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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Personal und Organisationsentwicklung an den Fakultäten: Von der Programm-Entwicklung und -Umsetzung zur Wissenschaft

Kommentar Personal- und Organisationsentwicklung

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  • corresponding author Yvonne Steinert - McGill University, Faculty of Medicine, Centre for Medical Education, Richard and Sylvia Cruess Chair in Medical Education, Lady Meredith House, Montreal, Canada

GMS J Med Educ 2017;34(4):Doc49

doi: 10.3205/zma001126, urn:nbn:de:0183-zma0011268

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001126.shtml

Eingereicht: 6. März 2017
Überarbeitet: 6. März 2017
Angenommen: 6. März 2017
Veröffentlicht: 16. Oktober 2017

© 2017 Steinert.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Kommentar

Diese Ausgabe der Zeitschrift widmet sich den Programmen und –Aktivitäten für die Personal- und Organisationsentwicklung. In Zeiten pädagogisch-didaktischer Veränderung und Umwälzung betont diese Veröffentlichung das Vertrauen unserer Institutionen in die Personal- und Organisationsentwicklung sowie in die laufende Erneuerung unserer Fakultätsmitglieder. Diese Ausgabe unterstreicht aber auch ein internationales Phänomen: Trotz einer Vielzahl verschiedener Programmbeschreibungen von Personal- und Organisationsentwicklung – und einer zunehmenden Forderung nach Evaluation solcher Programme – hat die Forschung in der Personal- und Organisationsentwicklung mit der Verbreitung von innovativen und zeitgemäßen Programmen und Aktivitäten in diesem Bereich nicht schritthalten können. Aufgrund der bisherigen systematischen Übersichtsarbeiten von Literatur zur Personal- und Organisationsentwicklung zur Verbesserung der Lehre [1], [2], ist bekannt, dass die allgemeine Zufriedenheit mit solchen Programmen durchaus hoch ist und dass nach einem bestimmten Programm oder einer bestimmten Aktivität Lehrende eher positive Änderungen ihrer Haltungen, ihres Wissen, ihrer Fähigkeiten und ihres Verhalten berichten. Es ist auch bekannt, dass Veränderungen im Lernverhalten der Studierenden bzw. Veränderungen in der Praxis der Organisation relativ selten berichtet werden und dass Vieles noch besser verstanden werden muss. So ist zum Beispiel wenig darüber bekannt, wie Veränderungen infolge einer „formalen“ Maßnahme der Personal- oder Organisationsentwicklung innerhalb einer Fakultät geschehen, oder wie berufliche Weiterbildung – und individuelle Entwicklung (oder individuelles Wachstum) – sich am Arbeitsplatz vollziehen. Hieraus ergibt sich die Frage, wie Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung die Organisation (oder die Institution), in der diese Aktivitäten stattfinden, beeinflussen können. Umfangreiche Programmevaluationen, gründliche Forschungsstudien und die Translation von Wissen sind äußerst wichtig, um das Gebiet der Personal- und Organisationsentwicklung voranzubringen. Daher werden wir uns auf diese drei spezifischen Bereiche konzentrieren, um unsere gemeinsamen Ziele voranzutreiben.


Die Sicherstellung einer umfangreichen Programmevaluation

Die meisten der in der Literatur (und in dieser Ausgabe) beschriebenen Programme der Personal- und Organisationsentwicklung beinhalten Evaluationsmaßnahmen. Manche Programme verwenden das von Kirkpatrick und Kirkpatrick entwickelte Rahmenmodell [3], um die Datenerhebung daran zu orientieren; andere bewerten primär die Teilnehmerzufriedenheit und die Selbstwahrnehmung bezüglich des Lernens. Unabhängig von den verwendeten Evaluationsmethoden und den erfassten Daten ist es hilfreich, sich an die Ziele der Evaluation zu erinnern, die oft in drei verschiedene Bereiche fallen: Rechenschaft ablegen, neue Erkenntnisse und neues Wissen erzeugen, Entwicklungen unterstützen und begleiten [4]. Die Evaluation kann formativ, oft auch als „Prozessevaluation“ bezeichnet, oder summativ, oft „Ergebnisevaluation“ genannt [5], sein; der Prozess kann auf die „politischen“ Strategien, die Inhalte des Curriculums oder das Lehren und Lernen gerichtet sein. In der Personal- und Organisationsentwicklung ist es wichtig, eine umfassende Evaluation der Intervention (oder des Programms) von Beginn an durchzuführen und nicht erst im Nachhinein, was oft der Fall ist. Es wird auch empfohlen, mehr als nur Daten zur Zufriedenheit (bzw. zur Reaktion) der Teilnehmer zu erheben und systematisch, gemäß den von der American Evaluation Association hervorgehobenen fünf zentralen Grundprinzipien vorzugehen [http://www.eval.org/p/cm/ld/fid=51 abgerufen August 2017]: Systematisches Vorgehen, Kompetenz, Integrität, Respekt vor den Menschen, und Verantwortlichkeit. Darüber hinaus sollten die Meinungen und Perspektiven zahlreicher Interessengruppen gesammelt und die daraus gewonnenen Informationen auf sinnvolle Weise eingesetzt werden. Wie von Spencer [5] vorgeschlagen, soll die Programmevaluation mit der dazu notwendigen Aufmerksamkeit und methodischen Gründlichkeit durchgeführt werden; sollte dies nicht möglich sein, könnten Ressourcen vergeudet und ungenaue oder irrelevante Schlussfolgerungen gezogen werden.

Die potenzielle Überschneidung zwischen der Programmevaluation und der Forschung sollte ebenso berücksichtigt werden, da umfassende Programmevaluationen Ergebnisse liefern können, die sowohl externen als auch internen Nutzen haben. In der Regel zielt die Forschung darauf ab, neues Wissen und Verständnis zu generieren, wogegen die Evaluation hilfreiches Feedback anstrebt, um die Entscheidungsfindung innerhalb von Handlungsgemeinschaften zu informieren und/oder zu beeinflussen [5]. Doch ungeachtet dessen, was das übergeordnete Ziel sein mag, sollte die Evaluation so umfassend wie möglich sein. Das bedeutet, relevante Fragen zu stellen, geeignete Methoden der Datenerhebung und –analyse zu verwenden, die Sichtweise zahlreicher Betroffener zu berücksichtigen, ethische Grundsätze einzuhalten und Ergebnisse wahrheitsgemäß zu berichten (oder zu verbreiten) [6]. Genauso wie es auch in der Forschung keinen einzelnen „richtigen“ Weg gibt, ist es auch mit einer gründlichen Programmevaluation und daher empfiehlt sich ein kreatives und flexibles Vorgehen auf der Grundlage der bestmöglichen Evidenz und Praxis.


Gründliche Forschungsstudien durchführen

Bislang ist die Forschung in der Personal- und Organisationsentwicklung sowohl was ihre Bandbreite als auch ihre Methodik angeht, beschränkt gewesen und muss daher gründlicher werden, um das Gebiet voranzubringen [2].

Unsere Bandbreite erweitern

Im Hinblick auf die Erweiterung unserer Bandbreite gibt es viele mögliche Forschungsbereiche, von denen einige hier dargestellt werden: Die Analyse des Ablaufs von „formellen“ (strukturierten) Programmen und Aktivitäten der Personal- und Organisationsentwicklung; das Verständnis dafür, wie Ausbilder und Dozenten in den Gesundheitsberufen in ihrem Arbeitsumfeld lernen; die Evaluation von Kontextfaktoren und organisatorischem Wandel.

Obwohl die Notwendigkeit, die Ergebnisse und Effekte der Personal- und Organisationsentwicklung zu bewerten, vordringlich bleibt, müssen wir auch prozessbezogene Studien durchführen, um besser zu verstehen, wie Änderungen als Ergebnis einer bestimmten Maßnahme der Personal- und Organisationsentwicklung zustande kommen, unabhängig von ihrem Format oder Vorgehen [7]. So sollten wir zum Beispiel darüber nachdenken, den Fokus von ergebnisorientierten Studien zu erweitern, um zu vergleichen, wie unterschiedliche Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung (z.B. Workshops oder longitudinal angelegte Programme) Änderungen in der Leistung und Kompetenz der Fakultätsmitglieder unterstützen [8]. Wir sollten auch versuchen, die „Schlüsselmerkmale“ der meisten Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung (z.B. Erfahrungslernen; kollegiale Unterstützung; Feedback und Reflexion) besser herauszuarbeiten, um zu erkennen, welche Prozesse zu Änderungen auf individueller Ebene und Gruppenebene führen. Die Bewertung der intraindividuellen und zeitlichen Veränderungen (z.B. wie ändern sich die Einstellungen und Werte eines klinischen Dozenten) wäre ebenfalls lohnend, insbesondere unter Berücksichtigung der Translation von Wissen [9], der Dauerhaftigkeit der Veränderung sowie der Faktoren, die zur Nachhaltigkeit der Änderungen beitragen [10]. Angesichts der Aufgabe von im Gesundheitswesen Tätigen, Veränderungen auf vielfältigen Ebenen anzustoßen, die die Ausbildung, soziale Aspekte aber auch die medizinische Versorgung betreffen, ist eine Bewertung über den zeitlichen Verlauf von besonderer Bedeutung [7]. Außerdem brauchen viele der Ergebnisse, die mit einem Programm der Personal- und Organisationsentwicklung angestrebt werden Zeit, um sich zu manifestieren. Das ist ein weiterer Grund dafür, die longitudinale Betrachtung sowie Nachuntersuchungen zu fördern.

Es kommt noch dazu, dass Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung komplexer Natur sind. Pawson et al. [11] haben die Merkmale komplexer Interventionen wie folgt beschrieben: Sie basieren meist auf mehreren Hypothesen und Theorien, von denen einige genauer definiert und/oder nachprüfbar sind als andere; sie richten sich an eine große Bandbreite von Teilnehmern (z.B. Personalentwickler, Lehrende, Lernende); sie bedürfen häufig eines „langen Atems“ (von ihrer Planung bis zur Durchführung), wobei ihr Erfolg von einer kumulativen Ereigniskette abhängt, die oft nichtlinear ist und mehrere Pfade und Feedbackschleifen kennt. Außerdem sind komplexe Interventionen in vielfältige soziale Bezüge eingebettet und es ist wichtig, diese Komplexität bei der Evaluation – oder bei der Erforschung – der Personal- und Organisationsentwicklungsprogramme oder -aktivitäten zu berücksichtigen. Wie Cook et al. [6] angeregt haben, sollten wir „Klärungsstudien“ (neben „Beschreibungs-“ und „Rechtfertigungsstudien“) durchführen, um unser Verständnis zu vertiefen und die Kunst und die Wissenschaft der medizinischen Ausbildung voranzubringen. Dieser Vorschlag, zu verstehen, „warum“ und „wie“ etwas funktioniert, kommt auch in unserem Zusammenhang zur richtigen Zeit.

Wie in der Literatur beschrieben ist, lernen die im Gesundheitswesen Tätigen ihre Rolle innerhalb einer Fakultät sowohl auf formeller wie auch auf informeller Weise [11]. Doch obwohl „es starke Indikatoren dafür gibt, dass viele Lernprozesse am Arbeitsplatz stattfinden, scheint relativ wenig darüber bekannt zu sein, wie Menschen informell lernen oder über den relativen Wert von verschiedenen Arten von Lernerfahrungen“ [12]. Noch weniger ist darüber bekannt, wie im Gesundheitswesen Tätige an ihrem Arbeitsplatz lernen, auch wenn das die erste Gelegenheit ist, bei der ihre ausbildungsbezogenen Rollen in Erscheinung treten. Clarke und Hollingworth [13] meinen daher, dass es an der Zeit ist, unser Denken nicht mehr auf Programme zu richten, die Lehrende verändern, sondern stattdessen die Mitglieder einer Fakultät als aktiv Lernende zu betrachten, „die ihre eigene berufliche Weiterentwicklung durch reflektierte Teilnahme an Weiterbildungsprogrammen und –praxis gestalten“. Zusammen mit der von O’Sullivan und Irby [14], [15] vorgeschlagenen und unten dargestellten Perspektive, ermöglicht dieser Ansatz eine zukunftsorientierte Forschungsagenda. Er betont auch die Notwendigkeit, den Wert von Rollenvorbildern, von Reflexion und Engagement beim Lernen am Arbeitsplatz [16] zu verstehen, sowie den Nutzen einer Auseinandersetzung mit den nachfolgenden Fragen: Haben wir einen falschen Gegensatz von Arbeiten und Lernen geschaffen? Welche Bedeutung hat die Integration in den Arbeitsprozess als Katalysator für Lernen? Wie können wir das Lernen am Arbeitsplatz noch sichtbarer machen?

Das Lernen am Arbeitsplatz ist eng mit der Idee von Handlungsgemeinschaften [17] verknüpft und mehrere Autoren haben [15], [18], [19] empfohlen, dass zukünftige Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet aktuelle Auffassungen von Handlungsgemeinschaften untersuchen sollten mit Blick auf ihre Entwicklung, ihre Funktion und ihre Fähigkeit, zu Wachstum und Entwicklung auf individueller und organisatorischer Ebene beizutragen. Solche Forschungsarbeiten wären auch hilfreich, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie Handlungsgemeinschaften von Lehrenden in den Gesundheitsberufen entwickelt und gestärkt werden können [7]. Gleichzeitig sollten wir darüber nachdenken, wie das Lernen am Arbeitsplatz und in Handlungsgemeinschaften zu bessseren Kompetenzen für Fakultätsmitglieder führen können.

Wie oben ausgeführt und in dieser Ausgabe der Zeitschrift verdeutlicht wird, findet die Personal- und Organisationsentwicklung in einem komplexen Umfeld statt, in dem viele unvorhersehbare und unberechenbare Variablen eine Rolle spielen. Wir sollten uns deshalb bemühen, vermehrt Forschung zu betreiben, die versucht, besser zu verstehen, wie diese kontextuellen und organisatorischen Faktoren die berufliche Weiterbildung und das Lernen von Fakultätsmitgliedern fördern oder behindern. Eine Betrachtung der Personal- und Organisationsentwicklung über Standorte und Kulturen hinweg (z.B. nationale Kulturen; Organisationskulturen; Berufskulturen) würde uns helfen, den Einfluss des Umfelds auf diese Aktivitäten zu verstehen. Außerdem müssen wir auch den Einfluss von Personal- und Organisationsentwicklung auf die Organisation besser untersuchen und verstehen. Einige Autoren haben festgestellt, dass die Personal- und Organisationsentwicklung die Leistungsfähigkeit einer Organisation verbessern kann – und sollte [7], [20]. Wir müssen allerdings über alle anekdotischen Beobachtungen hinausgehen und überprüfen, ob diese Behauptung tatsächlich zutreffend ist. Der Mangel an Forschung, die den Einfluss der Personal- und Organisationsentwicklung auf die Organisation bewertet, ist überraschend [1], [8]. Aus diesem Grund gibt es einen eindeutigen Bedarf, Ergebnisse und Einflüsse auf Organisations- und Systemebene zu beurteilen. Forschung auf diesem Gebiet würde auch wertvolle Einsichten liefern, um künftige Strategien und Praktiken daran zu orientieren.

Unsere Methodik weiterentwickeln

In methodischer Hinsicht sind Studien auf diesem Gebiet durch mehrere Herausforderungen eingeschränkt worden. So wurden beispielsweise die meisten Studien, in denen die Ergebnisse der Personal- und Organisationsentwicklung untersucht werden sollten, mit deskriptiven Designs ohne Kontrollgruppe durchgeführt, was es schwer macht, die Ergebnisse direkt auf eine spezifische Interventionen zurückzuführen [8]. Viele Studien verlassen sich vollständig auf Messungen, die nach der Intervention stattfinden oder erheben die Daten erst mehrere Jahre nachdem die Intervention stattfand [1], [2], was die Zuschreibung der Veränderung ebenso herausfordernd macht. Außerdem tendierten die Forscher dazu, positivistische Herangehensweisen zu stark zu betonen und qualitative Methoden, die in vielerlei Hinsicht Veränderungsprozesse einfacher erfassen können, zu wenig zu nutzen. Der Bedarf an Forschung in diesen Bereichen ist jedenfalls noch nie größer gewesen als jetzt, da wir versuchen, wissenschaftliche Fragestellungen und Erkenntnis zu fördern, diese für „best Practice“ zu nutzen und für den Bedarf und die Notwendigkeiten der Organisation offen zu sein.

Um die Forschungsagenda voranzubringen, wäre es hilfreich, über positivistische Paradigmen hinauszugehen und unter Verwendung entsprechender Methoden Forschungsstudien durchzuführen, die sich auf postpositivistische und interpretivistische Paradigmen bzw. solche der kritischen Theorie beziehen [7]. Dies würde unser Verständnis von Personal-und Organisationsentwicklung bereichern. Wie O’Sullivan und Irby [15] dargelegt haben, bestimmt ein Paradigma „das vorherrschende Modell der typischen Praktiken für eine Forschergemeinschaft; es erhellt manche Untersuchungsgebiete und verdeckt andere.“ Veränderte Paradigmen würden neue Perspektiven ermöglichen und uns ermutigen, innovative konzeptuelle Herangehensweisen und Methoden zu berücksichtigen.

Außerdem müssen wir sicherstellen, dass die Forschung auf diesem Gebiet durch theoretische Modelle und Konzepte fundiert ist. O’Sullivan und Irby [14], [15] haben beispielsweise vorgeschlagen, dass wir für die Forschung in diesem Bereich einen konzeptuellen Rahmen verwenden sollten, der die Idee von Handlungsgemeinschaften für die Personal- und Organisationsentwicklung auf der einen und für die Arbeitsumgebung auf der anderen Seite einschließt. In diesem Modell umfasst die Gemeinschaft für Personal- und Organisationsentwicklung insbesondere die Teilnehmer, die an entsprechenden Maßnahmen beteiligt sind, die angebotenen Programme (Curricula etc.), die Dozenten der Personal- und Organisationsentwicklung, sowie den Kontext, in dem die Maßnahmen organisiert sind (z.B. Schulungsräume oder Klinik). Die Handlungsgemeinschaft für die Arbeitsumgebung ist genauso wichtig, da Teilnehmer an der Personal- und Organisationsentwicklung mit anderen Dozenten oder Mitarbeitern zusammenarbeiten, Beziehungen und Netzwerke am Arbeitsplatz haben, Aufgaben und Tätigkeiten innerhalb des Fortbildungsprogramms erfüllen, Mentoren und Coaches in der Arbeitsumgebung haben und in einem Organisationskontext arbeiten, der kulturellen Einflüssen unterliegt, die Veränderungen im Lehren und Lernen unterstützen oder verhindern können. Es überrascht daher nicht, dass diese Autoren vorschlagen, die Forschung auf diesem Gebiet auf Prozesse und Ergebnisse zu fokussieren, einschließlich der Beziehungen innerhalb des Fortbildungsprogramms und der Arbeitsumgebung.

Es ist offensichtlich, dass viele theoretische Modelle verfügbar sind, um unsere Arbeit daran zu orientieren [16], [17], [19]. Aber unabhängig davon, welchen konzeptuellen Ansatz wir unserer Arbeit zugrunde legen, sollten wir uns darum bemühen, die Theorie in unserem Forschungsdesign und bei unserer Ergebnisinterpretation zu verwenden. Wir sollten außerdem in Erwägung ziehen, neue Methodologien und Methoden zu benutzen. In vielerlei Hinsicht müssen wir uns von einer zu starken Abhängigkeit von experimentellen und quasi-experimentellen Designs freimachen und uns qualitativen Herangehensweisen zuwenden, die Phänomenologie, Ethnographie, Fallstudien und gemischter Methoden benutzen [8], [21]. Wir sollten auch überlegen, die verschiedenen, von O’Sullivan und Irby vorgeschlagenen Methodologien in Betracht zu ziehen [15]. So ist zum Beispiel der in der Pädagogik entwickelte Design Research Ansatz für die Fakultätsentwicklung relevant, weil er es dem Wissenschaftler erlaubt, sich auf die Ziele und das Design des Programms, auf die Beschreibung, wie sich die Maßnahmen entfalten sowie auf die letztlich erzielten Ergebnisse und gewonnenen Erkenntnisse [22] zu konzentrieren. Die Analyse erfolgreicher Fallbeispiele (Success Case Method), die mit Design Research kombiniert werden kann, passt zu einem interpretivistischen Paradigma und zielt darauf ab, zu ermitteln, wie eine Maßnahme funktioniert und welche kontextbezogenen Faktoren eine erfolgreiche Umsetzung unterstützen [23]. Nachhaltigkeitsnarrative (Sustainability Narratives), die als ein Forschungsansatz betrachtet werden, der „außerhalb der normalen Untersuchungsmethoden für den Bildungsbereich “ liegt, untersuchen die Entwicklung einer Gesellschaft aus dem Blickwinkel menschlicher und umweltbezogener Systeme und analysieren die Vorstellung, wie eine Zukunft aussehen würde, in der das Leben der Menschen besser wäre [24]. Die Verwendung dieser Methodik und der der narrativen Forschung [25] würde uns ein reichhaltiges Verständnis vom Prozess der Personal- und Organisationsentwicklung ermöglichen, sowie von individuellen und organisationsbezogenen Veränderungen.

Es wurde viel über die Notwendigkeit geschrieben, die Forschungsmethoden auf diesem Untersuchungsgebiet zu verbessern [1], [2], [8]. Hier mag der Hinweis genügen, dass wir validierte Instrumente zur Ergebnismessung verwenden sollten, einschließlich neuerer änderungssensitiver verhaltens- bzw. leistungsbezogener Methoden, sowie vielfältige Methoden und Datenquellen, um Prozesse und Ergebnisse zu bewerten. Bisher haben wir für die Veränderungsmessung eine übermäßige Abhängigkeit von Selbsteinschätzungsmethoden und Erhebungsfragebögen gesehen. Zukünftig sollten wir die Verwendung von alternativen Datenquellen erwägen und versuchen, die Perspektive so vieler Akteure wie möglich mit einzubeziehen (z.B. Studenten, Mitarbeiter). Schließlich sollten wir, unabhängig von der ausgewählten methodologischen Herangehensweise, die Kongruenz zwischen Studiendesign, Forschungsfrage und der gewählten Methoden sicherstellen.


Die Förderung der Wissensumsetzung

Die Diskussion über die Forschung zur Personal- und Organisationsentwicklung in den Gesundheitsberufen (Wissenserzeugung) wäre unvollständig, würde man nicht darüber reden, wie unsere Arbeit auf diesem Gebiet in die Praxis einfließen kann (Wissen-zum-Handeln), da wir sicherstellen müssen, dass die Forschung in die Praxis einfließt – und umgekehrt [26]. Die Wissensumsetzung auf diesem Gebiet bleibt aus zwei Perspektiven eine dringende Priorität. Auf der einen Seite kann die Fakultätsentwicklung als ein wichtiges Instrument zur Wissensumsetzung wahrgenommen werden, da wir die vorhandene Evidenz nehmen und sie dann in Handlungen für unsere Kollegen „umsetzen“. Wie Graham et al. [27] interessanterweise zusammengefasst haben, gibt es sieben Stufen in der Umsetzung von Wissen in die Praxis. Dazu gehören die Identifikation eines Problems oder einer Wissenslücke in der Praxis und die Bestimmung, Überprüfung und Auswahl des anzuwendenden Wissens, um die Lücke zu schließen; die Anpassung und Individualisierung des Wissens für den lokalen Kontext; die Evaluation der Determinanten der Wissensnutzung; die Auswahl, das Zuschneiden und die Umsetzung von Maßnahmen, um die Wissens- oder Praxislücke zu schließen; das Überwachen der Wissensnutzung in der Praxis; die Evaluation von Ergebnissen oder Wirkungen bei der Verwendung der neuen Kenntnisse; und das Bestimmen von Strategien, die sicherstellen, dass die neuen Kenntnisse aufrechterhalten werden. Diese verschiedenen Schritte sind für das Design und die Durchführung von einer Vielfalt an Fakultätsentwicklungsmaßnahmen besonders geeignet, obwohl sie aus dieser Perspektive selten untersucht werden.

Die Translation von Wissen bzw. die Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen ist auch deshalb ein wichtiges Anliegen auf diesem Gebiet, da wir eine Verantwortung dafür haben, unsere Fakultätsentwicklungsmaßnahmen nicht nur zu bewerten oder zu untersuchen, sondern auch unsere Erkenntnisse zu verbreiten und dazu beizutragen, dass die beste verfügbare Evidenz in die Praxis unserer Personal- und Organisationsentwicklung einfließt. In verschiedenerlei Hinsicht kann die Personal- und Organisationsentwicklung als eine Form von Wissenschaft betrachtet werden, die durch Entdeckung, Integration, Anwendung und Vermittlung realisiert wird [28]. Die Wissenschaft der Lehre, zum Beispiel, die durch Entdeckung, Anwendung und Integration ermöglicht wird, umfasst zwei Komponenten: Sie betrifft die Anwendung von wissenschaftlichen Aktivitäten auf die Lehre, sowie die effektive Verbreitung der Ergebnisse. Wie Glassick [29] schon festgestellt hat, „wird das Lehren zu einer Wissenschaft, wenn es öffentlich zugänglich gemacht wird, für Peer-Review und -Kritik offen ist und von anderen Wissenschaftlern reproduziert und weiterentwickelt werden kann.“ Dieser Begriff von Wissenschaft ist von besonderer Bedeutung für die Personal- und Organisationsentwicklung und für diese Ausgabe des Journals, die darauf abzielt, Lehrende und Wissenschaftler zusammenzubringen, die Initiativen für die Personal- und Organisationsentwicklung über das gesamte Bildungsspektrum entwickeln, implementieren und evaluieren.


Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


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