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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Modifizierte objective structured practical examination (OSPE) als Leistungskontrolle im Kurs der Mikroskopischen Anatomie an der Universität Ulm

A modified objective structured practical examination (OSPE) for medical student assessment in microscopic anatomy at Ulm University, Germany

Originalarbeit Humanmedizin

  • corresponding author Anja Boeckers - Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Abteilung für Anamtomie und Zellbiologie, Ulm, Deutschland
  • author Ulrich Fassnacht - Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Abteilung für Anamtomie und Zellbiologie, Ulm, Deutschland
  • author Anja Feneberg - Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Abteilung für Anamtomie und Zellbiologie, Ulm, Deutschland
  • author Tobias M. Boeckers - Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Abteilung für Anamtomie und Zellbiologie, Ulm, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2006;23(4):Doc71

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2006-23/zma000290.shtml

Veröffentlicht: 15. November 2006

© 2006 Boeckers et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Im Sommersemster 2005 wurde an der Universität Ulm eine modifizierte objective practical examination als Erfolgskontrolle der mikroskopisch anatomischen Fähigkeiten von Medizinstundenten eingeführt. Dieser Test sollte als ein integrierendes Instrument, die vorhandenen Lehrangebote auf die Prüfung orientiert sinnvoll miteinander verknüpfen, und dadurch die Motivation zum eigenständigen Lern- und praktischen Arbeitsverhalten während der Kurszeiten erhöhen. In der Prüfung wurden den Studierenden 8 unterschiedliche histologische Schnittbild-präparate vorgelegt, in denen je eine Substruktur in einer vorgegeben Zeit bezeichnet werden sollte. Die Ergebnisse wurden vom Prüfer in standardisierter Weise kontrolliert und dokumentiert. Anschließend wurden der praktische Kurs der mikroskopischen Anatomie sowie die neue Prüfungsart von den Studierenden evaluiert. Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass ein OSPE in der mikroskopischen Anatomie einfach zu organisieren und praktikabel durchführbar ist. Es gelang durch die Einführung der OSPE-Prüfung in der mikroskopischen Anatomie unter Schonung der personellen Ressourcen eine praktikable Prüfungsmethode zur Abfrage mikroskopisch anatomischer Kenntnisse zu etablieren und studentisches Lern- und Arbeitsverhalten positiv zu beeinflussen.

Schlüsselwörter: Histologie, mikroskopischer Kurs, OSPE, praktische Leistungskontrolle, Medizinerausbildung

Abstract

In 2005 we introduced a modified objective structured examination (OSPE) to assess practical capabilities in the course of microscopical anatomy for medical students at Ulm university. This test was intended to change and improve the working behaviour of students with respect to active participation during the course hours. During the OSPE examination the students had to examine 8 different tissue slides and pinpoint on substructures in a given time. The results were checked and documented by the supervisors in a standardized manner. The practical course and the novel examination procedure were subsequently evaluated by the students. The OSPE showed to be a practical, well accepted and personal ressources saving instrument for student assessment. The test showed a positive influence on student behaviour.

Keywords: histology, microscopic course, OSPE, objective structured practical examination, medical education


Einleitung

Die medizinischen Fakultäten der deutschen Hochschulen sind in den letzen Jahren durch die Umsetzung der neuen Approbationsordnung [1] in vielfältiger Hinsicht gefordert worden. Neben einer umfassenden curricularen Neugestaltung musste das Lehrangebot der einzelnen Fachdisziplinen bzw. Abteilungen verändert und durch die Einführung der Integrierten Seminare zusätzlich erweitert werden [2]. Ebenso legt der Paragraph 24 der Approbationsordnung einen praktischen Prüfungsanteil im Rahmen der mündlichen Prüfung zum M1 zugrunde. Dieser Prüfungsabschnitt wird in Ulm der Anatomie bzw. der mikroskopischen Anatomie zugeordnet. Im Besonderen sieht die Studienordnung in Ulm vor, dass vorklinische scheinpflichtige Lehrveranstaltungen benotet werden müssen [3].

Trotz eines umfassenden und qualitativ guten Lehrangebotes konnte unser Kursziel, einen maximalen Benefit für den Studierenden aus der angebotenen Kurszeit zu ziehen, nicht befriedigend erreicht werden. Es fiel auf, dass die Studierenden die Praktikumszeiten im Histologiekurs nicht kontinuierlich nutzten, um die praktischen Fertigkeiten im Umgang mit dem Mikroskop zu erlernen, und nicht eigenmotiviert mit den Präparaten arbeiteten, um sich deren jeweiligen Besonderheiten zu erschließen.

Dies lässt sich u.a. durch eine hohe Teilnehmerzahl im Kurs erklären, die trotz des geforderten Betreuungsschlüssels und der Mithilfe studentischer Hilfskräfte ein besonderes Maß an Gruppendisziplin erfordert und eine Anonymisierung des Einzelnen zur Folge haben kann, was wiederum dazu führt, dass Studierende in der Großgruppe nicht den Mut finden individuelle Fragen zu stellen. Diese insgesamt schwierige Lernumgebung führt zu einer geringen Motivationslage der Studierenden, welche aber auch in direktem Zusammenhang mit der Tatsache gesehen werden muss, dass die gewünschten praktischen Fertigkeiten nicht im Rahmen einer Erfolgskontrolle abgeprüft wurden.

Wir formulierten daher für den Histologiekurs im Sommersemester 2005 folgende Zielsetzungen:

1.
Erhöhung der Motivation zum eigenständigen Lern- und praktischen Arbeitsverhalten während der Kurszeiten.
2.
Lehrangebote und Leistungskontrolle sinnvoll aufeinander abzustimmen.
3.
Entwicklung und Einführung einer standardisierten, praktischen Erfolgskontrolle für die Histologie.

Um die z.T. prüfungsorientierte Motivation zur praktischen Tätigkeit im Kurs zu stärken, entschieden wir uns für die Einführung einer objective structured practical examination (OSPE), einer Prüfungsmethode die sich im klinischen Studienabschnitt zur Überprüfung von Basisfertigkeiten oder Anamneseerhebung bewährt hat [4], aber nur punktuell im vorklinischen Bereich eingesetzt wird [5]. Desweiteren gibt diese Prüfungsform - ähnlich einer mündlichen Prüfung - die Gelegenheit, sich auch bei vielen Kurs- bzw. Prüfungsteilnehmern jedem einzelnen Studierenden zuzuwenden, ihm Aufmerksamkeit zu schenken, dessen individuelle Leistung zu beurteilen und ein Feedback dazu zu geben.


Material und Methoden

Der mikroskopisch anatomische Kurs an der medizinischen Fakultät Ulm umfasst 52 Unterrichtseinheiten und wird Studierenden der Humanmedizin im 2. Fachsemester, Studierenden der Zahnmedizin im 4./5. Fachsemester angeboten. Als schriftliche Erfolgskontrolle wurde bisher eine nach allgemeiner und spezieller Histologie zweigeteilte Klausur im MC-Antwortwahlverfahren mit insgesamt 40 Fragen durchgeführt. Begleitend wurden den Studierenden eine Vorlesung zum Kurs, ein Kursskript mit Lernzielkatalog, aktuelle Informationen und Lehrmaterial über die Abteilungshomepage und unmittelbar vor der schriftlichen Abfrage ein Übungsquiz angeboten. Als Kompetenzzentrum für E-Learning in Baden-Württemberg steht Ulm besonders in der Verantwortung neue Lehrmethoden in die medizinische Ausbildung einzubinden [6]. So wird den Studierenden zusätzlich seit längerem ein auf den mikroskopisch anatomischen Kurs ausgerichteter interaktiver Histologieatlas "HistoNet2000" angeboten [7].

Im SS 2005 änderten wir die Leistungskontrolle im Histologiekurs, indem wir die Anzahl der MC-Fragen von 40 auf 32 reduzierten und stattdessen 8 Aufgaben im Rahmen einer praktischen Prüfung einführten, so dass sich daraus eine Gewichtung zwischen praktischer und theoretischer Leistung von 1:4 ergab.

Außerdem wurden folgende Änderungen der Kursstruktur vorgenommen:

1.
Inhalte der Vorlesung wurden dem Praktikumsablauf angepasst und dem thematisch entsprechenden Kurstag immer zeitlich vorgeschaltet.
2.
Die Betreuung eines Themenblocks erfolgte im Kurs und in der Vorlesung durch einen Dozenten, der beides aufeinander abstimmte, um z.B. Redundanzen zu vermeiden.
3.
Den Studierenden wurden Zeitfenster zum Eigenstudium am Mikroskop angeboten. An diesen zusätzlichen Terminen (9 Unterrichtseinheiten) standen ein Dozent und studentische Hilfskräfte beratend zur Verfügung.
4.
Die im Kurs mikroskopierten Präparate wurden in digitaler Form auf der Homepage zum weiteren Studium zur Verfügung gestellt.
5.
Das Kursskript wurde derartig weiterentwickelt, dass klare Arbeitsaufträge eine praktische Tätigkeit des Studierenden einforderten, die unmittelbar vom Kurspersonal kontrolliert werden konnte. Beispiel für einen Arbeitsauftrag:

Präparat 5: Mehrschichtiges verhorntes Plattenepithel (Fingerbeere) Mensch, H.E.

Zeichnung:

  • in hoher Vergrößerung (40er Objektiv) Epithelschicht darstellen,
  • Kennzeichen eines mehrschichtigen verhornten Epithels verdeutlichen,
  • Schichtengliederung zeichnen und beschriften.

Entwicklung und Organisation der praktischen Prüfung erfolgte durch die Lehrbeauftragten der Abteilung, die bereits durch lehrdidaktische Schulungen oder durch vorherige Planungen von OSCE-Prüfungen im klinischen Studienabschnitt ihre Erfahrungen haben einbringen können. Teil der Prüfungsvorbereitung war auch eine Prüferschulung, um den zeitlichen Ablauf der Prüfung zu proben, fachliche Aspekte zu klären und die Beurteilung der Antworten zu vereinheitlichen. Ebenso mussten vorab Kursplätze z.B. durch das Anbringen von rechtseitigen Zeigerokularen zu Prüfungsplätzen modifiziert werden. Tabelle 1 [Tab. 1] fasst den retrospektiv geschätzten Zeitaufwand für die Prüfungsvorbereitung zusammen. Die OSPE-Prüfung selbst erforderte einen personellen Einsatz von 36 "Mannstunden" (12 Prüfer für 3 Stunden) für 413 Prüflinge.

Die praktische Prüfung wurde als modifizierte OSPE-Prüfung durchgeführt. Modifiziert in der Art, dass nicht der Prüfling zu den Prüfungsstationen rotiert, sondern der Prüfer zur Aufgabenkontrolle an seinem Prüftisch (12 Studierende) in festgelegter Reihenfolge von einem Prüfling zum nächsten rotiert, um am Ende der Prüfrunde direkt mit der Kontrolle der nächsten Aufgabe fortzufahren. Dem Prüfer standen 5min pro Aufgabe zur Kontrolle an seinem Prüftisch zur Verfügung, so dass die Prüfungszeit für jeden Prüfling bei 25 sec lag. Insgesamt wurde eine Kohorte von 413 Studierenden in 3 Durchgängen á 40min von 12 Prüfern geprüft (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], Teil a).

Es handelt sich um eine standardisierte Prüfungsform mit standardisierten Aufgaben bei festgelegtem Zeitablauf und der Beurteilungsmöglichkeit "richtig" oder "falsch".

Jede Prüfungsaufgabe wurde zeitgleich der Prüfgruppe als Projektion mit einer Bearbeitungszeit von 5 min gestellt. Dabei wurden in kontinuierlicher Rotation 8 Aufgaben pro Prüfling durch den Prüfer beurteilt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], Teil b). Eine Prüfungsrunde war demnach nach 40 min beendet. Anschließend erfolgt als Feedback eine Besprechung der Aufgaben anhand projizierter mikroskopischer Abbildungen zu jeder bearbeiteten Aufgabe als Gruppenfeedback. Inklusive Feedbackzeit und Wechselzeit für die Prüfgruppen (10 min) konnte so nach einer Stunde die nächste Prüfrunde mit der nächsten Prüfgruppe starten. Insgesamt wurden 3 Prüfrunden mit jeweils unterschiedlichen, aber in Inhalt und Schwierigkeitsgrad vergleichbaren Fragen absolviert. Das strenge Zeitschema dieser Prüfung kann nicht ohne einen äußeren Zeitgeber koordiniert werden, so dass der Prüfungsleiter den für alle Teilnehmer einer Prüfgruppe einheitlichen Zeitablauf vorgab.

Bei der Beurteilung der Aufgabenantworten wurden fehlende praktische Fertigkeiten, wie die Nutzung einer anderen Vergrößerung, die falsche Positionierung des Präparates unter dem Objektiv oder die grundsätzliche falsche Nutzung des Mikroskops ebenso als "falsch" bewertet, wie das Einstellen einer falschen histologischen Struktur oder die ungenaue Platzierung des Zeigers auf der gefragten Struktur. Ein histologisch erfahrener Kollege konnte während der Prüfung bei Unsicherheiten der Prüfer in der Lösungsbeurteilung als so genannter Schiedsprüfer hinzugezogen werden. Die Prüfungsergebnisse wurden einerseits in der Prüferliste und andererseits auf einem Prüflingsbogen dokumentiert, so dass der Studierende sofort über sein individuelles Prüfungsergebnis informiert war. Die Notengebung im Kurs der mikroskopischen Anatomie ergab sich aus der erbrachten Leistung in einer zweiteiligen MC-Klausur (max. 32 Punkte) und der erreichten Punktzahl im OSPE (max. 8 Punkte).

Im Anschluss an den Kurs wurde eine fakultätsinterne Evaluation über den gesamten mikroskopischen Kurs durchgeführt. Die Studierenden konnten ebenso im Rahmen einer abteilungsinternen Evaluation mit Hilfe eines Fragebogen zur OSPE-Prüfung zu 15 Fragen und einer Freitextantwort ihre Beurteilung zwischen "Ja, sehr" und "nein, überhaupt nicht" in 5 Abstufungen abgeben.


Ergebnisse

Die OSPE-Prüfung, an der 413 Human- und Zahnmediziner teilnahmen, konnte komplikationslos unter Einhaltung des vorgegebenen Zeitplans durchgeführt werden.

Die durchschnittlich erreichte Punktzahl lag bei 6,87 von 8 Punkten. Die weiteren Ergebnisse im OSPE, den MC-Klausuren und im Gesamtergebnis sind den Abildungen. 2 und 3 [Abb. 2] [Abb. 3] zu entnehmen.

Die Prüflinge, die im OSPE fünf oder weniger Fragen richtig beantworteten, konnten zu 97% den Kurs nicht erfolgreich abschließen. Die übrigen Prüflinge erreichten zu 70% die Bestehensgrenze von 60% der maximalen Punktzahl. Umgekehrt wurde aber auch deutlich, dass Studierende, die im Gesamtergebnis eher schlecht abgeschnitten hatten, dennoch im OSPE gute Ergebnisse erzielten (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Als Maß für die Reliabilität des OSPE konnte in der Inter-Itemanalyse nach Cronbach ein Wert von 0,4 erzielt werden. Insgesamt ergab sich eine hochsignifikante (p=0,01) Korrelation zwischen der erzielten Punktzahl in den MC-Klausuren und im OSPE mit einem mäßigen Korrelationskoeffizienten nach Pearson von 0,443.

Die Studierenden beurteilten die Vorabinformation zur Prüfung, die Organisation und Durchführung derselben, sowie den Inhalt der Fragen als sehr gut. Eine Mehrheit der Studierenden sah diese Prüfungsmethode als gut bis sehr gut (1,75) geeignet an, um die vermittelten Kursinhalte abzufragen und konnte sich im Kurs adäquat auf diese neue Prüfung vorbereiten. Als Prüfungsvorbereitung wurden die Nutzung des Kursskriptes und die Möglichkeit zum Eigenstudium am Mikroskop höher eingestuft, als das Anfertigen von Präparatezeichnungen während der Kurszeit.

Im Vergleich zu den zuvor genannten Evaluationspunkten schlechter bewertet wurden die Fragen nach einem ausreichendem Feedback bzw. einem Lernerfolg durch die Prüfung bzw. das Prüfungsverfahren selbst.

In ähnlicher Weise beurteilten die Studierenden, dass die OSPE-Prüfung zwar einen Einfluss auf ihr Lern- und Arbeitsverhalten im Kurs hatte, dies aber nicht besonders ausgeprägt war. Die neue Prüfungsform bot den Studierenden erstmals Gelegenheit ihre praktischen Fertigkeiten individuell zu präsentieren. Dies hatte einen motivierenden Effekt, so dass zum Teil sogar eine Erhöhung des Anteil der praktischen Prüfung von jetzt 20% an der Gesamtprüfung gewünscht wurde, und dies obwohl die Studierenden durchschnittlich mehr als 5 Stunden zusätzlich für die Prüfungsvorbereitung investierten. Die detaillierte Auswertung des Evaluationsbogens ist in Abbildung 4 [Abb. 4] aufgeführt.

Ergebnisse zu den übrigen Veränderungen in der Kursstruktur, wie z.B. der Parallelisierung von Vorlesung und Kurs, wurden im Rahmen der fakultätsweiten Akzeptanzevaluation nicht als eigenständige Items abgefragt, allerdings zeigte sich in der Auswertung zum Gesamturteil über den Kurs der mikroskopischen Anatomie auf einer Benotungsskala von 1 bis 5 ein Wert von 2,13. Im Vergleich zum SS 2004 (2,28) und SS 2003 (2,24) wurde das Praktikum somit besser beurteilt. Im Vergleich zum Vorjahr ergab sich damit sogar ein sehr signifikanter (p=0,007) Unterschied (U-test nach Mann und Whitney) in der Beurteilung.


Diskussion

Standardisierte Prüfungen, die praktische Fertigkeit abfragen, wie der OSCE (objective structured clinical examination) sind bereits seit langem beschriebene Verfahren [8]. Aber in Deutschland hat sich diese Prüfungsmethode vorwiegend nur im klinischen Studienabschnitt zur Überprüfung von praktischen und kommunikativ-sozialen Fertigkeiten durchgesetzt, da insbesondere personell aufwändige mündliche Prüfungen so effizienter gestaltet werden können [9]. Im vorklinischen Studienabschnitt bzw. in klinisch-theoretischen Fachgebieten ist dieses Prüfungsverfahren fast gar nicht etabliert. In der Anatomie wird über praktische Prüfungen auch nur exemplarisch berichtet [10].

In der Anatomie Ulm haben wir den OSPE als lernzielbasierte Prüfungsmethode etabliert. Allen praktischen Prüfungsverfahren gemeinsam ist dabei zumindest in der Etablierungsphase ein großer Zeit- und Personalaufwand. Dennoch konnte im Bereich der Histologie der OSPE-Test neben einer überschaubaren finanziellen Investition, relativ einfach eingeführt werden. Da man sich in der hier präsentierten modifizierten Form die Ressourcen des Kurses für die Prüfung zunutze machen konnte, wurden Praktikumsplätze einfach zu standardisierten Prüfplätzen aufgerüstet.

Die OSPE-Prüfung ist eine standardisierte Prüfungsform mit einer höheren Objektivität im Vergleich zu herkömmlichen mündlichen Prüfungen, sowie der Möglichkeit bereits vorab durch die Auswahl der Prüfungsfragen ein für die Gesamtkohorte einheitliches Prüfungsniveau festzulegen. Eine Einschätzung, die auch dadurch unterstützt wird, dass sich die Studierenden gerecht beurteilt fühlten.

Die OSPE-Prüfung erscheint uns als gute Möglichkeit, die Nachteile einer rein kognitiven Leistungskontrolle, wie z.B. die Unfähigkeit, praktische Inhalte oder aktiv zu reproduzierende Inhalte abzufragen, aufzufangen [11].

Allerdings zeigte die OSPE-Prüfung auch die Nachteile einer praktischen Prüfung im Vergleich zu MC-Fragen. Die geringe Anzahl an abgefragten Items im OSPE führte demnach nur zu einem mäßigen Wert (Cronbach alpha) für die Reliabilität.

Außerdem wurde sie als Prüfungsverfahren von den Studierenden in hohem Maße (sehr geeignet bis geeignet (1,75) zur Überprüfung der Kursinhalte) akzeptiert. Vielleicht auch deshalb, weil es gelungen ist, die praktischen Lernziele des Kurses ausreichend während der Kurszeiten zu vermitteln, und sich die Studierenden daher in der Präsentation der erlernten praktischen Fertigkeiten kompetent fühlten. Dies sowie die überwiegend eindimensionale Fragestellung im OSPE, die keine zusätzliche Transferleistung verlangte, sondern sich auf die Reproduktion bzw. das eindeutige Bezeichnen von einzustellenden Präparatestrukturen beschränkte, erklären nach unserem Ermessen das relativ gute Prüfungsergebnis (Ø 6,87 von 8 Punkten). Der nur mäßig hohe Korrelationskoeffizient zwischen MC-Klausuren und OSPE könnte darauf hindeuten, dass mit dem OSPE tatsächlich andere Kompetenzen der Studierenden abgefragt werden, was insbesondere den schwächeren Studierenden zu gute kommt.

Die Tatsache, dass die Studierenden nur einen geringen Lernerfolg durch die Prüfung selbst wahrgenommen haben (2,71), begründet sich darin, dass die reine Reproduktion von Kursinhalten durch Wiedererkennen keinen Lernerfolg im engeren Sinne impliziert, sondern allenfalls einen Prüfungserfolg für den Studierenden. Keinen Zusammenhang sahen wir in der Beurteilung des Lernerfolgs und dem fehlenden individuellen Feedback.

Durch die vorgegebene Struktur ist die OSPE-Prüfung aber auch ein besonders labiles Prüfungsverfahren im Hinblick auf kurzfristige z.B. krankheitsbedingte Ausfälle und erfordert daher die Vorausplanung von Alternativlösungen. Um eine objektive, standardisierte Prüfung zu gewährleisten, darf nicht auf eine akribische Vorbereitungsphase - insbesondere Prüferschulung - verzichtet werden. Während eine MC-Fragen Klausur auch isoliert als Erfolgskontrolle Anwendung finden kann, kann die OSPE-Prüfung nach unseren ersten Erfahrungen nicht alleine stehen, sondern sollte nur als ergänzendes Verfahren z. B. zur schriftlichen Leistungskontrolle im MC-Modus eingesetzt werden, da eine umfassende Abfrage detaillierten kognitiven Wissens mit dem OSPE nur eingeschränkt möglich ist. In dem eng getaktetem Prüfungsablauf ist es nur eingeschränkt möglich, mehrdimensional formulierte, den MC-Fragen vergleichbare, Aufgaben in ausreichender Anzahl zu bearbeiten, was aber erst eine bessere Abbildung des Leistungsspektrums der Gesamtkohorte ermöglichen würde.

Für entscheidend wichtig erachten wir die Beurteilung der Studierenden, dass die OSPE-Prüfung deren Lern- und Arbeitsverhalten im Kurs beeinflusst hat. Vielleicht wäre das Ausmaß dieser Einschätzung noch deutlicher gewesen, wenn die Frage des Evaluationsbogen ("Hat die OSPE-Prüfung Ihr Lern- und Arbeitsverhalten im Kurs beeinflusst?") für die Studierenden verständlicher formuliert worden wäre. An dieser Stelle sollte aber auch die subjektive Einschätzung der Prüfer bzw. der Dozenten im Kurs eingebracht werden, die eine aktivere Mitarbeit der Studierenden, eine erhöhte Frequenz vertiefender Fragen und eine vermehrte Diskussions-bereitschaft verzeichneten.

Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass ein OSPE in der mikroskopischen Anatomie einfach zu organisieren und praktikabel durchführbar ist. Es gelang durch die Einführung der OSPE-Prüfung in der mikroskopischen Anatomie unter Schonung der personellen Ressourcen eine praktikable Prüfungsmethode zur Abfrage mikroskopisch anatomischer Kenntnisse zu etablieren und studentisches Lern- und Arbeitsverhalten zu beeinflussen. Die Gesamtheit aller Veränderungen im Kursablauf, die auf eine vermehrte praktische Tätigkeit im Kurs ausgerichteten waren, hat zu einem verbesserten Gesamturteil des Kurses geführt.

Eine Beurteilung inwieweit die OSPE-Prüfung adäquat auf den praktischen Prüfungsteil der mündlichen Physikumsprüfungen vorbereitet und ggfs. auch zu einem verbesserten Abschneiden führt steht noch aus, da das studentische Klientel des SS 2005 sich jetzt überwiegend erst im 4. vorklinischen Semester befindet.


Literatur

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3.
Universität Ulm. Studienordnung (Vorklinik) nach Approbationsordnung in der Fassung vom 2.08.2005 (inkl. Änderungssatzung gültig ab 1.10.2005). Ulm, Universität Ulm: 2005. Zugänglich unter: http://www.uni-ulm.de/medizin/fileadmin/medizin/studium/downloads/Gesetzliche_Regelungen/StudienordnungVorklinik2005.pdf
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