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22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

06.03. - 09.03.2019, Heidelberg

Quellen der auditorisch evozierten Aktivität – EEG und MEG

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Michael Scherg - BESA GmbH, Gräfelfing, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Heidelberg, 06.-09.03.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc002

doi: 10.3205/19dga002, urn:nbn:de:0183-19dga0029

Published: November 28, 2019

© 2019 Scherg.
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Auditorisch evozierte Potentiale (AEP) bzw. magnetische Felder (AEF) werden z.B. durch kurze auditorische Stimuli wie Klicks oder kurze Tonepips ausgelöst. In audiologischen und neurologischen Untersuchungen werden sie nicht-invasiv als Spannungsdifferenz z.B. zwischen einer frontalen Elektrode (FCz) und dem Ohrläppchen (A1/A2) abgeleitet, häufig nicht nur ipsilateral, sondern auch kontralateral zur stimulierten Seite. Die verschiedenen Komponenten bzw. Peaks im gemessenen Signal teilt man entsprechend der Latenzzeit ihres Auftretens in frühe (FAEP), mittlere (MAEP) und späte (LAEP) Potentiale ein. Die frühen Komponenten (1-10 ms) entstehen entlang der aufsteigenden Hörbahn am Hörnerv und im Hirnstamm (BAEP: Brainstem). MAEP (15-50 ms) und LAEP (50-220 ms) entspringen überwiegend beidseits im Hörkortex.

Vergleicht man das ipsilaterale FAEP mit den typischen Peaks I-V mit der kontralateralen Ableitung und dem Differenzsignal A2-A1, so sieht man dort sehr verschiedene Peakmuster, bedingt durch die unterschiedlichen Orientierungen der ersten Neurone der Hörbahn. Durch räumlich-zeitliche Modellierung der Summenaktionspotentiale entlang des Hörnervs und der aufsteigenden Bahnen aus dem Cochleariskern und der oberen Olive konnten Scherg und von Cramon 1985 nachweisen, dass sich im FAEP mindestens sechs Komponenten komplex überlagern. Übereinstimmend mit den Lauf- und Umschaltzeiten entlang der Hörbahn gibt es zwei Komponenten im Bereich des Hörnervs (I, I-) und zwei Komponenten von den Bahnen, die den Cochleariskern mit den Oliven verbinden (III, III-). Sie haben jeweils unterschiedliche, aber überwiegend horizontal von ipsi- nach kontralateral ausgerichtete Orientierungen. Erst die aus den oberen Oliven auslaufenden Summenaktionspotentiale generieren ipsilateral die Welle IV und überwiegend kontralateral die Welle V. Das gesamte oliväre Neuron, das seine Zielsynapsen im Colliculus inferior (CI) hat, muss intakt sein, damit einen normale Welle V zu sehen ist. Läsionen im CI bzw. Verzögerungen der aufsteigenden Aktivität, z.B. durch Demyelinisierung, führen zu einem entgegen gerichteten Summenaktionspotential und damit zur massiven Abnahme oder Veränderung der Wellen IV und V.

In den Arbeiten von Scherg et al. konnte erstmals auch der bilaterale kortikale Ursprung des MAEP (1985) und des MAEF (1989) gezeigt werden. MEG-Messungen hatten schon früher den Nachweis erbracht, dass das LAEF ebenfalls im Bereich des Hörkortex lokalisiert (Hari 1980). Für das LAEP modellierten Scherg und von Cramon 1985 den kortikalen Ursprung und wiesen 1986 nach, dass bei Patienten mit Läsionen des Hörkortex oder der lateralen afferenten Hörbahn die Aktivität auf der Läsionsseite massiv verändert ist oder sogar komplett fehlen kann. In diesen Arbeiten wurden erstmals auch die lateralen Komponenten der oberen Schläfenlappenwindung (MAEP: N27-P40; LAEP: N150-P210) separiert, die im MEG nicht zu sehen sind, da radial orientierte Dipolströme der Kortexoberfläche im MEG nicht messbar sind.

Schließlich zeigten Scherg und Picton (1989, 1991), dass im kortikalen AEP die Aktivitäten von drei relevanten Regionen unterschieden werden können: a) vom primären Koniokortex, b) von den Randzonen anterior und posterior im Planum temporale, sowie) von den lateralen sekundären Arealen. Der Ursprung der verschiedenen Komponenten im Hörkortex liegt sehr nahe zusammen. Da die meisten Komponenten auch sehr ähnlich nach oben orientiert sind, lassen sie sich nur bei Versuchspersonen separieren, bei denen die aktiven Zonen unterschiedliche Orientierungen haben. Weil im MEG die radiale Information fehlt, können im AEF meist nur 2 tangentiale Aktivitäten unterschieden werden. Damit konnte jedoch in neueren MEG-Arbeiten der Heidelberger Gruppe um Gutschalk (2004) und Rupp (2017,2018) u.a. gezeigt werden, dass bei Stimulation mit periodischen versus aperiodischen Klicks bzw. mit Vokalen und Pitch-spezifischen Reizen die Kodierung der Tonhöhe im Bereich der Heschl"schen Querwindung und die Kodierung der Lautintensität im Bereich des Planum temporale erfolgt. Die Heidelberger Gruppe um Schneider und Scherg (2002, 2005) konnte zeigen, dass bei Musikern die primäre P30 Komponente des AEF sowie die Dicke des Hörkortex stark vergrößert sind, dies parallel zu einer besseren Tonhöhendiskrimination. Die mehr lateral gelegene MAEF-Komponente P50 hingegen kodierte die Tonhöhe, während die Dicke des Kortex mit der Zahl der Übungsstunden des Musikers in den letzten 10 Jahren korrelierte.

Die lateralen, überwiegend radialen Komponenten des MAEP und LAEP können nur aus hochwertigen EEG-Vielkanal-Ableitungen durch Quellentransformation in qualitativ ausreichender Form dargestellt werden. Hier gibt es praktisch keine neuere Literatur, aber ein spannendes Thema für zukünftige Hör- und Sprachforschung.