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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die Zukunft der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland – Positionspapier des Ausschusses Weiterbildung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

Positionspapier Humanmedizin

  • author Dagmar M. David - Düsseldorf, Deutschland
  • author Alexander Euteneier - cme web akademie GmbH, Berlin, Deutschland
  • author Martin R. Fischer - Klinikum der LMU München, Lehrstuhl für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • corresponding author Eckhart G. Hahn - Universitätsklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • author Jonas Johannink - Klinikum Barnim GmbH Werner Forßmann Krankenhaus, Klinik für Allgemein- Viszeral- und Gefäßchirurgie, Eberswalde, Deutschland
  • author Katharina Kulike - Krankenhaus Hedwigshöhe, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Berlin, Deutschland
  • author Robert Lauch - Leipzig, Deutschland
  • author Elmar Lindhorst - Philipps-Universität Marburg, Marburg, Deutschland
  • author Michael Noll-Hussong - Universitätsklinikum Ulm, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Ulm, Deutschland
  • author Severin Pinilla - Klinikum der LMU München, Lehrstuhl für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, MeCuM-Mentor, München, Deutschland
  • author Markus Weih - Nervenärztliche Gemeinschaftspraxis, Nürnberg, Deutschland
  • author Vanessa Wennekes - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(2):Doc26

doi: 10.3205/zma000869, urn:nbn:de:0183-zma0008696

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000869.shtml

Eingereicht: 17. November 2012
Überarbeitet: 19. März 2013
Angenommen: 2. April 2013
Veröffentlicht: 15. Mai 2013

© 2013 David et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Die ärztliche Weiterbildung in Deutschland befindet sich im Umbruch. Neben der aktuellen Reform der Musterweiterbildungsordnung spielen gesellschaftliche, demographische, gesundheits- und forschungspolitische Faktoren eine wichtige Rolle für die Zukunft und Konkurrenzfähigkeit der ärztlichen Weiterbildung.

Der Ausschuss für Weiterbildung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) möchte mit diesem Positionspapier auf zentrale Fragen in diesem Prozess aufmerksam machen und Impulse für den aktuellen Diskurs geben.

Dabei kann die GMA als interdisziplinäre und interprofessionelle Fachgesellschaft wichtige Beiträge zu einer evidenzbasierten und zukunftsorientierten Weiterbildungsstrategie liefern.

Im vorliegenden Papier werden anhand von vier Leitfragen zu Weiterbildungszielen, Qualitätssicherung, Kompetenzvermittlung und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen die wesentlichen Punkte für die Zukunft der medizinischen Weiterbildung in Deutschland angesprochen. Die GMA sieht ihre Aufgabe darin, die Weiterbildungsreform als medizindidaktische Fachgesellschaft mit zu gestalten.

Schlüsselwörter: Medizinische Weiterbildung, kompetenzbasiert, Facharztausbildung, Qualitätssicherung, Entrustable Professional Activities, EPA


Autorendetails

Auflistung der Autoren in alphabetischer Reihenfolge.


Zusammenfassung

Der Ausschuss für Weiterbildung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) möchte mit diesem Positionspapier auf zentrale Fragen für die Zukunft der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland aufmerksam machen und Impulse für den interdisziplinären Diskurs geben. Angesichts des internationalen Wettbewerbs um den ärztlichen Nachwuchs, der geplanten Reformierung der Muster-Weiterbildungsordnung, wandelnder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und vor allem der Verpflichtung, Patienten bestmöglich zu versorgen, besteht ein dringender Bedarf, die Weiterbildung in Deutschland nachhaltig zu professionalisieren und auf allen Ebenen evidenz-basiert [1] zu gestalten.

Dabei stehen thematisch die Planung, Implementierung, Finanzierung und kontinuierliche Verbesserung von Weiterbildungscurricula sowie eine bundesweite Qualitätssicherung im Vordergrund. Wichtig sind darüber hinaus gesundheitspolitische und sozioökonomische Rahmenbedingungen, die den Weiterbildungskontext sowohl auf nationaler wie europäischer Ebene definieren.

Im Folgenden werden Vorschläge formuliert, deren Ausgestaltung für die Reform der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland relevant sind. Es werden Handlungsrichtungen aufgezeigt, um die Weiterbildung sinnvoll in den lebenslangen ärztlichen Lernzyklus (Continuous Medical Education, CME) von Aus-, Weiter- und Fortbildung [2] einzubetten.


Projektstrategie des GMA-Ausschusses Weiterbildung

Mit dem vorliegenden Positionspapier werden Beschlüsse des 115. Deutschen Ärztetags [3] in Bezug auf die ärztliche Weiterbildung in Deutschland aufgegriffen und aus medizindidaktischer Sicht betrachtet. Die hier vorgestellten Elemente sollen in Folgestudien wissenschaftlich untersucht werden, um zukünftig evidenz-basierte Empfehlungen an Entscheidungsträger und für die kontinuierliche Verbesserung der (Muster)-Weiterbildungsordnung ((M)-WBO) geben zu können. Als die Fachgesellschaft innerhalb der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) mit den umfangreichsten Kompetenzen in Lehr-, Lern-, Prüfungs- und Didaktikfragen sieht sich die GMA und ihr Ausschuss „Weiterbildung“ nicht zuletzt durch seine interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammensetzung in besonderer Weise in der Lage, Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge für die ärztliche Weiterbildung in Deutschland an der Nahtstelle von medizinischer Praxis, Gesundheitspolitik und (Bildungs-)Forschung zu formulieren.


Leitfragen

Wie können ärztliche Weiterbildungsziele formuliert werden?

Eine grundlegende Aufgabe besteht in der Erarbeitung und Definition von prüfbaren und international vergleichbaren Weiterbildungszielen. Diese müssen sowohl für die einzelnen Etappen bis zur Facharztprüfung als auch die gesamte Weiterbildungsphase übergreifend formuliert werden.

Neben den fachlichen Kompetenzen müssen ebenfalls Weiterbildungsziele in Bezug auf die sozialen, kommunikativen, ethischen, ökonomischen [4] und gesundheitssystemischen ärztlichen Kompetenzen formuliert werden. Dies muss unter Berücksichtigung interdisziplinärer und interprofessioneller Ansätze erfolgen.

Dabei sollten die Weiterbildungsziele so formuliert werden, dass deren Vermittlung der jeweiligen Weiterbildungsstufe und Erfahrung der Ärzte in Weiterbildung entsprechen, lebenslanges Lernen fördern und einen modularen Aufbau der Weiterbildung erlauben. Dadurch kann eine flexible und individualisierte Weiterbildung insbesondere in Teilzeit und grundsätzlich über mehrere Weiterbildungseinrichtungen hinweg gestaltet werden. In Ansätzen ist dies bereits in der Facharzt-Weiterbildung „Allgemeinmedizin“ verwirklicht worden. Diskussionswürdig ist ein zweistufiges System mit einer Basisweiterbildung, die an allen Weiterbildungsstätten gegeben sein muss, und einer modularen, individuellen Fortführung der Facharztausbildung.

Vergleichbar den Kompetenzmodellen CanMEDS [5] aus Kanada oder anderen rollenbasierten Curricula (Tomorrow’s Doctors [6], [7], [8], Schweizer Lernzielkatalog [9]) soll ein Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Weiterbildung Medizin (NKLWM) erstellt werden, der auf dem schon in Arbeit befindlichen Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) [10] aufbaut. Dieser Katalog soll als Rahmenwerk für die Entwicklung von Weiterbildungscurricula innerhalb der einzelnen Fachdisziplinen dienen. Hierfür ist eine intensive Zusammenarbeit der Ärztekammern und der deutschen Fachgesellschaften wie Berufsverbände mit ihren europäischen und internationalen Partnern notwendig.

Ein mögliches System für die Entwicklung eines NKLWM stellen die sogenannten Entrustable Professional Activities (EPAs) [11] dar. EPAs repräsentieren einzelne Elemente ärztlichen Handelns, die einem Arzt in Weiterbildung ohne direkte Supervision anvertraut werden können (beispielsweise die Durchführung einer Morgenvisite). EPAs können daher als medizindidaktische Elemente genutzt werden, um die Brücke zwischen der Theorie einer kompetenzbasierten Weiterbildung und dem klinischen Alltag zu schlagen.

Wie kann Kompetenzvermittlung implementiert und überprüft werden?

Um eine systematische und evidenz-basierte Weiterbildung zu gewährleisten, müssen nationale Strukturen gebildet werden, die eine effiziente Implementierung und eine bundesweit standardisierte Evaluation ermöglichen.

Die bisherigen Weiterbildungsevaluationen müssen um regelmäßige formative sowie fach- und arbeitsplatzspezifische Assessment-Komponenten ergänzt werden.

Nachdem die ärztliche Weiterbildungsordnung derzeit neben den Zielvorgaben der Gesundheitsversorgung auch eine Abrechnungsgrundlage ärztlicher Leistungen darstellt, ist eine klare Trennung von Kompetenzanforderungen und Abrechnungskatalog erforderlich. Vorschläge zu Finanzierungsreformen finden sich in einer Stellungnahme der Bundesärztekammer [12]. Die zu erreichenden Kompetenzen der ärztlichen Weiterbildung dürfen nicht primär unter monetären Gesichtspunkten definiert werden [13].

Synergien können beispielsweise in Form von Verbundweiterbildungskonzepten geschaffen und genutzt werden. Für alle Fächer sollten daher Verbünde von verschiedenen Versorgungsstufen gerade auch unter Einbeziehung niedergelassener Ärzte wie stationärer Strukturen, aber auch der kassenärztlichen Vereinigungen vorgesehen werden. Überbetriebliche und intersektorale Rotationen könnten so während der Weiterbildung leichter erfolgen.

Es muss klare und nachvollziehbare Kriterien dafür geben, welche Weiterbildungsziele an welcher Einrichtung erreicht werden können. Diese sollten transparent und öffentlich dargestellt werden, so dass eine einfache Auswahl der geeigneten Weiterbildungsstätte für die jeweilige Weiterbildung mit individueller Schwerpunktsetzung beziehungsweise der Wahl spezifischer Module möglich ist.

Innerbetriebliche, regelmäßige Fortbildungen müssen fach- und praxisorientiert sowie qualitativ hochwertig einem Curriculum folgend die Weiterbildung begleiten.

Idealerweise sollten die implementierten Evaluationsprozesse als Assessment-Portfolios [14] gestaltet werden. Individuelle Portfolios stellen ein wesentliches Instrument der Weiterbildung dar und orientieren sich sowohl an den fachspezifischen Vorgaben als auch an den individuellen Ressourcen der jeweiligen Weiterbildungsstätte und dem Stand der individuellen Weiterbildung.

Sie dienen der Orientierung und dem Verständnis sowohl der Weiterzubildenden als auch der Weiterbildungsbefugten (WBB). Im Portfolio erfolgt die Dokumentation und Reflexion aller zuvor definierten Weiterbildungsziele. Es kann als Leitfaden für die einzelnen modularen Weiterbildungsabschnitte sowie als Grundlage für qualifizierte und dokumentierte Feedbackgespräche dienen. Darüberhinaus kann es sowohl für formative als auch summative Prüfungsformen eingesetzt werden.

Die Führung eines persönlichen Logbuchs, in welches (selbständig) durchgeführte medizinische Prozeduren und Lerninhalte gemäß der Weiterbildungsordnung eingetragen werden, muss als Teil des Portfolios weiterentwickelt werden. Hierfür ist die Definition von fachspezifischen und fachübergreifenden Kompetenzen sowie entsprechender Kompetenzstufen erforderlich.

Der Nutzen dieses Konzeptes ist in Deutschland nicht evaluiert und je nach Landesärztekammer (LÄK) unterschiedlich lange im Einsatz. Daher sollte es weiter evaluiert werden, insbesondere daraufhin, ob es das Erreichen von ärztlichen Kompetenzen fördert.

Das Logbuch als Teil des Gesamtportfolios dokumentiert für den Arzt in Weiterbildung (AiW) seine persönliche und fachliche Entwicklung und bietet dem WBB eine Grundlage zur Beurteilung derselben. Hierzu muss zum Abschluss eines Weiterbildungsabschnitts der Sachstand und bisherige Verlauf der Weiterbildung in kollegialem Dialog besprochen werden. Stärken können so weiter gefördert, Schwächen beziehungsweise Defizite zeitnah erkannt und anhand geeigneter Maßnahmen korrigiert und der geplante Fortgang der Weiterbildung konstruktiv gestaltet werden. Das Fertigstellen des Logbuchs (als Teil des Portfolios) ist Voraussetzung für die Ausstellung des Weiterbildungszeugnisses und Zulassung zur Prüfung durch die jeweilige Landesärztekammer.

Mentoring-Modelle zur Erhöhung des persönlichen Weiterbildungsfortschritts müssen geschaffen werden. Der Mentor betreut seinen Mentee während dessen Weiterbildung, solange dieser an der jeweiligen Weiterbildungsstätte beschäftigt ist. Die Hauptaufgabe der Mentoren besteht darin, gut erreichbare Ansprechpartner für die ÄiW zu sein und diese in allen beruflichen Belangen zu unterstützen. Weiterhin geben sie praktische Hilfestellungen im Berufsalltag und bieten Unterstützung zur Einarbeitung in bestehende Arbeitsabläufe an, gerade auch um das Verstehen von informellen Abläufen zu erleichtern und die ÄiW bei der Verwirklichung ihrer beruflichen Ziele zu unterstützen. Um diese Betreuungsfunktion übernehmen zu können, müssen die Mentoren selbst den Facharztstatus im entsprechenden Fachgebiet aufweisen und zusätzlich didaktische Qualifikationen (als fester Bestandteil des Personalentwicklungsplans) nachweisen, welche regelmäßig aufzufrischen sind und fortentwickelt werden sollen. Die Rolle des Mentors muss fest in der Weiterbildung verankert werden, die Betreuung findet im Rahmen der Arbeitszeit statt und muss anerkannter Teil des Aufgabengebietes sein. Ein Mentor kann mehrere ÄiW betreuen, jeder Mentee ist dagegen einem Mentor fest zugeordnet. Ideal ist allerdings ein Verhältnis von 1:1. Eine vorangegangene Mentorentätigkeit stellt ein Qualifizierungsmerkmal in der Beantragung einer späteren, eigenständigen Weiterbildungsbefugnis dar. Im Rahmen der jährlichen Evaluation sollten die Mentoren durch die ÄiW und vice versa evaluiert werden (360°-Evaluation).

Sämtliche genannte Aspekte sollten in einem separaten Weiterbildungsvertrag beschrieben und dokumentiert werden. Dazu gehören konkrete Weiterbildungsinhalte, Mentorenregelungen, Rotationspläne und –zeiträume, sowie gegebenenfalls Forschungs- und Auslandsstationen. Gegenüber dem Weiterbildungsbefugten müssen Ärzte in Weiterbildung ihr Recht auf Weiterbildung entsprechend geltend machen können.

Wie kann die bundesweite Qualitätssicherung erfolgen?

Um die Qualität der Weiterbildung bundesweit zu sichern, sollte eine transparente und bundesweit einheitliche Qualitätsüberprüfung etabliert werden. Dazu sollten die Landesärztekammern und die Bundesärztekammer eine gemeinsame nationale Stelle einrichten. Diese Einrichtung muss unter hauptamtlicher ärztlicher Leitung in Form eines nationalen Weiterbildungsregisters einerseits zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisevaluation dienen, andererseits auch ökonomische Aspekte der Weiterbildung untersuchen und Muster-Leitlinien zur konkreten Durchführung der Weiterbildung erstellen.

Zu den speziellen Aufgaben gehören hierbei unter anderem die Koordination aller beteiligten Organe und Institutionen, die Entwicklung von Curricula, Kompetenzkatalogen und Lernzielen, die konsequente Dokumentation von Bundesstatistiken zu Weiterbildungsabbrüchen und – wechseln, nationale wie internationale Migrationsbewegungen, Standarddefinitionen für Weiterbildungsinhalte, jährliche bundesweite Weiterbildungsevaluationen (sofern nötig auch gezielt an vermuteten Problemstellen) sowie die Funktion als unabhängige Referenzinstitution für Weiterbildungsqualität. Schließlich gehört auch die Initiierung von Qualitätssicherungsprogrammen, Audits, Peer-Reviews [15] und Förderung der Weiterbildungsforschung im nationalen und internationalen Kontext zum Aufgabenspektrum. Die Landesärztekammern müssen zum einen ihre Meldeordnungen gegebenenfalls anpassen und zum anderen die erhobenen Daten der zuständigen Stelle der Bundesärztekammer im direkten Zugriff zur Verfügung stellen.

Derzeit existiert keine klar definierte Vorgabe zur medizindidaktischen Qualifikation von Weiterbildungsermächtigten. Für eine effektive Qualitätssicherung von Weiterbildungsstätten ist daher ein entsprechender Erwerb medizindidaktischer Kenntnisse für alle beteiligten Personen eine zwingende Voraussetzung. Strukturierte medizindidaktische Weiterbildungsmöglichkeiten, Möglichkeiten zur Super- wie Intervision und Verbesserungsmöglichkeiten sollten bundesweit angeboten und als Leistungsziel von Weiterbildungsstätten definiert werden. Die oben beschriebene Stelle der Bundesärztekammer sollte hierzu eine (Muster-)Ordnung für Weiterbildungsstätten, -befugte und deren Zulassung erstellen. Sie sollte eine koordinierende Funktion bei der Bereitstellung von Weiterbildungskursangeboten erhalten. Sanktionierende Maßnahmen könnten von hieraus den Organen der Landesärztekammern vorgeschlagen werden.

Auf institutioneller Ebene sollen daher regelmäßige interne Qualitätssicherungsmaßnahmen ebenso wie externe Audits oder Peer-Reviews durchgeführt werden. Auch hier ist eine bundesweite Koordination unabdingbar.

Ein zentraler Aspekt ist die Regelung der Facharztzulassung. Da die Prüfung nach vorgegebener Weiterbildungszeit und erfolgreichem Erlernen der geforderten Kompetenzen und Fertigkeiten den Abschluss der Facharztweiterbildung darstellt, müssen hier wesentliche Veränderungen stattfinden.

Der erfolgreiche Abschluss der für jedes Fachgebiet definierten EPAs wird in einer Form, die den jeweils zu erreichenden Kompetenzen gerecht wird und vorher festgelegt wurde, zum Beispiel im Portfolio, dokumentiert. Nach Abschluss der Facharztweiterbildung erfolgt auf Grundlage der nachgewiesenen EPAs eine alle definierten Kompetenzen eines Facharztes adäquat berücksichtigende Prüfung zur endgültigen Zuerkennung der Facharztkompetenz durch die jeweilige LÄK. Hierbei werden die formativen Anteile, die sich longitudinal über die gesamte Weiterbildung erstrecken, durch eine summative Facharztprüfung am Ende der Weiterbildung ergänzt. Die definierten, zu prüfenden Kompetenzen sollten europaweit harmonisiert werden [http://www.uems.net]. Die summative Prüfung sollte in Theorie und Praxis facharztspezifisches Wissen abdecken und fallbasiert erfolgen.

Begleitend zur Facharztweiterbildung sollte eine jährliche formative Prüfung erfolgen. Diese obligate Selbstkontrolle kann online-basiert zu einem selbst wählbaren Zeitpunkt, jedoch einmal im Jahr (Freischaltung zur Prüfung) erfolgen, und dient dazu, dem Weiterzubildenden die Vertiefung seiner theoretischen Kenntnisse zu spiegeln und individuelle Konsequenzen zu ermöglichen.

Welche gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen sind erforderlich?

Die ärztliche Weiterbildung ist eng mit den gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen verbunden. Es müssen Strukturen geschaffen werden, die die Qualitätssicherung der Weiterbildung als eigenständige Leistungskomponente im deutschen Gesundheitswesen ermöglichen. Dafür ist eine Ressourcenmobilisierung nötig, die Weiterbildungsermächtigten möglichst weitreichende Sicherheit für die Weiterbildungsplanung gibt.

Mögliche Finanzierungswege sind eine weiterbildungsspezifische Erhöhung des Fallgewichtes der Diagnosis-related Groups (DRGs), des Landesbasisfallwerts oder der Vergütung im Vertrag zum ambulanten Operieren (AOP-Vertrag). Hervorzuheben ist das Konzept einer Weiterbildungspauschale, die den Weiterbildungsstätten zunächst entsprechend der Zahl der beschäftigten Weiterzubildenden zugute kommen sollte.

Ein Ziel der klinischen Weiterbildung muss ebenfalls die klare Entkopplungsmöglichkeit von Forschung und Weiterbildung vor allem im universitären Kontext sowie die Anerkennung der Weiterbildung als Leistungsziel im und für das deutsche Gesundheitssystem sein. Die Weiterbildung darf nicht nur Nebeneffekt der ärztlichen Tätigkeit sein, da sie in fundamentalen Aspekten die Zukunft und Konkurrenzfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems sichert. Hochqualifizierte Ärztinnen und Ärzte liegen im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger. Sie senken zudem die Kosten durch evidenz-basierten Umgang mit Ressourcen. Die Berufsordnungen müssen entsprechend geändert werden.

Ein übergeordnetes Ziel muss auch eine weitgehende Unabhängigkeit der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung von einzelnen Weiterbildungsbefugten und die dokumentierte Sicherung einer kontinuierlichen, qualitativ hochwertigen Weiterbildung sein. Um entsprechenden Handlungsdruck zu erzeugen, muss die Wahlfreiheit der Weiterbildungsstätte im Rahmen der WBO erhalten bleiben. Ein Zuteilungssystem, wie es in manchen europäischen Staaten üblich ist, wird abgelehnt. Die Weiterbildungsbefugnis kann und soll entzogen werden, wenn die Weiterbildung nicht im vorgegebenen Maße stattfindet beziehungsweise ermöglicht wird oder die persönliche Eignung des Weiterbilders nicht (mehr) gegeben ist.

Die Weiterbildungsreform muss eine national wie international vergleichbare, konkurrenzfähige, attraktive und anerkannte Facharztweiterbildung ermöglichen. Das Ziel verbindet fachliche Exzellenz mit einem hohen Maß an ethischer Verantwortung, Patientennähe und Patientensicherheit.

Zudem ist eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Karriere insbesondere vor dem Hintergrund sich verändernder gesellschaftlicher und demographischer Gegebenheiten zwingend notwendig. Bei der Konzeption einer Facharztweiterbildung sollte daher auch berücksichtigt werden, dass sehr lange Weiterbildungszeiten Familien- und Karriereplanung konterkarieren können und damit letztlich auch der Attraktivität des Arztberufes schaden.

Weiterhin müssen Ärzte in Weiterbildung in relevanten Entscheidungsorganen repräsentiert werden (gewählte Vertreter der einzelnen Weiterbildungsstätten, sowie auf nationaler und internationaler Ebene) um Reformprozesse mitgestalten zu können. Eine starke ärztliche Selbstverwaltung ist für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems essentiell.


Ergebnisse

Der GMA Ausschuss Weiterbildung weist in diesem Positionspapier auf zentrale Herausforderungen der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland hin. Bisher liegen kaum wissenschaftliche Daten zu den verschiedenen Weiterbildungskomponenten (Kompetenzdefinition, Curriculum, Implementierung und Qualitätssicherung) in Deutschland vor. In folgenden Studien soll diese Datenlücke geschlossen werden, um eine evidenz-basierte und international konkurrenzfähige ärztliche Weiterbildung in Deutschland zu sichern.


Anmerkung

Das Positionspapier wurde dem GMA-Vorstand vorgelegt und von diesem am 25.01.2013 verabschiedet.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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