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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Key-Feature-Probleme zum Prüfen von prozeduralem Wissen: Ein Praxisleitfaden

Key Feature Problems for the assessment of procedural knowledge: a practical guide

Projekt Humanmedizin

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  • author Veronika Kopp - Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik - Innenstadt, Schwerpunkt Medizindidaktik, München, Deutschland
  • author Andreas Möltner - Universität Heidelberg, Kompetenzzentrum für Prüfungen in der Medizin Baden-Württemberg, Heidelberg, Deutschland
  • corresponding author Martin R. Fischer - Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik - Innenstadt, Schwerpunkt Medizindidaktik, München, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2006;23(3):Doc50

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2006-23/zma000269.shtml

Eingereicht: 9. Februar 2006
Veröffentlicht: 15. August 2006

© 2006 Kopp et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Im vorliegenden Beitrag wird - nach der Zuordnung unterschiedlicher Prüfungsformen zu den verschiedenen Wissensarten der Wissenspyramide von Miller - der Key-Feature (KF) Ansatz vorgestellt. Nachdem anhand der Definition und einem Beispiel erklärt wurde, was ein KF ist, wird im Anschluss eine Anleitung für die Erstellung eines KF-Problems gegeben. Diese besteht aus folgenden Schritten: Definition des Kontextes, Wahl der klinischen Situation, Identifikation der KFs des klinischen Problems, Schreiben des klinischen Szenarios (Fallvignette), Schreiben der einzelnen KF-Fragen, Auswahl des Antwortformates, Bewertungsverfahren und Inhaltsvalidierung. Am Ende werden die Ergebnisse einer Evaluation dieser Anleitung, die im Rahmen eines KF-Workshops gewonnen wurden, präsentiert. Die Teilnehmer waren mit dieser Workshopeinheit sehr zufrieden und gaben an, sehr viel gelernt zu haben. Die subjektive Einschätzung ihres Wissensstands vor und nach dem Workshop zeigte signifikante Unterschiede. Mit dem KF-Format steht ein innovativer Ansatz zur Überprüfung von Entscheidungskompetenz zur Verfügung, das auch sehr gut elektronisch eingesetzt werden kann. Durch den Einsatz eines Long-Menu Formats anstelle eines Write-In Formats wird eine automatische Auswertung möglich.

Schlüsselwörter: Key-Feature, fallbasiertes Prüfen, klinisches Entscheidungswissen

Abstract

After assigning the different examination formats to the diverse terms of Miller's pyramide of knowledge, this paper provides a short presentation of the key feature approach by giving the definition and an example for clarification. Afterwards, a practical guide to writing key feature problems is given consisting of the following steps: define the domain, choose a clinical situation, define the key features, develop a test case scenario, write questions, select a preferred response format, define the scoring key, and validation. Finally, we present the evaluation results of this practical guide. In sum, the participants were very pleased with it. The differences between the estimations of their knowledge before and after the workshop concerning key features were significant. The key feature approach is an innovative tool for assessing clinical decision-making skills, also for electronical examinations. Substituting the write-in format for the long-menu format allows an automatic data analysis.

Keywords: key feature, case-based assessment, clinical decision making


Einleitung

In ihrem Artikel "Towards a Taxonomy of Problems Used in Problem-Based Learning Curricula" unterscheiden Schmidt und Moust [18] u. a. zwischen deskriptivem und prozeduralem Wissen. Deskriptives Wissen bezeichnet Wissen über Fakten, während prozedurales Wissen als "knowledge of how to do things" gefasst wird. Bereits der in diesem Zusammenhang häufig zitierte Philosoph Ryle [17] unterschied "Wissen, dass" und "Wissen, wie".

Mit der neuen Ärztlichen Approbationsordnung [4] wird den Fakultäten die benotete Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Studierenden bzgl. ihres deklarativen und prozeduralen Wissens anvertraut. In den letzten Jahren sind in der Medizin verschiedene Prüfungstypen entstanden, mit denen prozedurales Wissen, also klinische Fertigkeiten und Kompetenzen, geprüft werden kann. Beispiele hierfür sind MiniCEX- oder OSCE-Prüfungen, wie sie beispielsweise in Heidelberg eingesetzt werden [12], [13]. Ein weiterer Prüfungstyp sind Key-Feature (KF)-Prüfungen.

Welche Prüfungen nun welche Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten überprüfen, veranschaulicht die modifizierte Pyramide von Miller [11] (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Im Folgenden sollen der KF-Ansatz vorgestellt und eine strukturierte Anleitung zur Erstellung von KF-Problemen beschrieben werden [3]. Diese Anleitung wurde bereits in Prüfungsworkshops für Dozierende erprobt, weiter entwickelt und in der vorliegenden Form von Workshop-Teilnehmern evaluiert. Die Ergebnisse dieser Evaluation werden am Ende des Artikels dargestellt.


Der Key-Feature-Ansatz

Der Begriff "Key Feature" wurde zum ersten Mal 1987 von Bordage und Page [2] als Folge ihrer kritischen Auseinadersetzung mit der Erfassung von Entscheidungskompetenz eingeführt. Damals war es üblich, Entscheidungskompetenz mit wenigen, aber langen Fällen zu prüfen, da angenommen wurde, dass Entscheidungskompetenz eine generelle Fähigkeit und weitgehend unabhängig vom Faktenwissen ist. Prüfungen enthielten daher häufig nur einen, dafür aber langen Fall. Am bekanntesten waren dabei die sog. "Patient Management Probleme" (PMP), Probleme, die aus einem klinischen Fallszenario und Fragen zu Anamnese, Untersuchung und Diagnose bestanden. Trotz ihrer Authentizität und ihrer Augenscheinvalidität, zeigte sich, dass PMPs letztlich ungeeignet waren, Entscheidungskompetenz zu prüfen. Zum einen mangelte es an der Reliabilität der Prüfungen, zum anderen stellte sich heraus, dass Inhaltsspezifität einer der wichtigsten Faktoren für das Fällen von Entscheidungen ist. Page und Bordage [2] versuchten, diese Schwierigkeiten zu überwinden, indem sie die klinischen Probleme auf ihre kritischen Schritte reduzierten. Diese kritischen Schritte nannten sie KFs.

Ein KF ist demnach definiert als "a critical step in the resolution of a problem" [15]. Zwei Zusätze spezifizieren diese Definition:

(1) it focuses on a step in which examinees are most likely to make errors in the resolution of the problem, and

(2) it is a difficult aspect of the identification and management of the problem in practice.

KFs werden also als kritische Entscheidungen definiert, die getroffen werden müssen, um ein klinisches Problem zu lösen; die zugrundeliegenden Konzepte und Erklärungen spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Ein Problem, das solche KFs enthält, bezeichnen wir als KF-Problem ("Key Feature Problem"). Diese bestehen aus der knappen Darstellung einer klinischen Situation, dem sog. Stamm, gefolgt von drei bis fünf Fragen, den KF-Fragen. Folgendes Beispiel aus der Kinderheilkunde verdeutlicht dies (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]; siehe auch Anhang).

Die Fragen zur klinischen Situation beziehen sich klassischerweise auf die Differentialdiagnosen (siehe Frage 1), auf die diagnostischen Untersuchungen, die zur weiteren Abklärung der Diagnose nötig sind (siehe Frage 2) und auf das Management (siehe Frage 3) und die therapeutischen Entscheidungen.

Um ein verlässliches Ergebnis bezüglich der Kompetenz eines Studierenden zu bekommen, ist es nötig, ihn mehrere Fälle bzw. Probleme bearbeiten zu lassen. So konnte Elstein et al. [5] zeigen, dass die Korrelation zwischen zwei Fällen bzw. Problemen zu unterschiedlichen Themen lediglich einen Wert zwischen .1 und .3 annimmt, d.h.: Wenn ein Student oder angehender Arzt einen Fall bzw. ein Problem richtig löst, kann nicht daraus geschlossen werden, dass er einen zweiten Fall zu einem anderen Thema ebenfalls richtig lösen wird. Denn Fälle können - auch innerhalb der Themen eines Fachgebiets - sehr unterschiedlich sein und verlangen vom Lösenden inhaltsspezifisches Wissen. Je mehr Fälle bzw. Probleme also ein Student löst, desto besser kennt man seinen Wissensstand und kann seine Leistungen vorhersagen. Der Anzahl der Probleme, die man einem Studierenden zur Bearbeitung im Rahmen einer Prüfung vorlegt, sind jedoch natürliche Grenzen gesetzt. So ist es zum einen wichtig, die Studierenden genügend Probleme bearbeiten zu lassen, um ein verlässliches Ergebnis zu erhalten, zum anderen dürfen die Studierenden mit der Länge der Prüfung nicht überfordert werden. Hier gilt es, einen praktikablen Mittelweg zu finden. Als Anhaltspunkt können die Studien von Hatala und Norman [9] und Fischer et al. [8] dienen, in denen die Verwendung von KF-Problemen in der klinischen Ausbildung erprobt wurde.


Schritte zur Entwicklung eines Key-Feature-Problems

1. Definition des Kontextes

In einem ersten Schritt muss die Domäne bzw. der Kontext der klinischen Probleme, die in der Prüfung abgefragt werden sollen, definiert werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Inhaltsvalidität einer KF-Prüfung. Die geprüften Inhalte sollten mit den Lernzielen übereinstimmen. Besteht ein ausführlicher Lernzielkatalog, der die klinischen Probleme, die ein Student beherrschen sollte, auflistet, sollte dieser zu Rate gezogen und die Prüfungsinhalte damit abgestimmt werden. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die klinischen Probleme und die begleitenden Differentialdiagnosen die Domäne ausmachen, aus dem die KFs gewählt werden.

2. Wahl der klinischen Situation

Die klinische Situation bezieht sich darauf, wie der Patient dem Arzt seine Beschwerden schildert. Aufgabe ist es nun, daraus ein geeignetes Problem für die Studierenden zu entwickeln. Bordage et al. [1] definieren fünf Situationen:

- ein undifferenziertes Problem oder eine undifferenzierte Krankheit

- ein einzelnes typisches oder atypisches Problem

- ein multiples Problem oder ein Problem mit Multisystem-Beteiligung

- eine lebensbedrohliche Situation

- eine Vorsorgeuntersuchung und Gesundheitsförderung

Eine oder mehrere Situationen müssen für jedes Problem ausgewählt werden. Die ausgewählten Situationen beeinflussen im weiteren Verlauf die Definition der KFs. Für Studierende mit mittlerem Expertisegrad (sog. "Intermediates") ist es empfehlenswert, nur typische bzw. klassische Fälle zu verwenden.

3. Identifikation der KFs des klinischen Problems

Der klinische Kontext und somit die Rahmenbedingungen des Problems sind mit der Wahl der klinischen Situation gegeben. Zudem sind die Lernziele, die mit diesem Problem abgeprüft werden sollten, bekannt. Nun geht es darum, sich der kritischen Schritte bei der Lösung des Problems bewusst zu werden und diese zu definieren. Am Anfang sollte man an viele Fälle eines Problems denken und sich die KFs, die diese Fälle gemeinsam haben, auflisten. In der Regel entscheidet man sich für zwei bis drei KFs pro Fall. Fallstricke lauern vor allem darin, dass man das Problem entweder zu generell oder zu spezifisch fasst: Im ersten Fall kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Definition der KFs und letztlich zu Frustration führen. So ist es beispielsweise schwierig, KFs zum Problem "Alkoholabusus" zu definieren. Im zweiten Fall kann es zu unangebrachten Einschränkungen hinsichtlich der KFs kommen.

Das Definieren der KFs ist der schwierigste Teil und daher auch die größte Herausforderung für die Autoren und sollte deshalb zu einem kleinen Review unter Kollegen führen, denn häufig treten durch die Diskussion die KFs klarer hervor. Vor allem für Novizen ist es schwer, sich auf die kritischen Schritte zu beschränken und nicht alle Aspekte des Problems abzufragen, sodass vor allem ihnen zu einem internen Austausch zu raten ist.

4. Schreiben des klinischen Szenarios (Fallvignette)

Nachdem die KFs definiert wurden, wird ein klinischer Fall ausgewählt und das Fallszenario beschrieben. Fokussieren die KFs die Diagnose eines Falls, kann die Fallvignette sehr kurz gehalten werden. Beziehen sich die kritischen Schritte auf das Labor oder auf die Therapie, kann die Fallvignette auch länger ausfallen und zusätzlich klinische Daten aus Anamnese und körperlicher Untersuchung beinhalten.

In jedem Fall muss das Alter und das Geschlecht des Patienten, sein Allgemeinzustand bzw. die Gründe für seine Vorstellung und das Setting des Zusammentreffens von Arzt und Patient beschrieben werden. Im Anschluss daran stehen die klinischen Informationen, die nötig sind, um die erste Frage beantworten zu können.

5. Schreiben der einzelnen KF-Fragen

In der Regel entsteht aus einem KF eine Prüfungsfrage. In Ausnahmefällen kann aber auch eine Frage mehrere KFs abprüfen. In der Regel reicht eine Fallvignette aus, um alle KFs abzuprüfen. Sollte dadurch aber die Gefahr von Cueing entstehen, ist es notwendig, eine neue Fallvignette zu schreiben, um ein KF gesondert abzuprüfen.

Ein Fragenstamm besteht aus einer direkten Frage. Weitere Fragen können zusätzlich weitere Informationen über den Fall enthalten, wie "Der Patient liegt seit zwei Tagen im Krankenhaus...".

Bordage et al. [1] empfehlen, nach der Frage eine kurze Instruktion zu geben, wie viele Antworten gegeben bzw. ausgewählt werden sollen. Bei diesen kurzen Instruktionen kann es sich um Empfehlungen handeln (z.B. "Zählen Sie bis zu xx auf" bzw. "Wählen Sie bis zu xx aus") oder aber um genaue Angaben (z.B. "Wählen Sie fünf Antworten aus"). Nach dem deutschen Prüfungsrecht gibt es diesbezüglich jedoch keine Wahl; es muss immer genau angegeben werden, wie viele Antworten der Student zu geben bzw. zu wählen hat.

6. Auswahl des Antwortformates

Bordage empfiehlt zwei Antwortformate: das sog. "Write In (WI)"-Format und das "Short Menu (SM)"-Format. Im WI-Format haben die Studierenden freie Texteinträge zu machen. Im SM-Antwortformat sind die Antworten aus vorgegebenen Alternativen auszuwählen. Die Anzahl an Alternativen oder Distraktoren, wie sie auch genannt werden, hängt von der Frage ab, schwankt aber in der Regel zwischen 15 bis 20. In Einzelfällen können zwei Alternativen ausreichend sein; in Ausnahmefällen bedarf es 45 Alternativen. Dieses Format ähnelt dem k aus n-MC-Format.

Das WI-Format empfiehlt Bordage bei Fragen nach den Differentialdiagnosen und bei Entscheidungen bzgl. der Therapie und des weiteren Managements; das SM-Format wird vor allem eingesetzt, wenn die Frage auf das Einholen von weiteren Daten abzielt.

Als Alternative zum WI-Format wurde das sog. "Long Menu (LM)"- Format entwickelt. LMs sind lange, alphabetisch geordnete Listen, die alle Antwortmöglichkeiten enthalten. Die Liste soll aus mindestens 500 Einträgen bestehen, um einen Cueing-Effekt minimal zu halten. Ihr Einsatz in einer Papier und Bleistift-Prüfung ist umständlich, zeitintensiv und sehr fehleranfällig. Daher entwickelten Schuwirth et al. [19] eine computerbasierte Version, bei der die lange Liste in ein Drop-down Menü gefasst ist und die Suche nach dem Begriff über ein aktives Feld, das vor dem Drop-down Menü steht, läuft. Die Studierenden tippen die ersten Buchstaben des überlegten Begriffs ein, worauf im Drop-down Menü die Übereinstimmung erscheint. Dem LM-Format liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Studierenden ihre Antwort wie bei einem offenen Format generieren, da die Liste zu lang ist, als dass ihre Begriffe als Alternativen gesehen werden könnten. Die überlegte Antwort muss dann lediglich in der Liste nachgeschlagen werden. Das LM-Format stellt damit ein Äquivalent zum offenen Antwortformat dar [19], jedoch nur, wenn wirklich sämtliche Antwortmöglichkeiten auf diese Frage in dem Drop-down-Menü zu finden sind.

7. Bewertungsverfahren

Ein Bewertungsschlüssel besteht aus einer Liste der richtigen Antworten und regelt die Punktevergabe. Es ist also genau festgelegt, welche Antworten gegeben sein müssen, um die volle Punktzahl auf diese Frage zu bekommen und welche Antworten Teilpunkte erbringen.

Welchen Bewertungsalgorithmus man auch immer für die einzelnen Fragen wählt - am Ende sollten sich die Antworten der einzelnen KFs eines KF-Problems zu eins summieren.

8. Inhaltsvalidierung

Die Fragen der KF-Probleme sollten in jedem Fall pilotmäßig getestet werden [16], auch wenn nur 10 Studierende an der Pilotstudie teilnehmen, denn damit sind folgende Vorteile verbunden:

Die Verteilungen der Antworten auf Fragen im SM-Format bilden die Basis für eine Korrektur dieser Fragen. Die Antworten auf die WI-Fragen liefern weitere Synonyme, die bei der Bewertung beachtet werden müssen. Wird anstelle des WI-Formats das LM-Format eingesetzt, empfehlen wir, in der Pilotstudie auf das WI-Format zurückzugreifen, da damit die Qualität der LM-Listen überprüft werden kann, indem man die Antworten der Studierenden mit der LM-Liste vergleicht. Fehlende Synonyme bzw. Distraktoren werden anschließend in die LM-Liste aufgenommen und dadurch vervollständigt.

Die Mittelwerte zu den einzelnen Fragen dienen als empirische Basis für die Festlegung der Bestehensgrenzen im Rahmen eines Standardsetzungsprozesses.

Folgendes Formular sollte Ihnen dabei helfen, ein KF-Problem zu erstellen (M. Fischer, LMU München & R. Bonvin, Dekanat der Med. Fakultät Universität Lausanne, siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).


Evaluationsergebnisse

Methode

Im Herbst 2004 und Frühjahr 2005 wurde ein dreitägiger Workshop des Kompetenzzentrums Prüfungen in Heidelberg zum Thema "schriftliche Prüfungen" abgehalten. Ein Tag des Workshops entfiel auf das Thema KF. Ziel war es, den Teilnehmern zu vermitteln, was ein KF ist und wie man KF-Probleme erstellt. Dabei wurde zur besseren Strukturierung und Erhöhung der Zeiteffizienz der dargelegte Praxisleitfaden eingesetzt. Vor Beginn dieses Themenblocks wurden die Teilnehmer gebeten, ihr Wissen bezüglich KFs und ihrer Erstellung einzuschätzen ("Selbsteinschätzung des Vorwissens"). Nach Teilnahme an diesem Themenblock wurden dieselben Fragen noch einmal gestellt ("Selbsteinschätzung des erworbenen Wissens"). Zudem wurden Teilnehmer um eine Gesamteinschätzung des Themenblocks gebeten. Die Antworten konnten auf einer 5-stufigen Likert-Skala gegeben werden, wobei 1 "trifft völlig zu" und 5 "trifft gar nicht zu" bedeuten. Insgesamt nahmen 26 Dozenten an der Befragung teil.

Ergebnisse

Alle Teilnehmer erstellten innerhalb von ca. drei Stunden ein KF-Problem und führten gegenseitig einen Reviewprozess durch. Die Festlegung des Auswertealgorithmus, die Eingabe der KF-Probleme in ein computerbasiertes Prüfungssystem und deren Erprobung aus Sicht eines Prüflings wurden in weiteren drei Stunden durchgeführt. Insgesamt zeigte sich, dass ein KF-Problem (inklusive Review und Eingabe) anhand einer strukturierten Anleitung innerhalb von sechs Stunden bis zur Einsatzfähigkeit erstellt werden konnte.

Betrachtet man die Ergebnisse der ersten Fragebogenerhebung, so zeigt sich, dass die Dozenten mit geringem Vorwissen in den Workshop gegangen sind (vgl. Tabelle 2 [Tab. 2]). Vergleicht man dies mit der Einschätzung ihres Wissens nach dem Workshop, zeigt sich ein deutlicher Wissenszuwachs. Die Differenzen zwischen den Wissenseinschätzungen vorher und nachher sind allesamt signifikant (p < 0.001). Damit ist zumindest ein erster Anhaltspunkt gegeben, dass Unterrichtskonzept und Unterrichtsmaterialien geeignet sind, die Erstellung von KF-Prüfungen zu vermitteln. Zusätzliche Unterstützung erfährt diese Schlussfolgerung durch die positive Gesamtbewertung der Workshop-Einheit KF (M = 2.00 (SD = 0.57)) durch die teilnehmenden Dozenten.


Diskussion

Das Prüfen von Entscheidungskompetenz als Form prozeduralen Wissens mittels KF-Probleme erweitert das Portfolio schriftlicher Prüfungsformate für den klinischen Studienabschnitt. Bisher liegen allerdings nur wenige Daten zu diesem Prüfungsformat für Medizinstudenten vor [16], [9], weshalb gerade in diesem Bereich weitere Studien nötig sind. Die Mehrzahl der Erfahrungen wurde bisher in der Weiterbildung von Ärzten gesammelt (z.B. [6]). Insgesamt hat sich das KF-Format als ein reliables Instrument zum Prüfen von Entscheidungskompetenz erwiesen.

Damit die Qualität der KFs und damit der Erfolg des Formats gewährleistet werden, empfehlen wir, dass die Autoren zusätzlich zu einschlägiger Lektüre eine strukturierte Schulung zur kompetenten Erstellung von KF-Problemen besuchen.

In Übereinstimmung mit Farmer und Page [7] empfehlen wir zudem den computerbasierten Einsatz des KF-Formats. Dieser hat zum einen den Vorteil, dass Bildmaterial einfach und in hoher Qualität präsentiert werden kann, zum anderen, dass der Gefahr des sog. "backward cueing", der Gabe von Lösungshinweisen in nachfolgenden Informationen, durch die Einschränkung der Möglichkeit zum Zurückblättern vorgebeugt wird. Damit ist sogar der gezielte Einsatz von voneinander abhängigen Fragen möglich, was zudem einen Gewinn an Authentizität bedeutet: Man kann also beispielweise fragen, welche Blutwerte angefordert werden sollen und im folgenden KF die richtigen Werte angeben und darauf eine Frage aufbauen. Ein weiterer Vorteil ist der Einsatz des LM-Formats anstelle des WI-Formats. Wesentliche Voraussetzung dafür ist die Verbesserung der LM-Listen, v.a. durch eine Kontextspezifizierung, z.B. in Form einer Diagnoseliste.

Die Erstellung einer nationalen Datenbank mit KF-Problemen zu allen wesentlichen klinischen Themen würde den Einsatz dieser Prüfungsform ökonomischer gestalten, da die Erstellung von qualitativ hochwertigen KF-Problemen zeitaufwendig ist und einen interdisziplinären Review-Prozess erfordert. Dabei erscheint insbesondere der Bezug zu den Leitsymptomen des Gegenstandskatalogs 2 des IMPP sinnvoll [10].


Anhang

Beispiel für ein neurologisches KF-Problem (Th. Steiner, Neurologische Klinik der Universität Heidelberg):

KF-Stamm (Fallvignette)

Die 44-jährige Helena Lux stellt sich wegen eines Kopfschmerzereignisses bei Ihnen in der Notambulanz vor. 5 Tage zuvor ist es ihr am Vormittag beim Aussteigen aus dem Wagen plötzlich heftig in den Nacken und das Hinterhaupt gefahren. Die Kopfschmerzen waren so heftig wie sie es zuvor noch nie erlebt hatte. Sie musste sich zunächst wieder ins Auto setzen. Der Schmerz sei dann schließlich ein wenig besser geworden. Nachdem er aber am Freitag immer noch nicht ganz weg war, habe sie die Hausärztin aufgesucht. Diese empfahl ihr, sich in der Klinik vorzustellen.

Frage 1: Nennen Sie Ihre Hauptverdachtsdiagnose:

Antwort (Long Menu): Subarachnoidalblutung

Frage 2: Welche beiden klinischen Zeichen untersuchen Sie jetzt unbedingt gezielt, um ihre Diagnose zu erhärten?

Antwort (Long Menu): Nackensteifigkeit, Meningismus

Frage 3: Sie finden bei der Patientin eine leichtgradige Nackensteifigkeit. Wie gehen sie diagnostisch weiter vor? Wählen Sie eine Antwort aus!

Antwort (Short Menu): Computertomographie

Distraktoren: NMR, Angio-NMR, EEG, Liquorpunktion

Frage 4: In der Computertomographie findet sich kein sicherer Hinweis für Blut in den Liquorräumen. Welche Untersuchung führen sie diagnostisch als nächste durch?

Antwort (Long Menu): Liquorpunktion

Frage 5: Die 3-Gläser-Probe zeigt einen gelblichen Überstand und eine nicht abnehmende Blutbeimengung. Frau Lux hat mit großer Sicherheit eine Subarachnoidalblutung (SAB) erlitten und wird stationär aufgenommen. Die Angiographie bestätigt den Verdacht auf eine aneurysmatische SAB. Mit welchen Komplikationen müssen bei einer SAB insbesondere in den ersten 7 Tagen prinzipiell rechnen? Bitte nennen Sie die drei wichtigsten!

Antwort (Long Menu): Nachblutung, Gefäßspasmen, Hydrozephalus occlusus.


Literatur

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Bordage G. Key Features Case Development. Unveröffentlichte Arbeit präsentiert im Rahmen eines Key-Feature Workshops im Oktober 2003. Chicago: University of Illinois (UIC); 2001.
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Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP). Gegenstandskatalog (IMPP GK-2). Mainz: IMPP; 2005. Zugänglich unter: http://www.impp.de.
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