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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Vorbereitung der Medizinstudenten auf den Übergang zur Postgraduatiertenausbildung durch Wahlfächerrotation

Artikel Transition

  • corresponding author W. E. Sjoukje van den Broek - University Medical Center Utrecht, School of Medicine, Utrecht, Niederlande
  • Marjo Wijnen-Meijer - University Medical Center Utrecht, Centre for Research and Development of Education, Utrecht, Niederlande
  • Olle Ten Cate - University Medical Center Utrecht, Centre for Research and Development of Education, Utrecht, Niederlande
  • Marijke van Dijk - University Medical Center Utrecht, School of Medicine, Utrecht, Niederlande

GMS J Med Educ 2017;34(5):Doc65

doi: 10.3205/zma001142, urn:nbn:de:0183-zma0011426

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001142.shtml

Eingereicht: 18. August 2016
Überarbeitet: 20. Februar 2017
Angenommen: 9. Mai 2017
Veröffentlicht: 15. November 2017

© 2017 van den Broek et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Ziele: Dies ist ein Beitrag zu der laufenden Diskussion darüber, wie man den Übergang vom medizinischen Grundstudium zu der weiterführenden Ausbildung erleichtern kann. In den Niederlanden gibt es kein zentrales Matching-System für die Zulassung zur Assistenzzeit. Medizinabsolventen bewerben sich einfach auf dem offenen Stellenmarkt um eine Stelle. Viele entscheiden sich dafür, nach dem Medizinexamen vor der Assistenzzeit allgemeine oder fachspezifische klinische Erfahrungen zu sammeln, Karrieremöglichkeiten näher kennenzulernen und ihre Chancen auf ihr gewünschtes Fachgebiet zu erhöhen. Um die Zeit zwischen dem Grundstudium und dem Beginn der Postgraduatiertenausbildung zu verkürzen, ist das sechste und letzte Jahr der meisten holländischen medizinischen Hochschulen als „Übergangsjahr“ konzipiert. Die Studenten arbeiten mit größerer klinischer Verantwortung in den Kliniken und können in diesem Jahr viele Wahlmöglichkeiten nutzen. Unser Beitrag konzentriert sich auf diese Wahlmöglichkeiten und untersucht, wie die Medizinstudenten die Wahlmöglichkeiten dieses Übergangsjahres nutzen, um sich auf die Postgraduiertenausbildung vorzubereiten.

Methoden: 2012-2013 baten wir alle Studenten einer holländischen medizinischen Hochschule, einen Fragebogen mit folgenden Themen auszufüllen:

1.
das von ihnen gewünschte Fachgebiet zu Beginn des Übergangsjahres,
2.
Wahlfächer, die sie während dieses Jahres wählen und ihre Gründe dafür und
3.
ob die Wahlfächer in dem Übergangsjahr die Überlegungen zu ihrer Laufbahn verändert haben.

Die Antworten des Fragebogens wurden von zwei Forschern kodiert und unter allen Mitgliedern des Forschungsteams diskutiert.

Ergebnisse: Insgesamt haben 235 Studenten (86%) geantwortet. Aus den Antworten bezüglich der Wahlmotivation ging hervor, dass die meisten Wahlfächer aus Karrieregründen gewählt wurden, bzw. um die Chancen auf einen Platz im Assistentenprogramm zu erhöhen. Darüber hinaus waren den Studenten zusätzliche Erfahrungen in Fächern wichtig, die mit ihrem gewünschten Fachgebiet zusammenhängen. Viele Studenten wählen logisch miteinander verbundene Wahlfächer, z.B. die Kombination von Chirurgie und Radiologie. Etwa zwei Drittel der Antwortenden sagten, dass ihre Wahl ihren Wunsch nach einem bestimmten Fachgebiet bestätigt oder ihnen einen klareren Einblick verschafft habe.

Schluss: Wir schließen daraus, dass die Studenten die Wahlfächer des Übergangsjahres dazu nutzen, sich auf ihre Postgraduatiertenausbildung zu konzentrieren, d.h. sich zu orientieren und ihr Curriculum an ihr gewünschtes Fachgebiet anzupassen, woraus sich eine spontane frühe Spezialisierung ergibt. Um diese Tendenz zu nutzen und sicherzustellen, dass die Studenten ihre Erfahrungen auf andere Fächer übertragen können, wenn sich ihre Laufbahnwünsche ändern, können individuelle Entrustable Professional Activities (EPAs), die man neben den für alle Medizinstudenten vorgeschriebenen Kern-EPAs wählen kann, zu einem reibungslosen Übergang zu dem gewünschten Fachgebiet verhelfen. Sie müssen genau dokumentiert werden.

Schlüsselwörter: Medizinisches Grundstudium, Weiterführende medizinische Ausbildung


1. Einführung

Die Kontinuität zwischen dem medizinischen Grundstudium und der Facharztausbildung wird immer wichtiger, während die Bedeutung des Abschlusses des Medizinstudiums abnimmt [1]. Deshalb ist es immer wichtiger, die Dynamik der Orientierung und der Vorbereitung auf die Assistenzzeit während des Studiums an der Hochschule zu verstehen. In diesem Zusammenhang könnte das letzte Hochschuljahr von großer Bedeutung sein. Deshalb sind Struktur und Inhalt dieses Jahres und seine Rolle für die Vorbereitung der Studenten auf die Postgraduiertenausbildung ein Thema, das besprochen werden muss [2], [3].

Anders als z.B. in den USA gibt es in den Niederlanden kein nationales Matching-System für die Assistenzzeit-Programme. Medizinabsolventen bewerben sich einfach auf dem offenen Stellenmarkt um eine Stelle. Viele entscheiden sich dafür, allgemeine oder fachspezifische klinische Erfahrungen zu sammeln, bevor sie sich für eine Assistentenstelle bewerben. Oder sie versuchen, eine Promotionsstelle zu bekommen, um ihre Karrierechancen und die Chance der Ausbildung in ihrem Fachgebiet weiter zu erhöhen. 2013 hat eine Untersuchung gezeigt, dass abgesehen von Sonderfällen durchschnittlich 28,5 Monate zwischen dem medizinischen Examen und dem Beginn der Assistenzzeit in den Niederlanden vergehen [4]. Viele sind der Meinung, dass diese Zwischenzeit verkürzt werden muss, um die Ausbildungszeit eines Schülers der Sekundarschule zum Facharzt zu verringern und es Fachärzten zu ermöglichen, länger zu praktizieren. Ein Weg, diese Zwischenzeit zu verkürzen, besteht darin, das Studium an der medizinischen Hochschule besser auf die Facharztausbildung hinzuführen. Das letzte Jahr den meisten medizinischen Hochschulen in den Niederlanden ist seit etwa zehn Jahren als sogenanntes „Übergangsjahr“ konzipiert [5], [6]. In diesem Jahr, das Teil des Grundstudiums ist, arbeiten die Studenten mit größerer klinischer Verantwortung als früher in den Kliniken und haben den Status eines Assistenzarztes am Anfang seiner Ausbildung, dessen Arbeit genau überwacht wird. Durch die wachsende klinische Verantwortung der Studenten werden sie in Bezug auf Wissen und Fertigkeiten besser auf die Assistenzzeit vorbereitet. Eine Fragebogenuntersuchung von Supervisoren der Postgraduatiertenausbildung hat gezeigt, dass Medizinabsolventen mit einem derartigen Curriculum offensichtlich besser befähigt waren, eigenständig zu arbeiten, klinische Probleme zu lösen, ungewöhnliche medizinische Probleme zu behandeln, bei Aufgaben Prioritäten zu setzen, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, zu beurteilen, wann sie die Hilfe ihrer Supervisor benötigen, und ihre Tätigkeiten zu reflektieren [7].

Darüber hinaus bietet das Übergangsjahr viele Wahlmöglichkeiten, die den Studenten die Möglichkeit bieten, tiefgreifendere Erfahrungen zu sammeln, eine Maßnahme, die ebenfalls zur Erleichterung des Übergangs in die Assistenzzeit dient. Während die Studenten Wissen und Fertigkeiten in ihren Interessengebieten sammeln, können die Supervisor sie beobachten und spätere Bewerber für die Facharztausbildung finden [6], [8]. Kürzlich hat die holländische Regierung eine Verkürzung der medizinischen Ausbildung entsprechend den Regelungen der EU gefordert. Eine Änderung wird bereits eingeführt, indem aus dem „Übergangsjahr“ mit seinen Wahlfächern ein „zielgerichtetes Übergangsjahr“ wird. D.h. bei den Studenten liegt der Fokus nun auf einem speziellen Assistenzzeit-Programm. Im Hinblick hierauf bestimmen sie die Rotationen in ihrem Abschlussjahr, die in den meisten Fällen auf ein bestimmtes Fachgebiet ausgerichtet sind. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Jahr können diese jungen Ärzte an einem kürzeren Programm im ersten Assistenzjahr teilnehmen. Der Nutzen dieses Ansatzes muss sich erst zeigen. Im Allgemeinen sehen die Studenten den Vorteil des Übergangsjahres mit den Wahlfächern darin, dass sie ihren individuellen Weg vorbereiten.

Angesichts dieser Entwicklungen des Abschlussjahres des Grundstudiums wollten wir feststellen, ob und welche Fachgebiete von den Studenten gewählt werden, welche Gründe ihrer Wahl zugrundeliegen und wie sich ihre Überlegungen zur Assistenzzeit während des letzten Jahres mit seinen Wahlmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Programm des Übergangsjahres ändern.


2. Methoden

2.1. Zusammenhang: Das Übergangsjahr an der Medizinischen Hochschule Utrecht

Unsere Studie wurde an einer medizinischen Hochschule mit einem Übergangsjahresprogramm durchgeführt, und zwar an der Universität Utrecht. Das Übergangsjahr wurde an dieser medizinischen Hochschule 2004 eingeführt. Die Studenten beginnen das Übergangsjahr mit einem obligatorischen 6wöchigen Kursus über Evidence-based Medicine, medizinischen Professionalismus und Medizinische Ausbildung. Dann wählen die Studenten für 12 Wochen ein klinisches Hauptwahlfach in einer Abteilung ihrer Wahl, ein 12wöchiges Forschungswahlfach in einer Abteilung ihrer Wahl und haben 12 Wochen, die sie nach ihren Wünschen gestalten. Die Reihenfolge ist frei. Die Studenten können diese zusätzlichen 12wöchigen Wahlfächer in einer klinischen, wissenschaftlichen oder anderen Abteilung ihrer Wahl ableisten, oder sie können Medizinische Ausbildung, Gesundheitsmanagement oder medizinische Ethik wählen. Sie können die 12wöchigen Wahlfächer auch in zwei Phasen von sechs Wochen teilen. Die Wahlmöglichkeiten für die 12 Wochen des klinischen Hauptwahlfachs sind begrenzt, denn man will sicherstellen, dass die Studenten breit gefächerte Erfahrungen in klinischen Problemen sammeln. Bei den Abteilungen können die Studenten zwischen Allgemeinmedizin, allgemeiner Innerer Medizin, allgemeiner Chirurgie, Geriatrie, Neurologie, Geburtshilfe, Gynäkologie und Pädiatrie wählen. Ophthalmologie, Innere Medizin und Anästhesiologie können nicht als klinische Hauptwahlfächer gewählt werden, sind aber als Abteilungen für zusätzliche Forschung oder klinisches Wahlfach in den 12 Wochen zugelassen, die die Studenten frei ausfüllen können.

2.2. Teilnehmer und Instrument

Wir haben alle 274 Studenten, die zwischen Juli 2012 und Juli 2013 den Abschluss an der medizinischen Hochschule der Universität Utrecht gemacht haben, zur Teilnahme aufgefordert. Alle Studenten haben freiwillig teilgenommen und eine informelle Einverständniserklärung unterschrieben. Die ethische Genehmigung für diese Studie haben wir vom Netherlands Association for Medical Education NVMO Ethical Review Board erhalten. Zur Zeit der Abschlussprüfung wurden alle Teilnehmer gebeten, einen Fragebogen mit offenen Antworten über ihre bevorzugten Fachgebiete zu Beginn des Übergangsjahres, ihre Auswahl mit Begründung während des Jahres und ob ihre Wunschfächer sich geändert hätten oder nicht, auszufüllen. Wir haben einen Fragebogen in Papierform gewählt, um mehr Antworten zu bekommen. Wir wählen Fragen mit nicht vordefinierten Antworten, um die ganze Bandbreite der Gedanken, die sich die Studenten zu ihrer Auswahl von Fächern machen, untersuchen zu können.

2.3. Datenanalyse

Jeder Bereich, aus dem die Studenten wählen konnten, bekam einen Code, ebenso die Wahlfächer in anderen Bereichen, wie z.B. die Rotation einer Medizinische Ausbildung oder Medizinethik. Nach einer Diskussion des gesamten Forschungsteams haben wir manche Fachgebiete wie z.B. chirurgische Teilfachgebiete unter „Chirurgie“ und Teilfachgebiete der Inneren Medizin unter „Innere Medizin“ eingruppiert. Für unsere Datenanalyse und für die Aufstellung des Zusammentreffens von Wahlfächern in von den Antwortenden ausgewählten Schienen haben wir Dedoose® Version 6.1.18 benutzt.

Da Antworten zur Motivation der Auswahl und ob sich das Wunschfach während des Übergangjahres geändert hatte subjektiver interpretiert werden konnten, erforderte das Kodieren dieser Antworten fünf aufeinander folgende Schritte. Mit Schritt eins wurden die Daten von drei Forschern geprüft und kennengelernt (MWM, MD und SB). Mit Schritt 2 wurden Themen durch offenes Kodieren identifiziert, um einen Code-Rahmen zu erstellen, der von MWM, MD und SB besprochen wurde. Mit Schritt 3 wurde das Kodieren eines Teils der Daten durch zwei Forscher ausprobiert (MWM und SB), und danach wurden die Codes leicht verändert. Mit Schritt 4 wurde ein weiterer Teil der Daten durch dieselben Forscher kodiert, womit eine zufriedenstellende Übereinstimmung der Urteiler erreicht war. Die Interrater-Reliabilität wurde mit SPSS Statistics Version 20.0 Cohen‘s Kappa Test berechnet. Schritt 5 bestand im abschließenden Kodieren der Daten durch einen Forscher (SB). Bei Zweifeln wurden die Antworten mit einem zweiten Forscher (MWM) und wenn nötig mit einem dritten (MD) durchdiskutiert. Während des Kodierens der Daten wurde das Verfahren regelmäßig überprüft und mit allen Team-Mitgliedern besprochen.


3. Ergebnisse

Insgesamt haben 236 Studenten (86%) den Fragebogen ausgefüllt. Ein Teilnehmer wurde ausgeschlossen, da sein Fragebogen unbenutzbare Daten enthielt. Für das Kodieren der Antworten über die Motivation für die Auswahl eines Faches wurde ein Kappa-Maß der Übereinstimmung von 0,82 erreicht, und für die Antworten, ob sich das Wunschfach während des Übergangsjahres geändert hatte, ein Kappa von 0,69.

3.1. Laufbahn-Interessen zu Beginn des Übergangjahres

Auf die Frage nach Wunschfachgebieten gaben die Studenten bis zu sechs Fächer an, die sie interessierten, im Durchschnitt 1,99 (SD 0,99). 153 Studenten ordneten ihre Wünsche in einer bestimmten Reihenfolge oder gaben nur ein Wunschfach zu Beginn des Übergangsjahres an. Am beliebtesten war die Innere Medizin mit ihren Teilfachgebieten (N=33, 21,6%), danach die Allgemeinmedizin (N=30, 19,6%), Chirurgie (N=24, 15,7%), Pädiatrie (N=17, 11,1%) und danach andere Fächer mit Prozentanteilen unter 10. Vielleicht hatten auch die übrigen 81 Teilnehmer eine Rangfolge im Sinn, als sie das Übergangsjahr begannen, aber sie ging nicht eindeutig aus ihren Antworten hervor.

3.2. Begründungen für die Wahl der Wahlfächer im Übergangsjahr

Bei der Analyse der Begründungen für die Wahl zeichneten sich drei Hauptgruppen ab:

1.
Mit dem Ziel eines Assistentenplatzes sollte z.B. ausprobiert oder bestätigt werden, dass ein bestimmtes Fach die richtige Wahl war.
2.
Zur Erhöhung der Chancen auf die Aufnahme in die Facharztausbildung der Wahl sollten z.B. entweder Erfahrungen in diesem Fach oder in benachbarten Bereichen gesammelt werden, die für das Wahlprogramm sehr sinnvoll waren (z.B. Neonatologie für die Wahl des Faches Gynäkologie). Manche Studenten schrieben auch über gleichzeitige Orientierung und Erhöhung der Chancen. Wir haben diese Antworten auch unter dieser Kategorie eingeordnet.
3.
„Andere Gründe“, die nichts mit der späteren Laufbahn zu tun hatten, z.B. dass eine bestimmte Wahl einen geringen Aufwand erforderte oder dass die Studenten allgemeine Lücken in ihrem Wissen oder ihren Fertigkeiten ausfüllen wollten.

Die hauptsächlichen klinischen und Forschungs-Wahlfächer während des Übergangsjahres wurden meistens zur Orientierung und Chancenerhöhung bei der Auswahl für ein Postgraduatiertenprogramm benutzt (80% bzw. 75%), während für die zusätzlichen Wahlfächer öfter andere Gründe genannt wurden (etwa 40%).

3.3. Häufige Kombinationen von Wahlfächern während des Übergangsjahres

Tabelle 1 [Tab. 1] gibt eine Übersicht über das Zusammentreffen von Wahlfächern in von den Antwortenden ausgewählten Richtungen. Einige Wahlfächer wurden häufig mit bestimmten anderen Wahlfächern kombiniert. Zum Beispiel wählen 19,4 Prozent der Studenten, die mindestens eine Wahlstation in Anästhesiologie abgeleistet haben, mindesten einmal die Intensivstation (obere Reihe).

Darüber hinaus haben 58,3% der Studenten (N=137) zwei, 3,8% (N=9) drei und 0,4% (N=1) vier Wahlstationen in demselben Fachgebiet in bis zu 4 verschiedenen Wahlperioden abgeleistet.

3.4. Änderung der Überlegungen zur Assistenzzeit während des Übergangsjahres

Wir haben drei Gruppen von Überlegungen gefunden, auf Grund derer der Wunsch für die Assistenzzeit nach dem Abschlussjahr geändert wurde.

1.
Zwei Drittel der Studenten haben berichtet, dass das Übergangsjahr einen früher gefassten Wunsch für die Assistenzzeit bestätigt hat oder dass es zu einer klareren Sicht ihrer Wünsche geführt hat.
2.
Ein Sechstel der Studenten war nach Beendigung des Übergangsjahres immer noch im Zweifel.
3.
Ein Sechstel der Studenten berichtet, dass die Erfahrungen mit den Wahlfächern starke Zweifel über ihre Wahl des Faches haben aufkommen lassen oder neue Einsichten über ihr Wunschfach ergeben haben.

4. Diskussion

Das Übergangsjahr-Programm wurde in den holländischen medizinischen Hochschulen eingeführt, um die Studenten optimal auf die Facharztausbildung vorzubereiten. Außer größerer klinischer Verantwortung ist ein weiterer wichtiger Aspekt des Übergangsjahres, dass die Studenten viele Wahlmöglichkeiten haben. Wir meinen, dass die Studenten diese Wahlmöglichkeiten vor allem zur Vorbereitung ihrer Assistenzzeit nutzen. Die Ergebnisse sind nicht verwunderlich und passen zu den Erkenntnissen anderer Studien über die Perspektiven von Studenten im letzten Jahr der medizinischen Hochschule. Äußerliche Gründe wie z.B. sich für ein Wunschfach zu entscheiden und nach dem Abschluss einen Job zu finden, spielen bei der Wahl der Studenten im letzten Jahr eine wichtige Rolle [9], [10]. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass Studenten, wenn sie die freie Wahl haben, ihre Fachgebiete entsprechend wählen, dass sie aber zur gleichen Zeit auch in anderen Fächern viel Erfahrung sammeln wollen.

Zu Beginn des Abschlussjahres haben viele Studenten sehr unterschiedliche Laufbahninteressen. Sie scheinen das letzte Jahr so zu gestalten, dass sie ihre Laufbahninteressen weiterverfolgen und zugleich ihre Chancen, in ein Facharztausbildungs-Programm gewählt zu werden, erhöhen können. In den Niederlanden müssen sich Medizinabsolventen auf dem offenen Stellenmarkt um eine Stelle bewerben. Die Knappheit von Stellen in bestimmten Assistenzarztprogrammen ist vielleicht der Grund für ein bestimmtes Auswahlverhalten im Übergangsjahr. Zum Beispiel haben viele Studenten klinische Chirurgie oder Innere Medizin wegen der Vielseitigkeit dieser Fächer gewählt. Aus den Antworten auf die Fragebögen zeigt sich, dass die Studenten in der Wahl dieser Abteilungen eine mögliche Vorbereitung für fast jede Laufbahn sehen. So wählen viele Studenten auch Wahlfächer in logisch miteinander verbundenen Abteilungen, wie z.B. Chirurgie mit Radiologie, Kardiologie mit Intensivmedizin, Anästhesiologie mit Chirurgie und Intensivmedizin und Allgemeinmedizin mit Notfallmedizin (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Es wurde von Studenten erwähnt, dass sie in den Wahlfächern ihres Abschlussjahres eine Gelegenheit sehen, mehr Erfahrung in mit ihrem Wunschfach verwandten Fächern zu sammeln. Obwohl es nicht zu ihrer Facharztausbildung gehört, könnte es für ihre spätere Karriere von Nutzen sein.

In den Niederlanden soll das letzte Jahr der medizinischen Hochschule in ein sogenanntes „zielgerichtetes Übergangsjahr“ verwandelt werden. Dann müssen die Studenten alle oder die meisten Rotationen des Abschlussjahres in Richtung auf ein bestimmtes Fach wählen. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Jahr können diese jungen Ärzte an einem kürzeren Programm im ersten Assistenzjahr teilnehmen. Die tatsächliche Auswirkung eines solchen vorgeschriebenen Fachgebiets-Streamings in der Medizinerausbildung ist noch nicht klar. Einerseits gibt man den Studenten die Gelegenheit, einen Bereich intensiv kennenzulernen, in dem sie vielleicht nach dem Abschluss der Ausbildung arbeiten werden. Auch wird der Übergang zur Assistenzzeit so wahrscheinlich erleichtert. Andererseits besteht die Gefahr, dass die breit angelegte Entwicklung eines Arztes auf diese Weise eingeschränkt wird.

Wir haben festgestellt, dass Studenten, wenn sie die freie Wahl haben, Fächer zur Vorbereitung ihrer Assistenzzeit wählen, dass sie aber zur gleichen Zeit auch in anderen Fächern viel Erfahrung sammeln wollen. Diese Feststellung wird dadurch untermauert, dass man Studenten die Gelegenheit gibt, ihre neben den von ihnen gewählten Spezialfächern erworbenen individuellen Fähigkeiten zu dokumentieren. Zu diesem Zweck könnte es nützlich sein, ihre Entwicklung z.B. durch Entrustable Professional Activities (EPAs) [11] zu registrieren. Neben den für alle Medizinstudenten geltenden Kern-EPAs könnten individuelle, gewählte EPAs eingeführt werden, durch die die Studenten sich entwickeln und ein eigenes Profil zeigen können [12]. Die Wahl-EPAs könnten auch fachgebietsspezifisch sein. Aber die Studenten können in verschiedenen Abteilungen an diesen EPAs arbeiten und sind nicht unbedingt auf Wahlfächer und bestimmte Fachgebiete beschränkt. So könnte ein in der Chirurgie erworbenes EPA für eine spätere Karriere in Dermatologie von großem Nutzen sein. Die Entwicklung von bestimmten Fertigkeiten, die in allen Abteilungen möglich ist, kann für die Lebensläufe der Studenten nützlich sein. Bei den meisten Studenten der Studie hat sich ihre Entscheidung für ein bestimmtes Fach in ihren Wahlfach-Erfahrungen bestätigt, bzw. sie haben ihre Wünsche in Bezug auf die Assistenzzeit dadurch klarer gesehen. Allerdings bekommen nicht alle Studenten auf Grund der begrenzten Ausbildungskapazitäten die von ihnen gewünschte Assistentenstelle, und eine nicht unwesentliche Anzahl von Studenten hat das Fach ihrer Wahl geändert. Das Registrieren von EPAs könnte für einen Job nach dem Abschluss der Ausbildung oder für die Bewerbung um ein Fachgebiet, das nicht dem im letzten Jahr gewählten Schwerpunkt entspricht, von Nutzen sein.

Zweitens ist nicht klar, inwieweit eine obligatorische frühe Spezialisierung, die bereits in der medizinischen Hochschule stattfindet, die berufliche Entwicklung eines Studenten beeinflusst. Studenten machen während der medizinischen Ausbildung einen Sozialisierungsprozess durch, in dem sie ihre Funktionen als Arzt lernen und die Werte und Normen des Berufsstandes verinnerlichen [13]. Dieser Sozialisierungsprozess und die Entwicklung einer beruflichen Identität wird von außen stark beeinflusst, durch Rollenmodelle und die Interaktion mit Patienten und Kollegen [14], [15]. Deshalb ist es wichtig, die Entwicklung der beruflichen Identität von Medizinstudenten und die Weise zu erkennen, in der dies durch eine frühe obligatorische Spezialisierung beeinflusst werden könnte.

In holländischen medizinischen Hochschulen sind Übergangsjahresprogramme Teil der sechsjährigen medizinischen Ausbildung. Ihr Zweck ist die Ausbildung. Studenten werden in diesem Jahr nicht als Beschäftigte eingeplant und werden nicht bezahlt. Durch das Übergangsjahr wird keine Billigarbeit für junge Ärzte geschaffen, die noch keinen Platz als Assistenzarzt gefunden haben. Nach dem erfolgreichen Abschluss bewerben sich die Absolventen auf dem offenen Stellenmarkt um eine Assistentenstelle. Aber das Übergangsjahr ermöglicht es den Studenten, ihre Laufbahn früh zu erkennen und ein besonderes Profil zu entwickeln, das ihnen beim Beginn ihrer Laufbahn als junge Ärzte helfen kann. Es scheint, dass geeignete Übergangsjahre zu einer früheren Aufnahme in die Assistenzzeit verhelfen [16] und dass deshalb der Wunsch, in der Zwischenzeit vor der Assistenzzeit als Arzt im Praktikum zu arbeiten abnehmen wird.

Unsere Studie hat Stärken und Schwächen. Durch die offenen Fragen in dem Fragebogen und die hohe Antwortrate erhalten wir einen guten Einblick in die Überlegungen der Studenten im Abschlussjahr zur Wahl ihrer Wahlfächer. Allerdings haben wir diese Studie nur für eine Gruppe von Studenten in einer einzigen medizinischen Hochschule durchgeführt. Deshalb muss man bei der Verallgemeinerung der Schlüsse vorsichtig sein. Die Studenten wurden zu ihren Vorlieben in der Assistenzzeit und zu den Gründen für die Wahl ihrer Wahlfächer zu Beginn des Übergangsjahres befragt. Allerdings stellten wir diese Fragen nachträglich. Die Studenten können ihre Meinung zu ihrer Wunschlaufbahn während des Jahres geändert haben. Das kann dazu geführt haben, dass Studenten andere als die tatsächlichen Gründe für ihre Wahl von Fächern genannt haben, die sie zur Zeit der eigentlichen Entscheidungen hatten, oder andere Gründe für das Wechseln ihrer Wahl. Wir haben auch keine Informationen über ihre anderen Tätigkeiten im Hinblick auf eine spätere Assistenzzeit, wie z.B. extrakurrikulare Forschungsarbeiten. Die Knappheit von Stellen in bestimmten Assistenzarztprogrammen kann ein äußerlicher Grund für ein bestimmtes Auswahlverhalten sein, aber wir sehen die Wahl von Fächern während des Übergangsjahres nicht als rein intrinsische Entscheidungen an.

Diese Studie soll untersuchen und Einblick geben, wie der Student während des Übergangsjahres seine Wahlfächer nutzt, um seine Postgraduiertenausbildung vorzubereiten. Um besser zu verstehen, ob dies die Vorbereitung tatsächlich verbessert, empfehlen wir, die Entwicklung von Studentengruppen zu verfolgen.


5. Schluss

Medizinstudenten des Abschlussjahres nutzen Wahlfächer zum Sammeln von Erfahrungen, um den Übergang vom Grundstudium zu Facharzt-Ausbildungsprogrammen zu erleichtern. Die Folge ist eine frühe Spezialisierung bei gleichzeitigem Sicherstellen einer breit angelegten Entwicklung zum Arzt. Ob ein vorgeschriebenes frühes Spezialisierungs-Streaming, das diskutiert und in den Niederlanden schon verschiedentlich implementiert wird, zu einer besseren Vorbereitung der Assistenzzeit beiträgt, ist nicht erwiesen.


Zulassung der Ethik-Kommission

Die ethische Zulassung für diese Studie haben wir vom Netherlands Association for Medical Education NVMO Ethical Review Board, Referenznummer 181, am 16. Juni 2012 erhalten.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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