gms | German Medical Science

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Chancen zu einer optimierten HIV-Diagnosestellung in Deutschland

Meeting Abstract

  • Frederik Valbert - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Deutschland
  • Eva Wolf - MUC Research GmbH, München, Deutschland
  • Stefan Preis - ClinovateNET GmbH & Co KG, Deutschland
  • Knud Schewe - Infektionsmedizinisches Centrum Hamburg, Hamburg, Deutschland
  • Nikola Hanhoff - Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ) e.V., Deutschland
  • Birgit Mück - MUC Research GmbH, München, Deutschland
  • Paul Lauscher - MUC Research GmbH, München, Deutschland
  • Christine Kögl - MUC Research GmbH, München, Deutschland
  • Silke Neusser - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
  • Robin Rüsenberg - Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ) e.V., Deutschland
  • Markus Bickel - Infektiologikum Frankfurt, Deutschland
  • Ramona Pauli - Isarpraxis, Deutschland
  • Christoph Stephan - Universitätsklinik Frankfurt am Main, Deutschland
  • Christian Hoffmann - Infektionsmedizinisches Centrum Hamburg, Deutschland
  • Jürgen Wasem - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Deutschland
  • Sven Schellberg - Novopraxis Berlin GbR, Berlin, Deutschland
  • Anja Neumann - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf200

doi: 10.3205/22dkvf200, urn:nbn:de:0183-22dkvf2001

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Valbert et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Eine frühzeitige Diagnose einer Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) stellt in Deutschland weiter eine Herausforderung für die Versorgung dar. Late Presenter (LP), d.h. spät im Krankheitsverlauf diagnostizierte HIV-Infizierte, sind charakterisiert durch eine niedrige CD4-Zellzahl (<350 pro Mikroliter) und/oder eine AIDS-definierende Erkrankung. Dies ist mit einem erhöhten Risiko negativer gesundheitlicher Folgen für den Betroffenen, einem erhöhten Transmissionsrisiko und negativen gesundheitsökonomischen Effekten verknüpft.

Fragestellung und Zielsetzung: In der FindHIV-Studie sollten das Phänomen LP näher untersucht, Chancen zur früheren HIV-Erstdiagnose identifiziert sowie ein Scoringinstrument zur Unterstützung einer frühzeitigen Diagnose entwickelt werden.

Methode oder Hypothese: Es wurden mit einem Mixed-Methods-Ansatz in einem ersten Schritt mittels eines standardisierten Fragebogens Primärdaten von Personen mit HIV-Erstdiagnose in Deutschland gesammelt und analysiert. Darauf aufbauend wurde ein Scoringinstrument entwickelt, das ein gezieltes HIV-Test-Angebot unterstützen soll. Anschließend wurde das Scoringinstrument mit verschiedenen Expertengruppen diskutiert und optimiert. Der Fokus der hier präsentierten Ergebnisse liegt auf der Identifikation von potentiellen Chancen zur frühzeitigeren HIV-Erstdiagnose.

Ergebnisse: Zwischen Januar 2019 und Mai 2020 konnten Daten zu 706 Patienten mit HIV-Erstdiagnose in 40 bundesweit verteilten Studienzentren aus dem ambulanten und stationären Bereich erhoben werden. Der Anteil der LP lag bei 55%. Bei 45% aller Studienteilnehmer sah der Studienarzt retrospektiv mindestens eine Chance, bei der die HIV-Infektion früher hätte erkannt werden können. In der Gruppe der LP war dies sogar bei 58% der Fall. Die häufigsten Anlässe für Kontakte zum Gesundheitssystem, die als verpasste Gelegenheit einer früheren Diagnose gewertet wurden, waren in absteigender Reihenfolge: Gewichtsverlust, Indikator-/HIV-assoziierte Erkrankungen, Fieber und Nachtschweiß, sonstige Erkrankungen und sexuell übertragbare Erkrankungen. Hinsichtlich der Stellen im Gesundheitssystem, an denen eine frühere HIV-Erstdiagnose möglich wäre, ist die Rolle des Hausarztes von besonderer Relevanz.

Diskussion: Anhand eines großen Patientenkollektivs, welches weitgehend für das deutsche HIV-Geschehen typische Merkmale aufweist, konnte gezeigt werden, dass Indikatoren vorhanden sind, die geeignet sind, ein angepasstes HIV-Testangebot zu befördern.

Praktische Implikationen: Die FindHIV-Studie liefert Informationen sowie ein Scoringinstrument, die geeignet sind, eine frühzeitigere Erstdiagnose bei HIV-positiven Menschen zu unterstützen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Eine frühzeitigere HIV-Erstdiagnose und die damit verbundenen positiven Effekte wären in vielen Fällen durch ein optimiertes HIV-Testangebot erreichbar.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; VSF1_2017–174