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22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

06.03. - 09.03.2019, Heidelberg

Modelle von Schwerhörigkeit und ihre Anwendung für die Audiologie

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Birger Kollmeier - Universität Oldenburg & Cluster of Excellence „Hearing4all“, Oldenburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Heidelberg, 06.-09.03.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc021

doi: 10.3205/19dga021, urn:nbn:de:0183-19dga0212

Published: November 28, 2019

© 2019 Kollmeier.
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Hörmodelle fassen nicht nur unser derzeitiges Wissen über die Funktionsweise und etwaige Fehlfunktionen des Hörsystems in einer möglichst exakt nachprüfbaren Weise zusammen, sondern ermöglichen eine Reihe interessanter Anwendungen für die Audiologie [1]:

1.
"Effektive" Wirkung von Hörverlust: Neben der reinen "Abschwächungs-Wirkung" und der "Verzerrungswirkung" von Hörverlust (z.B. A + D – Modell nach Plomp, 1976) sind weitere Faktoren wie der spezifisch binaurale Verarbeitungsverlust, ein erhöhtes "internes Rauschen" und ein kognitiver Faktor in der Diskussion, die sämtlich die Spracherkennungsleistung des Patienten negativ beeinflussen. Der Mechanismus und der relative Beitrag jedes Faktors kann durch Hörmodelle aufgeklärt und quantifiziert werden.
2.
Gezielte Diagnostik: Durch Modellvorhersagen aufgrund eines Teils der verfügbaren individuellen Hördiagnostik-Daten lassen sich andere Daten verifizieren (Konsistenzcheck der Diagnostik) oder die Vollständigkeit der erhobenen Daten testen (bei etwaigen Abweichungen zwischen Vorhersage und tatsächlichen Daten). Dies führt zu einer Effizienzsteigerung und Optimierung der Aussagefähigkeit der Diagnostik, weil redundante Untersuchungen vermieden werden können.
3.
Präskription und Anpassung von Hörhilfen: Durch gezielte Kompensation der tatsächlich gestörten Hörfunktionen soll eine Optimierung des Benefits einer Versorgung mit Hörhilfen erfolgen. Dazu kann der vorhergesagte Benefit z.B. durch ein "Master Hearing Aid" mit dem individuellen Schwerhörigen verglichen werden, um den tatsächlichen Hörerfolg mit einem individualisierten Benchmark zu objektivieren.

Dieser Beitrag stellt einen Überblick über Anwendungsmöglichkeiten von Hörmodellen sowie aktuelle Arbeiten aus dem Exzellenzcluster "Hearing4All" vor mit dem Ziel einer auditorischen Präzisionsmedizin, bei der die individuelle Hör-Rehabilitation weniger von der Kunstfertigkeit der behandelnden Audiologen, sondern rein von den gegebenen Höreinschränkungen und ihren technisch möglichen Kompensationsformen abhängen. Diese Thematik wird die Hörbranche im kommenden Jahrzehnt zunehmend beschäftigen.


Literatur

1.
Kollmeier B, Kiessling J. Functionality of hearing aids: state-of-the-art and future model-based solutions. Int J Audiol. 2018 06;57(sup3):S3-S28. DOI: 10.1080/14992027.2016.1256504 External link