gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Ist die deutsche medizinische Ausbildungsforschung im Aufwind? Eine Analyse der Publikationen 2004 - 2013

Artikel Publizieren in der Medizinischen Ausbildungsforschung

  • Kristina Ackel-Eisnach - Universität Koblenz-Landau, Fachbereich 5: Erziehungswissenschaften, Campus Landau, AB 1: Empirische pädagogische Forschung, Landau, Deutschland
  • author Patricia Raes - Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, München, Deutschland
  • Lisa Hönikl - Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, München, Deutschland
  • author Daniel Bauer - Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Stefan Wagener - Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Heidelberg, Deutschland
  • author Andreas Möltner - Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Innere Medizin II, Heidelberg, Deutschland; Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Kompetenzzentrum für Prüfungen in der Medizin Baden-Württemberg - KomP Med, Heidelberg, Deutschland
  • corresponding author Jana Jünger - Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Innere Medizin II, Heidelberg, Deutschland; Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Kompetenzzentrum für Prüfungen in der Medizin Baden-Württemberg - KomP Med, Heidelberg, Deutschland
  • corresponding author Martin R. Fischer - Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2015;32(3):Doc30

doi: 10.3205/zma000972, urn:nbn:de:0183-zma0009724

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2015-32/zma000972.shtml

Eingereicht: 11. Januar 2015
Überarbeitet: 30. März 2015
Angenommen: 18. Mai 2015
Veröffentlicht: 17. August 2015

© 2015 Ackel-Eisnach et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Ausgangspunkt des vorliegenden Artikels ist die Feststellung, dass es aus Deutschland im Vergleich zu den angloamerikanischen Ländern oder den Niederlanden vor 2004 kaum internationale Publikationen im Bereich der medizinischen Ausbildungsforschung gab. In den letzten Jahren wurde jedoch eine steigende Bedeutung der medizinischen Ausbildungsforschung im deutschen Raum deutlich. Zielsetzung dieses Beitrags ist es zu prüfen, inwieweit sich in internationalen, englischsprachigen Fachzeitschriften im Themenfeld „Medizinische Ausbildungsforschung“ seit 2004 eine solche Entwicklung durch eine gesteigerte Publikationsaktivität belegen lässt.

Methodik: Im Rahmen einer Literaturauswertung und Inhaltsanalyse wurden Artikel deutscher Autoren aus den Jahren 2004 bis 2013 in sechs internationalen englischsprachigen Fachzeitschriften der medizinischen Ausbildungsforschung analysiert. Um einen Überblick über die deutschen Forschungsaktivitäten in diesem Bereich zu bekommen, wurden alle Projekt- und Originalarbeiten deutscher Erst- und Letztautoren identifiziert und einer tiefergehenden inhaltlichen Analyse unterzogen.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 10.055 Artikel untersucht. Die Auswertung zeigt, dass zwischen 2004 und 2013 179 Artikel – hiervon 145 Projekt- und Originalarbeiten – deutscher Autoren in den betrachteten Zeitschriften publiziert wurden. Es zeigen sich Schwankungen im Zeitverlauf. Bei den Projekt- und Originalarbeiten handelt sich vor allem um Querschnitt- (27,8%) und randomisierte Kontrollstudien (25,6%) zum Thema „Lehr- und Lernmethoden“ (43,6%).

Schlussfolgerung: Seit 2009 zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Publikationszahlen deutscher Ausbildungsforscher in internationalen Fachzeitschriften im Vergleich zu den Jahren 2004-2008.

Schlüsselwörter: Medizinische Ausbildungsforschung, Literaturauswertung, Inhaltsanalyse, internationale Publikationen


Anmerkung

Die Autoren (Kristina Ackel-Eisnach, Patricia Raes, Jana Jünger, Martin R. Fischer) haben in gleichem Umfang zur Publikation beigetragen (geteilte Erst- und Letztautorenschaft).


1. Einleitung

Bereits 2004 hat der Wissenschaftsrat darauf hingewiesen, dass im Vergleich zur Bedeutung von medizinischer Forschung und Krankenversorgung der Lehre in der Medizin in Deutschland keine angemessene Aufmerksamkeit beigemessen wird. Zusätzlich führt der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen aus, dass eine Ausbildungsforschung zu diesem Zeitpunkt nur vereinzelt etabliert und professionalisiert ist [1]. Seit einigen Jahren ist jedoch eine zunehmende Wertschätzung, sowie ein steigendes Interesse an der medizinischen Ausbildungsforschung zu beobachten [2], [3]. So treten der Medizinische Fakultätentag (MFT) und die Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) gemeinsam dafür ein, die Ausbildungsforschung zu einem Motor der medizinischen Ausbildung in Deutschland zu machen [4]. Dies wird u.a. durch die positive Entwicklung der Zugriffszahlen auf die Artikel der Open-Access GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung - German Journal for Medical Education (GMS Z Med Ausbild) deutlich, die 2013 bei ca. 5638 pro Monat lagen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Die Zeitschrift stellt das Publikationsorgan der GMA dar und fokussiert sich bisher auf medizinische Ausbildungsforschungsprojekte aus dem deutschen Sprachraum [4]. Weitere Wertschätzung erhält dieser Bereich auch durch die Etablierung der „Master of Medical Education (MME)“-Programme in Deutschland und der Schweiz [5].

Die zunehmende Bedeutung der Ausbildungsforschung im deutschen Sprachraum wird zudem an der steigenden Anzahl der GMA-Mitglieder deutlich. So wuchs die Anzahl der GMA-Mitglieder von unter 200 im Jahr 2004 auf über 1.000 im Jahr 2014. Mit der Initiierung der zweijährlich stattfindenden „Research in Medical Education“-Kongresse (RIME) durch den deutschen MME-Studiengang des Medizinischen Fakultätentages (MFT) wurde 2009 in Heidelberg die Bedeutung des deutschsprachigen Raums für die internationale medizinische Ausbildungsforschung zusätzlich gestärkt.

Der internationale Austausch stellt einen wesentlichen Aspekt wissenschaftlicher Forschung dar. Dies beinhaltet zum einen die Publikation von Forschungsprojekten und -ergebnissen in internationalen englischsprachigen Zeitschriften, zum anderen die Präsentation von Forschungsprojekten vor internationalem Publikum, z.B. im Rahmen von Kongressen. Hier konnten Raes et al. zeigen, dass die aktive Teilnahme deutschsprachiger Ausbildungsforscher an den Kongressen der Association for Medical Education in Europe (AMEE) im Untersuchungszeitraum zwischen 2005 und 2013 zwar schwankt, aber seit 2010 kontinuierlich ansteigt [3].

Im internationalen Sprachraum existieren zahlreiche Zeitschriften im Bereich „Medizinische Ausbildung“. Im Unterschied zu den Biowissenschaften finden sich in diesen Zeitschriften bis 2004 jedoch kaum Artikel aus Deutschland [4], [6]. Ziel dieses Beitrages ist eine Bestandsaufnahme der Veröffentlichungen medizinischer Ausbildungsforscher aus Deutschland in internationalen englischsprachigen Zeitschriften in den letzten zehn Jahren (2004-2013). Der Beitrag ist rein deskriptiv angelegt und versucht folgende Aspekte herauszuarbeiten:

  • Wie viele Artikel – insbes. Projekt- und Originalarbeiten – wurden in den internationalen englischsprachigen Zeitschriften von medizinischen Ausbildungsforschern aus Deutschland im Zeitverlauf publiziert?
  • Lassen sich die Artikel nach unterschiedlichen Kriterien klassifizieren?
  • Welche Themen und Schwerpunkte werden in den Artikeln bearbeitet?

2. Methode

Zur empirischen Überprüfung der internationalen Sichtbarkeit deutscher Ausbildungsforscher stützt sich der vorliegende Artikel auf folgende ausgewählte internationale englischsprachige Zeitschriften: Medical Education (JIF 2013=3.617), Medical Teacher (JIF 2013=2,045), Academic Medicine (JIF 2013=3.468), Advances in Health Sciences Education (JIF 2013=2.705), Teaching and Learning in Medicine (JIF 2013=1.173) und BMC Medical Education (JIF 2013=1.41). Aus Sicht der Autoren sind dies die im Jahr 2004 besonders sichtbaren und relevanten internationalen Fachzeitschriften. Alle Zeitschriften haben ein Editorial Board und jeder Artikel wird in einem Peer-Review Prozess begutachtet. Medical Education, Medical Teacher und Academic Medicine sind drei seit längerem gut etablierte Fachzeitschriften im medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildungsbereich, welche ein hohes Ansehen in der Fachgruppe genießen. Die erste Ausgabe der Zeitschrift Medical Education wurde 1966 unter dem Titel „British Journal of Medical Education“ publiziert, während Medical Teacher zum ersten Mal 1979 erschien. Die Zeitschrift Academic Medicine erschien erstmals 1974 unter dem Namen „Journal of Medical Education“. Die Zeitschriften Teaching und Learning in Medicine und Advances in Health Sciences Education bestehen seit 1989 bzw. 1996. Bei der Zeitschrift BMC Medical Education handelt es sich um eine frei zugängliche Open Access-Zeitschrift, die 2001 erstmals aufgelegt wurde.

Als Untersuchungsobjekte wurden die vorgestellten sechs Zeitschriften analysiert. Der für die Artikel relevante Untersuchungszeitraum reicht vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2013. Innerhalb des Untersuchungszeitraums wurden alle erschienenen Ausgaben durchsucht. Insgesamt wurden auf diese Weise 563 Einzelausgaben und 10.055 Artikel in die Auswertung eingeschlossen. Untersuchungseinheit der vorliegenden Analyse war jeweils der einzelne Zeitschriftenartikel. Als Artikel galten alle abgedruckten Beiträge sowie e-Publikationen in den Zeitschriften. Alle in den sechs genannten Zeitschriften erschienenen Beiträge wurden als für die Untersuchung relevant identifiziert, wenn mindestens ein Autor mit Arbeitsort in Deutschland beteiligt war.

Im Anschluss an die Auswahl der relevanten Artikel wurde für jeden Beitrag der Artikeltypus bestimmt. Auf diese Weise wurden alle Original- und Projektarbeiten mit deutschen Erst- und Letztautoren identifiziert und einer tiefer gehenden Analyse in Form einer quantitativen Inhaltsanalyse (Frequenzanalyse) unterzogen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Artikel, die unter die Kategorie „further contribution“ (z.B. Editorial, Letter to the Editor, Review) fallen, wurden nicht weiter berücksichtigt, da sie im Vergleich zu Original- und Projektarbeiten keine vollständige Darstellung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse im Bereich der medizinischen Ausbildungsforschung liefern. Die weiterführende Analyse der identifizierten Original- und Projektarbeiten umfasste eine Kodierung nach angewandtem Untersuchungsdesign, Datentypus, Untersuchungsgegenstand und Forschungsthema. Die Klassifikation der Forschungsthemen orientiert sich an jener von Raes et. al [3]. Darüber hinaus wurde in Anlehnung an die Klassifikation von Cook et al. [7], [8] eine Unterscheidung nach Description, Justification und Clarification vorgenommen. Description Studien liegen auf der untersten Untersuchungsebene und beinhalten zumeist Beschreibungen von eingeführten Interventionen oder curricularen Prozessen. Ergebnisdaten können, müssen aber nicht Teil dieser Studien sein. Justification Studien gehen einen Schritt weiter und versuchen auf der Grundlage von Gruppenvergleichen die Wirksamkeit einer Intervention zu belegen. Clarification Studien versuchen darüber hinaus auf der Grundlage von Modellannahmen die Frage zu klären, warum bzw. wie eine Intervention wirkt.


3. Ergebnisse

Zwischen 2004 und 2013 wurden 179 Artikel deutscher Autoren in den betrachteten internationalen englischsprachigen Zeitschriften publiziert. Dies entspricht 1.8% der in diesem Zeitraum insgesamt publizierten Artikel. Auf der Ebene der einzelnen Zeitschriften zeigt sich eine deutliche Differenzierung (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

3.1. Anzahl der Projekt- und Originalarbeiten

Projekt- und Originalarbeiten nehmen einen großen Teil der Veröffentlichungen deutscher Autoren in internationalen englischsprachigen Zeitschriften ein. Insgesamt wurden 145 Projekt- und Originalarbeiten mit deutscher Beteiligung (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]) bzw. 133 Projekt- und Originalarbeiten mit deutscher Erst- und/oder Letztautorenschaft publiziert. Somit sind 81,0% der publizierten Artikel mit deutscher Beteiligung Projekt- und Originalarbeiten.

Abbildung 3 [Abb. 3] zeigt die Gesamtheit der publizierten Beiträge mit deutscher Beteiligung nach Fachzeitschriften sortiert. In den drei Zeitschriften Medical Education, Medical Teacher und BMC Medical Education sind deutsche Autoren besonders häufig vertreten. Die Zeitschrift BMC Medical Education zeigt in den letzten Jahren einen deutlichen Zuwachs an Publikationen mit deutscher Beteiligung.

3.2. Methodische und thematische Kategorisierung der Projekt- und Originalarbeiten

Bei den Projekt- und Originalarbeiten mit deutscher Erst- und/oder Letztautorenschaft handelt es sich vor allem um Studien mit Ex-post-facto-Design, vorexperimentellen und experimentellen Versuchsplänen (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Tabelle 3 [Tab. 3] präzisiert die Kategorisierung hinsichtlich des Studiendesigns. Erfasst werden hauptsächlich quantitative Daten (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Den Untersuchungsgegenstand bilden zumeist Studierende des klinischen Abschnitts. Zentrale thematische Schwerpunkte sind Lehr- und Lernmethoden, Veränderungen im Curriculum und Prüfungsverfahren. Bei den Original- und Projektarbeiten handelt es sich mit 42,1% etwas häufiger um Clarification Studien als um Justification Studien (38,3%).

3.3. Original- und Projektarbeiten nach Fakultäten

Die einzelnen Medizinischen Fakultäten in Deutschland sind unterschiedlich häufig an den internationalen Publikationen beteiligt (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]). Einige Fakultäten publizieren regelmäßig in den untersuchten sechs Zeitschriften, andere sind zumindest im Untersuchungszeitraum kaum oder gar nicht zu finden. Die fünf deutschen Medizinischen Fakultäten mit mehr als zehn international veröffentlichten Original- und Projektarbeiten in den untersuchten Zeitschriften sind in absteigender Reihenfolge: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Ludwig-Maximilians-Universität München, Berlin (Freie Universität Berlin und Humboldt-Universität Berlin), Universität Hamburg und Georg-August-Universität Göttingen.


4. Diskussion

Ausgangspunkt des vorliegenden Beitrags war die Feststellung, dass sich die Vertreter der deutschen Medizinischen Fakultäten lange Zeit kaum mit der medizinischen Ausbildungsforschung beschäftigt haben. Dabei wurde auch ein gewisser Nachholbedarf im Hinblick auf die internationale Sichtbarkeit deutscher Ausbildungsforscher konstatiert [4], [6]. Doja et al. konnten 2014 zeigen, dass Kanada, die Niederlande, Neuseeland, Großbritannien und die USA die Länder mit der höchsten relativen Produktivität auf dem Gebiet der medizinischen Ausbildungsforschung sind [9], während Deutschland sich lediglich Platz 11 in dieser Studie sichern konnte. Dementsprechend bestand die Zielsetzung dieses Artikels darin, im Rahmen einer Inhaltsanalyse ausgewählter internationaler englischsprachiger Zeitschriften zum Thema „Medizinische Ausbildungsforschung“ zu prüfen, inwieweit sich im Zeitverlauf seit 2004 eine Steigerung der internationalen Publikationstätigkeiten deutscher Forscher abzeichnet.

Insgesamt lässt sich aus der Zahl internationaler Publikationen aus deutscher Feder keine eindeutige Entwicklung ablesen. Zwar ist erkennbar, dass zwischen 2009 und 2013 deutlich mehr Projekt- und Originalarbeiten deutscher Autoren in den ausgewählten internationalen englischsprachigen Zeitschriften veröffentlicht wurden als in den Jahren 2004 bis 2008. Allerdings zeigen sich Schwankungen im Zeitverlauf, so dass mögliche Trendanalysen weiterer Beobachtungen und Analysen bedürfen. Betrachtet man die Zeitschriften einzeln, zeigt lediglich die Zeitschrift BMC Medical Education einen positiven Trend bezüglich deutscher Publikationen im Untersuchungszeitraum.

Entsprechend den Untersuchungen verschiedener Autoren basieren Untersuchungen im Bereich der medizinischen Ausbildungsforschung oftmals auf unzureichenden wissenschaftlichen Ansätzen und Untersuchungsdesigns [8], [10], [11], [12]. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen jedoch, dass es sich bei den Original- und Projektarbeiten deutscher Autoren erfreulicherweise vor allem um Clarification und Justification Studien handelt. Beiträge deutschsprachiger Forscher auf den AMEE-Kongressen sind im Vergleich dazu nur sehr selten Clarification Studien. Dort wurden zwischen 2005 und 2013 hauptsächlich deskriptiv angelegte Studien von deutschsprachigen Forschern veröffentlicht [3]. Die am häufigsten verwendeten Untersuchungsdesigns bei der vorliegenden Analyse sind experimenteller Natur (vorexperimentelles Untersuchungsdesign und randomisierte Kontrollstudien). Baernstein et al. [13], die Untersuchungsmethoden in Artikeln zur medizinischen Ausbildungsforschung analysierten, kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Sie konnten nachweisen, dass zwischen 2004 und 2007 25% der Studien randomisierte Kontrollgruppen untersuchten. Während der Anteil der deutschsprachigen Beiträge an der Gesamtzahl der Präsentationen auf der AMEE zwischen 2005 und 2013 bei 5,8% liegt [3], ist der Anteil der internationalen Zeitschriftenartikel deutscher Autoren in den untersuchten sechs Zeitschriften mit 1,8% an der Gesamtzahl deutlich geringer, wie vorliegende Arbeit zeigen konnte. Es ist zu beachten, dass Raes et al. Beiträge aus Österreich und der Schweiz in ihre Analyse einschlossen, die vorliegende Arbeit allerdings nicht. Möglicherweise wird ein Großteil der deskriptiv angelegten Studien seltener in den untersuchten internationalen Journalen veröffentlicht [3]. Diese deskriptiven Beiträge finden ihren Weg vielleicht eher in deutschsprachige Zeitschriften. Hierzu fehlen bisher aber empirische Vergleichsdaten.

Die häufigsten Forschungsthemen, Methoden und Untersuchungsgegenstände von Studien deutschsprachiger Forscher, die auf den AMEE-Kongressen präsentiert wurden, decken sich mit jenen der vorliegenden Analyse [3].

In Deutschland beteiligen sich die Medizinischen Fakultäten in unterschiedlichem Umfang an der medizinischen Ausbildungsforschung, wie bereits Raes et al. zeigen konnten [3]. Dies wird durch die vorliegende Analyse bestätigt. Die Fakultäten in Heidelberg, München und Berlin gehören bei beiden Analysen zu den fünf am häufigsten publizierenden deutschen Fakultäten im Bereich der medizinischen Ausbildungsforschung. Einzelnen Fakultäten scheint es somit besser zu gelingen, ihre Untersuchungen international zu publizieren. Dieses Ergebnis könnte Ausdruck der unterschiedlichen Entwicklungen an den Medizinischen Fakultäten in Deutschland sein [3]. So wurde in einigen deutschen Fakultäten bereits frühzeitig begonnen, die Lehre zu reformieren und medizinische Ausbildungsforschung vor Ort zu etablieren. Andere deutsche Medizinische Fakultäten ließen der medizinischen Ausbildungsforschung erst im Zuge der Umsetzung der umfassend novellierten Approbationsordnung (in Kraft getreten am 1.10.2003) mehr Bedeutung zukommen. Es fehlt zudem an Experten an den Medizinischen Fakultäten, die den anspruchsvollen Anforderungen an die medizinische Ausbildungsforschung gerecht werden [6].

Wertet man Veröffentlichungen in internationalen Zeitschriften nicht nur als Möglichkeit zur Profilierung, sondern zugleich als Möglichkeit, aktiven Einfluss auf die Auswahl, den Inhalt und die Methoden der Artikel zu nehmen, die in einer Zeitschrift erscheinen, so offenbaren die relativ geringen internationalen publikatorischen Tätigkeiten im Bereich der medizinischen Ausbildungsforschung ein weiteres Defizit. Ein wachsender Einfluss auf eine der untersuchten Zeitschriften bedeutet zugleich ihre Internationalisierung [14]. Die Tendenz hin zu einer Zunahme deutscher Beiträge in internationalen Zeitschriften zur Ausbildungsforschung zeigt eine erste Form von direktem Einfluss, den man auf den Inhalt einer Zeitschrift nehmen kann. Regelmäßige Publikationen in den internationalen Zeitschriften führen zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, dass die Autoren als Reviewer für diese Zeitschriften tätig werden. Dies ermöglicht eine weitere Form der Einflussnahme auf das, was in den Zeitschriften erscheint. Die Tätigkeit als Editor eröffnet eine dritte Form des Einflusses auf die Inhalte von Zeitschriften. Im Editorial Board von Medical Education und Medical Teacher ist gegenwärtig je ein Kollege aus einem deutschen Institut vertreten. Fünf deutsche Kollegen sind als Editoren bei der BMC Medical Education tätig. In diesen drei Zeitschriften wurden deutlich mehr Artikel deutscher Wissenschaftler im Untersuchungszeitraum publiziert. Die hohe Anzahl deutscher Editoren könnte ebenso für den starken Zuwachs von deutschen Publikationen in den letzten Jahren in der Zeitschrift BMC Medical Education verantwortlich sein. Die anderen drei untersuchten Zeitschriften haben zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine deutschen Vertreter im Editorial Board.

Trotz der Berücksichtigung der angesprochenen Kriterien stellt die getroffene Auswahl der Zeitschriften ohne Zweifel eine Einschränkung für die Gültigkeit der Analyseergebnisse dar. Dies liegt zum einen daran, dass bei der Untersuchung andere internationale Zeitschriften zum Thema „Medizinische Ausbildungsforschung“ nicht berücksichtigt worden sind. Zudem erscheinen wichtige Beiträge zur medizinischen Ausbildungsforschung auch in anderen medizinischen, teils fachbezogenen Zeitschriften (z.B. Anatomical Sciences Education) oder in nicht-medizinischen bildungswissenschaftlichen Zeitschriften, wie z.B. Learning and Instruction. Dies zeigt beispielsweise die Betrachtung der internationalen Publikationen im Rahmen des Studiengangs „Master of Medical Education“ (MME) des Medizinischen Fakultätentages (MFT) an der Universität Heidelberg. In den Jahren 2006 – 2012 erfolgten durch die Absolventen insgesamt 22 internationale Publikationen, von denen aber nur acht in den hier analysierten Zeitschriften erschienen sind. Die anderen 14 Publikationen erfolgten überwiegend in medizinisch-klinischen Inhaltsgebieten zuzuordnenden Zeitschriften (z.B. Resuscitation) oder zum kleineren Teil im European Journal of Dental Education. Da die Absolventen dieses postgradualen Studiengangs ganz überwiegend im klinischen Bereich tätig sind, scheint sich dies auch auf die Wahl der Zeitschrift auszuwirken.

Außerdem ist anzumerken, dass der in der vorliegenden Auswertung betrachtete Zeitraum von zehn Jahren zwar relativ groß ist; trotzdem bleiben aber Artikel, die vor 2004 und nach 2013 veröffentlicht wurden bei der vorliegenden Analyse naturgemäß unberücksichtigt.

Neben der Untersuchung zur Verbreitung von Artikeln deutscher medizinischer Ausbildungsforscher in internationalen Zeitschriften wäre auch eine weiterführende Studie von Themen und Forschungsfragen in einer internationalen Vergleichsperspektive aufschlussreich. Außerdem könnte weiterführend von Interesse sein, wer die meistzitierten deutschen medizinischen Ausbildungsforscher in internationalen Zeitschriften sind. Zugleich wäre es interessant, zu untersuchen, ob sprachliche Hürden, methodische Mängel oder andere Faktoren die Hauptgründe der relativ geringen Sichtbarkeit der medizinischen Ausbildungsforschung im deutschsprachigen Raum darstellen.


5. Schlussbemerkung

Die medizinische Ausbildung braucht, wie jede wissenschaftliche Disziplin, gute Standards und qualifizierte Expertinnen und Experten. Die Etablierung dieses Bereichs hat sich in Deutschland strukturell schrittweise verbessert. Die Aufsätze deutscher Ausbildungsforscher in internationalen Zeitschriften spiegeln diese Entwicklung wider. Wenn man an die biowissenschaftlichen Veröffentlichungen in internationalen Zeitschriften denkt, so sind die Fortschritte auf dem Gebiet der Ausbildungsforschung jedoch auch in den letzten Jahren vergleichsweise gering und zweifellos weiterhin förderungswürdig und ausbaufähig. Trotz dieser kritischen Anmerkungen hoffen die Autoren dieses Artikels, mit diesem Beitrag aufgezeigt zu haben, dass internationale Aufsätze im Bereich der medizinischen Ausbildungsforschung einen hohen Stellenwert haben und sich in den letzten fünf Jahren gegenüber dem Vergleichszeitraum 2004 bis 2008 vermehrt haben. Angesichts ihrer Bedeutung erscheint es wichtig, die vielfältigen Einsichten und Ansatzpunkte in diesem Bereich zu bündeln und den Kontakt zwischen nationalen und internationalen Forschenden und Anwendern zu stärken.


6. Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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