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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Entwicklung und Implementierung eines portfolio-basierten Ausbildungsprogramms für das Tertial Innere Medizin des Praktischen Jahres

Development and implementation of a portfolio-based training program for final-year students´ Trimester in internal medicine

Innovatives Projekt/innovative project Humanmedizin

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  • corresponding author Anita Schmidt - Universitätsklinikum Erlangen, Medizinische Klinik 1, Erlangen, Deutschland
  • author Eckhart G. Hahn - Universitätsklinikum Erlangen, Medizinische Klinik 1, Erlangen, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2009;26(1):Doc09

doi: 10.3205/zma000601, urn:nbn:de:0183-zma0006012

Eingereicht: 8. Juli 2008
Überarbeitet: 18. November 2008
Angenommen: 16. Dezember 2008
Veröffentlicht: 16. Februar 2009

© 2009 Schmidt et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Hintergrund: Im Praktischen Jahr (PJ) sollen die angehenden Ärzte auf die Arbeit mit Patienten vorbereitet werden. Wesentlicher Bestandteil der Ausbildung ist dabei die selbstständige Anwendung der bisherigen Lerninhalte im klinischen Alltag. Zur Strukturierung und Erfolgskontrolle dieses Ausbildungsabschnittes ist die Portfolio-gestützte Ausbildung geeignet. Portfolios erleichtern es, die Lernfortschritte und das Erreichen der Lernziele der Studierenden zu verfolgen.

Material und Methoden: An der Medizinischen Klinik 1 des Universitätsklinikums Erlangen wurde ein Portfolio-basiertes Ausbildungsprogramm für das Tertial Innere Medizin des PJ entwickelt und implementiert. Es sollte auf die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten vor Ort zugeschnitten sein, aber auch an die Bedingungen anderer Ausbildungsstätten zu adaptieren sein. Eine Bedarfsanalyse führte zur Formulierung von Zielen, zur Auswahl adäquater Maßnahmen und Ausbildungsstrategien sowie zur Implementierung und Evaluation des Programms.

Ergebnisse: Bei der Bedarfsanalyse zeigte sich die Notwendigkeit, die Ausbildung im PJ zu professionalisieren. Als wichtig erachteten die Beteiligten unter anderem einen Leitfaden mit strukturierten Ausbildungszielen. Das dafür entwickelte Portfolio besteht aus Listen von Fertigkeiten und Krankheitsbildern sowie studienbegleitenden Vertiefungs- und Reflexions-Aufgaben, die von den Studierenden bearbeitet und dokumentiert werden müssen. Zudem erhalten die Studierenden einen Mentor. Die bearbeiteten Portfolios werden ausgewertet und die daraus gewonnen Erkenntnisse fließen Zug um Zug in die Weiterentwicklung ein.

Diskussion: Das Ausbildungskonzept mit Portfolio wurde von den Studierenden positiv aufgenommen. Konsequent umgesetzt wurde es immer dann, wenn es intensiv begleitet wurde und die an der Ausbildung Beteiligten im Umgang mit einem Portfolio geschult wurden. Die individuelle Betreuung der Studierenden mit adäquaten Rückmeldungen hat die Lehr- und Lernatmosphäre an der Medizinischen Klinik 1 nachhaltig positiv verändert.

Schlussfolgerungen: Portfolio-basierte Ausbildungsprogramme in der Inneren Medizin sollten weiterentwickelt werden und auch für die internistische Weiterbildung untersucht werden. Darüber hinaus könnten sie auch in anderen Gebieten der medizinischen Aus- und Weiterbildung zu einer Effizienzsteigerung beitragen.

Schlüsselwörter: Portfolio, Praktisches Jahr, Medizinische Ausbildung, Mentor

Abstract

Background: The final year of a six-year medical curriculum in Germany is designed to prepare students for their future independent work with patients. This phase of medical education is characterized by the implementation of higher competencies and the application of learning objectives to medical practice. The structure and assessment of learning in this context is best supported by a portfolio-based approach. Portfolios are a means to continuously document and reflect the personal growth of students.

Material and Methods: A portfolio-based curriculum for internal medicine covering four months of the final year was developed and implemented in the Department of Medicine 1 of the University Hospital of Erlangen, Germany. The program was designed to answer local demands and possibilities and to be adaptable to conditions in other locations. A needs analysis facilitated the formulation of goals, the application of appropriate changes, and the selection of educational strategies, and eventually led to the implementation and evaluation of the program.

Results: The needs analysis strongly indicated the desire to professionalize the final-year curriculum. Stakeholders considered a guideline to be particularly important. Consequently, a portfolio program was developed that combines competence-based lists of skills and diseases with assignments and reflection to support deeper learning. Students have to document all such activities and results. Each student is assigned to a mentor. The analysis of completed portfolios is used for continuous quality improvement.

Discussion: Students assessed the portfolio-based curriculum favorably. Implementation was particularly consistent when users were closely supervised and teachers were trained in the portfolio technique. Individual support of students with adequate feedback has improved the conditions of teaching and learning in the Department of Medicine 1.

Conclusion: Portfolio-based final-year curricula should be further analyzed in terms of outcome and improvement. They also might improve clinical teaching in a variety of medical disciplines, including workplace teaching and postgraduate medical education.

Keywords: portfolio, final-year students, medical education, mentor


Einleitung

Hintergrund

Im Ausbildungsabschnitt „Praktisches Jahr“ sollen die Studierenden nach § 3, Absatz 4 der geltenden Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAO) „... die während des vorhergehenden Studiums erworbenen ärztlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vertiefen und erweitern. Sie sollen lernen, sie auf den einzelnen Krankheitsfall anzuwenden. Zu diesem Zweck sollen sie entsprechend ihrem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen.“ [4]

Die meisten Studierenden durchlaufen in ihrer Schulzeit und im Studium eine klassische Ausbildung, in der ihnen der Tages- und Lernablauf in kleinsten Teilschritten vorgegeben ist. Sowohl die Auswahl der Lerninhalte als auch die Wahl der Wege zum Lernerfolg ist in der Regel vorgegeben.

Im praktischen Jahr sollen sie nun laut Approbationsordnung selbstständig einige der vielen Lernangebote wahrnehmen, die der Klinikalltag bietet. In dieser Situation ist sowohl bei vielen Studierenden als auch bei ausbildenden Ärztinnen und Ärzten eine gewisse Hilflosigkeit festzustellen, was schnell dazu führt, dass die Studierenden den größten Teil des Tages mit Blutabnehmen, Legen von Zugängen und einfachen administrativen Tätigkeiten verbringen. Diese Erfahrungen wurden auch an der Medizinischen Klinik 1 der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) im Rahmen von Evaluationen sowohl von den Studierenden als auch von den ausbildenden Ärzten beschrieben.

Als besonders geeignetes Werkzeug zur Förderung selbst organisierten Lernens und professioneller Entwicklung von Medizinstudenten im klinischen Kontext wurde die Portfolio-gestützte Ausbildung entwickelt [5], [8]. Auch die in der ÄAO geforderte regelmäßige systematische Beurteilung des Erreichens der Lernziele durch die Universität ist durch die Evaluierbarkeit von Portfolio-gestütztem Lernen möglich [6], [9], [16].

Begriffsdefinition

Ein Portfolio ist eine an vorgegebenen Lernzielen orientierte strukturierte Sammlung von studentischen Aktivitäten mit geplanter Selbstreflexion. Es dient dabei als Leitfaden, um Bedürfnisse und Ziele in einem Lernabschnitt individuell zu strukturieren. Einsatzgebiete eines solchen Leitfadens sind überall dort denkbar, wo der Studierende sich theoretisches Wissen und / oder praktische Fähigkeiten aneignen soll. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit, mit diesem Werkzeug an Sozialkompetenzen, Teamarbeit und interprofessionelles Arbeiten heranzuführen, so wie es im § 1 der Approbationsordnung als Lernziel formuliert und gefordert wird.

In Studien über die Auswirkungen von Portfolio-gestütztem Lernen konnten Stärken und Schwächen der Arbeit mit einem Portfolio gezeigt werden: Der Einsatz eines Portfolios wirkt positiv verändernd auf die Lernumgebung. Reflexions-Prozesse beim Lernenden werden angestoßen und unterstützt. Die Eigenverantwortlichkeit des Lernenden zur Entwicklung einer individuellen Lernstrategie wird gestärkt [5], [10], [11], [13], [15]. Allerdings wurde auch immer wieder beschrieben, dass eine individuelle Betreuung für die Arbeit mit dem Portfolio unabdingbar ist. Besonders Reflexionsaufgaben werden nur durchgeführt, wenn die Studierenden auf persönlicher Ebene, z.B. durch einen Mentor, dazu angehalten werden [2], [3], [7], [12].

Ziel

An der Medizinischen Klinik 1 des Universitätsklinikums Erlangen wurde ein portfolio-basiertes Ausbildungsprogramm für das Tertial Innere Medizin des Praktischen Jahres entwickelt und implementiert, um den Anforderungen, die die Neufassung der ÄAO stellt, Rechnung zu tragen. Dieses Ausbildungsprogramm sollte zwar auf die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten vor Ort zugeschnitten sein, aber auch an die Bedingungen anderer Ausbildungsstätten anzupassen sein.


Material und Methoden

Im Februar 2003 wurde an der Medizinischen Klinik 1 der FAU mit der Entwicklung des Ausbildungsprogramms nach dem Vorbild des von Kern et al. beschriebenen Zyklus zur Curriculumsentwicklung begonnen [14].

Schritt 1: Problemdefinition und allgemeine Bedarfsanalyse:

An der Medizinischen Klinik 1 wurden zu diesem Zeitpunkt pro Jahr ca. 50 Studierende im Praktischen Jahr ausgebildet, jeweils 3-4 Studierende lernten gleichzeitig auf einer Station. Schon in den Jahren 2000 und 2001 wurde in Erlangen eine Evaluation des PJ durchgeführt, initiiert von Studiendekanat und Fachschaft. Eine zusätzliche Evaluation war zeitgleich innerhalb der Medizinischen Klinik 1 durchgeführt worden. Die Sichtung dieser Materialien zeigte eine große Unzufriedenheit der Studierenden mit der Ausbildung im Tertial Innere Medizin in Erlangen. Das folgende Zitat aus den Freitexten ist exemplarisch für die Aussagen der meisten Studierenden: „PJ sind für Tätigkeiten da, die keiner machen möchte: sortieren, aufräumen, ins Archiv gehen – 90 % Blutentnahmen und organisatorisches – keine Erklärungen“.

Für eine möglichst umfassende allgemeine Bedarfsanalyse wurden Vertreter der verschiedenen Personengruppen befragt, die an der Medizinischen Klinik 1 in irgendeiner Form an der Ausbildung der Studierenden beteiligt waren. Dies geschah durch strukturierte, halboffene Interviews [Anhang 1 [Anh. 1]]. Befragt wurden 7 Patienten, 3 Pflegende und 21 Ärztinnen und Ärzte (davon 2 Oberärzte und 2 Ärzte im Praktikum).

Schritt 2: Bedarfsanalyse der Zielgruppe:

Die 11 Studierenden, die zu diesem Zeitpunkt ihr Tertial Innere Medizin an der Medizinischen Klinik 1 durchliefen, sammelten und strukturierten in einem dreistündigen Workshop, was sie von diesem Ausbildungsabschnitt erwarteten. Mittels Kartenabfrage wurden Inhalte zu folgenden Fragestellungen gesammelt: „Im PJ der Inneren Medizin will ich einmal gesehen / gemacht haben…“, „Im PJ in der Inneren Medizin will ich lernen…“ „Im PJ in der Inneren Medizin will ich einüben / intensiv lernen…“ „Die Ausbildung im PJ in der Inneren Medizin ist gut für mich, wenn…“ Die gesammelten Inhalte wurden diskutiert und gewichtet, indem jeder Studierende eine persönliche Rangfolge vergeben konnte.

Schritt 3: Formulierung von Zielen, die durch das Curriculum erreicht werden sollen:

Aus den Ergebnissen der Bedarfsanalysen wurden von den Autoren A. Schmidt und E.G. Hahn Zielvorgaben formuliert.

Die Schritte 4, 5 und 6 des Kern-Zyklus (Auswahl adäquater Maßnahmen und Ausbildungsstrategien, Implementierung des Ausbildungsprogramms und Evaluation) wurden entsprechend der Zielvorgaben von den Mitarbeitern des Projektes in Zusammenarbeit mit den Studierenden umgesetzt.


Ergebnis

Schritt 1 und 2: allgemeine Bedarfsanalyse und Bedarfsanalyse der Zielgruppe:

Alle befragten Patienten zeigten eine positive Einstellung gegenüber den Studierenden und gaben eine große Bereitschaft an, an deren Ausbildung mitzuwirken. Die Pflegenden beschrieben, dass die Studierenden im Regelfall ihre ersten Ansprechpartner vor den Ärzten seien. Ihrer Einschätzung nach leide deren Ausbildung unter der großen Menge an Routineaufgaben, wodurch andere Lernmöglichkeiten überdeckt würden. Den gleichen Eindruck beschrieben die befragten Ärztinnen und Ärzte. Beide Gruppen betonten die Notwendigkeit, die Ausbildung zu „professionalisieren“ und sahen als Lösungsansatz die Erstellung einer Aufgabenstruktur in schriftlicher Form mit abhakbaren Ausbildungszielen. Aus der Ärzteschaft kam auch die Anregung, dass das Erreichen der Ausbildungsziele kontrolliert werden müsste, um die Lehr- und Lernkultur an der Klinik zu stärken. Die Studierenden äußerten viele konkrete Wünsche, am häufigsten wurde genannt: Betreuung eigener Patienten, Kontrolle und Korrektur durch Ärzte bei dem, was man tut, mehr Anleitung, mehr Einbindung.

Deutlich geworden ist bei den Bedarfsanalysen, dass die große Mehrheit der Studierenden sehr lernmotiviert ist, und dass auch alle Gruppen, die an ihrer Ausbildung beteiligt sind, grundsätzlich bereit sind, diese Aufgabe zu erfüllen. Allen Beteiligten fehlten jedoch Strukturen, die sie als Hilfestellung für diese Aufgabe nutzen könnten.

Schritt 3: Zielformulierung:

Aufgrund der Bedarfsanalysen kristallisierten sich drei Ziele mit besonderer Priorität heraus:

  • Ziel 1: Schaffung einer adäquaten Lernumgebung im Klinikbereich
  • Ziel 2: schriftliche Formulierung von Aufgaben und Lernzielen im Sinne eines Leitfadens
  • Ziel 3: Einbindung der Studierenden in das Stationsteam

Schritt 4: Auswahl adäquater Maßnahmen und Ausbildungsstrategien:

Zu Ziel 1: Auf jeder Station wurde ein Arbeitsplatz für Studenten in Form eines Schreibtisches mit PC geschaffen. Die Studierenden haben so Zugang zum Intra- und Internet als Grundlage für selbstständige Patientenbetreuung und Recherche. So konnte die Lernumgebung im Bereich der Klinik deutlich verbessert werden.

Zu Ziel 2: Als Leitfaden und Strukturierungshilfe zum selbstorganisierten Lernen wurde ein Portfolio entwickelt [Anhang 2 [Anh. 2], Anhang 3 [Anh. 3], Anhang 4 [Anh. 4]]. Wir entschieden uns für diese Lernmethode, weil sie besonders geeignet ist, den Übergang in eigenverantwortliches Arbeiten zu fördern, der für diesen Ausbildungsabschnitt in der Approbationsordnung gefordert wird. Auch der Tatsache, dass die Studierenden in diese Phase der Ausbildung sehr unterschiedliche Vorkenntnisse und Vorerfahrungen mitbringen, wird mit dem Portfolio-Konzept Rechnung getragen. Die Inhalte des ersten Portfolios wurden streng in Anlehnung an die in den Interviews gemachten Anregungen und Wünsche konzipiert. Es wurde ein Ordner erstellt, der sich inhaltlich in drei Teile gliedert: Im ersten, allgemeinen Teil sind Informationen zu Organisation und Klinikalltag abgelegt [Anhang 2 [Anh. 2]]. Der zweite Teil stellt das eigentliche Portfolio dar: er beinhaltet unter anderem Listen zu praktischen Fertigkeiten, zu Krankheitsbildern und zu weiterführenden Untersuchungen, Vertiefungsaufgaben zu einzelnen Seminarthemen und Reflexionsaufgaben zu ausgewählten Situationen im klinischen Alltag. In den Listen wurden Lernziele im Sinne der stufenweise Kompetenzerweiterung entsprechend der Lernzielpyramide nach Miller [16] (weiß, weiß wie, zeigt wie, tut) festgelegt, sie können gleichzeitig von den Studierenden zur Dokumentation ihrer Leistungen genutzt werden. Vertiefungs- und Reflexionsaufgaben können vom Studierenden unter Nutzung verschiedener Medien (schriftlicher Aufsatz, Untersuchungsbefunde, Videodokumentation, Protokoll von Lehrgesprächen etc.) im Portfolio dokumentiert werden [Anhang 3 [Anh. 3]]. Der dritte Teil stellt eine Sammlung von Hilfsmitteln und Informationen dar, die von den Studierenden gesammelt und kontinuierlich ergänzt werden [Anhang 4 [Anh. 4]].

Zu Ziel 3: Jeder Studierende bekommt einen Arzt / eine Ärztin als Mentor zugewiesen, der / die ihn über das Tertial hinweg begleiten soll. In regelmäßigen Abständen finden Reflexionsgespräche mit dem der Station vorstehenden Oberarzt statt. Auf diese Weise behält der Oberarzt einen Überblick über die aktuelle Lehr- und Lernsituation auf seiner Station und kann bei Bedarf unterstützend tätig werden.

Schritt 5: Implementierung des Ausbildungsprogramms:

Die am Ausbildungsprozess der Studierenden beteiligten Mitarbeiter des Klinikums wurden über die Ergebnisse der Bedarfsanalyse und die geplanten Maßnahmen im Rahmen von Mitarbeiterbesprechungen informiert. Der Inhalt des Portfolios ist im Intranet für jeden Mitarbeiter einsehbar. Der Lehrbeauftragte Oberarzt der Klinik und eine Ärztin mit medizindidaktischer Weiterbildung (MME) wurden als feste Ansprechpartner für das Ausbildungskonzept eingeführt. Die Studierenden bekommen am ersten Tag ihres Einsatzes ihren Portfolio-Ordner ausgehändigt, der am Ende des Tertials in ihr Eigentum übergeht. In einer zweistündigen Einführungsveranstaltung werden sie in den Umgang mit dem Portfolio und die Nutzung dieser Lernmethode eingewiesen. Die ersten Portfolios wurden im August 2003 ausgegeben.

Schritt 6: Evaluation:

Im Verlauf des Tertials findet monatlich ein Treffen aller Studierenden mit der für das PJ zuständigen Ärztin statt. Hier ist die Gelegenheit, kurzfristig einzugreifen, wenn Probleme bei der Implementierung des Ausbildungsprogramms auftauchen. Am Ende des Tertials folgt eine Evaluation in schriftlicher Form mit geschlossenen Fragen und der Möglichkeit zur Freitext-Eingabe [Anhang 5 [Anh. 5]]. Ergänzt wird die schriftliche Evaluation durch ein Abschlussgespräch in der Gruppe der Studierenden mit der zuständigen Ärztin. Weiterhin erfolgt eine standardisierte Auswertung der bearbeiteten Portfolios in anonymisierter Form. Auf der Grundlage dieser Evaluation wird das Portfolio in Halbjahresabständen inhaltlich überarbeitet. Die Evaluation führt auch immer wieder zu Veränderungen in der Umsetzung des Ausbildungskonzeptes, sowohl in organisatorischer als auch in inhaltlicher Form. Vom ärztlichen und vom Pflegepersonal werden in regelmäßigen Abständen Rückmeldungen eingeholt, die ebenfalls in die Überarbeitung und Fortentwicklung des Ausbildungskonzeptes eingehen. Die schriftliche Evaluation der Studierenden wird zweimal pro Jahr in grafischer Form im Intranet veröffentlicht.

Die sechs Schritte des von D. Kern beschriebenen Zyklus zur Curriculumsentwicklung werden auf diese Weise kontinuierlich durchlaufen, was zu einer zeitnahen Anpassung des Ausbildungskonzeptes an Veränderungen der Gegebenheiten (inhaltlich, räumlich, personell) führt.

Von August 2003 bis April 2008 haben 159 Studierende dieses Ausbildungskonzept durchlaufen, 153 Portfolios konnten ausgewertet werden.


Diskussion

Von Anfang an hat sich die Erfahrung bestätigt, die auch in anderen Kliniken in Zusammenhang mit der Einführung von Checklisten, Logbüchern und Portfolios gemacht wurde [2], [15]: alle Beteiligten begrüßen das Ausbildungskonzept mit Portfolio an sich, es wird jedoch kaum umgesetzt, wenn es nicht intensiv begleitet wird. An der Medizinischen Klinik 1 wurde dafür eine Ärztin mit Zusatzausbildung MME zu 25 % ihrer Arbeitszeit eingesetzt. Alle an der Ausbildung Beteiligten müssen im Umgang mit einem Portfolio geschult werden, um die Möglichkeiten, die es als Lehr- und Lernform bietet, auszuschöpfen. Wir haben uns für das Modell eines Portfolios entschieden, weil sich die in der Approbationsordnung geforderten und auch die in der Bedarfsanalyse beschriebenen Lernziele durch das reine Abarbeiten von Lernzielen in Form von Listen nicht abbilden ließen. Die Listen bilden die Kompetenzebenen I bis IV nach Miller ab. Um darüber hinaus auch Analyse, Synthese und Übertragung von Lerninhalten zu erreichen, bietet sich die Ausführung von Reflexionsaufgaben an [1]. Allerdings muss in diesem Bereich besonders auf eine individuelle Betreuung mit adäquater Rückmeldung durch Lehrende Wert gelegt werden. Reflexion in schriftlicher Form war den meisten Studierenden an der FAU im Verlauf ihres Studiums noch nicht begegnet. Entsprechend groß war ihre Irritation und entsprechend wichtig die Unterstützung durch das Lehrpersonal. Die Aufgaben wurden von den Studierenden ignoriert, wenn sie nicht explizit zur Reflexion aufgefordert wurden. In vielen Gesprächen in den ersten Monaten nach Einführung des Konzeptes zeigte sich, dass es den Mentoren schwer fiel, zwischen den Aufgaben eines Mentors (Ansprechpartner in einer Zweierbeziehung, der als Erfahrener die Entwicklung seines Mentees beratend unterstützt) und denen eines Tutors (der eine Person oder eine Gruppe im Rahmen einer Lehrveranstaltung bei der Vermittlung eng begrenzter konkreter Lerninhalte begleitet) abzugrenzen. Daraufhin wurde eine Mentorenschulung in Seminarform konzipiert und durchgeführt, deren Wirksamkeit sich in den folgenden Evaluationsergebnissen widerspiegelte. Die Inhalte der Schulung und deren Folgen werden in einer gesonderten Arbeit publiziert, die in Vorbereitung ist. Auch der Zeitaufwand, den eine Betreuung der Studierenden mit sich bringt, wurde auf dem Hintergrund der zunehmenden Arbeitsbelastung von den Mitarbeitern der Medizinischen Klinik 1 immer wieder kontrovers diskutiert. Aber es zeigte sich im Verlauf der Monate, dass das Ausbildungskonzept nach und nach von den beteiligten Ärztinnen und Ärzten immer besser angenommen und umgesetzt wurde. Die beschriebenen Maßnahmen haben die Lehr- und Lernatmosphäre an der Medizinischen Klinik 1 nachhaltig positiv verändert. Dies wurde unter Anderem in den schriftlichen Evaluationen der Studierenden am Ende des Tertials [Anhang 5] und auch in den monatlichen Besprechungen der Studierenden mit der PJ-Betreuung sichtbar. Eine detaillierte Beschreibung der Ergebnisse dieser Evaluationen wird gesondert veröffentlicht. Viele von den Studierenden in der Bedarfsanalyse angesprochene Defizite (rein administrative Tätigkeiten, kaum Begleitung durch ärztliche Mitarbeiter, kaum wahrnehmbare Lerneffekte sowohl im theoretischen als auch im praktischen Bereich) konnten erheblich minimiert werden. Beispiele für Tätigkeitsbereiche, in denen die Lernsituation deutlich verbessert werden konnte:

  • die Nachbesprechung von Anamnesen und die Nachuntersuchung der Statuserhebung durch Studierende
  • die Betreuung von eigenen Patienten durch Studierende
  • die Miteinbeziehung von Studierenden bei speziellen Untersuchungen.

Insgesamt beschreiben die Studierenden das Tertial an der Medizinischen Klinik 1 inzwischen als sehr vielseitig und lehrreich und betonen, dass die ärztlichen Mitarbeiter jederzeit für Fragen ansprechbar sind.

Allerdings sind besonders bei der Umsetzung der Schritte 4 und 5 des Kern-Zyklus Probleme aufgetreten, die als limitierende Faktoren auch für die allgemeine Umsetzung eines solchen Curriculumsentwicklungsprojektes betont werden müssen: In räumlich sehr beengten Verhältnissen kann es schwierig sein, für die Studierenden einen eigenen Arbeitsplatz zu schaffen. Die zunehmende Arbeitsbelastung sowohl des ärztlichen als auch des Pflegepersonals erhöht die Personalbindung. Dies erfordert zusätzliche Budgets und kann die Umsetzung eines Konzeptes, das für die Mitarbeiter neu ist und in das sie sich erst einarbeiten müssen, erschweren. In der Medizinischen Klinik 1 war es nötig, wiederholt und bei allen beteiligten Berufsgruppen Überzeugungsarbeit zu leisten und auch transparent zu machen, dass die Bedürfnisse aller Beteiligten gesehen und berücksichtigt werden. Die Umsetzung, die Evaluation und Auswertung und folgend die zeitnahe Anpassung der Inhalte des Portfolios ist nur realisierbar, wenn ein Mitarbeiter für diese Aufgaben zum Teil freigestellt wird. Ohne reale Ansprechpartner, die das Projekt engagiert und mit langem Atem vertreten, wird nach unserer Erfahrung ein Portfolio im Arbeitsalltag einer Universitätsklinik nicht umgesetzt werden können.


Schlussfolgerungen

Das Portfolio-gestützte Ausbildungskonzept für das PJ im Bereich Innere Medizin sollte weiter analysiert werden. Einen Schwerpunkt sollten die erzielten Lernergebnisse bilden, einen anderen die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten des Konzeptes. Auch auf die PJ-Ausbildung in anderen Gebieten der Medizin könnte das Konzept zunehmend übertragen werden. Weitere Einsatzmöglichkeiten, wie in der Famulatur-Ausbildung und in der ärztlichen Weiterbildung könnten zur einer deutlichen Verbesserung der Ausbildungsqualität beitragen.


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