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22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

06.03. - 09.03.2019, Heidelberg

Eine pathologische Adaptation an der Haarzellsynapse schränkt die zentrale Kodierung von raschen Schwankungen der Schallintensität ein

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Maike Pelgrim - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • Marcus Jeschke - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • Nicola Strenzke - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Heidelberg, 06.-09.03.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc134

doi: 10.3205/19dga134, urn:nbn:de:0183-19dga1348

Published: November 28, 2019

© 2019 Pelgrim et al.
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Bei der auditorischen Synaptopathie DFNB9 kommt es durch Mutationen im OTOF-Gen zu einer pathologischen Adaptation und Hörermüdung. Auch bei klinisch vollständiger Taubheit können sehr seltene Schallreize in Ruhe noch wahrgenommen werden. Hingegen sind bei einigen Mutationen die Hörschwellen annähernd normal, das Sprachverstehen ist jedoch sehr schlecht. Die Ursache liegt in einer verstärkten Adaptation aufgrund einer Störung der Regeneration synaptischer Vesikel in den inneren Haarzellen.

In der BERA einer Otoferlin-Mausmutante mit der humanrelevanten I515T Punktmutation zeigt sich das Summenaktionspotential des Hörnerven deutlich reduziert, während die Wellen II und IV deutlich besser erhalten sind. Die ASSR sind ebenfalls deutlich eingeschränkt. Wir führten Einzelzellableitungen an verschiedenen Stationen der Hörbahn durch, um zu überprüfen, inwieweit und in Bezug auf welche Aspekte eine zentrale Kompensation des spezifischen cochleären Defekts der Schallkodierung möglich ist. Vor allem die Antworten von denjenigen Zellen, die auf eine präzise Erkennung mehrerer gleichzeitig eintreffender Inputs spezialisiert sind (z.B. Octopus-Zellen des Nucleus cochlearis), waren deutlich reduziert, während Chopper-Neurone, die über einen längeren Zeitraum komplexe Eingänge integrieren, bei langsamer Reizung normal reagierten. Vor allem konnte das Defizit in der Erholung nicht zentral kompensiert werden kann und führte zu einer gravierenden Störung der Antworten von Neuronen des Colliculus inferior auf amplitudenmodulierte Töne: die Aktionspotentiale waren zwar zeitlich präzise, aber die Aktionspotenzialraten waren im Stimulusverlauf deutlich reduziert. Bei einer stärker betroffenen Mausmutante ("Pachanga") waren nur bei extrem langsamer Reizung einzelne Aktionspotentiale bei Stimulusbeginn messbar.

Die Einschränkung der Kodierung von raschen Intensitätsfluktuationen aufgrund der synaptischen "Ermüdung" der inneren Haarzelle dürfte die Defizite im Sprachverstehen bei den Betroffenen erklären. Anhand unserer Daten und im Verhaltensexperiment an der Maus erscheint ein psychakustischer Test zur Lückenerkennung im Rauschen gut für eine spezifische klinische Diagnosestellung geeignet. Während die elektrische Stimulation durch ein CI bei DFNB9-Patienten generell gute Ergebnisse erzielt, könnte bei Patienten mit relativ guten Hörschwellen eine konventionelle Versorgung mit starker Störgeräuschunterdrückung und genereller Lautstärkereduktion versucht werden, die die pathologische Adaptation vermeiden hilft.