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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Wir können auch Online – Evaluation der digitalen PJ-Begleitseminare im Wahlfach Allgemeinmedizin an der Ruhr-Universität Bochum

Kurzbeitrag Praktisches Jahr: Allgemeinmedizin

  • corresponding author Irmgard Streitlein-Böhme - Ruhr-Universität Bochum, Med. Fakultät, Abteilung für Allgemeinmedizin, Bochum, Deutschland
  • author Barbara Woestmann - Ruhr-Universität Bochum, Med. Fakultät, Abteilung für Allgemeinmedizin, Bochum, Deutschland
  • author Horst Christian Vollmar - Ruhr-Universität Bochum, Med. Fakultät, Abteilung für Allgemeinmedizin, Bochum, Deutschland
  • author Klaus Böhme - Ruhr-Universität Bochum, Med. Fakultät, Abteilung für Allgemeinmedizin, Bochum, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(4):Doc73

doi: 10.3205/zma001469, urn:nbn:de:0183-zma0014691

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001469.shtml

Eingereicht: 13. August 2020
Überarbeitet: 22. Oktober 2020
Angenommen: 1. Februar 2021
Veröffentlicht: 15. April 2021

© 2021 Streitlein-Böhme et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Durch den coronabedingten Lockdown mussten die PJ-Seminare im Rahmen des Wahlfaches Allgemeinmedizin an der Ruhr-Universität Bochum kurzfristig über eine digitale Plattform in entsprechende Online-Lehrformate überführt werden. Am Ende wurde diese insgesamt 16 Unterrichteinheiten (UE) umfassende Online-Veranstaltung von den im PJ-Tertial befindlichen 4 Studierenden evaluiert.

Methode: Die jeweils 4 UE umfassenden Seminare fanden im Online-Format in Form von Blended-Learning-Einheiten sowie reinen Online-Präsenzveranstaltungen durchgeführt. Nach Abschluss des Seminarprogramms erfolgte durch die 4 Teilnehmer*innen (TN) des PJ-Tertials eine schriftliche Evaluation mit Fragen zur Umsetzung der digitalen Lehre, zur Qualität der Lehrinhalte sowie zu Akzeptanz und zu Vor- und Nachteilen des Lehrformates.

Ergebnisse: Die Akzeptanz der digitalen Lehre war bei den Studierenden sehr hoch. Es zeigten sich Vor- und Nachteile dieses Lehrformates gegenüber den bisherigen Präsenzveranstaltungen, wobei aber eine positive Bewertung der Möglichkeiten des Online-Formates deutlich überwog, da auch kompetenzorientierte, interaktive Aspekte sehr gut umgesetzt werden konnten.

Schlussfolgerung: Durch die Notwendigkeit auf digitale Lehrformate umzustellen, haben sich für die PJ-Lehre am Standort Bochum sowie für den weiter entfernten Zweitstandort Ostwestfalen-Lippe neue, innovative Perspektiven ergeben. Dies gilt besonders auch im Hinblick auf zentrale Seminarangebote trotz dezentraler Ausbildungsstätten. Dadurch ergibt sich für die Allgemeinmedizin die Möglichkeit, bei der Umsetzung einer neuen Ärztlichen Approbationsordnung auch bundesweit PJ-Praxen in die Ausbildung mit einzubinden.

Schlüsselwörter: Digitale Lehre, Praktisches Jahr, Wahlfach Allgemeinmedizin, Seminarprogramm


Einleitung

Wurden die PJ-Seminare im Rahmen des Wahlfaches Allgemeinmedizin in Bochum bisher für Studierende des jeweiligen Tertials in vierwöchigen Abständen am Campus durchgeführt, mussten diese für das 2. Tertial der November-Kohorte 2019/20 nach dem Corona-Lockdown im März 2020 [https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=18406] kurzfristig über eine digitale Plattform auf ein Online-Veranstaltungsformat umgestellt werden.


Projektbeschreibung

Zwischen April und Juni 2020 wurden insgesamt vier Seminare von jeweils 4 Unterrichtseinheiten (UE) in Online-Präsenz durchgeführt, die sich an den bisherigen Präsenzveranstaltungen orientierten:

  • zwei Fallseminare zu häufigen chronischen Erkrankungen und typischen akuten Beratungsanlässen in der Allgemeinmedizin;
  • ein Seminar zur Übung von EKG-Auswertungen sowie zur Blickdiagnostik dermatologischer Krankheitsbilder in der hausärztlichen Praxis;
  • ein Seminar zu Verletzungen in der Hausarztpraxis und Probeprüfungen zur Vorbereitung auf die M3-Prüfung.

Die Studierenden erhielten vor den Veranstaltungen Vorbereitungsaufgaben in Form von Patientenfällen oder sonstigen Materialien (z. B. EKG-Ausdrucke). Neben diesem Blended-Learning-Format wurden auch während des Seminars Materialien zur gemeinsamen Bearbeitung und anschließenden Vorstellung ausgegeben. Nach Abschluss aller Seminare wurden die Studierenden (N=4) zu den digitalen Lehrveranstaltungen befragt. Dazu erhielten sie einen 29 Items umfassenden Fragebogen zur digitalen Lehre und zur Qualität der einzelnen Lehrinhalte. Außerdem wurden Freitextfragen gestellt, die sich darauf bezogen, was den Studierenden besonders gefallen hat, welche Optimierungsbereiche und welche Vor- und Nachteile des digitalen Lehrangebotes gesehen wurden. Für die Fragen zur digitalen Lehre fand ein an der Medizinischen Fakultät Freiburg entwickelter und bereits in einem Pilotprojekt erprobter, allerdings noch unveröffentlichter Fragebogen Verwendung.


Ergebnisse

Die Befragung zur digitalen Lehre (z.B. Die digitalen Lerninhalte haben mein Verständnis für das Thema gefördert/Der Aufbau der digitalen Lerninhalte war für mich gut nachvollziehbar) und zur Qualität der Lehrinhalte erbrachte gute bis sehr gute Beurteilungen. Auf eine differenzierte Darstellung wird wegen der stark eingeschränkten Aussagekraft bei 4 TN verzichtet.

Die Freitextkommentare ergaben auszugsweise folgende Antworten:

Was hat mir besonders gefallen?

  • „Die Seminare waren immer interaktiv aufgebaut und kein Frontalvortrag. Dadurch hatte man auch von Zuhause, obwohl man allein vor dem PC saß, das Gefühl, in der Gruppe zu lernen. Auch die eingeschobenen Gruppenarbeiten fand ich gut.“
  • „EKG- und Dermatologie-Übungen haben mir besonders gut gefallen.“
  • „Ebenfalls fand ich es auch gut, dass wir trotz des Settings über Untersuchungsmethoden gesprochen haben und uns z. B. bei dem Fall zum unspezifischen Kreuzschmerz ein Video angesehen haben.“
  • „Insgesamt fand ich es sehr gut, dass es möglich war, „trotz Corona“ so eine umfassende und gut strukturierte Seminarreihe anzubieten und diese nicht, wie in manchen Krankenhäusern, einfach ausgefallen ist. Denn mir persönlich hat eine gewisse theoretische Begleitung/Nachbereitung im PJ sehr geholfen. Dabei hat mir aber auch gerade gut gefallen, dass es nicht zu viel Theorie war.“

Als Vorteil der digitalen Lehre wurde vor allem die Verkürzung des Zeitaufwandes aufgrund wegfallender mehrstündiger Wegzeiten zur Uni gesehen. Als Nachteile wurden genannt:

  • „Das Lernen gemeinsam im Präsenzunterricht ist schon was Anderes, als wenn man allein vor seinem PC sitzt. Dies ist aber sicher auch eine Gewohnheitssache.“
  • „Wir hätten in einem nicht-digitalen Seminar die Möglichkeit gehabt, Untersuchungstechniken demonstriert zu bekommen und diese dann aneinander üben zu können.“

Diskussion

Diesem Bericht zugrunde liegt zwar eine Vollerhebung der Evaluationen aller TN des PJ-Tertials Allgemeinmedizin von März bis Juli 2020. Wegen der geringen Zahl von Studierenden ist die Aussagekraft allerdings limitiert.

Die digitalen PJ-Seminarveranstaltungen zeigten eine hohe Akzeptanz bei Studierenden, wie auch schon Kuhn et al. 2018 ausführten [1], wobei sowohl Vor- als auch Nachteile gesehen wurden. Die Vorteile lagen eindeutig in der Flexibilität und Zeitersparnis durch ein Treffen im digitalen Raum. Als Nachteil wurde angesehen, dass Untersuchungstechniken nicht in Präsenz geübt bzw. professionalisiert werden konnten.

Die gemeinsame Erkenntnis war, dass man eine Vielzahl von Seminarinhalten ebenso gut online unterrichten kann wie in einer Präsenzveranstaltung, das gilt vor allem für EKG-Auswertungen und dermatologische Krankheitsbilder. Es besteht die Möglichkeit, Bild- und Filmmaterialien einzusetzen, an denen Gesprächsführungstechniken reflektiert oder Fallbesprechungen durchgeführt werden können. So sind Frontalunterricht wie interaktive Lehrformate in Kleingruppen nebeneinander möglich. Gerade Gruppenarbeiten sind mit den digitalen Medien leicht durchführbar und zu „Coronazeiten“ eine äußerst sinnvolle Alternative zu Kleingruppenarbeiten in Präsenz. Auch ist die Durchführung von Probeprüfungen in kompetenzbasierter Form hervorragend mit diesen Medien umzusetzen.


Schlussfolgerung

Im Hinblick auf die Durchführung des PJ-Wahlfaches Allgemeinmedizin in unserem weiter entfernten Zweitstandort Ostwestfalen-Lippe sowie anderen sehr dezentralen PJ-Lehrpraxen ergeben sich neue, interessante Perspektiven in Bezug auf ein digitales Seminarangebot für PJ-Studierende. Dies gilt besonders auch im Hinblick auf die Umsetzung der neuen ÄApprO [2], wäre doch eine flexiblere bundesweite PJ-Praxenwahl bei gleichzeitiger Seminaranbindung an den eigenen Standort möglich und damit verbunden die fakultätsspezifische Vorbereitung auf die abschließende M3-Prüfung. Sollte die M3-Prüfung im Fach Allgemeinmedizin verpflichtend werden, könnten auch die Studierenden, die kein PJ-Quartal in der Allgemeinmedizin absolvieren wollen, mittels digitaler Lernangebote eine gute Vorbereitung auf die abschließende M3-Prüfung erfahren.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Kuhn S, Frankenhauser S, Tolks D. Digitale Lehr- und Lernangebote in der medizinischen Ausbildung. Schon am Ziel oder noch am Anfang? Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz. 2018;61(2):201-209. DOI: 10.1007/s00103-017-2673-z Externer Link
2.
Bundesärztekammer. Synopse Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) aktuelle Fassung - Arbeitsentwurf. Berlin: Bundesärztekammer; 2020. Zugänglich unter/available from: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Stellungnahmen/AEApprO_Arbeitsentwurf_SN-BAEK_Synopse_final_24012020.pdf Externer Link