gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Hospizhelfer im medizinpsychologischen Unterricht: Effekte ihres Besuches

Hospice volunteers in the curriculum of medical psychology: effects of their visitation

Projekt Humanmedizin

Suche in Medline nach

  • corresponding author Sabine Fischbeck - Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Mainz, Deutschland
  • author Tonja Deister - Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Mainz, Deutschland
  • author Katharina Gladisch - Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Mainz, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2005;22(1):Doc09

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2005-22/zma000009.shtml

Eingereicht: 1. Dezember 2004
Veröffentlicht: 28. Januar 2005

© 2005 Fischbeck et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Das Thema „Sterben und Tod" ist hierzulande nur marginal Gegenstand medizinpsychologischer Curricula in der Vorklinik. Für die meisten Studierenden ist das Thema „Umgang mit Todkranken und Sterbenden" allerdings ein hochrelevantes Thema. Um ihnen entgegenzukommen, wollten wir ihren medizinpsychologischen Unterricht entsprechend praxisbezogener gestalten. Aus diesem Grunde laden wir seit WS 2000/01 Hospizhelfer in den Kursus der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie ein. Sie berichten über die Hospizarbeit sowie darüber, wie sie Sterbende begleiten. Im WS 2003/04 waren neun Hospizhelfer in 17 Praktika zu Gast. Um zu ermitteln, ob die Unterrichtsziele auch erreicht worden sind, wurde eine experten- und literaturgestützte Itemsammlung N = 205 Studierenden vorgelegt. Nach faktorenanalytischer Auswertung der Angaben von N = 198 Studierenden (57% weiblich, 43% männlich) konnten vier reliable Skalen entwickelt werden (55% Gesamtvarianzaufklärung), die den Hospizhelfer-Effekte-Fragebogen (HEF) bilden: I. Förderung des Fortbildungsinteresses, II. Verdeutlichen von Kompetenzerfordernissen, III. Sensibilisierung für das Erleben der Beteiligten, IV. Vermitteln des Wertes der Hospizarbeit. N = 9 Hospizhelfer beurteilten die so erfassten Unterrichtseffekte auch aus ihrer Sicht. Am ausgeprägtesten gelang es ihnen, die Studierenden vom Wert der Hospizarbeit zu überzeugen (I. M = 4,4; 5-stufige Antwortskala) und zu zeigen, welche Kompetenzen sie für die Betreuung Sterbender erwerben sollten (II. M = 3,7). Hospizhelfer- und Studierendenurteil unterschieden sich nicht in ihrer Effekteinschätzung. Die Befunde zeigen: Der Besuch von Hospizhelfern im medizinpsychologischen Unterricht fördert den Praxisbezug und kommt den Interessen der weitaus meisten Studierenden entgegen.

Schlüsselwörter: Lehrevaluation, Hospizhelfer, Kursus der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie, Sterben und Tod, Medizinstudierende

Abstract

"Dying and death" is rather an infrequent topic in the course of medical psychology at the beginning of medical studies. Indeed the issue "interaction with terminally ill and deceasing patients" is for most students of particular importance. To accommodate with the students interest, we diversify the lessons related to practice. Therefore we invite hospice volunteers to participate our courses since the winterterm of 2000/01. They give account of their experience and report how to accompany terminally ill patients during their last days. We wanted to investigate the effect of the hospice volunteer presentation on the students attitude towards the hospice volunteer assignment. We designed a questionnaire based on expert rating and literature studies, to requested our students (N = 205; 57% female, 43% male) as well as the hospice volunteers (N = 9) to execute it in winterterm 2003/04. Based on the students dates we were able to develop four reliable scales due to a factor analysis (explained total variance = 55%): I. encouragement to vocational training; II. clarification of the need of expertice; III. sensitisation for the concerned persons experiences; IV. pointing the value of hospice work. The hospice volunteers evaluated the scales from their point of view. The most distinctive result was attained in scales I (M = 4,4) and II (M = 3,7). In fact regarding the teaching effects we received similar results for both groups. The hospice volunteers visitation obtained positive response.

Keywords: teaching evaluation, hospice volunteers, medical education, medical students, death and dying


Einleitung

Das Thema „Sterben und Tod" wird hierzulande im Kursus der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie in der Vorklinik bundesweit behandelt. In der dafür zur Verfügung stehenden Zeit von im Mittel 2,5 Stunden [12] wird man kaum von einer hinreichenden Auseinandersetzung der Studierenden mit entsprechenden Problemstellungen ausgehen können. Und auch im Verlauf des weiteren Studiums ist die Sterbebegleitung eher ein Randthema (z. B. [7]). Regelmäßige Aus- und Fortbildungsprogramme in Palliativmedizin, wie sie in Berlin, Bonn, Köln, Mainz, München und Limburg angeboten werden, sind darüber hinaus zur Zeit eher die Ausnahme als die Regel [5], [6]. Diese Angebotslücke steht im Widerspruch zu den Interessen vieler Studierender, für die der Umgang mit Todkranken und Sterbenden ein wichtiges Thema darstellt, dem sie eine hohe Relevanz für die ärztliche Tätigkeit beimessen [4]. Darüber hinaus wünschten sich etwa Zweidrittel (62%) der Medizinstudierenden, die Muthny et al. [11] im Kursus der Medizinischen Psychologie in Münster befragte, zusätzlich ein Block-Seminar zum Thema „Umgang mit Schwer- und Todkranken".

Entsprechende Befunde einer von uns bereits im Praktikum der Medizinischen Psychologie durchgeführten Evaluation [4] brachte uns dazu, die medizinpsychologische Lehre - bezogen auf dieses Thema - noch zeitintensiver (sechs statt vier Unterrichtsstunden) und praxisbezogener zu gestalten: Schon seit längerem wird im Rahmen der genannten Veranstaltung das Aufklärungsgespräch mit lebensbedrohlich Erkrankten behandelt, außerdem an einem Patientenbeispiel die Problematik der Begleitung Sterbender sowie Modelle der palliativmedizinischen Betreuung, d. h. vor allem die Besonderheiten von Palliativstationen und Hospizen. Überdies ist die Kommunikation und der Umgang mit Angehörigen kürzlich Verstorbener Inhalt des Praktikums. Was die didaktische Vermittlung betrifft, werden Rollenspiele mit Schauspielern (Thema: Aufklärungsgespräch) durchgeführt und es stehen Filme und Tonbandaufnahmen von Gesprächen mit betreffenden Personen zur Verfügung. Darüber hinaus berichten Experten in Gastvorträgen, wie sie Schwerstkranke und Sterbende betreuen.

Mit dem Besuch von Hospizhelfern wollen wir die Praxisbezogenheit des Unterrichts verbessern. Nun schon seit dem WS 00/01 laden wir Hospizhelfer der Mainzer Hospizgesellschaft Christophorus e. V. in die Praktika des Kursus der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie ein. Sie berichten über die Zielsetzung der Hospizarbeit sowie darüber, wie sie Sterbende begleiten. Im WS 03/04 besuchten neun Hospizhelfer 17 Praktika.

Jenseits mündlicher Rückmeldungen der Kursteilnehmer(innen) sollte nun systematisch evaluiert werden, auf welche Resonanz der Besuch der Hospizhelfer bei ihnen traf und ob damit in Verbindung stehende Lehrziele erreicht worden sind: (a) Den Empfehlungen von Stankoweit et al. [15] folgend, sollte vor allem die persönliche Auseinandersetzung der Studierenden mit dem Thema „Tod und Sterben" gefördert werden. Das ist u. E. zu erreichen, wenn es gelingt, die Studierenden möglichst praxisbezogen über die Versorgungssituation Sterbender zu informieren und sie für deren Belange zu interessieren. (b) Außerdem sollten sie sich mit der Hospizarbeit als eine Ergänzung der palliativmedizinischen Versorgung auseinandersetzen und u. a. auch diskutieren, inwiefern die ärztliche Tätigkeit und die Betreuungsleistung der Hospizhelfer sich ergänzen können. (c) Nicht zuletzt wollten wir erreichen, dass die Studierenden Hinweise darauf erhalten, welche ihrer Fähigkeiten sie erweitern müssen, um als künftige Ärztin/als künftiger Arzt Sterbende adäquat zu betreuen und entsprechende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu nutzen.


Fragestellung

Mittels einer Evaluation der Effekte, die der Besuch der Hospizhelfer im Unterricht der Medizinischen Psychologie hat, wollten wir ermitteln, inwiefern die genannten Unterrichtsziele erreicht worden sind. Als Grundlage unserer Unterrichtsbewertung orientierten wir uns am Modell der responsiven Evaluation, nach der die Anliegen und Konfliktthemen der am evaluierten Programm beteiligten Gruppen als Steuerungskriterien fungieren [2]. A priori formulierten wir - z. T. in Anlehnung an MacLeod et al. [8] - vier Komponenten dieser Unterrichtseffekte: (1) Fördern der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Sterben, (2) Informieren über Hospizarbeit, (3) Anregen thanatologischen Fortbildungsinteresses und (4) Fördern der Zusammenarbeit der an der Betreuung Sterbender Beteiligten.


Methodik

Um entsprechende Unterrichtseffekte abzubilden, haben wir, gestützt auf ein Expertenrating einen kurzen Hospizhelfer-Effekte-Fragebogen (HEF) entwickelt: Feststellungen, welche die Wirkung des Besuches der Hospizhelfer beschreiben könnten, wurden von den Dozenten des Praktikums erfahrungsbasiert und literaturgestützt [1], [3], [8], [9] formuliert. Auf diese Weise konnten 32 Items zusammengetragen werden, die den zuvor genannten vier A-priori-Komponenten zugeordnet wurden: Unser Evaluationsinstrument erhielten anschließend alle Studierenden des Praktikums der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie im WS 03/04 (N = 205). Um auch die Perspektive der N = 9 Hospizhelfer zu ermitteln, erhielten diese die gleichen Items wie die Studierenden, allerdings verändert hinsichtlich der Beurteilungsperspektive. Sie schätzten ein, inwiefern aus ihrer Sicht die genannten Ziele durch ihrem Besuch erreicht worden sind. Das beschriebene Vorgehen ermöglicht, sowohl die Einschätzung der Studierenden, was der Besuch der Hospizhelfer bei ihnen bewirkt hat, als auch - im Sinne einer Fremdbeurteilung - die entsprechende Perspektive der Akteure zu erfassen.

Beschreibung der Befragten

Von den Fragebogen der Studierenden konnten N = 198 in die Auswertung einbezogen werden, von denen der Hospizhelfer N = 8. Die größtenteils im zweiten Semester befindlichen Studierenden waren im Mittel 22 Jahre alt und überwiegend weiblichen Geschlechts (57% Studentinnen, 43% Studenten). Von den Hospizhelfern waren fünf weiblich und drei männlich. Ihr Alter liegt zwischen 45 bis 70 Jahren. Alle übten ihre Tätigkeit länger als fünf Jahre aus (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Für 57% der Studierenden waren die Informationen über die Arbeit der Hospizgesellschaft überwiegend neu; 85% meinten, es sollten auch zukünftig Hospizhelfer im Praktikum der Medizinischen Psychologie berichten, 13% waren unentschieden und 2% standen dem ablehnend gegenüber. Alle Hospizhelfer sprachen sich dafür aus, dass sie auch künftig im Praktikum der Medizinischen Psychologie über ihre Arbeit berichten sollten.

Die Frage, ob die Studierenden im privaten bzw. beruflichen Kontext bereits Kontakt mit Sterbenden hatten, bejahten 71% bzw. 62%. Letzteres war für die meisten von ihnen (n = 71) während ihres Pflegedienstes oder als Zivildienstleistende der Fall, etliche (n = 41) erfuhren dies im Rettungsdienst.


Ergebnisse

Nach einer Hauptkomponentenanalyse (PCA) mit anschließender Varimax-Rotation und Bestimmen von Markiervariablen einer 5-, 4-, 3- und 2-Komponentenlösung erwies sich die 4-Faktorenlösung als die plausibelste. Von den 32 Items verblieben 25 Markieritems. Als Markiervariablen gelten Items, wenn eine nennenswerte Kommunalität besteht (h2 ≥ .16), der Absolutbetrag ihrer Höchstladung bedeutsam (a1 ≥ .40) und wesentlich ist (a1 2/h2 ≥ 0,5) und sie relative Eindimensionalität aufweisen, d. h. der prozentuale Anteil der beiden höchsten Ladungen eines Items an der Kommunalität soll um mindestens 25% differieren (a1 2-a2 2/h2 ≥ 0,25) [14]. Vorrang sollte bei der Auswahl von Items für Skalen im Zweifelsfall die inhaltliche Plausibilität vor der mathematischen Exaktheit haben. Eine sekundäre PCA mit den Markieritems (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) wies eine Aufklärung der Gesamtvarianz von 55% durch vier Komponenten auf. Sie bilden Skalen mit sehr guter bis noch akzeptabler interner Konsistenz (> .70), wie sie für explorative Zwecke und Gruppenentscheidungen ausreichend sind [13], was eine weitere zusammenfassende Auswertung möglich machte.


Skalen des Hospizhelfer-Effekte-Fragebogens (HEF)

In Tabelle 2 [Tab. 2] sind die Kennwerte der Skalen dargestellt: Skala I „Förderung des Fortbildungsinteresses" (HEF-F) besteht aus acht Items. Sie kennzeichnet eine sehr gute interne Konsistenz (Cronbach α = .91). In ihr werden Feststellungen zusammengefasst, welche im Wesentlichen anzeigen, inwiefern die Studierenden motiviert worden sind, an einer Ausbildung für die Betreuung Sterbender teilzunehmen. Skala II „Verdeutlichen von Kompetenzerfordernissen" (HEF-K) beinhaltet sieben Items, ihre interne Konsistenz ist noch zufriedenstellend (Cronbach α = .77). In ihr enthaltene Feststellungen eröffnen ein Spektrum dessen, was die Studierenden an Fähigkeiten erwerben müssten, um Sterbende gut zu betreuen. Das betrifft vor allem konkrete Hinweise darauf, was auf sie als künftige(r) Ärztin/Arzt bei dieser Aufgabe zukommt Die aus fünf Items zusammengesetzte Skala III „Sensibilisierung für das Erleben der Beteiligten" (HEF-S) erreicht eine interne Konsistenz in noch ausreichender Höhe (Cronbach α = .72). Mit ihrer Hilfe konnten die Studierenden angeben, inwiefern die Hospizhelfer einen Praxisbezug hergestellt und ein Verständnis für die Problemlage Sterbender und deren Kontaktpersonen übermittelt haben. Dabei steht, wie das höchstladende Item „... mir Einblicke in die emotionalen Reaktionen jemandes, der Sterbende betreut, gegeben." beinhaltet, die emotionale Verarbeitung der Begegnung mit dem sterbenden Menschen im Vordergrund. Nicht ganz klar ist die Zuordnung der Feststellung „... mit vor Augen geführt, welche Bedürfnisse Sterbende haben." Es weist eine hohe Doppelladung auf der zweiten Komponente „Verdeutlichen von Kompetenzerfordernissen" auf. Diese spricht einerseits das Wissen um die Lage der zu Betreuenden an und enthält offenbar gleichzeitig einen Appell, sich als Betreuer zu schulen, so dass diesen Bedürfnissen Rechnung getragen werden kann. Die - ebenso eine ausreichende interne Konsistenz von Cronbach α = .74 aufweisende - Skala IV betrifft das „Vermitteln des Wertes der Hospizarbeit" (HEF-W). Sie bündelt Feststellungen, die im Wesentlichen die Haltung der Studierenden zur Hospizarbeit betreffen. Hinzu kommt der Aspekt ihrer Überzeugung, inwiefern dies eine notwendige Sache sei, wie es beispielsweise das Item „... mich überzeugt, dass der Einsatz von Hospizhelfern/-helferinnen sinnvoll ist" erfasst. Davon ausgehend, das die Hospizhelfer selbst kaum Zweifel an der Sinnhaftigkeit ihres Handeln haben, wird also erfasst, ob es diesen gelungen ist, ihre innere Motivation und den Wert ihres Engagements glaubhaft und nachvollziehbar darzustellen.

Vergleicht man die Mittelwerte der Skalen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]), so zeigt sich: Am stärksten gelang es, die Studierenden vom Nutzen der Hospizarbeit zu überzeugen. Hingegen konnte das Fortbildungsinteresse nicht ganz so stark angeregt werden: Während die Hospizhelfer bei 40% der Studierenden die Absicht erzeugte, mehr über die palliativmedizinische Betreuung Sterbender zu lesen, fühlten sich noch 18% angeregt, sich speziell für die Sterbebegleitung ausbilden zu lassen und nur oder immerhin 14% motiviert, selbst Hospizhelfer zu werden. Diese Effekte des Hospizhelferbesuches erweisen sich als unabhängig vom Geschlecht der Studierenden und der Tatsache, ob sie im beruflichen Umfeld bereits Kontakt mit Sterbenden hatten oder nicht (U-Test jeweils n. s.). Interessant erscheint die hohe Übereinstimmung von Studierenden- und Hospizhelferurteil, die entsprechenden Skalenmittel weichen nicht bedeutsam voneinander ab.

Die Skalen interkorrelieren höchstens mittelhoch (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]), es werden somit inhaltlich getrennte Effekt-Aspekte erfasst. Die kleinere Gruppe der Studierenden, die unentschieden waren, ob auch künftig Hospizhelfer im medizinpsychologischen Unterricht berichten sollten, berichteten überzufällig weniger starke Unterrichteffekte, wie Abbildung 2 [Abb. 2] zu entnehmen ist.


Diskussion und Schlussfolgerungen

Letztlich konnte die A-priori-Annahme einer Vierdimensionalität der Effekte des Besuches der Hospizhelfer im medizinpsychologischen Praktikum aufrecht erhalten werden. Allerdings strukturierten sich die Items anders als zuvor angenommen: Im Einzelnen korrespondieren die Skalen mit den von uns zuvor angenommenen Komponenten, etwa „Fördern der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Sterben" mit der statistisch gewonnenen Skala IV („Vermitteln des Wertes der Hospizarbeit"), wenngleich auch auf Itemebene eine deutlich veränderte Struktur zu finden ist. Gleiches gilt für die A-priori-Komponente „Informationen/Einblicke in die Hospizarbeit", die mit der empirisch gewonnenen Skala III („Sensibilisierung für das Erleben der Beteiligten") korrespondiert, sowie für die A-priori-Komponente „Fördern der Zusammenarbeit der an der Betreuung Sterbender Beteiligten" und der statistisch gewonnenen Skala I („Förderung des Fortbildungsinteresses"). Die Skala II („Verdeutlichen von Kompetenzerfordernissen") schließlich vereint Items aus mehreren A-priori-Komponenten auf sich.

Die Skalen des Hospizhelfer-Effekte-Fragebogen (HEF) weisen eine akzeptable interne Konsistenz auf und bieten somit eine gute Basis für die künftige Forschung. Seine Struktur sollte in kritischen Kreuzvalidierungen überprüft werden. Sinnvoll erscheint auch, noch mehr Hospizhelfer als externe Beurteiler einzubeziehen. Das längsschnittliche Erfassen (z. B. eine Prä-Post-Erhebung) könnte Einstellungsänderungen noch valider erfassen.

Positiv erscheint uns das überwiegend stark ausgeprägte Interesse der Studierenden an Fortbildung hinsichtlich der guten Begleitung Sterbender, das durch den Besuch der Hospizhelfer geweckt wurde. Darüber hinaus fühlten sie sich auch in Kenntnis darüber gesetzt, welche Anforderungen Sterbende an sie als künftige Ärztinnen und Ärzte herantragen. Letztendlich haben ihnen diese engagierten Laienhelfer eine Eindruck von der emotionalen Lage aller an der Betreuung Sterbender Beteiligen vermittelt. Unsere Befunde zeigen: Durch den Besuch von Hospizhelfern gewinnt die medizinische Lehre offenbar an Praxisbezug, was gerade im theorielastigen vorklinischen Studienabschnitt für die Studierenden der Medizin einen Gewinn darstellt. Ihre Interessenlage sollte auch in der künftigen Curriculaplanung berücksichtigt werden.


Danksagung

Die Autorinnen danken Herrn Univ.-Prof. Dr. G. Huppmann, Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Mainz, für seine engagierte Hilfe bei der Itementwicklung. Herrn stud. med. M. Augart danken wir für seine Hilfe bei der Dateneingabe. Ganz besonders bedanken wir uns bei den Hospizhelfern der Mainzer Hospizgesellschaft Christophorus e.V., deren Einsatz das Zustandekommen dieser Arbeit erst ermöglicht hat.


Literatur

1.
Bertao C, Kayashima R, Braun KL. Perceptions of a required hospice experience: a comparison first- and fourth-year medical students. Hawaii Med J. 2003;62:100-103.
2.
Beywl W. Entwicklung und Perspektiven praxiszentrierter Evaluation. SuB. 1991;14:265-279.
3.
Billings JA, Block S. Palliative care in undergraduate medical education. Status report and future directions. JAMA. 1997;278:733-738.
4.
Fischbeck S, Rübelmann A, Klug A. Praktikum "Medizinische Psychologie" - Bewertung der Themen und didaktischen Mittel aus der Sicht der Teilnehmer. In: Fischbeck S, Huppmann G, eds. Psychologie in der Medizin. Würzburg: Königshausen & Neumann; 1992.
5.
Klaschik E. Entwicklung und Stand der Palliativmedizin in Deutschland. Kasseler Hosp. 2001;1:22-25.
6.
Kuprella T. Medizinstudierende und die Lehre in Palliativmedizin. Z Palliativmed. 2003;4:102.
7.
Lisson M. Das Thema Tod ist für viele Hausärzte immer noch Tabu. Ärzteztg online. (20.10.2003). Available from: http://www.aerztezeitung.de/docs/2003/10/20/188a0301.asp
8.
MacLeod RD, Parkin C, Pullon S, Robertson G. Early clinical exposure to people who are dying: learning to care at the end of life. Med Educ. 2003;37:51-58.
9.
Maxwell TL, Passow ES, Plumb J, Sifiri RD. Experience with hospice: reflections from third-year medical students. J Palliat Med. 2002; 5:721-727.
10.
Moosbrugger H. Testtheorie: Klassische Ansätze. In: Jäger RS, Petermann F, eds. Psychologische Diagnostik. 2. veränd. Aufl. Weinheim: PVU; 1992. p. 310-321.
11.
Muthny FA, Bermejo I, Buhk H. Einstellungen und Beurteilungen der Studierenden zum medizinpsychologischen Kurs in Münster. In: Muthny FA, Stavrianidou P, eds. Medizinpsychologische Lehre als Auftrag und Herausforderung. Münster: LIT Verlag; 1999. p.110-123.
12.
Muthny FA, Buhk H, Bullinger M. Zur Situation der medizinpsychologischen Lehre in Deutschland - Ergebnisse einer bundesweiten Untersuchung. In: Muthny FA, Stavrianidou P, eds. Medizinpsychologische Lehre als Auftrag und Herausforderung. Münster: LIT Verlag; 1999. p. 1-13.
13.
Nunnally JC. Psychometric Theory. 2. ed. New York: McGraw-Hill; 1978.
14.
Rost DH, Schermer FJ. Strategien der Prüfungsangstverarbeitung. Z Diff D P. 1986;7:127-143.
15.
Stankoweit B, Stavrianidou P, Muthny F. Gestaltungsmöglichkeiten des Themas "Tod und Sterben" im medizinpsychologischen Unterricht. In: Muthny FA, Stavrianidou P, eds. Medizinpsychologische Lehre als Auftrag und Herausforderung. Münster: LIT Verlag; 1999. p. 63-79.