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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Audiopodcasts im Biochemiepraktikum – Kostengünstiges eLearning in bewährtem Hörfunkformat

Projekt Humanmedizin

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  • author Dieter Münch-Harrach - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Experimentelle Medizin, Institut für Biochemie und molekulare Zellbiologie, AG Auswahlverfahren, Hamburg, Deutschland
  • Christian Kothe - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Experimentelle Medizin, Institut für Biochemie und molekulare Zellbiologie, AG Auswahlverfahren, Hamburg, Deutschland
  • corresponding author Wolfgang Hampe - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Experimentelle Medizin, Institut für Biochemie und molekulare Zellbiologie, AG Auswahlverfahren, Hamburg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(4):Doc44

doi: 10.3205/zma000887, urn:nbn:de:0183-zma0008876

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000887.shtml

Eingereicht: 22. Februar 2013
Überarbeitet: 23. Mai 2013
Angenommen: 15. August 2013
Veröffentlicht: 15. November 2013

© 2013 Münch-Harrach et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Einleitung: Audiopodcasts sind ein e-Learning Format, mit dem Studierende motiviert werden können, sich intensiver mit Lerninhalten des Medizinstudiums zu beschäftigen. Wir haben ein bewährtes Format aus dem Hörfunk, den „gebauten Beitrag“, übernommen, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer über Zeiträume bis zu 20 Minuten auf Informationen zum Biochemiepraktikum zu richten. Informationen, O-Ton (Original-Ton) und spezifische Atmosphäre lassen den Hörer die Inhalte intensiv erleben.

Methode: Um die Erstellung der Podcasts möglichst kostengünstig und wenig zeitintensiv zu gestalten, erarbeiten zunächst je ein Studierender, Dozent, Kliniker und technischer Angestellter in einer Redaktionskonferenz die Themenschwerpunkte der ihnen zugeordneten Textblöcke. Anschließend können die Sprecher die Blöcke unabhängig voneinander ausarbeiten und einsprechen. Die Koordination wird dabei weitgehend von dem Studierenden übernommen. Mit einem Fragebogen wurden die Podcasts zu zwei Zeitpunkten von Medizinstudierenden evaluiert.

Ergebnisse: Mit geringem zeitlichen und finanziellen Aufwand wurden 8 Podcasts erstellt und unter http://www.podcampus.de veröffentlicht. Sie wurden in großem Umfang von den Studierenden genutzt und auch von vielen nicht studentischen Hörern sehr positiv bewertet. Für eine langfristige Nutzung ist ein regelmäßiger Hinweis auf das Podcast Angebot in Lehrveranstaltungen notwendig.

Schlussfolgerung: Erfolgreiche Podcasts zur Unterstützung der Präsenzlehre können mit geringem Aufwand unter Einbezug von Studierenden erstellt werden und tragen zur Außendarstellung der Medizinischen Fakultät bei.

Schlüsselwörter: Audiopodcast, gebauter Beitrag, Biochemiepraktikum, Rollensystem, e-Learning


Einleitung

Lange Zeit galten gerade die Praktika der Biochemie bei den Hamburger Medizinstudierenden als schwierige Einzelveranstaltungen [1]. Biochemie ist ein sehr abstraktes Fach, mit dem sich viele Medizinstudierende schwertun. Um das Interesse und damit die Motivation zum selbstorganisierten Lernen zu steigern, haben wir 2007 das eLearning Angebot für das Biochemiepraktikum am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) durch Audiopodcasts erweitert. Dabei wurde auf die am häufigsten im Rundfunk eingesetzte journalistische Darstellungsform, der gebaute Beitrag, zurückgegriffen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Charakteristisch ist dabei das Wechselspiel zwischen Moderator und O-Ton. Der Text des Moderators steht im Mittelpunkt und hält als roter Faden den Beitrag zusammen. Die O-Töne sollen konkretisieren und vertiefen, indem sie Aussagen und Personen besonders hervorheben. Sie sind durch ihre Authentizität besonders glaubwürdig und führen genauer aus, was der Moderator lediglich angerissen hat. Durch die neue Stimme und häufig auch einen neuen akustischen Raum wird der Beitrag lebendiger und lädt zum Weiterhören ein [2], [3].

Viele eLearning-Projekte werden mit hohen Fördermitteln initiiert. Nach Auslaufen der Förderung können sie dann häufig nicht weitergeführt werden [4]. Wir präsentieren hier ein mit geringen Mitteln durchführbares Projekt und zeigen Wege zur langfristigen Weiterführung. Gleichzeitig gehen wir der Fragestellung nach, ob Audiopodcasts in Form des gebauten Beitrags eine Art Verfallsdatum besitzen. Wird die Qualität der Beiträge, auch nach einem längeren Nutzungszeitraum, noch in gleicher Weise wahrgenommen?


Erstellung von Audiopodcasts für das Biochemiepraktikum

Üblicherweise bereiten sich die Studierenden mit Skripten und Lehrbüchern auf die Durchführung und Auswertung der Versuche im Biochemiepraktikum vor. Die Praktikumspodcasts am UKE sollen den Studierenden zusätzlich einen interessanten Einblick in das Praktikumsthema geben und so ihre intrinsische Lernmotivation stärken. Für die Durchführung des Praktikums sind mehrere Personengruppen verantwortlich, die alle als O-Ton in die Podcasts einbezogen werden (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Der Dozent erklärt den theoretischen Hintergrund und ein technischer Angestellter gibt Hinweise zur praktischen Versuchsdurchführung. Eine weitere Gruppe, die nicht direkt am Praktikum beteiligt ist, aber eine ebenso wichtige Rolle einnimmt, sind die Kliniker, die die Relevanz der Praktikumsversuche für die Patientenversorgung einbringen. Die zentrale Moderatorenrolle des Beitrags übernimmt ein Studierender, für die er am UKE eine Aufwandsentschädigung von 100 € pro Podcast erhält.

Bei der Erstellung eines Podcasts haben wir auf eine möglichst geringe zeitliche Belastung aller Beteiligten geachtet. Zunächst treffen sich Studierender, Dozent, technischer Angestellter und Kliniker in einer Redaktionskonferenz zur Abstimmung der Themen für die einzelnen jeweils einem Beteiligten zugeordneten Beitragsblöcke (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Jede Sprecherrolle hat in einem Beitrag 2-3 Textblöcke von etwa 2-4 min Länge. Nach der Redaktionskonferenz arbeiten die Beteiligten aus den zugewiesenen Stichpunkten selbständig Ihre Textblöcke aus, die vom Moderator anschließend elektronisch zu einem Beitragsmanuskript zusammengestellt werden. Dieses wird vom Dozenten geprüft und zum Einsprechen freigegeben. Nun können die Beteiligten selbständig und zeitlich unabhängig ihre Texte einsprechen. Für die Aufnahmen reichen ein handelsüblicher Office-PC, die als Freeware erhältliche Audiosoftware Audacity und ein USB-Mikrofon im Preissegment von um die 50 €. Zum Abschluss werden die aufgenommenen Textblöcke von dem Moderator mit der Software Audacity zum fertigen Beitrag zusammengeschnitten. Die Veröffentlichung des Audiopodcasts erfolgte in der fakultären eLearning-Plattform „Mephisto“ am UKE und auf der universitätsübergreifenden Podcasting-Plattform „Podcampus“ der Universität Hamburg (http://www.podcampus.de/channels/61).


Methode

Zwischen 2007 und 2010 wurden acht Podcasts zu Biochemiepraktika ausgearbeitet (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Zur Untersuchung der Fragestellung, ob über die Zeit eine Veränderung in der Qualität der Audiopodcasts in Form des gebauten Beitrags erfolgt, wird ein selbst entwickelter Papierfragebogen eingesetzt. Die Qualität der Audiopodcasts wird anhand des Hörerlebnisses, der Struktur, d.h. der Rollenverteilung, der Aktualität, der Beitragslänge und der Gesamtzufriedenheit in Form von Schulnoten auf einer Skala von eins bis sechs bewertet. Neben dem Geschlecht gaben alle Probanden an, ob sie den Podcast im jeweiligen Praktikum gehört hatten. Zudem bestand die Möglichkeit Anregungen und Kritik in einem Freitextkommentarfeld zu verfassen und über den allgemeinen Einsatz von Podcasts Empfehlungen zu geben. Der in 2012 eingesetzte Fragebogen enthielt zusätzlich Fragen zur Verwendung und zum Nutzen der Audiopodcasts (siehe Tabellen 2 [Tab. 2] und 3 [Tab. 3]).

Der Fragebogen wurde in 2008 und in 2012 in den Biochemiepraktika am UKE ausgeteilt, die von Medizinstudierenden im dritten Semester besucht wurden. Der T-Test für unabhängige Stichproben [5] wird als interferenzstatistisches Verfahren eingesetzt, um auf Unterschiede (α=0.05) in der Podcast Qualität zwischen den Jahren 2008 und 2012 zu testen. Die statistische Analyse erfolgte mit der Statistiksoftware IBM SPSS Statistics 20.0.0.


Ergebnisse

Die einzelnen Podcasts wurden von den Studierenden am UKE und auch einer interessierten Öffentlichkeit intensiv genutzt. Die Abrufzahlen bei Podcampus liegen für die einzelnen Beiträge weit höher (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) als die Anzahl der Hamburger Studierenden (pro Jahr knapp 400). Leider ist es nicht möglich, bei den Abrufen zwischen Studierenden und anderen Nutzern zu unterscheiden, so dass sich aus diesen Zahlen keine Rückschlüsse auf die von uns in erster Linie adressierte Zielgruppe der Studierenden ziehen lassen. Die extrem hohen Zahlen für den „Blutglucose“-Podcast können wir nicht erklären, möglicherweise haben viele Diabetiker dieses Angebot zur Information über ihre Krankheit genutzt. Trotz des sehr speziellen Inhaltes gehörten die Beiträge „Lipoproteine“, „Enzyme“ und „Blutglucose“ über einen langen Zeitraum zu den fünf „beliebtesten“ (am häufigsten abgerufenen) und den 5 „besten“ (nach Hörerwertung) Beiträgen auf Podcampus. 2008 wurde der Biochemiepodcast „Lipoproteine-Praktikum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf„ bei einem bundesweiten Podcast-Wettbewerb für Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen aus 50 Audio- und Videopodcasts per Online-Voting zu den 10 Finalisten der Endrunde gewählt.

In 2008 nahmen 323 und in 2012 360 Drittsemesterstudierende an der anonym durchgeführten Evaluation der Audiopodcasts teil (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). 2008 hatte ein weit größerer Anteil der Männer (52%) die Podcasts gehört als der der Frauen (32%). Hingegen fiel die Nutzung in 2012 bei beiden Geschlechtern weit niedriger aus, von 360 befragten Studierenden gaben nur 8% an, die vorhandenen Podcasts der Biochemiepraktika gehört zu haben. 37% der Untersuchungsteilnehmer führten in ihren freiwilligen Freitextkommentaren explizit an, dass sie nichts von dem Podcast Angebot wussten, wahrscheinlich kannten auch die meisten andern das Angebot nicht. Von den 331 Teilnehmern, die 2012 die Podcasts nicht gehört hatten, wünschten sich 57 Podcasts zu weiteren Biochemiethemen, 24% wollten in Zukunft besser auf das Podcast Angebot hingewiesen werden.

Die Bewertung der Podcasts im Format des gebauten Beitrags war zu beiden Zeitpunkten sehr positiv (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]). Alle erhobenen Qualitätsmerkmale der Audiopodcasts nahmen Mittelwerte im Bereich von 1.6≤M≤2.5 an. Die Gesamtzufriedenheit betrug in 2008 und 2012 jeweils M = 2.1, was inhaltlich als gut zu interpretieren ist.

Im Vergleich der Qualitätsmerkmale zwischen den zwei Erhebungszeitpunkten zeigt sich nur für den Aspekt Aktualität ein signifikanter Unterschied auf dem Niveau p<0.05. Die Auswertung der Verwendungsmöglichkeiten des Podcasts im Fragebogen von 2012 zeigte, dass 57% der Befragten die Podcasts als Vorbereitung zum Praktikum nutzen. Immerhin 27% verwendeten die Beiträge auch zum allgemeinen Verständnis biochemischer Inhalte. Mit 7% war die Nutzung der Podcasts für die Praktikumsnachbereitung eher gering (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]). Der Nutzen der Podcasts für Vorbereitung auf das Praktikum und die anschließende Klausur und für das Verständnis der Unterrichtsinhalte der Biochemie wurde von den Studierenden ähnlich bewertet (siehe Tabelle 4 [Tab. 4]).


Diskussion und Schlussfolgerung

Podcasts zur Unterstützung der Präsenzlehre in der Form des „gebauten Beitrags“ können unter Einbezug von Studierenden mit geringem finanziellen und zeitlichen Aufwand für die Fakultät erstellt werden. Sie finden große Zustimmung bei einem Teil der Studierenden, was auf die emotionale Wirkung des gesprochenen Wortes, aber auch auf die Orts- und Zeitunabhängigkeit des Mediums zurückgeführt werden kann. Auch nach mehreren Jahren wird die Qualität der Podcasts noch sehr positiv bewertet. Allerdings ging die Zahl der Hörer nach vier Jahren stark zurück, was wohl auf die fehlende Bekanntheit unter den Studierenden zurückzuführen ist. Bei der Einführung wurden die einzelnen Podcasts in Vorlesungen und Seminaren und über Mitteilungen in der eLearning-Plattform bekannt gemacht. Diese Werbung fehlte in den Folgejahren, sie ist aber offensichtlich erforderlich, um die interessierten Studierenden auf das Angebot aufmerksam zu machen. Bei einer Veränderung des Curriculums können die Podcasts durch den modularen Aufbau einfach aktualisiert werden, indem nur die veralteten Beiträge einzelner Sprecher erneuert werden. Neben dem Biochemiepraktikum sind viele weitere Themen denkbar, so zum Beispiel andere Lehrveranstaltungen, die Vorstellung einzelner Dozenten (http://www.podcampus.de/channels/67) oder fächerübergreifende Aspekte der Fakultät (http://www.podcampus.de/channels/60; http://www.podcampus.de/channels/91). Zusätzlich zum Einsatz im Blended Learning werden die Podcasts, trotz des sehr speziellen Inhalts, erstaunlich oft von einer interessierten Öffentlichkeit abgerufen und tragen so zur positiven Außenwirkung der Biochemie und der Medizinischen Fakultät Hamburg bei, wie die sehr guten Bewertungen bei Podcampus und die Erwähnung durch andere Universitäten belegen [6], [7].


Danksagung

Wir danken allen beteiligten Dozenten, TA‘s, Klinikern und Studenten für ihre Unterstützung. Insbesondere haben Norvin Kubik und Annemarie Seidel zu Beginn des Projektes viel zu dessen Gelingen beigetragen. Des Weiteren danken wir Anette Stöber und Patrick Peters vom Multimedia Kontor Hamburg für die technische Unterstützung in den Anfangsjahren. Das Projekt wurde gefördert durch den Förderfonds Lehre des UKE.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Kohler N, van den Bussche H. Je schwieriger desto Beliebter. Nutzen, didaktische Qualität und Schwierigkeitsgrad des vorklinischen Lehrangebots aus der Sicht von Hamburger Medizinstudenten. Ann Anat. 2004;186(3):283-288. DOI: 10.1016/S0940-9602(04)80018-9 Externer Link
2.
Bloom-Schinnerl M. Der gebaute Beitrag: Ein Leitfaden für Radiojournalisten. 1st. ed. Konstanz: UVK Verlagsges.; 2002.
3.
McLeish R. Radio Production. 5th. ed. Oxford: Focal Press, UK; 2005
4.
Dittler U, Krameritsch J, Nistor N, Schwarz C, Thillosen A. E-Learning: Eine Zwischenbilanz: Kritischer Rückblick als Basis eines Aufbruchs. 1st. ed. Münster: Waxmann Verlag; 2009.
5.
Brosius F. SPSS 19. 1st. ed. Heidelberg u.a.: mitp-Verlag; 2011.
6.
Matthé F, Kitschke D, Schumann M, Markert D. eTEACHING-Kompass: Anregungen für online-unterstützte Lehre. Arbeitsgem eLEARNiNG; 2010.
7.
Reinhardt A, Korner T. E-Learning-Podcast der ETH Zürich: Studentische Podcasts zur Praktikumsvorbereitung. Zürich: ETH Zürich; 2007.