gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Zum Stand digitaler Lehrangebote für die Bereiche Medizinische Terminologie sowie Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin

Artikel E-Learning

Suche in Medline nach

  • corresponding author Maximilian Schochow - Martin Luther Universität Halle-Wittenberg, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Halle/Saale, Deutschland
  • author Florian Steger - Martin Luther Universität Halle-Wittenberg, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Halle/Saale, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2015;32(2):Doc17

doi: 10.3205/zma000959, urn:nbn:de:0183-zma0009597

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2015-32/zma000959.shtml

Eingereicht: 31. Juli 2014
Überarbeitet: 11. Dezember 2014
Angenommen: 12. Januar 2015
Veröffentlicht: 13. Mai 2015

© 2015 Schochow et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: In Deutschland haben viele Einrichtungen für die Bereiche Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin E-Learning-Angebote produziert, die auf unterschiedlichen Lernplattformen basieren (LMS) und spezifisch auf die jeweilige curriculare Präsenzlehre zugeschnitten sind. Bisher existieren keine validen Daten darüber, welche Einrichtungen E-Learning-Angebote bereitstellen und welche Formen des E-Learning diese anbieten.

Methoden: Von den 31 deutschen Einrichtungen für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, die gefragt wurden, den Fragebogen auszufüllen, haben 30 geantwortet, was einer Rücklaufquote von 97% entspricht. Die telefonische Befragung fand zwischen Juli und August 2012 statt.

Ergebnisse: Der Einsatz digitaler interaktiver Lehrmaterialien, die webbasiert den Studierenden zur Verfügung gestellt werden, hat in den vergangenen Jahren eine Konjunktur an deutschen Einrichtungen für die Bereiche Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin erfahren. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen, da mehr als die Hälfte (67%) der Einrichtungen ihre bisherigen E-Learning-Angebote ausbauen will. In den vergangenen Jahren sind vor allem Angebote für Medizinische Terminologie entstanden. Viele Einrichtungen möchten künftig ihre Angebote für Medizinische Terminologie weiterentwickeln. Insgesamt wurden die E-Learning-Angebote von den Studierenden sehr gut aufgenommen. 57% der Einrichtungen gaben an, dass 90-100% der Studierenden die Angebote regelmäßig nutzen.

Schlussfolgerungen: Dieser Artikel diskutiert die Ergebnisse einer umfangreichen empirischen Studie über E-Learning. Er zeigt den Rahmen auf, in dem deutsche Einrichtungen vorhaben, ihre E-Learning-Optionen in der Zukunft auszuweiten. Schließlich werden spezifische Vorschläge für die Zusammenarbeit unter den Einrichtungen (nicht nur online) gemacht, deren Ziel es ist, Synergien im Bereich E-Learning zu erzeugen.

Schlüsselwörter: Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, digitale Lehrangebote, Formen der Zusammenarbeit, E-Learning, curriculare Lehre, Medizinische Terminologie


I. Fragestellung

E-Learning erfährt seit vielen Jahren eine Konjunktur und ist aus den nationalen Bildungseinrichtungen und internationalen Bildungsstätten nicht mehr wegzudenken [1]. Entsprechend sind die Publikationen international kaum mehr zu überschauen und selbst im nationalen Kontext fällt es zunehmend schwer, einen genauen Überblick über die fachspezifisch ausdifferenzierten Initiativen zu bekommen [2], [3]. Für den Bereich der Medizin sind in den letzten Jahren eine Vielzahl von Monographien, Sammelbänden und Zeitschriftenartikel erschienen, die in Fragen zur Entwicklung innovativer E-Lehr- und E-Lernkonzepte einführen, die Potenziale des E-Learning aufzeigen oder Anregungen für die Institutionalisierung von E-Learning an medizinischen Fakultäten geben [4]. Nicht nur die zahlreichen Publikationen signalisieren, dass E-Learning bzw. Blended Learning an den Medizinischen Fakultäten in Deutschland angekommen ist, sondern vor allem die inzwischen vielerorts etablierten multimedialen E-Learning-Module an den Medizinischen Fakultäten und Universitätsklinika, die fachbereichsspezifische Angebote bereithalten – wie beispielsweise der Kompetenzbereich E-Learning an der Berliner Charité oder HaMeel, Hallesches Medizinisches eLearning, die E-Learning-Initiative der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Ein Blick auf die Bereiche Medizingeschichte, -theorie und -ethik ergibt jedoch ein differenziertes Erscheinungsbild [5], [6]. Auch in den deutschen medizinhistorischen, -theoretischen und -ethischen Einrichtungen hat der Einsatz digitaler interaktiver Lehrmaterialien, die über Internet den Studierenden zur Verfügung gestellt werden, eine Konjunktur erfahren [7]. Diese Entwicklung ist im Zeitalter des Web 2.0 kaum verwunderlich, liegen doch die Vorteile des E-Learning auf der Hand: die Unterstützung und Erweiterung curricularer Präsenzlehre, die Aktivierung selbstständigen Lernens, die Erhöhung der Lernmotivation und die Überprüfbarkeit des bisherigen Kenntnisstands.

Während in den letzten Jahren für den Bereich der Medizinethik einige Arbeitsberichte erschienen sind, die Einblick in die Möglichkeiten und Grenzen des E-Learning aufzeigen [8], [9], fehlen solche Erfahrungsberichte für den Bereich Medizingeschichte und -theorie [10]. Die erste gemeinsam koordinierte Diskussion fand auf einer Tagung des Fachverbands Medizingeschichte e.V. zum Thema „e-learning im Querschnittsbereich Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin (GTE) und in Medizinischer Terminologie“ im Jahr 2008 statt [http://www.fachverband-medizingeschichte.de/5bildung/2008_Einladung_Workshop_elearning.pdf]. Seither ist zu beobachten, dass jeweils sehr spezifisch zugeschnittene E-Learning-Angebote von den Einrichtungen und unter Verwendung unterschiedlicher Lernplattformen (beispielsweise Moodle, ILIAS) produziert wurden.

An dieser Stelle hat unsere Untersuchung angesetzt: Wir haben (1) nach dem Stand der E-Learning-Angebote an deutschen Einrichtungen für die Bereiche Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin gefragt. Damit sollte ein aktueller Überblick über Anzahl, Art und Gestaltung der jeweiligen Angebote geschaffen werden. Des Weiteren fragten wir (2), ob und vor allem wie die einzelnen digitalen Lehrangebote künftig miteinander verknüpft werden sollten bzw. welche Ziele die einzelnen Einrichtungen hinsichtlich des E-Learning verfolgen. Um die möglichen Synergieeffekte einer koordinierten Zusammenarbeit nutzen zu können, haben wir (3) nach den technischen Voraussetzungen und Erfahrungen gefragt. Entsprechend bestand das Ziel der Untersuchung darin, auf Grundlage aktueller Daten, eine Landkarte zum E-Learning an deutschen Einrichtungen für die Bereiche Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin zu erstellen und Möglichkeiten sowie Chancen von Kooperationen der Einrichtungen auszuloten.


II. Methoden

Um die Daten zu erheben, haben wir einen anonymisierten, standardisierten Fragebogen entwickelt. Dem Fragebogen wurde ein offener Begriff von E-Learning zugrunde gelegt. Unter E-Learning verstehen wir alle Formen von Lernen, „bei denen elektronische oder digitale Medien für die Präsentation und Distribution von Lernmaterialien und/oder zur Unterstützung zwischenmenschlicher Kommunikation zum Einsatz kommen“ [11], [12]. Des Weiteren haben wir uns für die Befragung nur an die deutschen Einrichtungen für die Bereiche Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin gewandt, die an einer Medizinischen Fakultät angebunden sind. Für dieses Kriterium haben wir uns entschieden, da an diesen Einrichtungen Lehre und Ausbildung stattfindet.

Der Fragebogen hatte Freitextangaben, geschlossene „Ja/Nein-Fragen“ und „Eingruppierungs-Fragen“. Der Fragebogen, der 29 Fragen enthielt, war in drei Teile gegliedert: I. Fragen zur allgemeinen Anwendung von E-Learning (Implementierung, Zeitpunkt der Implementierung, Arten des E-Learning, zukünftige Planung für E-Learning-Angebote), II. Fragen zur Infrastruktur und personellen Ausstattung (Lern-Management-Systeme [LMS], Content-Management-Systeme [CMS] oder Autorenwerkzeuge [AT]) und III. Fragen zum Nutzungsverhalten (Studierende, MitarbeiterInnen, Formen der Zusammenarbeit). Es wurde ein Pretest durchgeführt, um Verständnisprobleme bei der Beantwortung des Fragebogens zu verringern.

Im Zeitraum von Juli bis August 2012 wurde der Fragebogen mithilfe einer Telefonbefragung ausgefüllt. Der Vorteil dieser Befragungsmethode besteht in einer relativ hohen Rücklaufquote und dem Vermeiden unerwünschter Verfälschungseffekte durch fehlerhaftes Ausfüllen der Fragebögen, die bei Versandaktionen schnell entstehen [13].


III. Ergebnisse

Rücklaufquote, Implementierungsquote und Zeitpunkt der Implementierung

In Deutschland gibt es 31 Einrichtungen für die Bereiche Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Von den 31 Einrichtungen haben 30 an der Telefonbefragung teilgenommen. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 97%. 26 der 30 befragten Einrichtungen geben an, dass sie E-Learning-Angebote für ihre Studierenden bereitstellen, die Bestandteil der curricularen Lehre sind. Die vier Einrichtungen, die keine E-Learning-Angebote bereithalten, wurden auch nach künftig geplanten Aktivitäten gefragt. Alle vier gaben an, dass sie auch künftig keine E-Learning-Angebote bereitstellen werden. Erste Ansätze zur Etablierung von E-Learning-Angeboten lassen sich bereits Anfang der 2000er Jahre ausmachen. Zwischen 2002 und 2007 wurden pro Jahr ein bis zwei Initiativen gestartet. Die überwiegende Zahl, d. h. sieben Einrichtungen, hatte 2008 begonnen, digitale Lehrangebote bereitzustellen, also in dem Jahr, in dem die Fachverbandstagung Medizingeschichte stattfand.

Implementierte E-Learning-Angebote

Im Anschluss an diese allgemeinen Fragen haben wir nach den Arten der E-Learning-Angebote gefragt. Hierzu wurden Lehrveranstaltungen und mögliche E-Learning-Angebote vorgegeben. Dabei kam für die Lehrveranstaltung Medizinische Terminologie heraus, dass die meisten Einrichtungen Vokabeltrainer und -tests, Materialsammlungen zur Begleitung von Lehrveranstaltung sowie Chats und Foren anbieten (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Da an einigen Einrichtungen neben der Terminologie der Humanmedizin extra Kurse für die Zahnmedizin angeboten werden, haben wir diese gesondert erhoben.

Im Wahlfach im 1. und 2. Studienabschnitt bieten die meisten Einrichtungen Materialsammlungen zur Begleitung von Lehrveranstaltung sowie Chats und Foren an. Im Querschnittsbereich Q2 „Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin“ und Q7 „Medizin des Alterns“ werden hauptsächlich Materialsammlungen zur Begleitung von Lehrveranstaltungen zur Verfügung gestellt. Ein ähnliches Bild ergibt sich für den Querschnittsbereich Q13 „Palliativmedizin“. Dort stellen fünf Einrichtungen Materialsammlungen zur Begleitung von Lehrveranstaltungen bereit, und eine Einrichtung bietet E-Klausuren an. Das übersichtliche Bild an Angeboten in den Querschnittsbereichen dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass an vielen Einrichtungen bisher noch keine Q7- bzw. Q13-Lehrveranstaltungen angeboten werden. Auch bleibt abzuwarten, wie sich die Angebote für Q13 entwickeln, wenn der neue Querschnittsbereich Q14 „Schmerzmedizin“ etabliert ist (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Auf die Frage, welche weiteren E-Learning-Angebote für die Studierenden bereitgestellt werden, wurde wie folgt geantwortet: Grammatikübungen (2), Übungsklausur zu Q2 GTE (1), Material für Tierversuchsethik (1), Hinweis auf Übungsportale (1), Fragen zu Seminartexten (2), Chats bei Facebook (1), Online-Abstimmung über Themen in der Vorlesung (1), Erstellung von Wikis (1).

Künftig geplante E-Learning-Angebote

20 der befragten Einrichtungen wollen künftig weitere E-Learning-Angebote bereitstellen, während sechs ihr Angebot nicht erweitern wollten. Von den 20 Einrichtungen hatten bereits 14 konkrete Pläne für die Umsetzung. Ziele waren beispielsweise das Anbieten von E-Klausuren Terminologie (6) oder das Anbieten von Vokabeltests und -trainern (2). Diese Pläne sollten bis Ende 2013 realisiert werden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Infrastruktur

Der zweite Teil des Fragebogens beinhaltete Fragen zur Infrastruktur und personellen Ausstattung. Dabei interessierte vor allem die Plattformtechnologie, weil nicht alle Plattformen miteinander kompatibel sind, was eine entscheidende Barriere für den Austausch von E-Learning-Angeboten darstellt. Da das Lern-Management-System (LMS) nicht an allen Einrichtungen mit dem Content-Management-System (CMS) identisch ist, haben wir nach beiden Systemen gefragt [14].

Des Weiteren haben wir herausgefunden, dass die Einrichtungen hauptsächlich Moodle bzw. ILIAS als Lern-Management-System (LMS) verwenden (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Hinsichtlich des Content-Management-Systems (CMS) wird meistens mit Moodle oder ILIAS gearbeitet (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Für die technische Umsetzung sind aber nicht nur LMS und CMS wichtig, sondern auch die sogenannten Autorenwerkzeuge (AT), mit deren Hilfe spezielle Anwendungen, beispielsweise Animationen, erstellt werden können. Da bisher nur wenige Einrichtungen Videos oder aufwendige Animationen bereithalten, war die Resonanz auf die entsprechende Frage gering: Drei Einrichtungen verwendeten Autorenwerkzeuge (AT). Eine Einrichtung arbeitet mit Adobe Authorware, eine Einrichtung verwendet IMS und eine Einrichtung setzt DBT-Express ein.

Erstellung der E-Learning-Angebote

Nach der personellen Ausstattung gefragt, zeigte sich, dass überwiegend ProfessorInnen, wissenschaftliche MitarbeiterInnen und studentische Hilfskräfte mit der Erstellung von E-Learning-Angeboten beschäftigt sind. An einigen Einrichtungen werden die Sekretariate bei der Einstellung der Materialien einbezogen. Dieses Bild wurde von der Angabe gestützt, dass 22 Einrichtungen bei der Erstellung von E-Learning-Angeboten keine externen Firmen oder Anbieter gewählt hatten. Vier Einrichtungen hatten temporär externe Dienste in Anspruch genommen, wobei die meisten Einrichtungen Werkverträge in der Implementierungsphase geschlossen hatten. Immerhin fünf Einrichtungen haben zeitlich befristete Haushaltsstellen bzw. Mitarbeiterstellen eingerichtet, die für die Erarbeitung, Betreuung und die Pflege der E-Learning-Angebote verantwortlich sind: Zwei Einrichtungen haben jeweils eine SHK-Stelle, zwei weitere Einrichtungen haben jeweils zwei SHK-Stellen für E-Learning.

Nutzungsverhalten

Im letzten Teil des Fragebogens sollte das Nutzungsverhalten evaluiert werden. Dabei gaben 20 Einrichtungen an, dass die E-Learning-Angebote regelmäßig evaluiert werden, während sechs Einrichtungen keine zuverlässigen Evaluationsinstrumente hatten. Dennoch gaben alle 26 Einrichtungen an, dass die E-Learning-Angebote regelmäßig überarbeitet und aktualisiert werden. Hinsichtlich des Nutzungsverhaltens der Studierenden gaben 17 Einrichtungen an, dass ihre Studierenden zu 90-100% die E-Learning-Angebote nutzen würden. Eine Einrichtung machte keine Angaben. Ähnlich waren die Angaben hinsichtlich der Nutzung durch die MitarbeiterInnen der Einrichtungen. 16 Einrichtungen sagten, dass 90-100% der MitarbeiterInnen die Möglichkeiten des E-Learning nutzen würden, während eine Einrichtung keine Angaben machte (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]).

Formen der Zusammenarbeit

Schließlich stellten wir die Frage, ob die einzelnen Einrichtungen bereit wären, Know-how mit anderen Einrichtungen und Bereichen der Medizingeschichte, -theorie und -ethik auszutauschen. An diesem Punkt waren sich alle Einrichtungen einig: 25 gaben an, dass sie zu einem Austausch bereit wären. Eine Einrichtung konnte zu der Frage keine Angaben machen. Welches Know-how hier zur Verfügung gestellt werden würde, beantworteten die meisten Einrichtungen damit, dass sie Vokabeltrainer und -tests anbieten würden (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]).


IV. Diskussion

Implementierungsquote und Angebote

E-Learning ist an den deutschen Einrichtungen für die Bereiche Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin kein Fremdwort. Vielmehr ist E-Learning an 87% aller befragten Einrichtungen fester Bestandteil der curricularen Lehre. Für diese hohe Quote gibt es unterschiedliche Gründe. Zum einen spielen die verschiedenen E-Learning-Initiativen an den Medizinischen Fakultäten eine Rolle. Hier wurden in den letzten Jahren für die verschiedenen Fachbereiche Aktivitäten gestartet. So wurde beispielsweise an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg das Programm HaMeel initiiert. Teilweise wurde E-Learning in die leistungsorientierte Mittelverteilung (LOM) integriert, sodass zusätzliche Impulse von den Fakultäten kamen. Ein weiterer Grund wird in den Initiativen des Fachverbands Medizingeschichte e.V. zu finden sein. Schließlich hat auch der relativ weite Begriff von E-Learning, der dem Fragebogen zugrunde liegt, mit dem positiven Gesamtbild zu tun.

Hätte man den E-Learning-Begriff durch zusätzliche Bedingungen wie Interaktivität, Multimedialität, Multicodalität oder Multimodalität eingeschränkt, ergäbe sich ein anderes Gesamtbild. Würden beispielsweise nur interaktive Lehr- und Lerneinheiten gezählt werden, läge der Anteil der Einrichtungen mit E-Learning-Angeboten bei 53%, da 16 von 30 Einrichtungen neben den Materialien zur Begleitung einer Lehrveranstaltung mindestens eine interaktive Lehr- bzw. Lerneinheit (Vokabeltrainer und/oder -tests für Medizinische Terminologie, Grammatiktrainer und/oder -tests für Medizinische Terminologie, E-Klausur etc.) anbieten. Lediglich zehn der 30 Einrichtungen, also 33% aller Einrichtungen, haben auf ihren passwortgeschützten Lernplattformen ausschließlich nicht interaktive Materialien zur Begleitung der Lehrveranstaltungen eingestellt. Von diesen zehn Einrichtungen wollen fünf bis 2013 eine interaktive Lehr- und Lerneinheit entwickeln und ihren Studierenden anbieten. Hierfür liegen bei den einzelnen Einrichtungen bereits konkrete Pläne vor, die von der E-Klausur bis zum Vokabeltrainer bzw. -test reichen. Lediglich fünf Einrichtungen wollen den Status quo aufrechterhalten und ausschließlich Materialien zur Begleitung der Lehrveranstaltungen zur Verfügung stellen.

Zukünftig geplante E-Learning-Angebote

Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass 67% der befragten Einrichtungen künftig ihre Angebote erweitern wollen. Überwiegend bis 2013 sollen konkrete Pläne umgesetzt werden. Angefangen bei Chats, Videos und Podcasts liegt dabei das Hauptaugenmerk auf der Angebotseinführung und -erweiterung für die Medizinische Terminologie. Vokabel- und Grammatiktrainer bzw. -tests haben Konjunktur. Dieser Zukunftstrend bestätigt die gegenwärtige Lage: Bisher wurde viel in den Auf- und Ausbau von E-Learning-Angeboten im Bereich der medizinischen Terminologie investiert.

Die hohe Zahl an Einrichtungen mit E-Learning-Angeboten, aber auch die hohe Zahl der Einrichtungen, die künftig weitere Angebote bereitstellen wollen, zeigt, dass die Befürchtungen im Umgang mit E-Learning schwinden. Dies wird nicht zuletzt an der hohen Nutzung durch die Lehrenden, aber auch durch die Studierenden deutlich. Sicher, viele Daten, die in die Lehrplattformen eingestellt werden, sind Voraussetzung für das Bestehen der Klausuren. Dennoch zeigt sich, dass mit den E-Learning-Angeboten Möglichkeiten gefunden wurden, Studierende mit mehr Wissen auszustatten bzw. ihr Lernen mit alternativen Lehr- und Lernformen zu unterstützen. Ängste vonseiten der Lehrenden vor der „Enteignung“ selbsterbrachter Leistungen durch ein intransparentes System, aber auch Ängste vor Verlust der eigenen Stellung durch Rationalisierung des vertretenen Bereichs, treten zugunsten eines Ausprobierens in den Hintergrund [15].

Infrastruktur und Zusammenarbeit

Die Frage nach möglichen Synergieeffekten einer koordinierten Zusammenarbeit wurde zweigleisig bearbeitet. Einerseits mussten die technischen Voraussetzungen und Erfahrungen erfragt werden. Andererseits ging es um die tatsächliche Bereitschaft der Einrichtungen, Know-how auszutauschen. Hinsichtlich der technischen Voraussetzungen zeigt sich, dass die meisten Einrichtungen mit Moodle oder mit ILIAS arbeiten. Diese bisher nicht kompatiblen Systeme schließen sich jedoch wechselseitig aus, sodass Kooperationen zwischen Moodle-Anwendern und ILIAS-Anwendern nicht möglich sind. Dennoch möchten wir zwei Möglichkeiten vorschlagen, um künftig Kooperationen einerseits kurzfristig und andererseits langfristig realisieren zu können.

Kurzfristige Möglichkeiten der Zusammenarbeit lassen sich am Beispiel der Angebote für die Medizinische Terminologie aufzeigen: Sieben Einrichtungen, die mit dem LMS Moodle arbeiten, haben gleichzeitig Angebote im Bereich der Medizinischen Terminologie. Dem stehen drei Einrichtungen gegenüber, die mit dem LMS Moodle arbeiten, aber keine Terminologieangebote vorweisen. Ähnlich verhält es sich mit dem LMS ILIAS. Sieben Einrichtungen, die mit ILIAS arbeiten, haben E-Learning-Angebote für die Medizinische Terminologie, vier Einrichtungen haben diese nicht. Entsprechend könnten sich die Einrichtungen mit den gleichen Lern-Management-Systemen (Moodle oder ILIAS) wechselseitig unterstützen. Ein Austausch könnte aber auch unter den Einrichtungen mit dem gleichen LMS und Angeboten in der Medizinischen Terminologie stattfinden, da einige Einrichtungen nur einen Vokabeltrainer und andere nur einen Grammatiktest haben. Entsprechend würde der Vokabeltest gegen den Grammatiktrainer getauscht.

Dieses Beispiel lässt sich mit anderen E-Learning-Angeboten beliebig erweitern, beispielsweise Podcasts, E-Klausuren oder Videos speziell für Q13 „Palliativmedizin“. Da jedoch in der Vergangenheit die technische Infrastruktur (LMS und CMS) überwiegend von den Universitäten ausgewählt wurde, und die einzelnen Fakultäten oder Einrichtungen nicht ohne Weiteres wechseln können, ist eine schnelle Änderung der Infrastruktur nicht möglich, sodass auf absehbare Zeit mindestens zwei Parallelstrukturen mit Moodle einerseits und ILIAS andererseits die Regel sein werden. Entsprechend müssten kurzfristig entlang dieser beiden Systeme Kooperationsmöglichkeiten aufgebaut werden, die durch systemübergreifende Erfahrungsberichte wechselseitig ergänzt werden können. Dabei könnte es um ganz grundsätzliche Fragen wie Didaktik oder Rechtssicherheit (Copyright) im Internet gehen.

Die langfristige Möglichkeit zur Kooperation besteht darin, dass künftig E-Learning-Angebote unabhängig von den Lern-Management-Systemen bzw. Content-Management-Systemen entwickelt werden. Dies würde bedeuten, dass die E-Learning-Angebote nicht mehr mit den vielfältigen Tools erstellt werden, die beispielsweise ILIAS zur Verfügung stellt, sondern so konzipiert werden, dass sie auf alle LMS und CMS aufgesetzt werden können. Dies aber hat eine hohe Professionalisierung im Umgang mit Programmiersprachen (.xml oder .html) zur Voraussetzung. Entsprechend würde sich der Kreis derjenigen, die E-Learning-Angebote erstellen können, reduzieren bzw. es müsste auf professionelle Anbieter aus dem Bereich Informatik zurückgegriffen werden.

Was nun die tatsächliche Bereitschaft der Einrichtungen betrifft, Know-how auszutauschen, waren die Ergebnisse einstimmig. Alle Einrichtungen erklärten sich zur Kooperation bereit. Inwiefern tatsächlich künftig Vokabel- und Grammatiktrainer bzw. -tests ausgetauscht werden oder zumindest Erfahrungen in der Erstellung dergleichen, bleibt abzuwarten. Hierfür wäre ein gemeinsamer Workshop sinnvoll, um über Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet E-Learning zu diskutieren. In einem solchen Zusammenhang sollten aber auch die Möglichkeiten und Grenzen von E-Learning für die Bereiche Medizingeschichte, -theorie und -ethik ausgelotet werden. Wie lassen sich beispielsweise die Querschnittsbereiche Q7 „Medizin des Alterns“ oder Q13 „Palliativmedizin“ durch E-Learning-Angebote ergänzen? Neben Videos zu Themen wie „Breaking Bad News“ oder zum „Arzt-Patient-Gespräch“ lassen sich sicherlich weitere innovative Ideen realisieren.


V. Zusammenfassung

E-Learning ist ein fester Bestandteil der curricularen Lehre an deutschen Einrichtungen für die Bereiche Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Davon zeugt die hohe E-Learning-Quote von 87%. Selbst wenn der Begriff von E-Learning um die Bedingung der Interaktivität ergänzt wird, halten über 53% aller Einrichtungen Angebote für ihre Studierenden bereit. Dieser Trend zeigt sich auch in der Tatsache, dass die überwiegende Zahl der Einrichtungen (67%) auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen die Angebote ausbauen möchte.

Trotz der technischen Einschränkungen sind die kurzfristigen Kooperationsmöglichkeiten vielfältig. Diese bleiben aber aufgrund der technischen Gegebenheiten auf absehbare Zeit beschränkt. Dennoch lassen sich innerhalb der Parallelstrukturen Synergieeffekte ausmachen, die genutzt werden sollten. Zum einen, da die Akzeptanz und Nutzung von E-Learning-Angeboten unter den Studierenden sehr hoch sind. Zum anderen, da sich seit einiger Zeit ein Trend zur gemeinsamen Nutzung von E-Learning-Ressourcen über die jeweiligen Medizinischen Fakultäten hinaus abzeichnet, der auch durch Drittmittelunterstützung gefördert wird. In diese Richtung weist beispielsweise ein vom BMBF gefördertes Verbundprojekt mit dem Titel „Praktische klinische Kompetenz. Netzwerk zur methodisch-didaktischen und curricularen Optimierung des Studiums der Humanmedizin“. Dessen erste von drei Säulen, die methodische Säule, sieht die „Vernetzung der Universitäten zur gemeinsamen Nutzung elektronisch-visuellen Contents“ vor [16].

Schließlich gilt es aber auch, die plattformunabhängigen Möglichkeiten der Kooperation zu prüfen, um den Austausch künftig einfacher zu gestalten. Diese und weitere Problemfelder sollten auf gemeinsamen Treffen der deutschen Einrichtungen für die Bereiche Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin besprochen werden. Zu diskutieren wäre in diesen Zusammenhang beispielsweise, welche Angebote in den Einrichtungen oder in den Skills Labs der einzelnen Medizinischen Fakultäten bereits vorbereitet oder in Vorbereitung sind. Zu fragen wäre, welche Angebote sich gemeinsam für die Medizingeschichte, Medizintheorie und Medizinethik entwickeln lassen und welchen Standards der Qualitätssicherung diese genügen müssen.


Take-Home-Message

  • E-Learning ist ein Teil der curricularen Lehre in den Bereichen Medizinische Terminologie, Medizingeschichte, Medizintheorie und Medizinethik.
  • Neben der Möglichkeit, die Medizinische Terminologie zu üben und zu testen, bieten die Einrichtungen in den Bereichen Medizingeschichte, Medizintheorie und Medizinethik regelmäßig E-Klausuren, Chat-Räume und Foren an.
  • Trotz der momentanen technischen Einschränkungen bieten sich vielfältige Möglichkeiten für eine kurzfristige Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Back A. E-Learning allgegenwärtig. Innsbruck, Wien, Bozen: Studien Verlag; 2012.
2.
Bremer C, Krömker D. E-Learning zwischen Vision und Alltag. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann; 2013.
3.
Luppicini R, Haghi AK. Education for a digital world: present realities and future possibilities. Toronto: Apple Academic Press; 2013.
4.
Schäfer C. Modelle einer erfolgreichen Implementierung elektronischer und anderer Lernmaterialien in die Lehre. In: Krukemeyer M, Bartram CR (Hrsg). Aus- und Weiterbildung in der klinischen Medizin. Didaktik und Ausbildungskonzepte. Stuttgart: Schattauer; 2012. S.65-80.
5.
Michaud PA. Reforms of the pre-graduate curriculum for medical students: the Bologna process and beyond. Swiss Med Wkly. 2012;142:w13738. DOI: 10.4414/smw.2012.13738 Externer Link
6.
Polianski I, Fangerau H. Toward "harder" medical humanities: moving beyond the "two cultures" dichotomy. Acad Med. 2012;87(1):121-126. DOI: 10.1097/ACM.0b013e31823ad204 Externer Link
7.
Ruf D, Berner MM, Kriston L, Härter M. E-Learning – eine wichtige Unterstützung in der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung? Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz. 2008;51(9):1061-1069. DOI: 10.1007/s00103-008-0635-1 Externer Link
8.
Ortner GE, Mikuszeit B, Szudra U. Medien für die ethische Erwachsenenbildung. Modulare Konzeption, didaktische Bewertung, E-Learning-Beispiele. In: Bergold R, Gisbertz H, Kruip G (Hrsg). Treffpunkt Ethik. Internetbasierte Lernumgebungen für ethische Diskurse. Bielefeld: Bertelsmann; 2007. S.255-283.
9.
Nahlik C. FEel – Fallbasierter Ethikunterricht unter Verwendung von E-Learning. Der Reformstudiengang Medizin an der Charité Universitätsmedizin Berlin. In: Bergold R, Gisbertz H, Kruip G (Hrsg). Treffpunkt Ethik. Internetbasierte Lernumgebungen für ethische Diskurse. Bielefeld: Bertelsmann; 2007. S.362-374
10.
Costa-Santos C, Coutinho A, Cruz-Correia R, Ferreira A, Costa-Pereira A. E-learning at Porto Faculty of Medicine. A case study for the subject "Introduction to Medicine". Stud Health Technol Inform. 2007;129(2):1366-1371.
11.
Klimsa P, Issing LJ. Online-Lernen. Handbuch für Wissenschaft und Praxis, 2nd ed. München: Oldenbourg; 2011. S.14. DOI: 10.1524/9783486710175 Externer Link
12.
Kerres M. Mediendidaktik: Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote. 3rd ed. München: Oldenbourg; 2012. S.18. DOI: 10.1524/9783486716924 Externer Link
13.
Bänziger A. Telefonbefragung als intersubjektiver Aushandlungsprozess. Die komplexe Kommunikationsstruktur standardisierter Interviews – theoretische Neukonzeption und praktische Anwendung in der Markt- und Meinungsforschung. Baden-Baden: Nomos; 2009. S.19.
14.
Giebler P, Spilke J. E-Learning-Systeme. Komponenten, Erstellung und Betrieb. Sci Halensis. 2008;3:22-23.
15.
Handke J, Schäfer AM. E-Learning, E-Teaching und E-Assessment in der Hochschullehre. Eine Anleitung. München: Oldenbourg; 2012. S.164. DOI: 10.1524/9783486716849 Externer Link
16.
Rüsseler M, Damanakis A, Schleicher I, Schill A, Stibane T, Kreuder J, Walcher F. Praktisch klinische Kompetenz – Netzwerk zur methodisch-didaktischen und curricularen Optimierung des Studiums der Humanmedizin. Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. München, 30.04.-03.05.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. Doc13dgch193. DOI: 10.3205/13dgch193 Externer Link