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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die Verwendung eines Portfolios in der postgraduierten medizinischen Weiterbildung – reflektieren, beurteilen und nachweisen: jedes einzeln oder alles in einem?

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  • corresponding author Sylvia Heeneman - Maastricht University/MUMC, Department of Pathology, HX Maastricht, Niederlande; Maastricht University, School of Health Professions Education, Faculty of Health, Medicine and Life Sciences, Maastricht,
  • Erik W. Driessen - Maastricht University/MUMC, Department of Educational Development and Research, HX Maastricht, Niederlande; Maastricht University, School of Health Professions Education, Faculty of Health, Medicine and Life Sciences, Maastricht, Niederlande

GMS J Med Educ 2017;34(5):Doc57

doi: 10.3205/zma001134, urn:nbn:de:0183-zma0011345

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001134.shtml

Eingereicht: 8. November 2016
Überarbeitet: 7. Februar 2017
Angenommen: 20. März 2017
Veröffentlicht: 15. November 2017

© 2017 Heeneman et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die kompetenzbasierte Ausbildung ist zum zentralen Element in der Weiterbildung und Beurteilung von postgraduierten medizinischen Auszubildenden oder Assistenzärzten geworden [1]. In kompetenzbasierter Ausbildung gibt es eine klare Fokussierung auf Ergebnisse und professionelle Leistungen. Typischerweise werden holistische Aufgaben verwendet, um definierte Ergebnisse oder Kompetenzen zu üben, zu praktizieren und zu bewerten. Während der Facharztausbildung sind diese Aufgaben Teil des klinischen Alltags. Die Leistung der Assistenzärzte am Arbeitsplatz muss erfasst und dokumentiert werden. Ein Portfolio ist als Instrument für die Speicherung und Sammlung von Beurteilung und Feedback am Arbeitsplatz in verschiedenen Ländern, wie den Niederlanden und den Vereinigten Staaten, verwendet worden. Die Sammlung von Informationen in einem Portfolio kann verschiedenen Zwecken dienen oder für verschiedene Zwecke verwendet werden. Diese sind:

1.
Die Sammlung von Arbeitsproben, Beurteilungen, Feedback und Evaluationen in einem Portfolio ermöglicht dem Lernenden zurückzublicken, zu analysieren und zu reflektieren.
2.
Der Inhalt dient der Bewertung oder den Entscheidungen über den Fortschritt. Und
3.
das Portfolio wird als Instrument für Qualitätssicherungsprozesse verwendet.

Innerhalb der postgraduierten medizinischen Weiterbildung können diese Zwecke kombiniert werden, aber dies wird nicht immer transparent berichtet. In diesem Artikel werden die verschiedenen Perspektiven erörtert, wie ein Portfolio diese drei Zwecke erfüllen kann und was die Möglichkeiten und Herausforderungen sind, um verschiedene Nutzungen zu kombinieren.

Schlüsselwörter: ärztliche Weiterbildung, Feedback, Portfolio, Reflexion, Qualitätssicherung


Portfolios in der postgraduierten medizinischen Weiterbildung

Portfolios sind Instrumente für die Sammlung und Bewertung von Nachweisen der Entwicklung von Lernenden in Aufgaben und Kompetenzen. Der Inhalt kann vorgeschrieben oder vom Lernenden ausgewählt sein. Die Leistungs- und Feedbackinformationen werden vom Lernenden dazu verwendet, Fortschritte aufzuzeigen, auf Feedback zu blicken und dieses zu reflektieren und um Pläne/Lernziele für die Verbesserung der Leistungen und Kompetenzen zu formulieren [2], [3]. Im postgraduierten Kontext differenzierten Smith und Tillema [4] zwischen Portfolioarten basierend auf

1.
dem Zweck des Portfolios als entweder auswahl- oder entwicklungsorientiert und
2.
der Art der Verwendung als entweder verpflichtend oder selbstgesteuert.

Dies führte zu vier Arten:

1.
Das Dossier-Portfolio, das verpflichtende Leistungsnachweise mit spezifizierten Leistungsstufen zur Auswahl oder Beförderung beinhaltet.
2.
Das Weiterbildungsportfolio, das eine verpflichtende Sammlung von erworbenen Fertigkeiten und Kompetenzen in einem festen Format mit einigen reflektierenden Kommentaren zu ausgewählten Nachweisen beinhaltet.
3.
Das reflektierende Portfolio, das eine zielgerichtete Sammlung von Nachweisen über das persönliche Wachstum und die persönliche Entwicklung ist, die zur Beförderung der Auswahl verwendet wird. Und
4.
das persönliche Entwicklungsportfolio, das reflektierende und persönliche Evaluationen der erzielten Fortschritte beinhaltet, um eine Diskussion und Wertschätzung dieser Aktivitäten zu ermöglichen.

In der Praxis dürfte es ein größeres Kontinuum geben. Ein Portfolio in der postgraduierten Weiterbildung ist oft verpflichtend, beinhaltet vorgeschriebene Informationen wie 360°-Feedbackrunden, Bewertungen von klinischen Leistungen etc. und wird auch für die Beurteilung verwendet. Deshalb würde es am besten als Weiterbildungsportfolio bezeichnet. Jedoch können Portfolios in der postgraduierten Weiterbildung auch stärkere Entwicklungsaspekte haben mit mehr reflektierenden Berichten über die persönliche und berufliche Weiterentwicklung, die als Dialog mit dem Betreuer oder Mentor verwendet werden. Diese Vielfalt der Verwendungszwecke wird in den nachfolgenden Abschnitten weiter diskutiert.


Das Portfolio zum Reflektieren und Lernen

Es gibt viele Studien zum Effekt der Reflexion in einem Portfolio für das Lernen inm studentischen Kontext. Durch Reflexion kann der Lernende seine eigene Leistung überprüfen, das, was gut oder schief gegangen ist, analysieren und dieses akzeptieren und Lernziele für Strategien zur Verbesserung darlegen. Dies unterstützt die Lernenden bei der Verantwortungsübernahme für ihr eigenes Lernen [5]. Es wurde gezeigt, dass die Reflexion eine geringe positive Auswirkung auf die Leistung hat (die Fähigkeit, Fälle zu lösen) [6]. Darüber hinaus hat eine von Sobral durchgeführte Studie [7] gezeigt, dass Reflexion zu einem Lernfortschritt führte und (schwach) mit einer verbesserten akademischen Leistung korrelierte.

In der postgraduierten Weiterbildung findet das Lernen am Arbeitsplatz statt. Es gibt einige Hinweise darauf, dass wie im studentischen Kontext die Reflexion von Erfahrungen am klinischen Arbeitsplatz zu einer umfassenderen Herangehensweise an das Lernen führte und hierdurch die Integration des Gelernten mit schon vorhandenem Wissen und schon vorhandenen Fertigkeiten erlaubte [8]. Zusätzlich verbesserte die Reflexion die diagnostische Argumentation bei komplexen oder ungewöhnlichen Patienten oder Fällen [9]. Die Implementierung eines Portfolios kann dazu verwendet werden, Reflexion zu erleichtern oder zu ermöglichen, einfach durch die Tatsache, dass Informationen vom Lernenden erfasst und bewertet werden. Allerdings war die Auffassung der Assistenzärzte, ob ein Portfolio ein Reflexionsinstrument sein sollte, unterschiedlich – von 72% der chirurgischen Assistenzärzte [10] bis 42% der allgemeinmedizinischen Assistenzärzte [11]. Die mangelnde Bereitschaft, in einem Portfolio zu reflektieren, könnte durch Verunsicherung oder mangelndes Vertrauen verursacht sein, wie diese Informationen verwendet werden [12], insbesondere wenn die reflektierten Tätigkeiten auch beurteilt werden (siehe nächster Absatz). Eine weitere Beobachtung war, dass Lernende sich schon als reflektierende Praktiker betrachten und dass die Verpflichtung zur Reflexion in einem Portfolio ihren eigenen Ansatz zu professionellem Lernen eher behinderte [13]. Noch dazu kommt, dass Zeit ein wichtiger Faktor ist. Bei der Weiterbildung am Arbeitsplatz ist die Arbeitsbelastung hoch und die Sammlung von arbeitsplatzbezogenem Feedback und arbeitsplatzbezogener Bewertung für ein Portfolio und die Notwendigkeit zur Reflexion können eine Belastung sein [14], [15].

Mangelnde Akzeptanz ist ein wichtiges Thema. Portfolios benötigen einen unterstützenden Rahmen und können nicht als ein eigenständiges Instrument eingesetzt werden. Die Forschung hat gezeigt, dass Portfolios funktionieren, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind: Mentoring; eine Struktur, die etwas Flexibilität für den Lernenden erlaubt (Vermittlung); eine Umgebung, die das Lernen unterstützt und eine sinnvolle Lernerfahrung für den Lernenden bietet [16]. Für reflektierende Aktivitäten in einem Portfolio sind diese Bedingungen sehr ähnlich. In der postgraduierten Weiterbildung haben Portfolios häufig ein elektronisches Format, das für die Unterstützung oder Förderung von Reflexion verwendet werden kann, z.B. durch die Anwendung von elektronischen Geräten [17], [18], [19]. Keim et al. [20] untersuchten, ob die Einführung eines Portfolios an sich die reflektierenden Aktivitäten erhöhte und es fanden sich tatsächlich mehr selbstreflektierende Einträge bei Assistenzärzten mit einem Portfolio verglichen mit einer Kontrollgruppe ohne Portfolio. Die Einführung einer Smartphone App als Unterstützung für die Reflexion steigerte auch die reflektierenden Aktivitäten [19]. Wenn also die erforderlichen Konditionen erfüllt sind, scheint dies zu einer besseren Akzeptanz zu führen. Es wird allerdings eine Herausforderung bleiben, eine ausreichende Lernerzentriertheit zu gewährleisten. Für Letztere ist ein Mentorensystem eine Voraussetzung. Die Forschung ist eindeutig darin, dass Mentoring reflektierendes Lernen unterstützt und fördert [21], [22], [23]. Unabhängig davon, ob die Reflexion ein Teil des Portfolios ist oder nicht, wird ein Mentor als unverzichtbar für das Portfolio-Lernen und den Portfolioprozess erachtet [11], [16], [21], [24]. Angesichts des vorhin erwähnten Mangels an Vertrauen oder der Angst, dass der Portfolioinhalt ‚gegen‘ den Lernenden verwendet wird, ist es wichtig, dass der Mentor unabhängig und, wie von Dekker et al. erwähnt, nicht der tägliche Betreuer oder der Abteilungsleiter ist [24].

Zusammenfassend ist der Einsatz eines Portfolios in Kombination mit einem Mentor hilfreich und regt einen Rückblick auf und eine Reflexion über die gesammelten Informationen an, was nützlich für das Lernen und die berufliche Weiterbildung zu sein scheint. Nachteile sind die zeitlichen Einschränkungen und der obligatorische Charakter.


Das Portfolio als Instrument zur Entscheidungsfindung

Kompetenzbasierte Ausbildung benötigt kontinuierliche, sorgfältig ausgearbeitete und umfassende Feedbacksysteme und -bewertungen [25]. In der postgraduierten Weiterbildung kann die Verwendung eines Portfolios die Kontinuität und Vollständigkeit der Bewertungen dadurch erleichtern, dass es Informationen über die Entwicklung des Weiterzubildenden hin zu Ergebnissen, Meilensteinen, Kompetenzen und anvertraubare professionelle Tätigkeiten (APTs) liefert [26].

Anhand einer Reihe qualitativer Kriterien wie die in den Bewertungsprozess aufgenommenen Feedbackzyklen und prozeduralen Absicherungen ist für die Portfoliobewertung als solches eine ausreichende Reliabilität und Validität gezeigt worden [16], [27], [28], [29]. Potentielle Schwächen sind der Zeitaufwand der Bewertung, die Notwendigkeit einer aktiven Feedbackkultur und die Akzeptanz bei den Nutzern [30]. Wie oben erwähnt müssen uns außerdem die Auswirkungen der Bewertung von Reflexionen bewusst sein. Wie von Hodges et al. festgestellt besteht eine Spannung zwischen Bewertung und Verantwortlichkeit auf der einen Seite und der Anforderung an die Weiterzubildenden, über ihre Handlungen zu reflektieren, auf der anderen Seite [31], [32]. Wie inm vorherigen Absatz erwähnt, hat Reflexion in der medizinischen Ausbildung ihre Vorteile; sie ist unbedingt erforderlich für das Lernen aus klinischer Praxis und Erfahrung und sollte deshalb gängige Praxis für jede medizinische Profession sein [33]. Dennoch ist ein ausgewogenes Verhältnis anzustreben. Dies könnte ein Portfolio sein, das eine Reflexion im Dialog mit einem Mentor enthält [33], mit einer Bewertung, die zweckgerecht, bedeutungsvoll und nicht voreingenommen ist. Dieses Format für die Bewertung von Reflexion ist gewiss weder einfach noch häufig im medizinischen Ausbildungsbereich.

Trotzdem kann ein Portfolio ein nützliches und sinnvolles Instrument für die Kompetenzbewertung sein, wenn bestimmte Prinzipien der Kontinuität, des Umfangs und der Möglichkeiten für einen erfolgversprechenden Dialog über Feedback in der Gestaltung des Bewertungsprozesses angewandt werden. Ein solches Design der kontinuierlichen Bewertung wurde von van der Vleuten und Schuwirth vorgeschlagen [34], [35]. In ihrem Modell der programmatischen Bewertung sind die Bewertungsmaßnahmen reich an Feedback und informativ; sie sind zielgerichtet gewählt, kumulativ und zeitgerecht. Die wird einen longitudinalen Informationsfluss über den Weiterzubildenden liefern, den der Weiterzubildende nutzen kann, um von Feedback und Bewertung lernen und zukünftige Lernmöglichkeiten zu planen. In diesem Modell gibt es keine einzelnen (bestanden oder nicht bestanden) Entscheidungen, sondern vielmehr wird die Aggregation aller vorhandenen Informationen verwendet, um Bestanden-/Nicht-bestanden-Entscheidungen oder Facharztprüfungs-äquivalente-Entscheidungen oder Beförderungsentscheidungen zu treffen. Dieses Modell folgt der Auffassung von Eva et al., dass ein kontinuierliches Bewertungsmodell potentiell unerwünschte Merkmale der kompetenzbasierten Bewertung mindern könnte. Eine Programmbewertung könnte helfen, die psychometrischen Herausforderungen und die Kontextspezifität von Bewertungskompetenz zu überwinden und formative und summative Bewertungen durch zielgerichtete Stichproben zu kombinieren [36]. In der kompetenzbasierten Ausbildung ist außerdem das Voranschreiten durch die Weiterbildungszeit nicht mehr nur zeitabhängig. Weiterzubildende können voranschreiten und ihre Weiterbildungszeit zu dem Zeitpunkt beenden, an welchem die Endergebnisse oder Qualifikationen erfüllt sind. Deshalb müssen Entscheidungen über das erwartete Leistungsniveau getroffen werden. Ten Cate führte die anvertraubare professionelle Tätigkeit (APT) ein, um Entscheidungen über das Leistungsniveau zu erleichtern und zu unterstützen [37]. Eine APT ist eine professionelle Einheit oder Aufgabe, deren Erfüllung einem Weiterzubildenden ohne direkte Beaufsichtigung anvertraut wird, sobald der Weiterzubildende gezeigt oder den Nachweis erbracht hat, dass das erwartete Kompetenzniveau erreicht wurde [37]. Die Anvertrauensentscheidung selbst ähnelt der Bewertung eines Portfolios dadurch, dass viele Informationsquellen von unterschiedlichen Betreuern und in verschiedenen Kontexten verwendet werden, um die Validität der Entscheidung zu unterstützen [38]. Die Modelle und die theoretische Grundlage der Anvertrauenssentscheidungen sind komplex und werden derzeit beraten, z.B. durch die International Competency-Based Medical Education Collaborators [38]. Es sollte berücksichtigt werden, dass eine APT eine komplexe Zusammenstellung von Verhaltensweisen darstellt, die von klinischen Betreuern am Arbeitsplatz gewürdigt und beobachtet werden müssen. Oerleman et al. haben vorgeschlagen, dass das Beobachten von klinischen Leistungen während einer Reihe von Begegnungen durch denselben Betreuer ein einheitliches Verhalten zeigt und wichtige Informationen über die Leistung der Weiterzubildenden hinzufügt [39]. Dies deckt sich mit der breiten und zielgerichteten Stichprobensammlung, wie sie in der programmatischen Bewertung verwendet wird. Darüber hinaus müssen klinische Betreuer unterstützt und ausgebildet werden. Calaman et al. haben die Entwicklung von Standard-Setting-Videos in einem APT-Kontext beschrieben und Anvertrauensentscheidungen, die eine direkte Beobachtung der Leistungen des Weiterzubildenden durch die klinischen Betreuer unterstützen [40]. Ein elektronisches Portfolioformat könnte durch die Integration von Informationen durch automatisch erzeugte Übersichten von Formularen, narratives Feedback und Leistungsstände den Entscheidungsprozess des Anvertrauens unterstützen. In dem E-Portfolio kann eine Zeitachse pro APT dargestellt oder erzeugt werden, in der Entscheidungen und Niveaustufen gezeigt werden können und in der der Betreuer leicht zu zugrundeliegenden Formularen und Informationen zurückfinden kann.

Abschließend ist das Portfolio als ein Instrument für kontinuierliche programmatische Bewertung in der postgraduierten medizinischen Weiterbildung verwendbar, da Bewertungsinstrumente (wie beispielsweise Mini-CEX, Beobachtungsinstrumente, Bewertungen von technischen Fähigkeiten) und Feedbackinstrumente („Multi-Source-Feedback“) meist operational sind und in dem Portfolio des Assistenzarztes gesammelt werden. ATPs werden zunehmend in der postgraduierten Weiterbildung verwendet. Die theoretische Grundlage der Anvertrauensentscheidungen ist komplex. Ein elektronisches Portfolioformat könnte hilfreich dabei sein, den Prozess und die Prozeduren der Anvertrauensentscheidungen zu unterstützen.


Das Portfolio als Instrument der Qualitätssicherung

Ein Portfolio kann auch als Qualitätssicherungsinstrument eingesetzt werden, z.B. um zu prüfen, wie viele Prozeduren ausgeführt wurden und was deren Erfolgsquote war, um berufliche Weiterbildung oder Kurse zu erfassen oder Patientenbewertungen etc. Der Zweck des Portfolios wird dann mehr auf die Funktion eines Dossiers zugeschnitten sein, in dem Informationen gesammelt und bei Bedarf zusammengefasst und berichtet werden. Das Portfolio als Dossier für Verwaltungsaspekte kann sowohl für individuelle Weiterzubildende als auch auf (leitende) Ärzte angewendet werden, oder für Weiterbildungsprogramme. Ein elektronisches Format hat das Potenzial der Portfolios als Instrument der Qualitätssicherung deutlich erhöht, da Daten nun leicht zusammengefasst und verglichen werden können. In Studierendenprogrammen ist das Portfolio auch dafür verwendet worden, Einsichten in das versteckte Curriculum zu bekommen, z.B. um die gelehrten oder durch Vorbilder [41] übermittelten Praktiken und Werte zu beobachten, oder um den Inhalt eines E-Portfolios über Eintragungen von Genderfragen zu untersuchen, ein Thema, das häufig im versteckten Curriculum gelehrt wird [42]. In der postgraduierten Weiterbildung könnte das Portfolio zusätzlich diese Aufgabe für die Qualität der klinischen Lehre erfüllen, z.B. durch die Kontrolle des Umfangs und der Qualität des narrativen Feedbacks.

Außerdem haben viele Länder die offiziellen Anforderungen der Revalidierungsprozesse für Ärzte reformiert [http://www.gmc-uk.org/guidance/good_medical_practice.asp] [43], [44], [45], in denen Nachweise über (reflexive) Tätigkeiten und Praktiken oft obligatorische Elemente sind. Für diese Revalidierungsprozesse werden Portfolios verwendet [46]. Auf Grund der aktuellen allgemeinen Nutzung von Portfolios in der postgraduierten medizinischen Weiterbildung wird die weitere Nutzung von Portfolios nach Abschluss der Facharztprüfung höchstwahrscheinlich eine natürliche Fortsetzung sein. Für leitende Ärzte wird dies womöglich das erste Mal sein, dass sie ein Portfolio benutzen müssen. Wie bereits angesprochen bergen die Bürokratie und oftmals die Komplexität eines Portfolios oder in diesem Falle das Revalidierungsverfahren die Gefahr, sich in eine Verpflichtung zu verwandeln und der Prozess wird so als weniger aussagekräftig von den Akteuren wahrgenommen.


Drei Funktionen: ein Portfolio für jede oder alle in einem Portfolio?

Die drei Funktionen von Portfolios haben wir schon besprochen, d.h. Reflexion zu ermöglichen, Kompetenzen zu beurteilen und als ein Instrument des Qualitätssicherungsprozesses zu fungieren. Wie bereits ersichtlich war, besteht eine natürliche Überschneidung zwischen diesen Funktionen. Man kann nicht reflektieren, wenn keine Informationen gesammelt werden und wenn keine Informationen über den Leistungsstand oder den Professionalitätsstand für Bewertung und Anvertrauensentscheidungen verwendet werden. Ein möglicher Nachteil, alles in einem Portfolio zu sammeln, ist, dass es zu unübersichtlich, bürokratisch und zeitaufwendig wird. Die Herausforderung besteht darin, Portfolioprozesse für alle Akteure sinnvoll zu halten. Wir sind der Meinung, dass ein Portfolio alle drei Funktionen erfüllen kann, aber viel hängt von der Umsetzung ab und von der Art und Weise, wie es genutzt wird. Die verschiedenen Ziele eines Portfolios sollten allen Akteuren, Assistenzärzten, klinisch Lehrenden und Betreuern klar sein. Anweisungen und Kommunikation sollten transparent und übersichtlich gestaltet werden. Der Mentor ist eine wichtige Informationsquelle für den Lernenden und sollte als Vermittler zwischen dem Lernenden/Assistenzarzt und dem Programm dienen. Wir glauben, dass ein Mentor auch eine wichtige Rolle bei den zuvor genannten Problemen bezüglich der Akzeptanz oder der Zurückhaltung, mit dem Portfolio zu arbeiten und es für Lernzwecke zu verwenden, spielt. Best-Practice-Beispiele für die Implementierung eines Portfolios in studentische und graduierte medizinische Studienprogramme können bei Driessen et al. [47], Dannefer et al. [48] und Fung et al. [49] gefunden werden.

Zusammenfassend muss das Portfolio ein Dokument für Lernende sein [33], in dem Informationen gesammelt werden (Dossier), das für Mentor- oder Coach-begleitetes Lernen genutzt wird (Reflexion) und das als Basis für Entscheidungen über Leistungs- oder Ergebnisanforderungen dient (bewerten). Dann kann es ein Dokument für Lernende sein, das den Lernfortschritt der Weiterzubildenden umfassend dokumentiert und das Gegenstand der Diskussion zwischen einem Weiterzubildenden und einem Mentor ist, um den Fortschritt des Weiterzubildenden zu unterstützen. Wenn das Portfolio in ein Bewertungsprogramm integriert ist und die Entscheidungsfindung von individuellen Einschätzungen entkoppelt wird und , Entscheidungen ausschließlich auf longitudinal gesammelten Bewertungen und Lerninformationen beruhen, dann wird das Portfolio zu einem Schlüsselinstrument, das vollkommen dem Lernen, der Bewertung und der Qualitätssicherung dient.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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