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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

5 Jahre Erfahrung mit einem groß angelegten Mentorenprogramm für Medizinstudierende

Artikel – Projektbericht Humanmedizin

  • corresponding author Severin Pinilla - Klinikum der LMU München, Neurologische Klinik und Poliklinik, München, Deutschland
  • corresponding author Tanja Pander - Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Philip von der Borch - Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik and Poliklinik IV, München, Deutschland
  • author Martin R. Fischer - Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Konstantinos Dimitriadis - Klinikum der LMU München, Neurologische Klinik und Poliklinik, München, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2015;32(1):Doc5

doi: 10.3205/zma000947, urn:nbn:de:0183-zma0009479

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2015-32/zma000947.shtml

Eingereicht: 27. Januar 2014
Überarbeitet: 22. August 2014
Angenommen: 18. November 2014
Veröffentlicht: 11. Februar 2015

© 2015 Pinilla et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

In diesem Artikel werden die Erfahrungen mit der Implementierung und Organisation eines Mentorenprogrammes für eine große Anzahl Medizinstudierender an der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU) der letzten fünf Jahre vorgestellt und diskutiert. Aufgrund einer Bedarfsanalyse unter Studierenden der medizinischen Fakultät der LMU implementierten wir ein zweigeteiltes Mentorenprogramm mit einem Peer-Mentoringkonzept für Studierende der Vorklinik und einem individuellen 1:1-Mentoringkonzept für Studierende der Klinik, welches durch einen online-basierten Matching-Algorithmus unterstützt wird. 20-30% aller Medizinstudierenden der LMU München nehmen freiwillig an unserem Mentorenprogramm teil.

Zu den speziellen Herausforderungen gehören unter anderem die Entwicklung eines longitudinalen Evaluationskonzeptes, die Gewinnung von Mentoren auch über Universitätskliniken hinaus, und die Abbildung eines Mentoren-Netzwerks im Rahmen eines formalen Mentorenprogrammes.

Ein zweigeteiltes Programm mit online-basiertem Matching scheint ein effektives Konzept für groß angelegte Mentorenprogramme zu sein und ist unter Medizinstudierenden und an der medizinischen Fakultät gut akzeptiert worden.

Schlüsselwörter: Mentoring, Medizinstudierende, Evaluation, online-basiertes Matching


Autorenschaft

Severin Pinilla und Tanja Pander teilen sich die Erstautorenschaft.


Einleitung

Wissensstand

Den stetig wachsenden Anforderungen umfangreicher Kompetenzkataloge zufolge werden Medizinstudierende mit immer mehr Herausforderungen konfrontiert, um ihren individuellen beruflichen Weg zu gehen. Mit einer stets andauernden Arbeitsbelastung und zunehmenden Karrieremöglichkeiten, haben Medizinstudierende einen steigenden Bedarf an zusätzlicher Unterstützung [1]. Mentoring – als wirkungsvolles Beratungsinstrument [4] – scheint sich positiv auf Schlüsselelemente der beruflichen Entwicklung von Medizinstudierenden auszuwirken [3]. Die World Federation for Medical Education identifiziert strukturierte und formale Mentorenprogramme als wichtigen Standard der medizinischen Ausbildung [http://www.wfme.org/standards/bme zugegriffen am 05.02.2014]. Obwohl akademisches Mentoring als vielversprechender Karrierekatalysator anerkannt und wahrgenommen wird, mangelt es in vielen Ländern an formalen Mentorenprogrammen [6]. In Deutschland gibt es aktuell zwar eine Reihe von Mentorenprogrammen für Medizinstudierende, aber die allgemeine Verfügbarkeit von Mentoring ist dennoch eher gering [11]. Längsschnittdaten über die Auswirkungen von formalen Mentorenprogrammen sind immer noch kaum vorhanden [13].

In diesem Artikel werden die Erfahrungen mit einem Mentorenprogramm für eine große Anzahl Medizinstudierender an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) München der letzten fünf Jahre vorgestellt. Wir geben einen Überblick zur anfänglichen Implementierung, den aktuellen Stand sowie ausgewählte Ergebnisse des Programmes. Schließlich diskutieren wir Herausforderungen und mögliche Auswirkungen für die Praxis.


Programmbeschreibung

Implementierung an der medizinischen Fakultät der LMU

Die Vision unseres Mentorenprogrammes war und ist es, jedem Medizinstudierenden der LMU München (n>4000) die Möglichkeit zu geben, die passende Unterstützung zu finden, beispielsweise durch das Aussuchen eines Mentors oder die Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen.

Angestrebte kurzfristige Ergebnisse beinhalteten die bessere Wahrnehmung der Unterstützung durch die Fakultät bei Studierenden, sowie individuelle Selbstverwirklichungspläne an der medizinischen Fakultät zu fördern. Als langfristiges Ergebnis sollte zusätzlich eine erweiterte und verbesserte Netzwerkstruktur und Lernkultur an der Fakultät etabliert werden.

Die Mission unseres Mentorenprogrammes bestand aus drei Hauptaspekten:

1.
Die Stärkung der horizontalen (innerhalb eines Semesters) und der vertikalen Vernetzung (über alle Ausbildungsebenen hinaus) innerhalb der Fakultät und das Bereitstellen einer effizienten und umfassenden Unterstützungsstruktur.
2.
Die Stärkung der studentischen Partizipation innerhalb der Fakultät, beispielsweise durch das Organisieren und Teilnehmen an Veranstaltungen, welche die persönliche und berufliche Entwicklung im Sinne eines modernen Arztbildes fördern, mit den ärztlichen Teilrollen als Gesundheitsfürsprecher, als Teamarbeiter, als Manager, als Kommunikator, als Lehrender und Lernender und als professionell Handelnder [5].
3.
Die wissenschaftliche Begleitung des Mentorenprogrammes durch entsprechende Forschungsprojekte und regelmäßigen Evaluationen aller Veranstaltungen und Mentoring-Aktivitäten.

Das medizinische Curriculum der LMU München besteht aus zwei vorklinischen und vier klinischen Jahren. Vor der eigentlichen Implementierung führten wir eine Bedarfsanalyse unter Medizinstudierenden aller Semester durch (n=578, Rücklaufquote=14.1%). Wir identifizierten einen deutlichen Bedarf an mehr Unterstützung durch die Fakultät mit einem Schwerpunkt auf persönlicher und beruflicher Entwicklung sowie Karriereplanung [15]. Als Konsequenz daraus implementierten wir ein zweigeteiltes Mentorenprogramm (MeCuM-Mentor), welches aus einem individuellen 1:1-Mentoringkonzept für Klinikstudierende und einem Peer-Mentoringkonzept mit dem Fokus auf Vorklinik-Studierenden besteht. Die Teilnahme der Studierenden und Mentoren in diesem Programm ist freiwillig.

Beim individuellen 1:1-Mentoringkonzept haben alle Medizinstudierende im klinischen Studienabschnitt die Möglichkeit sich mit einem individuellen Mentor in Verbindung zu setzen („Matching“). Die Mentoren sind freiwillig engagierte Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen mit unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten.

In unserem Programm können sich Studierende entweder

1.
frei einen ihnen bekannten Mentor unter allen Fakultätsmitgliedern aussuchen und ihre Mentoringbeziehung auf unserer Website pflegen.
2.
einen in unserer Online-Datenbank registrierten Mentor mit ähnlichen persönlichen (z.B. Alter, Geschlecht, sportliche und kulturelle Präferenzen) und professionellen Interessen (z.B. Forschungsaktivitäten, Fachrichtung, Einsatzgebiet, USMLE) aussuchen [15].

Die Mehrheit der Mentoringbeziehungen in unserem Programm entsteht durch die Option des Online-Matchings (88.2%), wobei Studierende und Ärzte jeweils ein Online-Profil mit 13 Items, bezüglich ihres beruflichen Hintergrundes, ihrer Karriereinteressen und ihrer Vorstellung bezüglich ihres Arbeits- und Freizeitlebens ausfüllen. Antworten werden jeweils auf einer 6-stufigen Likert-Skala und mit Freitexten gegeben. Ein Computer-basierter Matching-Score, welcher durch einen gewichteten Korrelations-Algorithmus errechnet wird, präsentiert den Studierenden die 10 Mentoren, die ihrem Online-Profil am ehesten entsprechen [14].

Im Verlauf implementierten wir zusätzlich zwei weitere Möglichkeiten sich einen Mentor auszusuchen. Studierende haben die Möglichkeiten entweder alle Profile der online-registrierten Mentoren anhand individueller Suchkriterien frei zu durchsuchen oder eine persönliche Beratung durch unser Team in Anspruch zu nehmen.

Nach erfolgreichem Matching treffen sich Mentor und Mentee persönlich, machen sich miteinander vertraut und einigen sich auf individuelle Ziele und zukünftige Treffen, je nach Bedarf. Eines der häufigsten Themen zwischen Mentor und Mentee ist Karriereplanung und Mentees sehen ihre Mentoren meist in der Rolle des Beraters. Für den Fall, dass sich entweder der Mentor oder der Mentee dazu entscheiden die Mentorenbeziehung zu beenden, können Studierende sich jederzeit einen neuen Mentor über das Programm suchen [3], [15].

Das Peer-Mentoringkonzept wurde anfänglich hauptsächlich für Studierende der Vorklinik konzipiert, mittlerweile nehmen allerdings Studierende aus allen Semestern an den meisten Veranstaltungen teil. Der treibende Impuls des Peer-Mentoring geht von motivierten Studierenden aus allen Semestern, so genannten Juniormentoren, aus. Die Juniormentoren konnten durch ihre Mitstudierenden gewählt werden. Die Juniormentoren werden zu einem zweitägigen Einführungsseminar, mit Workshops zum Thema Mentoring, Führungsverhalten und Teambildung eingeladen, um sie auf ihre Rolle als Multiplikatoren der Mentoring-Idee vorzubereiten. Die Juniormentoren stellen Ansprechpartner und Mentoren für ihre Kommilitonen dar. Zusätzlich organisieren sie eine Reihe von Mentoring-Veranstaltungen.

Im Ergebnissteil werden Nutzungsdaten der Homepage und Evaluationen individueller Mentoringveranstaltungen vorgestellt.


Ergebnisse

Aktueller Stand des Mentorenprogrammes

Durch die kontinuierliche politische Unterstützung der Dekane unserer medizinischen Fakultät konnte MeCuM-Mentor erfolgreich als offizielles Projekt des Institutes für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin in die medizinische Fakultät der LMU München integriert werden. Aktuell besteht das Koordinationsteam aus zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern in Vollzeit, jeweils mit einem pädagogischen und einem medizinischen Ausbildungshintergrund. Zusätzlich unterstützen 4-6 studentische Hilfskräfte bei der Organisation und Evaluation von Veranstaltungen über das ganze Jahr hinweg. Das Programm ist hauptsächlich über Studiengebühren und Veranstaltungsbezogene Sponsoren finanziert.

Die zentrale Informationsquelle für alle Interessensgruppen ist unsere Website [http://www.mecum-mentor.de, welche sowohl aus einem öffentlich zugänglichen Bereich mit allgemeinen Informationen, als auch einem Passwort-geschützten internen Bereich zur Verwaltung der Nutzer-Profile sowie der Mentorenbeziehungen besteht. 2013 wurde die Website circa 14.000 mal besucht. Wir nutzen ebenfalls soziale Medien, vor allem Facebook, sowie verschiedene Emailverteiler und selbst-entworfene Poster, um unsere anstehenden Veranstaltungen oder wichtige Informationen rund um das Mentorenprogramm anzukündigen.

Um neue Mentoren zu rekrutieren, stellen wir unser Programm jeden Oktober in allen klinischen Abteilungen unserer Fakultät vor. Zusätzlich organisieren wir einmal im Jahr ein MentoringFest. Dieses beginnt mit einem kurzen Einführungsteil zum Thema Mentoring, gefolgt von einer informellen Mentoring-Börse und runden Tischen um die Teilnahme im Programm zu erleichtern sowie Studierenden die Möglichkeit zu geben potentielle Mentoren aus allen Hierarchieebenen kennen zu lernen.

Etwa 399 Mentoren sind aktuell in unserem Programm aktiv. 187 davon haben noch freie Kapazitäten für weitere Mentees. Im Durchschnitt hat ein Mentor formale Mentorenbeziehungen mit 1 bis 3 Mentees. 128 Mentoren sind weiblich und 271 sind männlich und gemeinsam decken sie die volle Bandbreite der medizinischen Fachrichtungen ab (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Mehrheit unserer Mentoren kommt aus konservativen medizinischen Fachrichtungen (42%). 31% arbeiten in chirurgischen oder halb-chirurgischen Fächern. Die verbleibenden Mentoren arbeiten im Gesundheitswesen, in der Medizindidaktik, in der Industrie oder in Fachrichtungen mit kaum oder keinem Patientenkontakt. Mentees nehmen ihre Mentoren hauptsächlich als Berater, Ideengeber und Vorbilder wahr [3]. Als Vorbereitung für ihren Einsatz als Mentor, finden Mentoren Informations- und weiterführendes Material auf unserer Website. Ebenso können sie Unterstützung zu allgemeineren Fragen durch unser Koordinationsteam bekommen.

Etwa 3401 Studierende sind aktuell auf unserer Website registriert. 1440 davon sind Studierende aus den klinischen Semestern des medizinischen Curriculum Münchens und somit berechtigt am 1:1-Mentoringkonzept teilzunehmen. 842 aus dieser Kohorte haben einen Mentor. 60% sind weiblich, was der studentischen Geschlechterverteilung an unserer medizinischen Fakultät entspricht. Der Durchschnittsteilnehmer ist 23.56±3.58 Jahre alt und absolviert das 10.45±4.46 Semester. Die Hauptthemen, die in den individuellen Mentorenbeziehungen diskutiert werden, sind die persönlichen Ziele des Mentees, Karriereplanung und Auslandserfahrung [3]. Mentees beziehen alle Informationen über die Mentoren und die Mission und Vision unseres Programmes über unsere Website beziehungsweise durch direkte Anfragen an unser Team.

Die Häufigkeit und Verteilung der Matchings über die Zeit können über eine Datenbank abgerufen werden. Abbildung 2 zeigt den Trend der letzten fünf Jahre der online zustande gekommenen Mentorenbeziehungen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2], Teil A), sowie den Matching-Trend innerhalb eines akademischen Jahres (siehe Abbildung 2 [Abb. 2], Teil B). In 2008 (nicht in Abbildung 2 [Abb. 2]) und 2009 lagen die Matching-Zahlen bei circa 300 Matchings, da das Programm neu eingeführt wurde und Studierende aus allen klinischen Semestern sich zur gleichen Zeit einen Mentor suchen konnten. Basierend auf diesen Zahlen, gehen wir davon aus, dass mittlerweile 20% bis 30% aller neuen Klinik-Studierenden (n≈400) freiwillig an unserem Mentorenprogramm teilnehmen. Die von 2009 bis 2012 konstant auftretenden Matching-Spitzen im Oktober und Mai reflektieren jeweils den Beginn eines neuen Semesters. Studierende, welche ihre Ausbildung ohne Unterbrechung von der Schule zur Universität fortsetzen sind eher Teil der Oktober-Kohorte und demnach wahrscheinlich etwas motivierter im Bezug auf Karriereplanung.

Die Kohorte der Juniormentoren besteht aktuell aus 38 Studierenden verschiedener vorklinischer und klinischer Semester. Sie werden mittlerweile anhand einer schriftlichen Bewerbung, bestehend aus einem kurzen Motivationsschreiben, in dem sie ihre Pläne für das Peer-Mentoringkonzept für ein Jahr darstellen, ausgewählt.

Das Projekt-Portfolio des Peer-Mentoring (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) setzt sich aus allgemeinen Veranstaltungen (beispielsweise einer Doktorarbeitsmesse ‘DoktaMed’ und moderierten Diskussionsrunden zur medizinischen Karriere ‘FacharztDuell’) und mehr spezifischen Veranstaltungen, wie einem Training für klinische Fähigkeiten (‘Fit for Famulatur’) oder Veranstaltungen zur Prüfungsvorbereitung (‘Physikumsinfoveranstaltung’), sowie Einführungsveranstaltungen für die klinischen Jahre (‘Klinikeinführung’) zusammen.

Jede Veranstaltung, die direkt durch MeCuM-Mentor oder Juniormentoren organisiert wird, wird jeweils individuell durch Papier-basierte Fragebögen evaluiert. Neuere Aktivitäten reichen über den Kontext der Hochschule hinaus und beinhalten auch Veranstaltungen für Schüler (‘Aufklärung gegen Tabak’). Einige dieser Interventionen wurden mehr in die Tiefe evaluiert und in Artikeln oder auf Postern publiziert [7], [10], [16].


Diskussion

Was sind die Herausforderungen?

In Anbetracht dessen, dass gutes Mentoring komplex ist und eine Vielzahl an soziokulturellen, beruflichen, professionellen und psychologischen Elementen enthält, ist es schwierig einen einzelnen Ergebnisparameter, welcher über den Erfolg eines Mentorenprogrammes entscheidet, zu definieren [12]. Eine interessante und zugleich schwierig zu messende Komponente von Mentoring ist der Effekt, den Mentorenbeziehungen auf die langfristige berufliche Entwicklung haben. Es gibt einen Bedarf an multizentrischen, prospektiven Längsschnittstudien, die idealerweise eine ganze Generation Medizinstudierender einschließen, und diesen bei ihren Karrierewegen in allen Phasen der medizinischen Aus- und Weiterbildung folgen, um den Einfluss von formellen und informellen Mentoringaktivitäten auf verschiedene Ergebnis-Parameter (zum Beispiel Erfolg, Zufriedenheit, Berufswechselhäufigkeit) zu messen. In Bezug auf das Mentorenprogramm unserer Fakultät können wir aktuell keine Aussagen darüber treffen, welche Langzeit-Effekte dadurch beeinflusst werden.

Ein anderer grundlegender Aspekt bezieht sich auf die Persönlichkeitseigenschaften der Studierenden, welche freiwillig in unserem Mentorenprogramm teilnehmen. Basierend auf unseren Daten, nehmen eher Studierende mit besseren Leistungen an unserem Programm teil [3]. Trotz unserer Bemühungen alle Studierende zu adressieren, suchen wir immer noch nach geeigneten Strategien, um alle Studierenden der klinischen Semester für unser 1:1-Mentorenkonzept zu gewinnen oder spezielle Aspekte der kulturellen Vielfalt und Studierende mit schlechten Leistungen, wie bereits in anderen Programmen implementiert [9], zu berücksichtigen.

Ferner arbeitet der überwiegende Teil der Mentoren, die in unserem Programm tätig sind, in einem akademischen Umfeld. Um Expertise und Betreuung über die volle Bandbreite möglicher Berufswege anzubieten, werden zusätzliche Rekrutierungsstrategien benötigt, um niedergelassene Ärzte und nicht-klinische Mentoren zu erreichen. Des Weiteren ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar welcher der ideale Weg ist um Juniormentoren auszuwählen. Zu Beginn versuchten wir es mit einer Wahl durch Mitstudierende, wechselten aber mittlerweile aufgrund von zu geringer Wahlbeteiligung unter den Medizinstudierenden und aufgrund eines relativ hohen Arbeitsaufwandes, den die Organisation einer studentischen Wahl mit sich bringt, zu einer schriftlichen Bewerbung.

Der Fokus unseres Mentorenprogrammes liegt auf dem horizontalen und vertikalen Vernetzen, dem Teilen von Erfahrungen und dem erleichterten Zugang zu Ressourcen. Andere wichtige Aspekte von Mentoring, welche sich auf psychologische Beratungsaspekte und Coaching-Methoden beziehen, scheinen in unserem Programm unterrepräsentiert zu sein, da die an unserem Programm beteiligten Mentoren keine speziellen Kriterien erfüllen oder an einem zusätzlichen Training teilnehmen müssen.

Einige Wissenschaftler nähern sich immer mehr dem Konzept, Mentoring nicht mehr als eine rein dyadische Beziehung zwischen zwei Personen sondern als ein Netzwerk von Mentoren zu sehen, da dies mehr der Realität von erfolgreichem Mentoring entspricht [2], [8]. Allerdings scheint es besonders herausfordernd zu sein, dieses Konzept in formale Mentorenprogramme zu übersetzen und die informellen Mentorenbeziehungen, welche fortlaufend durch Forschungspraktika, Famulaturen oder durch rein zufällige Begegnungen entstehen, abzubilden. Dies scheint aber auch nicht zwingend notwendig sein, wenn man zugrunde legt, dass ein Mentorenprogramm Medizinstudierenden einen ersten Eintrittspunkt bieten soll, um sich aktiv mit ihren beruflichen Zielen und Netzwerken zu beschäftigen.


Schlussfolgerungen

Was sind die Auswirkungen auf die Praxis?
Individuelle Ebene

Die freiwillige Teilnahme unserer Mentoren und Juniormentoren ist ein wesentlicher Teil unseres Programmes. Wir sind überzeugt davon, dass die intrinsische Motivation zur Teilnahme sowohl Voraussetzung als auch Grundlage des Erfolges unseres Programmes darstellt. Dennoch könnte eine formelle Anerkennung der Mentoren-Aktivität die Teilnahmequote zusätzlich erhöhen und eine Mentoringkultur an einer Institution oder Fakultät fördern.

Mentorenprogramme funktionieren nicht ohne kontinuierlichen persönlichen Einsatz der Mitarbeiter. Neben einer gut etablierten Online-Plattform, besuchen wir regelmäßig klinische Morgenbesprechungen, Mittagskonferenzen und studentische Veranstaltungen, um die Mitglieder der Fakultät über die Vorteile der Teilnahme in unserem Programm und der Förderung einer fakultätsweiten Mentoringkultur zu informieren. Wir führten ebenfalls eine Politik der offenen Tür in unserem Büro ein, um allen Beteiligten und Interessensgruppen unseres Mentorenprogrammes einen physischen Referenzpunkt zu bieten.

Ausgehend von unseren regelmäßig veranstalteten Peer-Mentoring-Veranstaltungen mit stetig hoher Beteiligungsrate, schlussfolgern wir, dass unser Juniormentoren-Konzept erfolgreich in Bezug auf den wirksamen Einsatz motivierter Studierender als Multiplikatoren ist. Positive Evaluationsergebnisse unterstützen diese Beobachtung.

Programm-Ebene

Das zweigeteilte Mentorenprogramm mit einem online-basierten Matching-Algorithmus scheint eine passende Lösung für groß angelegte Mentorenprogramme zu sein. Es erlaubt Mentoring für eine große Anzahl an Studierenden bei gleichzeitiger Sicherstellung der Qualität der individuellen Unterstützung [3].

Wir sind davon überzeugt, dass es lohnenswert ist, personelle und finanzielle Ressourcen in ein Content-Managements-System zu investieren, da es einen Großteil der administrativen Aufgaben eines Mentorenprogrammes, wie die Anmeldung, das Matching sowie die interne und externe Kommunikation, leisten kann. Bei einer rein informativen Website würde der zeitliche und arbeitstechnische Aufwand enorm ansteigen. Allerdings sollte der Aufwand, welcher in die Instandhaltung und Wartung der Website investiert werden muss, nicht unterschätzt werden.

Momentan scheint es keine Einigung darüber zu geben, welcher Matching-Prozess ideal für Mentorenprogramme an medizinischen Fakultäten ist. Unserer Erfahrung nach scheinen online-basierte Programme vergleichbar mit Sympathie-basierten, zufällig entstandenen und informellen Mentorenbeziehungen zu sein. Wir nehmen an, dass durch unseren Matching-Algorithmus eine potenziell höhere Zufriedenheit besteht, verglichen mit einem zufälligen Matching von Mentoren und Mentees. Allerdings liegen für diese Annahme bisher keine entsprechend belastbaren Daten vor. Daher schlagen wir vor, dass zukünftige Studien unter kontrollierten Bedingungen messbare Ergebnisse, wie Zufriedenheit von Mentor und Mentee, Häufigkeit des Kontaktes zwischen Mentor und Mentee und Dauer der Mentorenbeziehung erfassen, um bessere Empfehlungen für den optimalen Matching-Prozess geben zu können.

Fakultätsebene

Abhängig von den finanziellen und hierarchischen Strukturen eines Mentorenprogrammes ist es wichtig, effektiv mit verschiedenen Abteilungen und Studentenvertretungen zusammenzuarbeiten, um sich langfristig den notwenigen politischen Rückhalt und Unterstützung zu sichern. Hierbei ist ebenfalls die offizielle Einbindung von Entscheidungsträgern und Interessensgruppen der Fakultät essentiell. Wir fanden diese Unterstützung bei renommierten aktiven und emeritierten Professoren und Dekanen, um sowohl unser Mentorenprogramm zu Beginn einzuführen, als auch regelmäßig neue Mentoring-Aktivitäten anzustoßen.

Letztendlich kann ein effektives und effizientes Mentorenprogramm auch als Katalysator für medizindidaktische Innovationen dienen. Die angesammelte Expertise und Erfahrung im Bereich Projektmanagement von kleinen informellen Treffen, über Kursen zu kommunikativen und klinischen Fähigkeiten bis hin zu studentischen Forschungskonferenzen und Messen kann als stetige Quelle zur Förderung didaktischer und wissenschaftlicher Projekte dienen.

Was sind die Schlussfolgerungen?

Die 5-jährige Erfahrung mit unserem Mentorenprogramm zeigt, dass ein groß angelegtes Mentorenprogramm erfolgreich in die medizinische Fakultät der LMU München integriert werden konnte. Ein zweigeteiltes Konzept mit individuellen Mentoren für klinische Semester und Juniormentoren für vorklinische Studierende scheint erfolgreich für Fakultäten insbesondere mit einer großen Anzahl Studierender. Intrinsische Motivation der Mentoren und formelle Unterstützungsstrukturen sind weitere entscheidende Erfolgsfaktoren. Das hier vorgestellte Mentorenprogramm wird von etwa einem Viertel aller Studierender unserer Fakultät freiwillig in Anspruch genommen, und könnte in einem weiterem Schritt auf weitere Fakultäten und Disziplinen übertragen werden.

Es besteht ein Bedarf an Längsschnittstudien und multizentrischen Forschungsprojekten, um den Effekt von Mentorenbeziehungen auf individuelle Karrierewege und Karrierezufriedenheit sowie auf die Entwicklung beruflicher Netzwerkstrukturen sowie die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben besser abschätzen zu können. Der Einsatz innovativer Kommunikationstechnologien sowie sozialer Medien kann ebenfalls für Mentoring-Aktivitäten genutzt werden und zusätzliche Möglichkeiten für die Betreuung Medizinstudierender bereitstellen.


Danksagung

Wir möchten uns bei Sylvère Störmann und Stefan Galster für die hervorragende Programmierung der Website von MeCuM-Mentor bedanken.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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