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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Planung, Durchführung und Überarbeitung des wissenschaftlichen Längsschnittcurriculums an der Medizinischen Hochschule Brandenburg

Artikel Wissenschaftskompetenz

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  • corresponding author Julia Schendzielorz - Medizinische Hochschule Brandenburg, Zentrum für Studiengangsentwicklung, Aus- und Weiterbildungsforschung, Brandenburg a.d.H., Deutschland
  • author Philipp Jaehn - Medizinische Hochschule Brandenburg, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Brandenburg a.d.H., Deutschland; Gemeinsame Fakultät der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, der Medizinischen Hochschule Brandenburg und der Universität Potsdam, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Potsdam, Deutschland
  • author Christine Holmberg - Medizinische Hochschule Brandenburg, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Brandenburg a.d.H., Deutschland; Gemeinsame Fakultät der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, der Medizinischen Hochschule Brandenburg und der Universität Potsdam, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Potsdam, Deutschland

GMS J Med Educ 2024;41(2):Doc16

doi: 10.3205/zma001671, urn:nbn:de:0183-zma0016717

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2024-41/zma001671.shtml

Eingereicht: 28. Juli 2023
Überarbeitet: 23. November 2023
Angenommen: 13. Februar 2024
Veröffentlicht: 15. April 2024

© 2024 Schendzielorz et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Ziel dieses Beitrags ist die Entwicklung eines longitudinalen Curriculums für Medizinstudierende vorzustellen, das darauf abzielt, die wissenschaftlichen Kompetenzen der Medizinstudierenden zu entwickeln und zu stärken und diese in der klinischen Praxis unter Berücksichtigung der Besonderheiten der medizinischen Wissenschaften anzuwenden.

Methoden: Die Entwicklung des Curriculums wurde auf der Grundlage des Feedbacks der Studierenden zum ursprünglichen Curriculum eingeleitet. Um das Curriculum entsprechend zu verbessern und zu erweitern, wurden eine Bedarfsanalyse, eine Literaturrecherche zur Definition von medizinischer Wissenschaft und Praxis sowie eine Analyse nationaler und internationaler Curricula durchgeführt. Die Entwicklung des Curriculums folgte dem PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act).

Ergebnisse: Das Curriculum erstreckt sich über das gesamte Medizinstudium vom ersten bis zum zehnten Semester und besteht aus den Seminarreihen zu den Grundlagen der Wissenschaft und Erkenntnistheorie sowie Methoden Wissenschaftlichen Arbeitens und den Modulen Biometrie sowie Wissenschaftspraktikum. Bis zum sechsten Semester steht der Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bearbeitung und Durchführung eines konkreten Forschungsprojektes im Vordergrund, ab dem siebten Semester wird in die kritische Bewertung und Anwendung von Forschungsergebnissen im klinischen Alltag eingeführt. Das Curriculum wird von Epidemiolog*innen, Anthropolog*innen, Statistiker*innen und Public Health Wissenschaftler*innen unterrichtet. Ab dem siebten Semester werden die Seminare in der Regel gemeinsam mit Kliniker*innen im Tandem unterrichtet. Das Curriculum wird regelmäßig evaluiert und angepasst.

Schlussfolgerung: Das Brandenburger Wissenschaftscurriculum kann als Modell eines longitudinalen Curriculums zur Vermittlung des wissenschaftlichen Denkens und Handelns angesehen werden. Ein Curriculum, das gleichzeitig in hohem Maße in das medizinische Curriculum insgesamt integriert ist. Eine zentrale Koordinationsstelle erscheint notwendig, um die Lehrinhalte abzustimmen und die Vernetzung der Lehrenden zu gewährleisten. Darüber hinaus erfordert ein komplexes Curriculum in wissenschaftlicher Methodik eine Reihe von Lehrenden mit unterschiedlichem disziplinärem Hintergrund. Um eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu gewährleisten, muss die Variabilität der Forschungsprojekte und der Lehrenden berücksichtigt werden.

Schlüsselwörter: kompetenzbasierte Ausbildung, wissenschaftliche Kompetenzen, Fakultätsentwicklung, Evidenzbasierte Medizin, Curriculumsentwicklung


Einleitung

Die Medizin gilt als „Kunst und Wissenschaft“ zugleich [1]. Diese Aussage steht für das Spannungsverhältnis, in dem sich die moderne wissenschaftliche Medizin befindet, nämlich zwischen dem von den Wissenschaften entwickelten Wissen und der Besonderheit der Behandlung eines jeden einzelnen Patienten [2]. Medizin orientiert sich am individuellen Patienten, für den wissenschaftliche Erkenntnisse in ganz spezifisches Handeln im Rahmen medizinischer Versorgungsprozesse angepasst und moduliert werden. Die medizinische Ausbildung zielt darauf ab, „universelle und experimentelle wissenschaftliche Erkenntnisse in einem individuellen und interpretativen Rahmen anzuwenden“ [3]. Diese, für eine gute ärztliche Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten, werden heute als Clinical Reasoning bezeichnet und umfassen die Fähigkeit, biomedizinisches/epidemiologisches Wissen und historisch-hermeneutisches Verständnis mit dem Wissen des gesunden Menschenverstandes und der medizinischen Theorie zu integrieren [4]. Sowohl medizinisches Wissen als auch medizinische Praxis bestehen somit aus einer Reihe unterschiedlicher Wissensformen [3]. Diese Besonderheit der Medizin als medizinische Wissenschaft erfordert Kenntnisse und Verständnis aus den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften [5], [6], [7], die in der medizinischen Ausbildung vermittelt werden müssen.

In Deutschland sind in den letzten Jahren das wissenschaftliche Denken und Argumentieren in der medizinischen Ausbildung als eine der Kernkompetenzen in den Fokus gerückt, die eine wissenschaftsbasierte Ausbildung ermöglichen muss [8] und einer stärkeren Beachtung in der medizinischen Ausbildung bedürfen. Es wurde gefordert, die wissenschaftsbasierten und praktischen Forschungskompetenzen von Medizinstudierenden zu stärken. Diese Forderung wurde auch in der derzeit in Verhandlung befindlichen Revisionsvorlage der Ärztlichen Approbationsordnung (AO) aufgegriffen, in der die Integration eines longitudinalen wissenschaftlichen Curriculums vorgesehen ist [9]. Es sind jedoch nur wenige Längsschnittcurricula bekannt, die wissenschaftliche Prinzipien und deren Integration in die klinische Praxis während des gesamten Medizinstudiums vermitteln [10], [11].

Daher stellen wir in diesem Artikel die Entwicklung eines longitudinalen wissenschaftlichen Curriculums für Medizinstudierende vor, das in den Besonderheiten der medizinischen Wissenschaften verankert ist und darauf abzielt, die wissenschaftlichen Kompetenzen der Medizinstudierenden zu entwickeln, zu stärken und in der klinischen Praxis anzuwenden. Bei der Entwicklung eines solchen Curriculums stellt sich zunächst die Frage, wie die Vielfalt der wissenschaftlichen Disziplinen, die für die Ausübung der Medizin heute notwendig sind, in einem wissenschaftlichen Curriculum abgebildet werden kann. Die zweite Frage betrifft das wissenschaftliche Denken selbst: Was kann in einem medizinisch-wissenschaftlichen Kontext als wissenschaftliches Denken verstanden werden?

In den letzten 30 Jahren hat das Konzept der evidenzbasierten Medizin (EBM) zunehmend an Bedeutung gewonnen, und im Rahmen dieses Konzepts wurden einige der für Ärzte heute erforderlichen Kompetenzen spezifiziert und Curricula entwickelt. Die EBM zielt darauf ab, die medizinische Praxis auf der Grundlage epidemiologischer Studienergebnisse und der Fähigkeiten von Ärzten und ihren Patienten zu gestalten [12]. Für die erfolgreiche Anwendung von Forschungsergebnissen in der täglichen klinischen Entscheidungsfindung sind Grundprinzipien der klinischen Epidemiologie und Biometrie sowie Fähigkeiten zum Suchen, Verstehen, Analysieren, Interpretieren und kritischen Bewerten von Forschungsergebnissen aus einer Vielzahl von Disziplinen eine notwendige Voraussetzung. Weltweit haben Universitäten EBM-Curricula mit unterschiedlichen Formaten und unterschiedlicher Länge und Tiefe entwickelt [13], [14]. Ziele sind dabei der Erwerb von Schlüsselqualifikationen, wie die Aneignung neuer Informationen und deren Verknüpfung mit dem Vorwissen, aber auch die Entwicklung von Problemlösungskompetenzen und eine bessere Verknüpfung von Theorie- und Erfahrungswissen. Es wird davon ausgegangen, dass diese Art des Lernens die klinische Erfahrung bereichert und ein besseres Verständnis der grundlegenden wissenschaftlichen Disziplinen vermittelt [15].

In Deutschland wurden Empfehlungen ausgesprochen, solche Kompetenzen in die allgemeine medizinische Ausbildung zu integrieren [16], [17]. Entsprechende Standards wurden im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) [https://nklm.de/zend/menu] festgelegt. Der NKLM dient als unverbindliche Orientierungshilfe für die kompetenzbasierte Lehre an deutschen medizinischen Fakultäten; eine verbindliche Umsetzung ist jedoch erst für die anstehende Novellierung der AO vorgesehen. Eine Reihe deutscher medizinischer Fakultäten hat bereits entsprechende Lehrinhalte in unterschiedlichen Umfängen und Formaten umgesetzt oder plant dies [18], [19]. Das Spektrum reicht von vier bis 20 Wochen Dauer und kann verpflichtend für alle Studierenden [20], [21], [22], [23], Teil eines individuellen Schwerpunktes über mehrere Semester [23], [24] oder ein optionales curriculares Element [25], [26] sein. Solche Ansätze stellen einen wichtigen Ausgangspunkt für die Entwicklung eines umfassenden wissenschaftlichen Längsschnittcurriculums dar, das den Besonderheiten der medizinischen Wissenschaft und Praxis gerecht wird. Wissenschaft, wie wir sie verstehen, steht für „lehrbares Wissen“ [3]. Sie umfasst damit die Natur- und Sozialwissenschaften ebenso wie die Geisteswissenschaften. Ein wissenschaftliches Curriculum muss daher festlegen, wie diese wissenschaftlichen Ansätze einbezogen werden sollen. Nur dann, so würden wir argumentieren, können Studierende die verschiedenen Fähigkeiten, die für das klinische Denken erforderlich sind, in angemessener Weise erwerben.


Methoden der Curriculumsentwicklung

Das ursprüngliche wissenschaftliche Curriculum des Brandenburgischen Modellstudiengangs Medizin (BMM) bestand aus der Seminarreihe Methoden Wissenschaftlichen Arbeitens I (MWA I) im ersten Semester mit 24 Unterrichtseinheiten (UE), MWA II im sechsten Semester mit 28 UE und einem wissenschaftlichen Portfolio zwischen dem siebten und neunten Semester mit 36 UE sowie dem einwöchigen Modul Biometrie (BM) und dem achtwöchigen Modul Wissenschaftspraktikum (WP), die beide im sechsten Semester unterrichtet wurden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Da das WP ein Meilenstein in der wissenschaftlich-methodischen Ausbildung der Studierenden ist, fand nach Abschluss des Moduls eine Studierendenevaluation statt, die sich nicht nur auf die allgemeine Zufriedenheit mit dem WP konzentrierte, sondern auch darauf, wie gut sich die Studierenden durch MWA I und MWA II auf das WP vorbereitet fühlten.

Die Teilnahme an der Umfrage war freiwillig und anonym. Die Umfrage bestand aus vier geschlossenen Fragen mit einer fünfstufigen Likert-Skala. Aus den fünf Stufen der Likert-Skala wurden drei Kategorien gebildet. Die Stufen eins und zwei wurden zur Kategorie „stimme nicht zu“, die Stufe drei zur Kategorie „weder noch“ und die Stufen vier und fünf zur Kategorie „stimme zu“ zusammengefasst. Darüber hinaus wurde den Studierenden die Möglichkeit gegeben, Anregungen und Verbesserungsvorschläge zu äußern. Die Freitextkommentare wurden zunächst in einer thematischen Analyse induktiv kodiert, in Kategorien systematisiert und die Anzahl der Nennungen innerhalb der Kategorien quantifiziert [27].

Nachdem die ersten Kohorten von Medizinstudierenden die MWA-Seminarreihen I und II sowie die Module BM und WP absolviert und evaluiert hatten, nutzten wir den PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act), um die konzeptionelle Entwicklung des Brandenburgischen Wissenschaftscurriculums (BraWiC) zu erweitern und zu finalisieren.

Der PDCA-Zyklus ist eine Methode zur kontinuierlichen Prozessverbesserung, die in der Wirtschaft, im Gesundheits- und Bildungswesen Anwendung findet [28]. Er besteht aus vier Schritten; die Übertragung auf die Curriculumsentwicklung ist in Klammern kursiv gesetzt.

1.
Plan (Planung): Definition eines Problems und Formulierung einer Hypothese über mögliche Ursachen. Entwicklung spezifischer Ziele (Kompetenzen) und alternativer Strategien (Definition neuer Inhalte, Entwicklung neuer Lehrveranstaltungen und -formate).
2.
Do (Durchführung): Umsetzung der zuvor entwickelten Strategie (neues Curriculum) und kontinuierliches Monitoring (Evaluation durch schriftliches/mündliches Feedback).
3.
Check (Überprüfung): Analyse der Evaluationsergebnisse und ggf. Identifizierung von Verbesserungsbereichen.
4.
Act (Handeln): Festlegung weiterer Schritte auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse, d.h. Standardisierung oder weitere Überarbeitung der Strategie (Implementierung des Curriculums oder weitere Überarbeitung).

In einem letzten Schritt wurden die Lerninhalte des BraWiC mit den Lernzielen (LZ) des NKLM 2.0 [https://nklm.de/zend/menu] verglichen, um sicherzustellen, dass die erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse abgedeckt sind und die Ausbildung den nationalen Standards entspricht.


Ergebnisse

Im Folgenden werden die Schritte des PDCA-Zyklus, wie sie bei der Erweiterung und Fertigstellung des BraWiC angewendet wurden, beschrieben.

Schritt 1 – Planung

1. Problemdefinition

Ausgangspunkt für die Erweiterung und Weiterentwicklung des Curriculums war eine Analyse des NKLM, der bestehenden Wissenschaftscurricula und der studentischen Evaluationen der ersten Kohorten des BMM nach dem WP.

Die Rücklaufquoten der Studierendenevaluationen betrugen 39% (n=18) für die erste Kohorte und 77% (n=36) für die zweite Kohorte. Für MWA I stimmten nur 24% (1. Kohorte) bzw. 32% (2. Kohorte) der teilnehmenden Studierenden der Aussage zu, dass wichtige Voraussetzungen für das WP vermittelt wurden (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Die Auswertung der Freitextkommentare ergab eine Clusterung der Antworten in sechs Kategorien (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Die Mehrzahl der Antworten bezog sich auf die Statistik und den Wunsch nach einer Ausweitung der Vorbereitungskurse. MWA II wurde von der Hälfte der Studierenden positiv bewertet (jeweils 53%, siehe Abbildung 2 [Abb. 2]) und auch das WP wurde von einer großen Mehrheit als sinnvoller Teil des Studiums angesehen (1. Kohorte: 94%, 2. Kohorte: 79%). Insgesamt war die Zufriedenheit mit dem WP hoch (1. Kohorte: 72%, 2. Kohorte: 70%).

2. Formulierung der Hypothese

Aus der Analyse der eingegangenen Rückmeldungen wurde die Hypothese formuliert, dass die Vorbereitung auf das WP durch die begleitenden Seminare und Module unzureichend war. Dies betraf die zu vermittelnden Inhalte, den Umfang des Unterrichts, aber auch zeitliche und organisatorische Aspekte.

3. Festlegung konkreter Ziele

Um das Ziel einer umfassenden Ausbildung angehender Ärzt*innen im wissenschaftlichen Denken und Handeln zu erreichen, wurden von den Autor*innen folgende übergreifende Kompetenzen für das BraWiC formuliert. Der/die Absolvent*in soll:

1.
Notwendige medizinische Literatur finden und zur adäquaten Behandlung eines/einer spezifischen Patienten/Patientin einsetzen können.
2.
Regeln und Vorgehensweisen der Leitlinien-Erstellung beschreiben können.
3.
Leitlinien identifizieren können, die für eine leitliniengerechte Behandlung des Patienten/der Patientin benötigt werden und ihre Relevanz für den/die einzelne/n Patienten/Patientin einordnen können.
4.
Wissenschaftliche Forschungsergebnisse interpretieren und bewerten können.
5.
Eine medizinische Forschungsfrage unter Anleitung bearbeiten und eine schriftliche wissenschaftliche Arbeit verfassen können.

Darüber hinaus wurden drei Meilensteine für das BraWiC definiert:

1.
Semester 1-5: Erlernen wissenschaftlicher Methoden und Grundlagen zur Planung eines Forschungsprojektes.
2.
Semester 6: Anwendung der wissenschaftlichen Grundlagen auf ein konkretes Forschungsprojekt. Dabei erlernen neuer Fähigkeiten wie Plakatgestaltung und Schreiben eines Abstracts.
3.
Semester 7-10: Transfer wissenschaftlichen Denkens und Handelns in die klinische Praxis.
4. Konzeptentwicklung

Das ursprüngliche Curriculum wurde erweitert, um den Erwerb der unter Absatz 3. genannten übergeordneten Kompetenzen zu fördern. Aufbauend auf den bereits vorhandenen LZ für die Module BM und WP ging es insbesondere darum, die Vorbereitung auf das WP zu verbessern und das Curriculum für die Semester 7 bis 10 zu konzipieren. Für die Festlegung der Inhalte wurden folgende Dokumente gesichtet: Kapitel 14a „Medizinisch-wissenschaftliche Kompetenzen“ des NKLM 1.0 [29], das Curriculum "Evidenzbasierte Entscheidungsfindung" des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e.V. [30] sowie die Module „Basic Epidemiology“ der London School of Hygiene and Tropical Medicine und „Research for Medicine and Health“ der Medical Faculty der University of Southampton. In der Folge wurde ein erweiterter Curriculumsvorschlag von JS entwickelt und in Diskussionsrunden mit allen Autor*innen vervollständigt und finalisiert.

Zu den wichtigsten Maßnahmen der Weiterentwicklung gehörte eine vollständige Umstrukturierung des MWA-Curriculums. Dazu wurden Lehrinhalte in frühere Semester verlagert (z.B. Studiendesigns für klinische Forschung, deskriptive Statistik und Forschungsethik) und zusätzliche Inhalte mit einem Umfang von 26 UE integriert. Wesentliche neue Elemente waren die Übungen zur Formulierung einer Forschungsfrage sowie die Einführung einer schriftlichen Projektskizze. Ziel dieser Änderungen war es, sich frühzeitig mit dem Forschungsthema und den Projektanforderungen auseinanderzusetzen, aber auch die Studierenden in Kontakt mit den Betreuenden zu bringen. Außerdem wurde die Zusammenarbeit mit der Ethikkommission intensiviert und eine Frist für die Einreichung eines Ethikantrags festgelegt. Damit soll sichergestellt werden, dass vor dem regulären Beginn des Praktikums genügend Zeit für eventuelle Korrekturen bleibt. Darüber hinaus wurde die Auseinandersetzung mit medizinethischen Fragestellungen im Kontext medizinischer Forschung intensiviert und insbesondere die methodische Vielfalt medizinischer Forschung thematisiert. So wurden neben Seminaren zu klinisch-epidemiologischen Methoden und Statistik auch methodische Inhalte der theoretischen Fächer, zu der wir auch die Sozialwissenschaften zählen, integriert.

5. Konzeptbeschreibung

Das BraWiC besteht aus den Seminarreihen MWA I bis III und Gesundheitswissenschaften (GW) sowie den Modulen BM und WP (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Methoden Wissenschaftlichen Arbeitens (MWA)

Die curriculare Klammer des BraWiC bildet MWA, welches sich über das gesamte Studium mit einem Umfang von 114 UE erstreckt und in drei Stufen gegliedert ist (MWA I – III, siehe Anhang 1 [Anh. 1], Tabelle S3). Vom ersten bis zum fünften Semester erlernen die Studierenden grundlegende wissenschaftliche Methoden und die Grundlagen der Planung eines wissenschaftlichen Forschungsprojekts (MWA I). Im Sinne des Ankommens und des Zurechtfindens im universitären Alltag werden Einführungsseminare zum Zeitmanagement, zu Lern- und Arbeitstechniken sowie zur Literaturrecherche gegeben. Die Studierenden verfassen ihre erste Seminararbeit, die sich mit Form und Aufbau wissenschaftlicher Texte beschäftigt und mit einem strukturierten Feedback bewertet wird. Studiendesigns der klinischen Forschung, systematische Fehler, qualitative Forschung und Forschungsethik werden in weiteren Veranstaltungen von MWA I behandelt. Darüber hinaus werden Übungen zur Formulierung einer Forschungsfrage und zur Gestaltung eines konkreten wissenschaftlichen Projekts angeboten. Der Schwerpunkt von MWA II liegt auf dem Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Durchführung des WP und beinhaltet eine vertiefte Literaturrecherche sowie eine Einführung in das Studien- und Datenmanagement. Darüber hinaus werden die Studierenden in der Datenanalyse mit statistischer Software geschult, aber auch im Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit, dem Erstellen eines Konferenzposters und dem Verfassen einer Konferenzabstracts. In Kleingruppen können sich die Studierenden über Erfahrungen, Herausforderungen und Strategien bei der Durchführung ihrer eigenen Projekte austauschen oder die Postererstellung und -präsentation für die Forschungsprojektkonferenz diskutieren. Darüber hinaus gibt es Seminare zur Versorgungsforschung und zur translationalen Forschung sowie zu den Karrieremöglichkeiten in der medizinischen Forschung.

Der Übergang vom organbasierten Lernen zum vorwiegend klinisch-praktischen Studienabschnitt erfolgt im siebten Semester. Das bedeutet, dass die Anwendung wissenschaftlicher Grundlagen und Erkenntnisse einschließlich wissenschaftlicher Argumentation im und für den klinischen Alltag im Mittelpunkt der MWA-Inhalte bis zum Ende des Studiums steht (MWA III). Im siebten Semester wird die Entwicklung und Anwendung von Leitlinien für die klinische Praxis thematisiert und die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf die klinische Praxis kritisch reflektiert. Besonderes Augenmerk wird auf die Verbindung zwischen der EBM und der aktiven Einbindung des/der Patienten/Patientin in den medizinischen Entscheidungsfindungsprozess durch Fallbeispiele und praktische Übungen sowie im Lehrformat Teamarbeit, Reflexion, Interaktion und Kommunikation (TRIK) gelegt. Darüber hinaus wird das kritische Lesen und Beurteilen medizinischer Studien und die Anwendung von Bewertungsschemata thematisiert, um in das Lehrformat des Journal Club (JC) einzuführen. Zwischen dem achten und zehnten Semester finden pro klinisches Modul ein bis zwei JC statt, in denen ein wissenschaftlicher Artikel zu einem für das aktuelle Modul relevanten Thema diskutiert wird. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen die methodischen Stärken und Limitationen klinischer Studien, um die Anwendbarkeit der Ergebnisse in der Praxis zu bewerten. Um das klinische Denken auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien zu stärken, wird der JC gemeinsam von einem/einer Methodiker*in und einem/einer Kliniker*in unterrichtet.

Gesundheitswissenschaften (GW)

Nach einer Einführung in die Wissenschaftstheorie und das wissenschaftliche Arbeiten in MWA I (2 UE) im ersten Semester werden im zweiten Semester die Grundlagen der bevölkerungsbezogenen und sozialwissenschaftlichen Forschungsmethoden in GW eingeführt. Die Studierenden erhalten erste Einblicke in die Interpretation epidemiologischer Maßzahlen, in Grundprinzipien bevölkerungsbezogener Forschungsmethoden der Gesundheitswissenschaften und in Grundlagen der qualitativen Sozialforschung. Diese Inhalte bereiten auf die weiterführende Grundausbildung im Rahmen von MWA I im dritten und vierten Semester vor.

Biometrie (BM)

Dem WP geht das einwöchige Modul BM mit einem Umfang von 16 UE voraus. In Vorlesungen, Seminaren und angeleiteten Übungen werden Aspekte klinisch-epidemiologischer Studiendesigns und systematischer Fehler wiederholt und vertieft sowie in die Themen der deskriptiven und inferentiellen Statistik eingeführt, um eine Grundlage für die eigenständige Datenanalyse im WP zu schaffen. Das Modul schließt mit einer Multiple-Choice-Klausur zum Semesterende ab.

Wissenschaftspraktikum (WP)

Das WP findet ganztägig über insgesamt 8 Wochen statt und umfasst 320 UE. Ziel ist es, die in MWA I und II erworbenen Kompetenzen auf ein konkretes Forschungsprojekt anzuwenden und die für die Bearbeitung einer Forschungsfrage notwendigen Arbeitsmethoden, insbesondere das kritische Lesen wissenschaftlicher Literatur, zu erlernen. Die Studierenden wählen ihr Forschungsprojekt im 5. Semester vor dem WP aus einer Projektdatenbank aus. Lehrende und Forschende der Medizinischen Fakultät bieten WP-Projekte an und betreuen die Studierenden während des Praktikums. Die Betreuenden erhalten regelmäßig Schulungen durch die Universität, um sie mit den wissenschaftlichen Standards, die den Studierenden vermittelt werden, vertraut zu machen und sie in die LZ des WP einzuführen. Mit Unterstützung der MWA-Seminare im 5. Semester nehmen die Studierenden Kontakt zu ihren jeweiligen Betreuenden auf und entwickeln eine Forschungsfrage für ihr Projekt. Es kann in einer stationären oder ambulanten Versorgungseinrichtung oder einem theoretischen Institut bzw. einer Forschungseinrichtung durchgeführt werden. Eine vorläufige Projektbeschreibung ist von den Studierenden zu Beginn des 6. Semesters einzureichen und wird vor Beginn des WP in MWA vorgestellt. Die Verzahnung vom WP mit MWA ist wichtig, um den Studierenden und Betreuenden Unterstützung seitens der Universität zu bieten und sicherzustellen, dass die Standards des BraWiC vermittelt werden. Während des Praktikums müssen die Studierenden ein Forschungstagebuch führen, das als Grundlage für die wöchentlichen Besprechungen mit den Betreuenden dient. Ein Projektbericht wird eingereicht und von den Betreuenden begutachtet. Zusätzlich werden ein Abstract und ein wissenschaftliches Poster auf einem universitätsinternen Kongress vor einem Gutachtergremium präsentiert. Für die Bewertung des Projektberichts durch die Betreuenden und der Posterpräsentation durch die Prüfungskommission werden standardisierte Bewertungsbögen verwendet.

Schritt 2 – Durchführung

Zur Umsetzung des Curriculums wurden Gespräche mit den jeweiligen Dozierenden über die inhaltliche und didaktische Gestaltung der neuen Lehrveranstaltungen (z.B. Biostatistik, Biochemie) geführt. Da ein Großteil der neu konzipierten Lehrveranstaltungen jedoch bevölkerungsbezogene und sozialwissenschaftliche Themen betrafen und dem Lehrstuhl für Sozialmedizin und Epidemiologie (CH) zugeordnet wurden, fanden die meisten Diskussionen innerhalb der Autor*innengruppe statt. Ab 2019 wurde das überarbeitete Curriculum schrittweise in die laufenden Studiensemester (drittes und fünftes Semester) bzw. von Beginn des Studiums an integriert. Es fanden kontinuierliche Feedbackrunden mit Lehrenden und Studierenden statt. Zusätzlich wurde wie bisher eine schriftliche Befragung der Studierenden zur Gesamtbeurteilung des WP sowie von MWA I und II durchgeführt.

Schritte 3 & 4 – Überprüfung & Handeln

Seit dem Wintersemester 2020 wird das WP erstmals auf Basis der kompletten BraWiC-Komponenten MWA I & II sowie GW durchgeführt. In der Studierendenevaluation konnte ein Anstieg der Zustimmungswerte zu MWA I festgestellt werden (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). So stimmten 59% bzw. 58% der teilnehmenden Studierenden zu, dass wichtige Voraussetzungen für das WP vermittelt wurden. Darüber hinaus verbesserte sich die Bewertung von MWA II auf 65% (1. Kohorte) bzw. 74% (2. Kohorte). Das WP erhielt weiterhin hohe Zustimmungswerte (1. Kohorte: 71%, 2. Kohorte: 78%) und wurde als nützliche Lernerfahrung bewertet (1. Kohorte: 94%, 2. Kohorte: 89%).

Vergleich und Mapping mit NKLM-LZ

Aus dem NKLM-Kapitel VIII.1 "Medizinisch-wissenschaftliche Kompetenzen" konnten 84 LZ (92,3%) im BMM verortet werden, die meisten davon im BraWiC (n=55; 65,5%, siehe Anhang 1 [Anh. 1], Tabelle S1). Insgesamt zehn LZ (11,9%) konnten in anderen Modulen/Lehrveranstaltungen des BMM verortet werden (siehe Anhang 1 [Anh. 1], Tabelle S1). Darüber hinaus wurden sechs LZ drei anderen Kapiteln des NKLM zugewiesen (siehe Anhang 1 [Anh. 1], Tabelle S2), während ein BraWiC-LZ dem NKLM nicht zugeordnet werden konnte. Aufgrund der Komplexität der MWA-Seminarreihe findet sich in Anhang 1 [Anh. 1], Tabelle S3 eine detaillierte Auflistung der einzelnen Lehrveranstaltungen, der Semesterabfolge und der zugeordneten LZ.


Diskussion und gewonnene Erkenntnisse

Ein kompetenter und reflektierter Umgang mit vielfältigen Informationen, Befunden und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist der Grundstein einer guten medizinischen Versorgung. Dies muss den Studierenden bereits im Studium vermittelt werden [8] und soll durch die Novellierung der AO in Deutschland gesetzlich festgelegt werden [9]. Darin wird ein verpflichtendes wissenschaftliches Forschungspraktikum von 480 UE und ein wissenschaftliches Längsschnittcurriculum gefordert. Orientierung kann das NKLM-Kapitel VIII.1 „Medizinisch-wissenschaftliche Kompetenzen“ [https://nklm.de/zend/menu] geben. Als Beispiel für die konkrete Ausgestaltung kann das hier vorgestellte longitudinale wissenschaftliche Curriculum des BMM dienen. Das BraWiC erstreckt sich über die Semester 1 bis 10 (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]), umfasst 474 UE und setzt sich aus verschiedenen Modulen und Seminaren zusammen, wovon 320 UE auf das 8-wöchige WP entfallen. Dieses müsste im Rahmen der AO-Novelle lediglich um 4 Wochen verlängert werden und würde dann bereits den Anforderungen genügen. Das BraWiC könnte also als Blaupause dienen, die auf andere medizinische Fakultäten übertragen werden kann. Da die Medizin aber auch die Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften umfasst, enthält das BraWiC auch Lernziele aus anderen Kapiteln des NKLM. Darüber hinaus ist das BraWiC mit anderen Lehrformaten wie TRIK und dem problemorientierten Lernen sowie mit anderen Modulen des BMM verknüpft. Wir hoffen, dass die Studierenden auf diese Weise in die Lage versetzt werden, die verschiedenen Kompetenzen, die für eine wissenschaftlich fundierte klinische Argumentation notwendig sind, adäquat zu erwerben.

Neben der Diskussion zentraler Elemente der Curriculumsentwicklung und entsprechender Bewertungsmethoden wird im Folgenden die Bedeutung der Fakultätsentwicklung für die erfolgreiche Implementierung eines longitudinalen wissenschaftlichen Curriculums dargestellt.

Curriculumsentwicklung und -koordination

Für die Konzeption, Umsetzung und Weiterentwicklung des BraWiC war eine zentrale Koordinationsstelle unerlässlich. Dazu gehörte der Kontakt zu allen Lehrenden und die semesterübergreifende Abstimmung der Lerninhalte. Dieses Ergebnis wird von Strohmer et al. [31] unterstützt, die ähnliche Faktoren bei der Implementierung eines longitudinalen Kommunikationscurriculums fanden. Für das BraWiC lag dies in der Verantwortung des Lehrstuhls für Sozialmedizin und Epidemiologie. Bei der Konzeption des BraWiC haben wir uns bewusst für das JC-Format entschieden, um das im BMM fest verankerte problemorientierte, studierendenzentrierte Lernen zu ergänzen, um eigenständiges und lebenslanges Lernen zu fördern und um zuvor erworbenes theoretisches Wissen im Kontext klinisch-praktischer Erfahrung anzuwenden, obwohl andere Studien den Beitrag von JC zum Erwerb von EBM-Kompetenzen in Frage stellen [32], [33], [34]. Dabei steht neben der kritischen Bewertung der Evidenz die Diskussion des jeweiligen Artikels für die Anwendung in der klinischen Praxis im Vordergrund. Unterstützt wird dies durch den Einsatz von Dozierenden-Tandems, bestehend aus Methodiker*innen und Kliniker*innen der jeweiligen Disziplinen, die sich auf die Stärkung der klinischen Argumentationsfähigkeit der Studierenden auf der Basis des kritischen Lesens wissenschaftlicher Studien konzentrieren.

Entwicklung von Bewertungsmethoden

Kompetenzbasierte Curricula erfordern geeignete Bewertungsmethoden, um die angestrebten Kompetenzen zu überprüfen und rechtzeitig die Notwendigkeit einer Optimierung des Curriculums zu erkennen. Da es sich bei der Entwicklung von Kompetenzen um einen langfristigen Prozess handelt, ist es besonders wichtig, den Lernenden regelmäßig Feedback zu ihren Stärken und Verbesserungsmöglichkeiten zu geben [35]. Diese formativen Beurteilungen können den Lernenden helfen, ihre Leistungen in den summativen Beurteilungen proaktiv zu verbessern [36].

Zur Bewertung der BraWiC-Meilensteine wurden sowohl formative als auch summative Bewertungsformate eingeführt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Beispielsweise wird die Fähigkeit, ein wissenschaftliches Forschungsprojekt zu planen, durch eine Projektskizze zu Beginn des 6. Semesters überprüft. Die Studierenden sind aufgefordert, eine konkrete Forschungsfrage zu formulieren sowie einen wissenschaftlichen Hintergrund und methodische Überlegungen darzulegen. Sie erhalten hierzu vor Beginn des WP ein schriftliches Feedback von der Seminarleitung.

Der 2. Meilenstein, die Anwendung der wissenschaftlichen Grundlagen auf ein konkretes Forschungsprojekt, wird durch summative Prüfungsformate bewertet. Dazu gehören eine Multiple-Choice-Klausur in BM, der schriftliche Projektbericht des WP und ein Poster, das auf dem wissenschaftlichen Posterkongress am Ende des WP präsentiert wird.

Das WP deckt ein breites Spektrum an Themen und Disziplinen ab. Projekte und Betreuende kommen sowohl aus den Natur- und Sozialwissenschaften als auch aus den Geisteswissenschaften. Diese Vielfalt stellt eine Herausforderung für die Bewertung dar, da sich die Disziplinen an unterschiedliche Regeln halten und verschiedene erkenntnistheoretische Ansätze verfolgen. Daher wird besonderer Wert auf eine kohärente Beschreibung des Studienhintergrunds gelegt, einschließlich der Identifizierung der zu behebenden Wissenslücke, einer klar formulierten Forschungsfrage, welche die in der Studie verwendeten Methoden strukturiert, und einer Reflexion über die Limitationen und Stärken der Studie aus der Perspektive der jeweiligen Disziplin. Diese Erfahrungen werden von Möller et al. [37] unterstützt, die ebenfalls die Formulierung einer klaren Forschungsfrage, die Fähigkeit der Studierenden zum wissenschaftlichen Schreiben und die Durchführbarkeit der Studie in begrenzter Zeit als Faktoren für eine erfolgreiche Forschungsarbeit identifizierten. Durch die begleitenden MWA II-Seminare und Posterpräsentationen werden die Studierenden mit den Besonderheiten verschiedener disziplinärer Ansätze konfrontiert und können erleben, wie diese Vielfalt die Grundlage, Stärke und Herausforderung der medizinischen Wissenschaften ist.

Der JC adressiert den 3. Meilenstein, den Transfer wissenschaftlichen Denkens und Handelns in die klinische Praxis, einschließlich der Stärkung der wissenschaftlichen Argumentationsfähigkeit. Die Studierenden werten aktuelle Forschungsliteratur aus und erhalten durch die anschließende Diskussion mit den begleitenden Seminarleiter*innen ein direktes Feedback.

Fakultätsentwicklung

Insgesamt ist die Konzeptions- und Durchführungsphase von wissenschaftlichen Praktika für eine Fakultät nicht zu unterschätzen [20], [22]. Neben der Akquise von ausreichenden und qualitativ hochwertigen Projektangeboten sowie entsprechend ausgebildeten und geschulten Betreuenden sind auch Überlegungen zum Projektauswahlverfahren, zu den Möglichkeiten des Themen- und/oder Betreuer*innenwechsels sowie zu Beratungs- und Betreuungsangeboten während des Praktikums zu berücksichtigen.

Für die Medizinische Hochschule Brandenburg galt es darüber hinaus, sich den Herausforderungen einer neu gegründeten Fakultät zu stellen, die sich sowohl in der Vielfalt des Lehrpersonals in Bezug auf Lernbiographien, berufliche Qualifikationen und bisherige Lehr- und Forschungserfahrungen als auch in der dezentralen Hochschulstruktur widerspiegelt. Dies erfordert eine konsequente Personalentwicklung, um die Betreuenden auf ihre neue Rolle vorzubereiten, aber auch, um sie mit dem Lehrplan vertraut zu machen [38]. So wurden und werden den Lehrenden beispielsweise Informationsveranstaltungen und -materialien, Schulungen zur Beantragung von Ethikvoten sowie Unterstützung und Beratung bei der Entwicklung studentischer Forschungsprojekte angeboten. In Vorbereitung auf den Posterkongress werden die Gutachter*innen geschult, und die Konferenz selbst dient als Kommunikationsplattform innerhalb der Universität.

Limitationen

Die Entwicklung des BraWiC basiert auf bestehenden (EBM-)Curricula, dem NKLM sowie auf freiwilligen Studierendenevaluationen der ersten Phase des BraWiC. Insbesondere bei den Studierendenevaluationen sind einige Einschränkungen zu beachten.

Es ist möglich, dass diejenigen, die mit der Lehre unzufrieden oder besonders zufrieden sind, eher evaluieren als andere. Allerdings war die Beteiligung in der zweiten Kohorte besonders hoch und die Ergebnisse unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der ersten Kohorte. In Bezug auf die Bewertungen nach der Überarbeitung des Curriculums ist festzustellen, dass die Teilnahmequoten der jeweiligen Kohorten ähnlich waren. Es ist jedoch nicht möglich zu sagen, wer die teilnehmenden Studierenden waren, sodass im Umkehrschluss ein zu positiver Eindruck entstanden sein könnte. Schließlich wird der schriftliche Bericht des WP nicht unabhängig von den Betreuenden bewertet. Dies ist zwar gängige Praxis, kann aber je nach Betreuer*in zu sehr unterschiedlichen Bewertungen führen.


Schlussfolgerung

Der BMM hat ein über das gesamte Studium und zentral koordiniertes wissenschaftliches Curriculum implementiert, das von Lehrenden verschiedener Fachrichtungen, teilweise in gemischten Tandems aus Kliniker*in und Methodiker*in, unterrichtet wird. Ziel ist die Ausbildung wissenschaftlich kompetenter Ärzt*innen, die in ihrer späteren Berufspraxis in der Lage sind, wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu einer spezifischen Fragestellung zu recherchieren, zu analysieren, kritisch zu bewerten und für die klinische Argumentation und Praxis angemessen zu nutzen. Das Curriculum erfordert in seiner Komplexität eine enge und kontinuierliche Abstimmung mit allen Beteiligten, eine besondere Berücksichtigung der Methodenvielfalt bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des WP sowie eine umfassende Berücksichtigung ihres Potenzials für eine nachhaltige Fakultätsentwicklung.


ORCIDs der Autor*innen


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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