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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

GMA-Ausschuss Methodik der Ausbildungsforschung: Ein Projektplan des GMA-Ausschusses Methodik der Ausbildungsforschung

Übersicht/Projektplan Humanmedizin

  • corresponding author Katrin Brauns - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Methodik der Ausbildungsforschung, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • author Jörg Marienhagen - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Methodik der Ausbildungsforschung, Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland
  • author Florian Eitel - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Methodik der Ausbildungsforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland
  • author Sebastian Schubert - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Methodik der Ausbildungsforschung, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • author Eckhart G. Hahn - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Methodik der Ausbildungsforschung, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2006;23(4):Doc74

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2006-23/zma000293.shtml

Veröffentlicht: 15. November 2006

© 2006 Brauns et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Der Ausschuss für Ausbildungsforschung der GMA beschäftigt sich mit den methodischen Voraussetzungen der Ausbildungsforschung, um eine höhere Qualität der Lehre in der Medizin zu erreichen. Ziel ist es, Materialien zum Thema anzubieten, die von Mitgliedern des Ausschusses erarbeitet wurden, sowie eine kollegiale Beratung durchzuführen. Zusätzlich sollen Personen der Zielgruppe für ein wissenschaftliches Grundverständnis und Methoden in der Ausbildungsforschung qualifiziert werden. Zukünftig sollen über die Erstellung evidenzbasierter Dokumente valide Ergebnisse der Ausbildungsforschung systematisch gesammelt und verbreitet werden. So kann auch die Qualität der Lehre nachhaltig gestärkt bzw. gesichert werden.

Der methodische Ansatz des Ausschusses besteht im Projektmanagement in seiner standardisierten Form. Es ist vorgesehen, wesentliche Ergebnisse dieser Projektarbeit in einschlägigen Publikationsorganen zu veröffentlichen. Es soll zusätzlich ein interdisziplinäres Netzwerk von Wissenschaftlern geschaffen werden, welche sich gegenseitig je nach ihren Kompetenzen beraten.

Der Ausschuss zeichnet sich dem Vorstand der GMA gegenüber verantwortlich (§ 13(1) der GMA-Satzung). Er trifft sich mindestens einmal jährlich zu den Jahrestagungen der GMA.


Projektstruktur

Der hier vorgestellte Ausschuss beschäftigt sich damit, die Fachdidaktik der Medizin auf wissenschaftlicher Grundlage weiter zu entwickeln. Hierzu sollen in erster Linie Fragen der Forschungsmethodik untersucht und ein Methodenkanon der Ausbildungsforschung in der Medizin entwickelt werden, der sich ausdrücklich nicht nur auf quantitative Verfahren beschränken wird.

Daneben ist es die erklärte Absicht des Ausschusses, ein Netzwerk von an Ausbildungsforschung interessierten Mitgliedern der GMA zu knüpfen mit dem Ziel einer kollegialen Beratung in allen Fragen der Ausbildungsforschung und Forschungsförderung.

1. Zielgruppe

Wegen der interdisziplinären Thematik des Projekts ist die Zielgruppe nicht nur auf medizinische und Gesundheitsberufe beschränkt, sondern bezieht sich auf alle Berufe und Interessenten sowie Lehrende und vor allem Lernende, Planende und Entscheidende in Aus-, Weiter- und Fortbildung insgesamt. Insbesondere sind natürlich die Mitglieder der GMA angesprochen.

2. Organisation des Ausschusses

Der Ausschuss ist als Netzwerk von Medizinern1, Psychologen, Methodikern, Ausbildungsforschern, Natur-, Struktur-, Geistes- und Sozialwissenschaftlern konzipiert. Er wird nach außen vertreten durch ein Mitglied des Ausschusses, das den Vorsitz übernimmt und eine Vertretung, die beide von den Ausschussmitgliedern vorgeschlagen und vom Vorstand der GMA bestätigt werden. Sie handeln in Abstimmung und im Auftrag der Mitglieder des Ausschusses. Das vorsitzende Ausschussmitglied ist satzungsgemäß Mitglied des GMA-Vorstandes. Die Ausschussarbeit wird durch den Ausschuss selbst organisiert und erfolgt im Auftrag des GMA-Vorstandes. Zwischen den Treffen des Ausschusses auf Tagungen erfolgt ein elektronischer Austausch in strukturierten Arbeitsprozessen (Redaktion von Ausarbeitungen, strukturierte Konsensfindungsprozesse).

Die Angehörigen des Netzwerks wirken zusammen, indem sie gemeinsam

  • konsentierte Stellungnahmen zu aktuellen Fragen der medizinischen Ausbildungsforschung verfassen,
  • sich gegenseitig für Projektthemen einschlägige Publikationen zur Verfügung stellen,
  • an Konsensfindungsverfahren über aus ihrem Kreis generierte Thesen und Hypothesen zur Ausbildungsforschung teilnehmen,
  • und sich Kraft ihrer unterschiedlichen Kompetenzen gegenseitig beraten.

Der Ausschuss ist darauf angelegt, Materialien zur Verfügung zu stellen und Erkenntnisse weiterzugeben, die einen größtmöglichen Nutzwert für rationale Entscheidungsfindung bei der Gestaltung von Lehre und Lernen bieten.

3. Aktuelle Fragestellungen (Auswahl)

  • Was ist Ausbildungsforschung? (konsensfähige Definition)
  • Welche quantitativen und qualitativen Methoden sind für die medizinische Ausbildungsforschung angemessen und bewährt?
  • Was bedeutet Evidenzbasierung für die medizinische Lehre?
  • Welchen Evidenzgrad haben verschiedene für die Ausbildungsforschung relevante Studienpläne?
  • Wie kann Forschungsqualifikation im Studium evidenzbasiert vermittelt werden?
  • Welche ethischen Aspekte müssen aus rechtlichen und/oder gesellschaftlichen Gründen bei der Durchführung von Studien in der medizinischen Ausbildung beachtet werden?

Zielsetzungen

Nach unserer praktischen Erfahrung als Lehrende ist die bestmögliche wissenschaftliche Grundlegung der Lehre eine notwendige Voraussetzung für optimales Lernen und die Qualität des Curriculums sowie für die Qualität unserer Entscheidungen und Handlungen als Lehrende bei der Curriculum-Gestaltung. Wir wollen diese Auffassung verwirklichen, indem wir Bedingungen für gute Lehre und optimales Lernen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], grau unterlegte Felder) mit wissenschaftlich begründeten, standardisierten Ansätzen untersuchen. Dies soll durch Projektarbeit, aber auch programmatische Diskussion geschehen. Dabei soll das Hauptaugenmerk auf die wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen und die Qualität der methodischen Grundlagen für eine qualifizierte Ausbildungsforschung gelegt werden. Die Arbeit des Ausschusses bezieht sich besonders auf drei Gebiete, die im Hinblick auf die Forschung für die Gemeinschaft der medizinischen Ausbilder von besonderer Bedeutung sind: methodische Beratung, Qualifizierung und "Best Evidence Medical Education" (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Diese drei Säulen sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.

1. Beratung

Es soll ein interdisziplinäres Netzwerk geschaffen werden, dessen Mitglieder im Rahmen einer kollegialen Beratung gegenseitig von ihren unterschiedlichen Kompetenzen profitieren. Diese Kompetenzen können z.B. verschiedene methodische Gebiete, aber auch ganz praktische Erfahrung in der Durchführung von Studien oder in der Einwerbung von Fördermitteln beinhalten. Auf der Internetsektion des Ausschusses auf der Homepage der GMA http://www.gesellschaft-medizinische-ausbildung.org befinden sich weitere Informationen zu diesem Projekt.

2. Qualifizierung

Um die Ausbildungsforschung zu fördern, ist die Vermittlung von Forschungsmethoden erforderlich. In der Methodik der Ausbildungsforschung besteht ein deutlicher Unterschied zur biomedizinischen Forschung, da hier neben kausalanalytisch quantitativen Verfahren auch hermeneutisch qualitative Verfahren zur Anwendung kommen. Letztere sind aber für den Mediziner, der traditionell seine Forschungsqualifikation im biomedizinischen Sektor erwirbt, in der Regel fremd. Insofern besteht ein dringender Bedarf an Methodenlehre. Dies kann nur erfüllt werden durch didaktisch geeignete Maßnahmen. In Workshops sollen während der GMA-Tagungen Methoden der Ausbildungsforschung vermittelt werden. Mittelfristig ist vorstellbar, dass der Ausschuss Mitglieder der GMA bei ihrer Studienplanung sachkompetent unterstützt.

3. Best Evidence Medical Education

Seit 1999 besteht in Europa eine Bewegung, die zu einem Paradigma werden könnte. Best Evidence Medical Education (BEME) erfreut sich zunehmenden Interesses und sollte auch von der GMA beachtet werden, will sie hinter der internationalen Ausbildungsforschung nicht zurückbleiben. Das Programm von BEME besteht darin, valide Ergebnisse der Ausbildungsforschung systematisch zu sammeln, zu analysieren und zu verbreiten.


Arbeitsplan

Um möglichst effiziente Ergebnisse zu erzielen, bedarf es eines strukturierten Vorgehens, was mit den Maßgaben des Projektmanagements zu gewährleisten ist. Das jeweilige Projekt muss bei ausreichender Versorgung mit Ressourcen eine eindeutig strukturierte begründete Fragestellung mit definiertem Projektziel, einen Ablaufplan mit Zeitvorgaben und Finanzplan, Aufgabenverteilung sowie Angaben zum methodischen Ansatz und den erwarteten Ergebnissen aufweisen.

1. Interdisziplinäre Kooperation

Je nach Projekt-Thema soll dafür Sorge getragen werden, dass das Projektteam aus Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen besteht. Pädagogen, pädagogische Psychologen, Kliniker, klinische Theoretiker wie Epidemiologen, medizinische Soziologen, Statistiker sowie Informatiker und andere haben hier ihren Platz. Es muss darauf geachtet werden, dass das interdisziplinäre Gespräch gepflegt wird..

2. "Evidence" als Qualitätskriterium

In unserer Auffassung ist ein konstituierendes Kriterium für die Qualität der Ausbildungsforschung die Gewährleistung ihrer "Evidence2". Diese besitzt eine Aussage dann, wenn sie mit einem Studienplan gewonnen wurde, welcher Objektivität, Reliabilität und Validität gewährleistet. Selbstverständlich ist, dass der Studienplan korrekt angewendet und ausgeführt werden muss, um zu verlässlichen und relevanten Studienergebnissen zu kommen. Da einerseits ganz verschiedene Studienpläne zur Verfügung stehen, andererseits nicht jeder Studienplan zu jeder Fragestellung passt, ist der Entscheidungsprozess, welcher Studienplan adäquat sei, nicht trivial. Der Ausschuss sorgt - wie in der Zielsetzung dargestellt - hier für Klarheit. Darüber hinaus folgt aus den Unterschieden im Studienplan, dass die jeweiligen Ergebnisse unterschiedlich verlässlich sind, mit anderen Worten, dass unterschiedliche "Härtegrade" von "Evidence" je nach Studienplan existieren. Auch in dieser Frage wird der Ausschuss tätig. Als "Evidence"-Quelle dienen die gängigen elektronischen Datenbanken.

3. Konsensfindungsverfahren

Wir haben gute Erfahrungen mit dem Delphi-Verfahren, Nominal Group Prozessen und redaktionellen Umlaufverfahren per ePost gemacht. Sie sollen Grundlage der Projektarbeit sein.

4. Projekt-Themen

Da die oben unter 1.3. angegebenen Fragestellungen aus ökonomischen Gründen und wegen verschiedener Interessenlagen nicht alle gleichzeitig bearbeitet werden können, gilt es, eine Prioritätenliste zu erstellen, die je nach Fortgang der Einzelprojekte periodisch aktualisiert werden muss durch Abstimmung der Ausschuss -Mitglieder. Prioritätensetzung ist wesentliches Strukturmerkmal der Projektarbeit.

5. Tätigkeitsbericht

Neben regelmäßigen Sachstandberichten an den Vorstand der GMA sind die Arbeitsergebnisse des Ausschusses zur Publikation in einschlägigen Organen vorgesehen.


Sicherung von Lehrqualität durch Ausbildungsforschung

Durch Ausbildungsforschung wissenschaftlich strukturierte Unterrichtsgestaltung sichert nach unserer Auffassung die Qualität der Lehre, mit anderen Worten: rationales Qualitätsmanagement würde sich mit Vorteil an den Ergebnissen der Ausbildungsforschung orientieren. Allerdings ist Ausbildungsforschung, zumindest derzeit, nicht in der Lage, Leitlinien oder gar Richtlinien zu präsentieren, da in curriculare Entscheidungen auch andere Gesichtpunkte als Forschungsergebnisse zum Tragen kommen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], weiß unterlegte Felder) und vielfach Forschungsergebnisse fehlen oder unzureichend sind. Somit haben Forschungsergebnisse lediglich Empfehlungscharakter. Andererseits unterstützen sie Argumentationen in kritischen Diskussionen über die Lehre und lassen Vorurteile und traditionsbedingte Routinen, die sich überlebt haben, deutlich werden.

Da Ausbildungsforschung in Deutschland lange Zeit vernachlässigt wurde, muss auch geprüft werden, inwieweit die Ergebnisse internationaler Ausbildungsforschung auf unsere Verhältnisse übertragbar sind. Darüber hinaus sind, wie oben dargestellt, die methodischen Voraussetzungen für Ausbildungsforschung zu untersuchen. Systematische Übersichtsarbeiten oder Meta-Analysen sind standardisierte Instrumentarien, die sich hierzu eignen. Allerdings haben auch sie Nachteile, so dass auf allen Ebenen des in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellten Modells eine Reflexion angezeigt ist, die bis in die wissenschafts-theoretischen Grundlagen und die davon abhängige Methodenlehre geht. Diese Reflexion ist als intersubjektive Evidenzfindung aufzufassen, bei welcher im Humboldt`schen Sinn Forschungs-, Lehr- und Lernprozesse verschränkt sind, indem sie sich gegenseitig selbst regeln, vorausgesetzt, die entsprechenden kommunikativen Rückkopplungen zwischen Forschung, Lehre und Lernen gelingen.

Die Sicherung der Qualität von Lehre und Ausbildungsforschung ist alles in allem eine arbeitsintensive und hohe Professionalität erfordernde Aufgabe, welche die Einrichtung eines Ausschusses mit dem Schwerpunkt Methodik der Ausbildungsforschung angezeigt erscheinen lässt. Die Fokussierung des Ausschusses auf die rationale Dimension heißt nicht, dass die anderen Dimensionen von Qualität - z.B. Emotion, Motivation, Kommunikation, Interaktion, Organisation u.a. - ausgeblendet blieben.


Anmerkung

1Das Maskulinum für Personen wird im Text geschlechtsneutral eingesetzt und verstanden.

2Um Missverständnisse zu vermeiden, wurde hier der Orginalterminus "Evidence" belassen, da das im Deutschen gebräuchliche Wort "Evidenz" eine inadäquate Übersetzung darstellen würde.