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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die verbesserte Akzeptanz der Einleitung im Kursus der makroskopischen Anatomie durch Kurzvorträge mit elektronischen Medien

Improved acceptance of electronic media to support the introductory remarks in the anatomical dissection course

Projekt Humanmedizin

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  • corresponding author Carsten Kruschinski - Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung Funktionelle und Angewandte Anatomie und Abteilung Allgemeinmedizin, Hannover, Deutschland
  • author Michael Stephan - Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung Funktionelle und Angewandte Anatomie, Hannover, Deutschland
  • author Stephan von Hörsten - Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung Funktionelle und Angewandte Anatomie, Hannover und Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Abteilung Experimentelle Therapie, Erlangen, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2006;23(4):Doc69

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2006-23/zma000288.shtml

Eingereicht: 22. Juni 2006
Veröffentlicht: 15. November 2006

© 2006 Kruschinski et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Der Präparierkurs wird an der Medizinischen Hochschule Hannover im ersten und zweiten vorklinischen Semester durchgeführt. In zwei aufeinander folgenden Jahren wurde in jeweils einer von insgesamt acht Gruppen mit etwa 40 Studierenden immer unmittelbar vor Kursbeginn eine intensivierte Einleitung mit elektronischem Bildmaterial und Filmen durchgeführt. In beiden Jahren wurden die Einführungen evaluiert. Aus den Ergebnissen der ersten Befragung ableitbare Veränderungen wurden im zweiten Jahr bereits eingearbeitet. Die neue Vorgehensweise wurde in beiden Jahren sehr positiv bewertet. Anhand der Resultate werden Möglichkeiten einer optimierten Durchführung des Präparierkurses im Hinblick auf die Ausbildung zum Arzt und als Vorbereitung auf die ärztliche Vorprüfung diskutiert.

Schlüsselwörter: Präparierkurs, Elektronische Medien, Evaluation

Abstract

The anatomical dissection course takes place in the first year of preclinical training at the Medical School of Hannover. In two consecutive years, one out of eight groups (each about 40 students) received an intensified introduction supported by electronic slides and videos at the beginning of each day of dissection. In both years, the new introduction was evaluated. In the second year, modifications resulting from the first evaluation were incorporated. In both years, the students rated the new approach very positively. These results are discussed in respect to educating future medical doctors and to being well prepared for the preclinical exams.

Keywords: Dissection course, Electronic media, Evaluation


Einleitung

In der makroskopischen Anatomie (Präparierkurs für Mediziner) sind Unterschiede im Lehrkonzept der medizinischen Fakultäten in Deutschland bekannt. Das zeigt sich sowohl am unterschiedlichen Umfang, der Gruppengröße pro Leiche, an der Durchführung in unterschiedlichen Semestern als auch in der Verteilung der Gesamtkursstunden auf einen unterschiedlich langen Zeitraum. Zunächst sei kurz das Kurskonzept in Hannover erläutert [1], [2], [3], um dann auf die Inhalte einer nun erstmals durchgeführten, intensivierten Kurzeinführung unter Nutzung elektronischer Medien innerhalb des Präpariersaales überzuleiten.


Fallbeschreibung

In Hannover wurden nur zum Winterhalbjahr etwa 360 Studierende für den Studiengang Humanmedizin immatrikuliert. Der Präparierkurs (ohne Neuroanatomie) fand im Regelstudiengang in den ersten beiden Semestern an 26 Kurstagen statt (14 Tage im Winter- und 12 Tage im Sommersemester), d.h. die einzelnen Gruppen von 5-6 Studierenden präparieren einmal pro Woche am Nachmittag mit Hilfe von studentischen Hilfskräften (Tutoren) nach und nach gemeinsam die Regionen der gesamten makroskopischen Anatomie des Menschen. In der jeweils vorangehenden Woche werden die korrespondierenden Wissensinhalte des Kurstages der nächsten Woche in der Vorlesung dargelegt. In der Woche nach dem Präpariertag wird im Rahmen einer Einführung in die klinische Medizin die anatomische Region nochmals behandelt, indem zwei Kliniker Beispiele zu deren Anwendung z.T. mit Vorstellung von Patienten geben und indem die Studierenden sich im Seminar “Anatomie am Lebenden“ gegenseitig untersuchen und damit klinisch besonders relevante Themen auch praktisch vertiefen.

Am Beginn jedes Kurstages wird vom Dozenten eine kurze mündliche Einführung in das Präparierprogramm des Tages gegeben. Wissensinhalte bezüglich der anatomischen Region und praktischen Vorgehensweise der Präparation sollen von den Studierenden zusätzlich basierend auf einem Skript vorbereitet werden. Immer am Ende eines Kurstages -nach Fertigstellung des Präparates- wird eine Erfolgskontrolle in Form einer mündlichen Befragung jedes Studierenden durchgeführt. Diese Beschreibung verdeutlicht das integrative, auf Wiederholung angelegte Konzept in Hannover aus zeitlich abgestimmter Vorlesung, Kurs, klinischen Einführungen und thematisch angeglichenem Seminar [4]. Es ist bisher retrospektiv sehr positiv bewertet worden [5].

Die mündliche Einführung am Beginn des Kurstages wurde in einem - dem von jeweils zwei der Autoren geleiteten Kurs (1. Jahr SvH und CK, 2. Jahr SvH und MS) - der insgesamt acht Kurse verändert. Sie wurde auf der Basis beamerprojizierter und teilweise animierter Diapräsentationen und Videofilmsequenzen durchgeführt. Dadurch konnte verschiedenartiges Bildmaterial aus Lehrbüchern, Anatomieatlanten und Lehrfilmen im Präpariersaal großformatig allen Studierenden am Beginn des Kurses präsentiert und nochmals Wissensinhalte und praktische Vorgehensweise mit dessen Hilfe erläutert werden. Durch die zeitliche Nähe zur gleich danach erfolgenden Präparation sollte erreicht werden, dass insbesondere topographische Besonderheiten unmittelbar vor Augen geführt werden. Beispielsweise verlaufen A. und V. mesenterica superior dorsal vom Pancreas und anschließend ventral über das aufsteigende Duodenum hinweg. Beim N. radialis kann auf die wichtigen anatomischen Landmarken im Sulcus nervi radialis und im M. supinator hingewiesen werden, so dass sein Verlauf den Studierenden bei der Einführung erneut direkt vor Augen geführt wird.

Nach vollständig beendetem Präparierkurs erhielten die Studierenden am Ende des 2. Semesters einen Fragebogen, in dem sie sich anonym über den didaktischen Nutzen einer Integration von Bildmaterial in den Ablauf des Präparierkurses äußern konnten. Es wurden ebenfalls die studentischen Hilfskräfte befragt, weil diese aus ihrem eigenen Präparierkurs ohne spezielle Kurseinführung eine Vergleichsmöglichkeit hatten. Im darauf folgenden Jahr wurden die Ergebnisse aus der Befragung des ersten Jahres umgesetzt und die nochmals leicht modifizierte Einführung erneut in einem der acht Kurse durchgeführt. Dazu wurden vermehrt Filmsequenzen und Röntgenbilder eingebaut und die Einführung um themenbezogene Multiple Choice Fragen aus den vorangegangenen ärztlichen Vorprüfungen (Physikum) erweitert. Außerdem wurde die im ersten Jahr etwa 15 Minuten dauernde Einführung aufgrund der Ergebnisse der ersten Befragung im zweiten Jahr um 2-3 Minuten gekürzt.


Ergebnisse

Im ersten Jahr haben sich 39 der 43 Studierenden des Kurses mit der neuen Einführung und alle 7 Tutoren an der Umfrage beteiligt. Insgesamt wurde die neuartige Präsentation im Präpariersaal sehr positiv aufgenommen (30 [5 Tutoren] "sehr sinvoll", 9 [2] "sinnvoll", 0 [0] "nicht notwendig"). Sie wurde als lehrreich für das präparatorische Vorgehen und mehr noch für die Wiederholung des Lernstoffes angesehen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). In Zukunft sollte sie die Präparation tendenziell mehr in den Vordergrund stellen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Ein Vortrag des Dozenten von ungefähr 15 Minuten wurde von 36 Studierenden als ausreichend lang bewertet, von 3 Studierenden als zu lang (Tutoren: 6 bzw. 1). Die Studierenden gaben an, die neue Einführung habe keine Auswirkungen auf die Kursvorbereitung gehabt; nur zwei haben sich deshalb intensiver, einer weniger intensiv auf Kurs und Testat vorbereitet. Auch die Bedeutung des kursbegleitenden Skriptes hat sich nicht verändert. Fast alle empfahlen für die Zukunft die Beibehaltung einer elektronischen Präsentation für die künftigen Jahrgänge. Einige wünschten sich eine noch stärkere Integration von Filmen (n=8 Studierende) oder auch Röntgenbildern, Modellen oder die Verwendung einer Schauleiche (je n=1 bis 2 Studierende).

Im zweiten Jahr beteiligten sich 39 Studierende und 12 Tutoren an der leicht modifizierten Umfrage, was einem Rücklauf von 100% entsprach. In der neu aufgenommenen Bewertung nach einer Likert-Skala (0 bis 10) wurde die Einleitung von den Studierenden mit durchschnittlich 9,7 Punkten bewertet (Tutoren 9,8). Die Ergebnisse des ersten Jahres zum Lerneffekt bzw. künftigen Schwerpunkt bezüglich präparatorischem Vorgehen und Wiederholung des Lehrstoffes wurden bestätigt (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Zusätzlich wurden die im zweiten Jahr neu aufgenommenen Multiple Choice Fragen vom überwiegenden Teil der Studierenden als sehr sinnvoll bewertet (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Alle Studierenden und alle Tutoren empfahlen die Beibehaltung dieser elektronischen Präsentationen. Der Wunsch nach zusätzlichem Material wurde nicht mehr geäußert.


Schlussfolgerungen

Die Einführung in einen Präpariertag basierend auf elektronischen Medien innerhalb des Präpariersaales direkt vor den praktischen Übungen ist im Wesentlichen für zwei Aspekte sinnvoll: effizientere praktische Vorgehensweise und erneute Wiederholung des Lernstoffes. Neben Vorlesung und Selbststudium wird somit als weiteres Element die Wiederholung vor der Präparation eingeführt. Durch großformatige visuelle Verdeutlichung wird eine Möglichkeit geschaffen, den Transfer vom Lernen in der Vorlesung und aus dem Lehrbuch zur praktischen Anwendung an der Leiche zu erleichtern. Wenn ein darzustellender Muskel oder etwa eine Leitungsbahn nochmals im topografischen Zusammenhang eines Atlasbildes präsentiert wird, kann Wichtiges besser von weniger Wichtigem unterschieden werden und zu erwartende Schwierigkeiten einer Region können anhand des Bildes demonstriert werden. Die Orientierung im Präparat fällt leichter, wenn man das Schema dazu kurz zuvor noch einmal gesehen hat. Dies kann durch eine rein mündliche Ansprache nicht im selben Umfang erreicht werden, denn dabei können die Begriffe in zu präparierender Reihenfolge lediglich aufgezählt werden, ohne ein klares Bild der Region zu erzeugen.

Theoretisch ist dazu auch die Verwendung von klassischen Diapositiven oder Lehrtafeln denkbar. Von den Studierenden wurde jedoch die regelmäßige Verwendung von elektronischen Dia-/Filmpräsentationen ausdrücklich gewünscht, da diese die Verknüpfung verschiedenartiger Bildmaterialien mit der Anwendung didaktisch-verdeutlichender Werkzeuge in besonderem Maße ermöglicht. Nicht zuletzt die Anwendung solcher Elemente hat die Aufmerksamkeit und das Interesse der Studierenden an der neuartigen Kurseinführung weiter aufrechterhalten. Festzuhalten bleibt, dass Wiederholung und Anwendung eine wichtige didaktische Rolle für die Vermittlung eines dauerhaften Wissens im Studium (ärztliche Vorprüfung und als Vorbereitung auf die Klinik) und lebenslang auch für Transferleistungen in der Situation als Arzt spielen. Dazu können animierte Vorträge wie zum Beispiel die Überleitung von Theorie (Vorlesung) zu Praxis (Präparierkurs) mittels geeigneten Bildmaterials eine wichtige Brücke bilden, nicht zuletzt weil sie dem Wunsch der heutigen Generation von Studierenden nach modernen Unterrichtselementen entgegenkommen.

Die makroskopische Anatomie (Präparierkurs) wird am Beginn ärztlicher Tätigkeit [6], aber auch nach mehrjähriger klinischer Erfahrung [7] als besonders relevant im Vergleich zu anderen Pflichtkursen wie Physik und Chemie bezeichnet. Die Einbeziehung von Kurzvorträgen mit elektronischen Medien am Beginn eines Kurstages wurde in der vorgelegten Fallstudie insgesamt positiv bewertet. Auch studentische Hilfskräfte mit teilweise schon mehrjähriger Erfahrung im Präparierkurs empfanden die Einführung überwiegend noch als lehrreich. Sie könnte einen Beitrag leisten, die positive Einordnung des Faches Anatomie weiter zu stärken und auch für andere Fächer mit starkem Praxisbezug als Modell dienen.


Literatur

1.
Pabst R, Westermann J, Lippert H. Integration of clinical problems in teaching gross anatomy: living anatomy, X-ray anatomy, patient presentations, and films depicting clinical problems. Anat Rec. 1986;215(1):92-94.
2.
Pabst R. Gross anatomy: an outdated subject or an essential part of a modern medical curriculum? Results of a questionnaire circulated to final-year medical students. Anat Rec. 1993;237(3):431-433.
3.
Pabst R, Nave H, Rothkötter HJ, Tschernig T. Evaluation of the medical curriculum: why, when, by whom and for whom should questionnaires be used. Eur J Morphol. 2001;39(4):237-239.
4.
Pabst R. Medical education and reform initiatives in Germany. Acad Med. 1995;70(11):1006-1011.
5.
Pabst R, Rothkötter HJ. Retrospective evaluation of a medical curriculum by final year students. Med Teach. 1996;18:288-293.
6.
Pabst R, Rothkötter,HJ. Retrospective evaluation of undergraduate medical education by doctors at the end of their residency time in hospitals. Consequences for the anatomical curriculum. Anat Rec. 1997;249(4):431-434.
7.
Hofer M, Jansen M, Soboll S. Verbesserungspotenzial des Medizinstudiums aus retrospektiver Sicht von Facharztprüflingen. Dtsch Med Wochenschr. 2006;131:373-378.