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22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

06.03. - 09.03.2019, Heidelberg

Verarbeitung komplexer Musikstücke bei CI-Trägern mit unterschiedlichen Anamnesen

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Anja Hahne - TU Dresden, Carl Gustav Carus Universitätsklinkum, Dresden, Deutschland
  • Willy Mattheus - TU Dresden, Carl Gustav Carus Universitätsklinkum, Dresden, Deutschland
  • Dirk Mürbe - Charite – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Berlin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Heidelberg, 06.-09.03.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc135

doi: 10.3205/19dga135, urn:nbn:de:0183-19dga1350

Published: November 28, 2019

© 2019 Hahne et al.
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Hintergrund: In einer Vorgängerstudie [1] untersuchten wir die Aktivierung semantischer Prozesse bei erwachsenen CI-Trägern. Alle Patienten wurden erst im Erwachsenenalter implantiert und waren entweder bereits prälingual oder erst postlingual ertaubt und beidseits schwerhörig. Zur Objektivierung der Befunde wurden ereigniskorrelierte Hirnpotentiale eingesetzt. Dabei kam ein priming-Paradigma zum Einsatz. Die veränderte semantische Verarbeitung von Wörtern nach vorausgehenden musikalischen Stimuli erlaubt Rückschlüsse auf die Aktivierung des semantischen Netzwerkes durch die Musik [2]. Es zeigte sich, dass postlinguale CI-Träger einen semantischen Assoziationseffekt analog zu einer normalhörenden Kontrollgruppe aufwiesen. Prälingual, als erwachsene CI-versorgte Probanden zeigten jedoch keinerlei Hinweis auf die Aktivierung semantischer Assoziationen durch die Musik. In der nachfolgenden Studie wurde nun untersucht, inwiefern dieser semantische Bezug auch von CI-Trägern wahrgenommen werden kann, die entweder einseitig postlingual ertaubt sind (SSD) oder bei Vorliegen einer beidseitigen Schwerhörigkeit bereits in der Kindheit CI-versorgt wurden.

Material und Methoden: Den 2 Gruppen von CI-Trägern (SSD; prälingual mit CI-Versorgung in der Kindheit) wurden akustisch komplexe Musikstücke präsentiert, auf die jeweils ein visuell präsentiertes Wort folgte. Dieses stand entweder in einem semantischen Kontext zum vorher gehörten Musikstück (kongruent) oder nicht (inkongruent). Es wurden die evozierten Potentiale auf das Wort in Abhängigkeit von der semantischen Kongruenz ausgewertet. Unterschiede in der Wortverarbeitung zwischen kongruenten und inkongruenten Stimuli geben Aufschluss über die Musikwahrnehmung. Die Stimuluspräsentation erfolgte stets nur auf dem CI-versorgten Ohr.

Ergebnisse: Bei der Gruppe der postlingualen SSD-Patienten zeigte sich – im Gegensatz zu postlingual beidseits schwerhörigen Probanden – kein Unterschied zwischen inkongruenten im Vergleich zu kongruenten Stimuli. Prälinguale Patienten, die bereits als Kind CI-versorgt wurden, wiesen ebenfalls keinen signifikanten Kongruenzeffekt auf.

Diskussion: Postlingual beidseits hörgeschädigten CI-Trägern ist es möglich, bedeutungstragende Inhalte in komplexen Musikstücken ähnlich wie Normalhörende wahrzunehmen. Dies ist bei ebenfalls postlingualen CI-Trägern, die jedoch über eine normalhörende Gegenseite verfügen, nicht der Fall. Das gute Gegenohr scheint hier stets dominant zu sein, so dass die Verarbeitung bei einer reinen Stimulation der CI-Seite nicht ausreichend trainiert und automatisiert erfolgt, um ähnlich wie bei Normalhörenden eine semantische Assoziation aufzubauen.

Bei CI-Trägern, die bereits in der Kindheit versorgt wurden, ist die versorgte Seite in der Regel das dominante und besser hörende Ohr. Diese Probanden haben Sprache über das CI erworben. Damit hätte man vermuten können, dass hier ein Kongruenzeffekt beobachtbar sein könnte, was jedoch nicht der Fall war. Es muss allerdings festgehalten werden, dass bei Probanden, die heute als junge Erwachsene untersucht werden können, eine deutlich schlechtere Versorgungssituation vorlag als dies heutzutage bei gehörlosen Kindern der Fall ist. Die Kinder wurden damals nur einseitig versorgt und dies geschah deutlich später als es heute üblich ist. Es ist bekannt, dass ein früherer Implantationszeitpunkt mit besseren Sprachleistungen einher geht. Bei der untersuchten Gruppe war die Sprache daher bei vielen Probanden schlecht entwickelt (geringer Wortschatz, nur einfache syntaktische Strukturen möglich). Dies könnte eine Erklärung für das schlechte Abschneiden dieser Gruppe sein. Interessant wäre daher (zu einem späteren Zeitpunkt) ein Vergleich mit Patienten, die nach aktuellem Standard (frühzeitig und bilingual) versorgt wurden und deren Sprachkompetenz zuweilen lebensaltersgerecht oder zumindest höraltersgerecht entwickelt ist.


Literatur

1.
Bruns L, Mürbe D, Hahne A. Understanding music with cochlear implants. Sci Rep. 2016 08;6:32026. DOI: 10.1038/srep32026 External link
2.
Koelsch S, Kasper E, Sammler D, Schulze K, Gunter T, Friederici AD. Music, language and meaning: brain signatures of semantic processing. Nat Neurosci. 2004 Mar;7(3):302-7. DOI: 10.1038/nn1197 External link