. DOI: 10.3205/zma001640 Externer Link
19.
Awad L, Langridge BJ, Jeon FH, Bollen E, Butler PE. A comparison of commercially available synthetic skin substitutes for surgical simulation training. GMS J Med Educ. 2023;40(5):Doc62. DOI: 10.3205/zma001644 Externer Link
20.
Weigel, S, Backhaus J, Grunz JP, Kunz AS, Bley TA, König S. Tablet-based versus presentation-based seminars in radiology: effect of students digital affinity and teacher charisma on didactic quality. GMS J Med Educ. 2023;40(5):Doc59. DOI: 10.3205/zma001641 Externer Link