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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Faculty Development Initiatives in Medical Education in German-Speaking Countries: I. State of Affairs

Hochschuldidaktische Qualifizierung in der Medizin: I. Bestandsaufnahme: Ein Positionspapier des GMA-Ausschusses Personal- und Organisationsentwicklung für die medizinische Lehre der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung sowie des Kompetenzzentrums für Hochschuldidaktik in Medizin Baden-Württemberg

Übersicht/Positionspapier Humanmedizin

  • corresponding author Maria Lammerding-Köppel - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Personal - und Organisationsentwicklung für die Lehre, Medizinische Fakultät Tübingen, Kompetenzzentrum für Hochschuldidaktik in Medizin Baden-Württemberg, Tübingen, Deutschland
  • author Götz Fabry - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Personal - und Organisationsentwicklung für die Lehre, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Medizinische Fakultät, Abteilung für Medizinische Psychologie, Freiburg, Deutschland
  • author Matthias Hofer - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Personal - und Organisationsentwicklung für die Lehre, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Anatomisches Institut II, Arbeitsgruppe Medizindidaktik, Düsseldorf, Deutschland
  • author Falk Ochsendorf - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Personal - und Organisationsentwicklung für die Lehre, J. W. Gothe-Universität Frankfurt/M, Klinikum, Zentrum Dermatologie und Venerologie, Frankfurt/M. Deutschland
  • author Christian Schirlo - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Personal - und Organisationsentwicklung für die Lehre, Universität Zürich, Mediznische Fakultät, Studiendekanat, Zürich, Schweiz

GMS Z Med Ausbild 2006;23(4):Doc73

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2006-23/zma000292.shtml

Eingereicht: 9. Oktober 2006
Veröffentlicht: 15. November 2006

© 2006 Lammerding-Köppel et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Maßgeblich unter dem wachsenden externen Druck hat die didaktische Qualifizierung in den medizinischen Fakultäten an Bedeutung gewonnen. Im Rahmen der Professionalisierung der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung ist eine pädagogisch-didaktische Ausbildung der Lehrenden unumgänglich. Um Orientierung und Argumentationshilfe zu geben, werden in einer dreiteiligen Artikelfolge Stellenwert der Medizindidaktik, Anforderungsprofil der Angebote und Konzepte zur Implementierung und zur Erfolgsmessung für den deutschsprachigen Raum beleuchtet. In Teil I geben wir eine Bestandsaufnahme zur Medizindidaktik.

Aktuell gibt es bundesweit ein breit gefächertes Qualifizierungsangebot. Es reicht von einfachen unstrukturierten Kurzfortbildungen wie zum Beispiel Vorträgen und Seminaren, die inhaltlich, formal und qualitativ eine große Beliebigkeit zeigen, bis hin zu umfassenden mehrjährigen (Aufbau-)Studiengängen mit "Master-Degree". Im internationalen Vergleich fehlt in Deutschland ein allgemein verbindliches "Basis-Programm", das die täglich Lehrenden systematisch auf ihre Ausbildungsaufgaben vorbereitet. Dies ist bisher nur lokal umgesetzt wie zum Beispiel in Baden-Württemberg mit dem ministeriell zertifizierten Programm der Medizindidaktischen Qualifikation I und II. Vergleichbares ist in Nordrhein-Westfalen und Bayern im Aufbau.

Schlüsselwörter: Medizindidaktik, Professionalisierung, medizinische Ausbildung, Lehrqualifkation, Programm, Fortbildung

Abstract

In recent years, quality management of educational skills of medical teachers has gained increasing relevance, predominantly triggered by rising external pressure. Meanwhile, a consensus is reached that a professional training in pedagogical methods and didactic skills is essential for medical teachers in UGME and PGME.

A series of three articles intends to provide not only a brief overview, but also detailed argumentative support concerning pedagogical aspects of medical education, the conceptual design and the implementation of faculty development programs in medical education. Additionally the important topic of how the effectiveness of staff development programs can be demonstrated will be addressed. The goal of the first article is to outline the present situation, conditions and recognition of teacher's training programs in German-speaking countries.

At present, a variety of faculty development programs and activities have been designed and implemented. These activities include e.g. non-structured short courses and lectures, workshops and seminars of one to six days, as well as longitudinal programs up to national, two-year postgraduate programs to achieve the degree of a "Master of Medical Education" in Swiss and Germany. Compared to the international situation, in Germany is a lack of a mandatory basic program for all teaching staff members, which systematically provides a broad range of teaching and learning strategies for diverse settings. Only one regional faculty development program has been established so far in the federal state of Baden-Wurttemberg, which has been certified as "Medical Education Qualification, Step I and II" by the federal state ministry responsible for higher education. Two comparable programs are on the way in the federal states of Bavaria and North-Rhine-Westfalia.

Keywords: faculty development, staff development, teacher´s training, training programm, didactic, medical education


Hintergrund

Die Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) versteht die Förderung der Lehrkompetenz als integralen Bestandteil der Personal- und Organisationsentwicklung an den medizinischen Fakultäten. Für eine Qualitätsentwicklung bzw. -sicherung von Lehre und Studium ist sie unverzichtbar.

Angesichts der rasanten Entwicklung der letzten Jahre und der derzeitigen Unübersichtlichkeit der Angebote möchte die GMA Orientierungshilfen zur Qualitätssicherung und -entwicklung von medizindidaktischen Qualifizierungsprogrammen geben. Der Auf- und Ausbau einer strukturierten, hochwertigen Qualifizierung für Lehrende in der Medizin ist im Interesse der medizinischen Fakultäten (als Anbieter, Träger, Abnehmer der Absolventen) und der Lehrenden als Nutzer. Beide Seiten profitieren von transparenten, bezüglich Form und Inhalt definierten und standardisierten Programmen, nicht aber von inhaltlich beliebigen Angeboten.

Durch die Auswertung auch internationaler Erfahrungen und wissenschaftlicher Ergebnisse lassen sich Kriterien definieren, mit denen Mindestanforderungen an medizindidaktische Qualifizierungsmaßnahmen formuliert werden können. Die Analyse konkreter Beispiele gibt auch hilfreiche Hinweise auf infrastrukturelle Anforderungen, auf Kosten und Nutzen sowie auf Implementierungsmöglichkeiten und Hindernisse (s.u.).

Gleichzeitig empfiehlt die GMA den Trägern und Anbietern medizindidaktischer Aus- und Weiterbildung, ihre Angebote an gemeinsamen Standards zu orientieren. Ziel ist, eine bundesweite Abstimmung und nach Möglichkeit auch einen Einklang mit den Angeboten aus der Schweiz und Österreich zu erreichen. Nur so werden Austausch, Kooperation und Modularisierung gefördert. Sie ermöglichen den Absolventen dieser Kurse, d.h. den Lehrenden, eine Garantie für die Anerkennung von Teilleistungen und Zertifikaten in verschiedenen Bundesländern.

Als Träger sind universitäre Einrichtungen und deren Mitarbeiter/innen angesprochen, die sich mit der Professionalisierung der medizinischen Lehre und somit mit der hochschuldidaktischen Qualifizierung der Lehrenden in der Medizin befassen. Das sind insbesondere die Medizinischen Fakultäten (Dekanate bzw. Studiendekanate), einzelne Abteilungen (Kliniken, Institute), die diese Aufgabe übernommen haben, Kompetenzzentren für Medizindidaktik oder andere fakultätseigene oder universitäre Einrichtungen sowie Netzwerke.


Fragestellung

Auf diesem Hintergrund sollen Stellenwert der Medizindidaktik, Anforderungsprofil der Angebote und Konzepte zur Implementierung für den deutschsprachigen Raum beleuchtet werden. Um Orientierung und Argumentationshilfe zu geben, werden in einer dreiteiligen Artikelfolge folgende Fragen beantwortet:

In Teil I (Bestandsaufnahme)

1.
Welchen Stellenwert hat die didaktische Qualifizierung im Rahmen der Professionalisierung der medizinischen Lehre?
2.
Welche Qualifizierungsmöglichkeiten gibt es zurzeit?

In Teil II (Bedarf, Anforderungsprofil und Ausbildungskonzepte)

3.
Welcher grundsätzliche Ausbildungsbedarf besteht überhaupt?
4.
Welches sind die Mindestanforderungen an ein strukturiertes hochschuldidaktisches Qualifizierungsprogramm für Lehrende in der Medizin?

In Teil III (Erfolgreiche Beispiele und Erfahrungen)

5.
Welche konkreten Beispiele der praktischen Umsetzung und Institutionalisierung gibt es bereits?
6.
Welche Kosten-Nutzen-Abschätzungen lassen sich aufstellen?

Methodisches Vorgehen

Ausgangspunkt für die Artikelserie sind die Ergebnisse zweier Workshops bei den Jahrestagungen der GMA 2004 in Berlin und 2005 in Münster mit Vertretern von 18 Fakultäten. Zur weitergehenden Recherche wurden Pubmed, Google, Yahoo, Alta vista sowie Web-basierte Informationen individueller Fakultäten gesichtet. Zur schwerpunktmäßigen Bestandsaufnahme der Situation in deutschsprachigen Ländern wurden insbesondere Veröffentlichungen in der Zeitschrift für Medizinische Ausbildung bzw. GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung, Stellungnahmen politischer Gremien sowie Erfahrungsberichte der Workshopteilnehmer/innen ausgewertet.

Wir orientieren uns am aktuellen Stand didaktisch-pädagogischer Erkenntnisse in der Hochschullehre im Allgemeinen wie auch in der Medizin im Speziellen, an nationalem und internationalem Erfahrungswissen und empirischer Lehrforschung auch aus verwandten Wissenschaftsbereichen (Erwachsenenpädagogik, Pädagogische Psychologie u.a.). Von besonderer Bedeutung ist die Charakterisierung der "zwölf Rollen des medizinischen Hochschullehrers" ("twelve roles of the medical teacher", [1]). Darin werden die fachspezifischen, der medizinischen Ausbildung immanenten Anforderungen an den Lehrenden abgebildet. Um den Bezug zur Landschaft der "allgemeinen" fachübergreifenden Hochschuldidaktik in Deutschland herzustellen, werden auch die Leitlinien zur Modularisierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer Weiterbildung (AHD 2005) [2] berücksichtigt. Eine weitere Orientierung bieten die von der britischen Akkreditierungsagentur SEDA (Staff and Educational Development Association) formulierten Werte (sog. "SEDA-Values"), die alle Lehrenden bei ihrer Tätigkeit leiten sollten und europaweite Akzeptanz finden (http://www.seda.ac.uk/pdf/11%20SEDA%20PDF-Values.htm).

Die Ergebnisse reflektieren den gegenwärtigen Wissensstand für medizindidaktische Qualifikationsmaßnahmen und können somit als Empfehlungen gelten. Wie alle wissenschaftlich begründete Leitlinien müssen sie immer wieder auf ihre Übereinstimmung mit dem aktuellen Kenntnisstand überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, insofern haben sie nur vorläufigen Charakter.


Ergebnisse

1. Ausgangssituation: Welchen Stellenwert hat die didaktische Qualifizierung im Rahmen der Professionalisierung der medizinischen Lehre?

Rahmenbedingungen

An vielen Universitäten spielen Leistungen in der Lehre, d.h. auch Bemühungen zur Qualifizierung, im Vergleich zu Forschungsaktivitäten eine untergeordnete Rolle. Gesetzgebung, Wissenschaftspolitik sowie Wissenschaftsorganisationen und nicht zuletzt die öffentliche Meinung fordern aber nachhaltig und auch mit finanziellem Druck die Professionalisierung der Lehre an den Universitäten und insbesondere an den medizinischen Fakultäten [3].

Externe Faktoren

Vor allem externe Faktoren werden ursächlich für die gesteigerte Bedeutung der Lehrqualität genannt: der Funktionswandel des Hochschulsystems in allen modernen Gesellschaften, insbesondere der quantitative Ausbau bei gleichzeitiger Begrenztheit der verfügbaren Mittel; ein zunehmender Wettbewerb um Studierende, Wissenschaftler und Ressourcen; ein wachsendes Interesse der Öffentlichkeit, Informationen über die Ergebnisse der investierten Steuermittel zu erhalten; das Auftreten neuer (privater) Anbieter im Hochschulbereich. Es gehört daher heute zum Standard, Qualität auch unter Wettbewerbs- und Marketing-Aspekten zu betrachten und nach außen darzustellen [4]. Die wachsende Konkurrenz auf dem internationalen Bildungs- und Arbeitsmarkt erfordert ein überzeugendes Profil in der Lehre sowie eine qualitativ hochwertige Ausbildung.

Der Wissenschaftsrat konstatiert 2004 in seinen Empfehlungen zu forschungs- und lernförderlichen Strukturen in der Universitätsmedizin: "… Grundsätzlich muss an den universitätsmedizinischen Einrichtungen klar herausgestellt werden, dass Lehre eine gleichberechtigte Bedeutung neben Forschung und Krankenversorgung haben muss. Hier besteht ein struktureller Entwicklungsbedarf. Leistungen in der Lehre müssen nach Umfang und Qualität bewertet und für die Mittelzuteilung sowie den Karriereweg relevant sein. Organisation und entsprechend qualitativer Standard der Lehre sind von den Medizinischen Fakultäten sicherzustellen. Besondere Verdienste in der Lehre sollten nach Auffassung des Wissenschaftsrates für die Universitätskarriere förderlich sein. …" [5].

An den medizinischen Fakultäten hat insbesondere auch die zum WS 2003/2004 in Kraft getretene Änderung der Ärztlichen Approbationsordnung [6] mit ihren erheblichen Anforderungen an die Lehr- und Prüfungsmethodik Mängel bewusst gemacht. Kaum eine Fakultät verfügt bisher über angemessene Ressourcen für eine diesem Anspruch genügende Lehre. Die zunehmende Spezialisierung mit Entwicklung neuer Disziplinen hat zusammen mit der Flut an neuen Erkenntnissen zu einer massiven Überladung der Curricula geführt. Eine wissenschaftlich begründete und kontrollierte Überarbeitung und Entlastung der Studienpläne ist dringend erforderlich ("Was braucht der Student wirklich, um das (zuvor definierte!) Ausbildungsziel zu erreichen?").

Situation an den Hochschulen

Die Forderungen des HRG §44 nach einer umfassenden Nachwuchs- und Karriereförderung sollen zukünftig auch bezüglich der Lehre von den Universitäten umgesetzt werden. So wurde das HRG (§44 Abs. 1 Nr. 2: "Einstellungsvoraussetzungen für Professoren") bereits 1998 dahingehend geändert, dass die als Einstellungsvoraussetzung nachzuweisende ‚pädagogische Eignung' nicht mehr wie bisher "in der Regel" einfach angenommen werden darf, wenn der Bewerber "Erfahrungen in der Lehre oder Ausbildung" nachweisen kann [7]. In der Begründung zu dieser Streichung heißt es u.a.: "Die vom HRG geforderte pädagogische Eignung ist bisher bei Einstellungen von Professoren nur selten ernsthaft gefordert und geprüft worden (…) Eine nähere landesrechtliche Konkretisierung dieses besonders wichtigen Qualifikationselementes ist deshalb dringend zu wünschen." [8].

Zur Förderung der Lehrqualität schreiben mittlerweile immer mehr Habilitationsordnungen in der Medizin den Nachweis einer hochschuldidaktischen Ausbildung vor (z.B. Charité Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Freiburg, Mannheim, Tübingen). Die Vorgaben sind qualitativ allerdings sehr unterschiedlich: Sie reichen von rein quantitativen Angaben (am häufigsten 8 - 16 Stunden) bis hin zur Forderung einer 120-stündigen strukturierten Basisqualifikation in Medizindidaktik (noch selten, z.B. Tübingen, Zürich).

Gute Leistungen und hohe Qualität in der Lehre machen sich zunehmend auch bezahlt

1.
für die Fakultäten im Rahmen der landesweiten leistungsorientierten Mittelvergabe,
2.
für die Abteilungen in der internen Mittelvergabe und
3.
für die Lehrenden selber auf ihrem Karriereweg (Beispiel Baden-Württemberg).

Die Forderungen zur Verbesserung der Lehrqualität treffen die medizinischen Fakultäten in einer Zeit mit knapper werdenden Ressourcen, EU-Arbeitszeitgesetz, drohendem Ärztemangel und immer kürzeren Liegezeiten der Patienten. Umso wichtiger wird es, die knappen Ressourcen optimal zu nutzen. Dazu gehört eine strukturierte und praxisorientierte Vorbereitung der Ärzte und Ärztinnen auch auf ihre Lehraufgaben. Denn autodidaktisches Lernen des Lehrens ist aus ökonomischer Sicht zu langwierig und im Ergebnis zu wenig planbar und zuverlässig.

Lehrende

Auch die Lehrenden selber interessieren sich zunehmend für zertifizierte didaktische Qualifizierungen. Viele sind intrinsisch motiviert, manche erhoffen sich mittlerweile Karrierevorteile. Sie erwarten zu Recht, dass die erworbene Qualifizierung auch jenseits der Standortgrenzen anerkannt wird, somit allgemeine Gültigkeit und Wertigkeit besitzt. Dazu muss das Angebot einerseits an die hohe Mobilität und an die unterschiedlichen wissenschaftlichen Karrierewege in der Hochschulmedizin angepasst sein. Erwartet wird also ein weiter Geltungsbereich. Andererseits sollen die konkreten Angebote aber auch genügend differenziert die Probleme der individuellen Lehrpraxis ansprechen. Insgesamt soll das Spektrum der Angebote eine umfassende Qualifizierung für die Lehre erlauben.

Fazit:

Als Folge von öffentlichem Druck, Empfehlungen des Wissenschaftsrats, Änderungen der Rahmenbedingungen (z.B. Habilitationsordnungen) und Vorleistungen in bestimmten Bereichen (Bsp. Baden-Württemberg) beginnen didaktische Qualifizierungsmaßnahmen an Wert zu gewinnen. Sie sind auf dem Weg, zur Voraussetzung für eine erfolgreiche Hochschullaufbahn zu werden.

2. Welche Qualifizierungsmöglichkeiten gibt es zurzeit? Eine orientierende Bestandsaufnahme der Angebote

Übersicht

Zahlreiche medizinische Fakultäten/Fachbereiche und andere Initiativen haben begonnen, für ihre Lehrenden didaktische Aus- und Weiterbildungsangebote zu entwickeln, entweder in Eigenregie oder in Kooperation mit anderen medizinischen Fakultäten oder mit universitären Einrichtungen wie den Hochschuldidaktikzentren. Mancherorts werden besondere Institutionen geschaffen, um diesen Bedarf zu decken. Insgesamt bietet sich in der "Hochschuldidaktiklandschaft" einschließlich der Medizindidaktik ein buntes Bild an Themen und Konzeptionen [9].

Weltweit finden sich (medizin-)didaktische Qualifizierungsangebote auf ganz unterschiedlichem Niveau, von einfachen Kurzfortbildungen bis hin zu umfassenden mehrjährigen (Aufbau-)Studiengängen. Entsprechend unterschiedlich in der Wertigkeit sind die damit erworbenen Abschlüsse, die von einer Teilnahmebescheinigung über diverse Scheine, Diplome und Zertifikate bis hin zu akademischen Abschlüssen wie dem "Masterdegree" reichen [10].

Masterprogramme

Seit den neunziger Jahren ist die Zahl der hochschuldidaktischen Aus- und Weiterbildungsangebote auf allen Qualifizierungsniveaus exponentiell gestiegen. Einen Eindruck dieser Entwicklung vermittelt die Arbeit von Cohen et al. [11], die ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine Übersicht über Master-Programme in den englischsprachigen Ländern inklusive der Niederlande geben. Sie fanden bei ihrer systematischen Recherche 21 aktuell arbeitende Masterprogramme für medizinische Ausbildung: USA: 6; UK: 8; Canada: 3; Australien: 3; Holland: 1. Zum Vergleich: 1998 fanden Cusimano und David [12] neun Master-Studiengänge. Auch im deutschsprachigen Raum existieren derzeit zwei Programme zum Master of Medical Education (MME): (1) MME Bern, gegründet 1999 (http://www.mme.iml.unibe.ch), (2) MME Deutschland, seit 2004 als Kooperation mit anderen deutschen Fakultäten in Heidelberg etabliert (http://www.mme-d.de).

Angebote auf Fakultätsebene

An den medizinischen Fakultäten in Deutschland gibt es in der Regel bisher kein systematisches, auf das Gesamtbild des/r Hochschullehrenden in der Medizin abgestimmtes Qualifizierungsangebot. An den meisten Fakultäten finden sich eher punktuelle Angebote von Einzelkursen zum Beispiel für Fertigkeiten wie Moderation, Vorlesungsrhetorik o.ä.. Gleichzeitig fällt auf, dass sich in den Fakultäten, die bereits früh entscheidende Umstrukturierungen in Gang gesetzt haben, überproportional häufig medizindidaktisch hoch qualifizierte, professionell ausgebildete Personen finden (z.B. mit MME-Ausbildung), die dort auf eine Professionalisierung der Lehre hinarbeiten konnten (z.B. Berlin, Dresden, Düsseldorf, Freiburg, Hamburg, Heidelberg, Köln, München, Tübingen, Ulm).

Landesweite Aktivitäten (Kompetenzzentren)

Einige Institutionen haben bereits auf die gestiegene Nachfrage nach strukturierten Angeboten reagiert, indem sie kohärente Qualifizierungsprogramme anbieten. Vorreiter ist hier das Kompetenzzentrum für Hochschuldidaktik in Medizin in Tübingen, das seit 2001 unter Einbindung der Fakultäten in Freiburg und Ulm ein Curriculum für einen zweistufigen Qualifizierungsgang in Medizindidaktik entwickelt hat [13] (http://www.medidaktik.de oder http://didaktik.medizin-bw.de/). Inzwischen haben sich auch die medizinischen Fakultäten Heidelberg und Mannheim angeschlossen. Der erfolgreiche Abschluss des gesamten Programms wird in Baden-Württemberg bereits ministeriell zertifiziert. Zuvor musste das Konzept des Kompetenzzentrums durch zwei international besetzte Gremien erfolgreich evaluiert werden (HDZ / MWK-Programmbeirat 2002, wissenschaftlicher Beirat des Kompetenzzentrums Medizindidaktik 2003).

Nach Absolvieren der beiden Qualifikationsstufen "Medizindidaktische Qualifikation I" und "Medizindidaktische Qualifikation II" erhalten die Lehrenden der fünf medizinischen Fakultäten des Landes seit 2003 das abschließende ministerielle Zertifikat Hochschullehre Baden-Württemberg mit Schwerpunkt Medizindidaktik. Eine Anlage zum Zertifikat mit dem Stellenwert eines Diploma Supplement informiert über Inhalte und Anforderungen. Vergleichbares ist in Nordrhein-Westfalen [14] in Vorbereitung. In Baden-Württemberg haben inzwischen mehr als 60 Lehrende das Zertifikat mit dem Schwerpunkt Medizindidaktik erworben, mit der Vergaberunde 2006 wird voraussichtlich die Zahl 100 überschritten.

An anderen Standorten hat man inzwischen begonnen, etablierte Einzelveranstaltungen in thematische Blöcke auszubauen oder zusammenzufassen (wie z.B. die Arbeitsgruppe Medizindidaktik in Düsseldorf (http://www.medidak.de/didaktik), "Aktiv in der Lehre"-Projekt der Medizinischen Hochschule Hannover).

Situation in Europa

Angesichts der wachsenden Mobilität der Wissenschaftler/innen muss auch ein Auge auf die europaweite Situation im Sinne einer EU-Kompatibilität geworfen werden. Ähnliche Entwicklungen wie an den deutschen Fakultäten sind auch bei unseren deutschsprachigen Nachbarn zu beobachten (Österreich: Medizindidaktische Angebote z.B. in Graz, Innsbruck, Wien; in der Schweiz: z.B. in Bern, Genf, Lausanne, Zürich). In anderen europäischen Ländern wie z.B. Dänemark [15] und Norwegen [16] ist die didaktische Qualifizierung für junge Lehrende obligatorisch. Auch an jeder britischen Universität ist die Hochschuldidaktik mittlerweile institutionalisiert, der Nachweis einer qualifizierten didaktischen Ausbildung ist die Voraussetzung für eine Dauerstellung [17]. Im letzten Jahrzehnt ist auch in Großbritannien die Zahl der Medical Schools, die nicht nur Didaktikkurse anbieten, sondern sogar ein "department of medical education" eingerichtet haben, sprunghaft angestiegen [18].

Angesichts dieser Vielfältigkeit der Angebote muss die grundsätzliche Frage nach dem quantitativen und qualitativ-inhaltlichen Ausbildungsbedarf in den deutschen medizinischen Fakultäten gestellt werden ("Wer sollte wie intensiv medizindidaktisch ausgebildet sein?").


Zusammenfassung und Ausblick

Maßgeblich unter wachsenden externen Druck hat die didaktische Qualifizierung in den medizinischen Fakultäten an Stellenwert gewonnen. Im Rahmen der Professionalisierung der medizinischen Lehre ist eine pädagogisch-didaktische Ausbildung der Lehrenden unumgänglich. Aktuell gibt es ein breit gefächertes Angebot an medizindidaktischen Qualifikationen, das von einfachen unstrukturierten Kurzfortbildungen bis hin zu umfassenden mehrjährigen (Aufbau-)Studiengängen mit "Master-Degree" reicht. Im internationalen Vergleich fehlt in Deutschland ein allgemein verbindliches "Basis-Programm". Dies ist bisher nur lokal umgesetzt.

Im zweiten Teil dieser Artikelserie geht es zunächst um die Frage nach dem Ausbildungsbedarf, der an den medizinischen Fakultäten besteht. Damit eng verbunden ist die Ausarbeitung eines Anforderungsprofils, das Qualifizierungsangebote erfüllen sollten, um diesen Bedarf erfolgreich decken zu können.


Anmerkung

Für den Bereich der Medizindidaktik ist eine Bestandsaufnahme bisher nur lückenhaft möglich; eine systematische Erhebung wird derzeit durchgeführt. Als Beispiel seien hier genannt: [19], [20], [21].


Hinweis

Steinert Y, Mann K, Centeno A, Dolmans D, Spencer J, Gelula M, Prideaux D. BEME Guide NO 8: A systematic review of faculty development initiatives designed to improve teaching effectiveness in medical education. Med Teach. 2006;BEME Guide No 8: im Druck. Zugänglich unter: http://www.bemecollaboration.org/bemebibl.htm.


Literatur

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2.
Wildt J. Beschluss der Mitgliederversammlung der AHD vom 8.3.2005. Leitlinien zur Modularisierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer Weiterbildung. Dortmund: NETWORK NEWS Newsletter für Hochschuldidaktik online; 2005. Zugänglich unter: http://www.hd-on-line.de/newsletter.
3.
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Bericht der Sachverständigenkommission zur Bewertung der Medizinischen Ausbildung (BeMA). Stuttgart: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg: 2001. Zugänglich unter: http://www.mwk-bw.de/Online_Publikationen/Medizinische_Ausbildung.pdf.
4.
KMK Kultusministerkonferenz. Qualitätssicherung / Evaluation der Lehre: Die deutsche Position im europäischen Kontext. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15. September 2000). Bonn: KMK; 2000. Zugänglich unter: http://www.kmk.org/doc/beschl/qualitae.pdf.
5.
Wissenschaftsrat. Empfehlungen zu forschungs- und lehrförderlichen Strukturen in der Universitätsmedizin. Jena: Wissenschaftsrat. 2004:5913/04. Zugänglich unter: http://www.wissenschaftsrat.de/liste_wr.htm.
6.
Bundesministerium für Gesundheit und Frauen. Approbationsordnung für Ärzte (ÄAPPO) vom 27. Juni 2002. Bundesgesetzbl. 2002;TEIL I NR. 44: 2405-2435.
7.
Berendt B. Academic Staff Development (ASD) als Bestandteil von Qualitätssicherung und -entwicklung. In: Berendt B, Voss HP, Wildt J. Neues Handbuch Hochschullehre. Berlin: Raabe Fachverlag für Wissenschaftsinformation; 2002.
8.
Wissenschaftsrat. Empfehlungen zur Ausgestaltung von Berufungsverfahren. Jena: Wissenschaftsrat. 2005:6709-05. Zugänglich unter: http://www.wissenschaftsrat.de/texte/6709-05.pdf.
9.
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