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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die Rolle der Forschungskompetenz als Einflussfaktor für die Karriere des wissenschaftlichen Nachwuchses. Erkenntnisse und Implikationen aus Untersuchungen zur Promotion in Medizin und Lebenswissenschaften in Deutschland

Artikel Forschungskompetenz

  • Nurith Epstein - LMU Klinikum, LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Julia Eberle - Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • Julia Meuleners - LMU München, Fakultät für Biologie, Didaktik der Biologie, München, Deutschland
  • Daniel Lachmann - TH Köln, Köln, Deutschland
  • author Sonja Heuser - LMU Klinikum, LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Stefan Herzig - TH Köln, Köln, Deutschland
  • author Birgit Neuhaus - LMU München, Fakultät für Biologie, Didaktik der Biologie, München, Deutschland
  • corresponding author Martin R. Fischer - LMU Klinikum, LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(6):Doc70

doi: 10.3205/zma001652, urn:nbn:de:0183-zma0016522

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001652.shtml

Eingereicht: 19. Februar 2023
Überarbeitet: 2. August 2023
Angenommen: 22. August 2023
Veröffentlicht: 15. November 2023

© 2023 Epstein et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Im internationalen Vergleich verfügt Deutschland über eine insgesamt hohe Promotionsquote. In bestimmten Fächern, wie Medizin und Lebenswissenschaften, ist der Anteil an Promovierenden aus historischen Gründen besonders hoch. Empirische Ergebnisse über die Promotionsphase und den wissenschaftlichen Nachwuchs, auch im Hinblick auf die Zunahme von strukturierten Promotionsprogrammen, wurden erst kürzlich vermehrt produziert.

Methoden: Im Folgenden berichten wir über ein Projekt zum wissenschaftlichen Nachwuchs in Medizin und Lebenswissenschaften. Promovierte Mediziner und Biologen wurden im Rahmen der E-Prom-Projekte sowohl quantitativ als auch qualitativ befragt, wobei der Fokus auf dem zentralen Teilbereich der Forschung lag.

Ergebnisse: Unsere Analysen zeigen gewisse Vorteile der strukturierten Promotion gegenüber der Individualpromotion, dennoch sind die Unterschiede zwischen den Promotionsformen geringer als erwartet. Zudem zeigen sich Abweichungen zwischen Programmbeschreibungen und deren Umsetzung. Die Eingebundenheit in die Wissenschaftsgemeinschaft und die forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung zeigen sich als mögliche Prädiktoren für die Publikationsoutput und die wissenschaftliche Karriere-Intention. Mediziner weisen eine geringere forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung und wissenschaftliche Karriereintention auf als Biologen. Zudem zeigten sich Geschlechterunterschiede zu Ungunsten der Absolventinnen; diese waren in der Medizin stärker ausgeprägt.

Schlussfolgerungen: Offizielle Angaben zur Ausgestaltung strukturierter Promotionsprogramme weichen teilweise von deren Umsetzung ab, sodass deren Potenzial nicht optimal genutzt wird. So sollten auch Ressourcen für die Überprüfung der Programmumsetzung aufgewendet werden. Aufgrund der vielfachen empirischen Ergebnisse zum positiven Einfluss der Eingebundenheit in die Wissenschaftsgemeinschaft sollten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler beim Netzwerken besonders unterstützt werden. Im Weiteren unterstreichen unsere Ergebnisse die Notwendigkeit, Nachwuchswissenschaftlerinnen besonders zu fördern.

Schlüsselwörter: wissenschaftliche Forschungskarrieren, strukturierte Promotionsprogramme, Nachwuchswissenschaftler, weibliche Wissenschaftlerinnen


Einleitung

Der wissenschaftliche Nachwuchs war in den vergangenen Jahren immer wieder im Fokus öffentlicher bildungspolitischer Debatten. Gründe hierfür lagen zum einen in den prekären Beschäftigungsverhältnissen, zum anderen in der in Deutschland noch immer vorherrschenden Individualpromotion bei gleichzeitig zunehmender Bedeutung von strukturierten Promotionsprogrammen, die in anderen Ländern wie z.B. den USA bereits Standard sind und eine bessere Ausbildung und Selektion des wissenschaftlichen Nachwuchses gewährleisten sollen. Im Vergleich zur traditionellen Praxis der individuell gestalteten Promotion soll die strukturierte Promotion eine bessere und fairere Rekrutierung von Promovenden über formale Auswahlverfahren gewährleisten, aber auch zu kürzeren und erfolgreicheren Promotionsphasen führen. Zentrale Instrumente hierfür sind unter anderem die formalisierte Betreuung durch mehrere Personen, die Festlegung klarer Zielvorgaben und die organisierte Förderung von Kontakten zu „Peers“ im Rahmen des Programms.

Neben der fächerübergreifenden Diskussion um den wissenschaftlichen Nachwuchs steht die Diskussion um die Promotion in der Humanmedizin: Anders als sonst üblich, wird an der Promotion zum Großteil studienbegleitend gearbeitet. Die Promotion in der Medizin stellt zudem die erste eigenständige wissenschaftliche Arbeit dar, während in anderen Fächern üblicherweise Bachelor-, Master- und andere Abschlussarbeiten vorausgehen. Die Qualität medizinischer Doktorarbeiten wird seit geraumer Zeit in Frage gestellt [3], [16].


Projektbeschreibung

Im Rahmen der BMBF-Förderlinie „Forschung zum Wissenschaftlichen Nachwuchs” [https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/wissenschaftlicher-nachwuchs/forschung-zum-wissenschaftlichen-nachwuchs/forschung-zum-wissenschaftlichen-nachwuchs_node.html] wurde in den E-Prom-Projekten der Einfluss der Promotionsphase auf die Karriere von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern in den Lebenswissenschaften am Beispiel von Promovierten biologischer und medizinischer Fakultäten in den Blick genommen. Weit über tausend Promovierte (N=1796) aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen wurden mit quantitativer Methodik longitudinal zu mehreren Zeitpunkten nach der Promotion befragt. Zudem wurden zwei qualitative Studien durchgeführt, um ein tieferes Verständnis von Promotionsphase und Berufseinstieg zu gewinnen und die Situation von fortgeschrittenen Postdocs in ihrer weiteren Karriereplanung zu beleuchten (vgl. [12]). Weiterhin wurden anhand von Dokumentenanalysen Promotionsanforderungen und -regularien von nahezu hundert (N=98) Programmen bzw. Institutionen in den beteiligten drei Bundesländern verglichen.

Die Datenerhebungen beinhalteten eine Vielfalt an Themen, über Eckdaten der Promotion, Merkmale der Betreuung, Tätigkeiten im Rahmen der Promotion, Einbettung in die wissenschaftliche Community, und mehr. Im Rahmen dieses Projektberichts möchten wir einen Überblick über die zentralen und in anderen Publikationen im Detail dargestellten Projektergebnisse geben.

Für wissenschaftliche Karrieren spielen eine Vielzahl von Tätigkeiten und Kompetenzen eine wichtige Rolle [18]. In der im Fokus stehenden Promotionsphase nimmt allerdings die Forschung eine besonders zentrale Stellung ein, so dass auf diese im Rahmen der E-Prom-Projekte ein Schwerpunkt gelegt wurde. So zeigten die Daten des Projekts, dass die Promovierenden die meiste Zeit mit Forschungstätigkeiten beschäftigt waren (über 80 Prozent der Zeit), wohingegen sie beispielsweise im Durchschnitt nur 10 Prozent ihrer Zeit in die Lehre investierten [9]. Zudem ist die Forschungsleistung der stärkste Prädiktor für das Erreichen einer Professur (z.B. [18], [23], [28]. Eine im Fokus stehende Variable der E-Prom-Projekte war daher die forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung, d.h. das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, forschungsbezogene Tätigkeiten in der Zukunft erfolgreich ausführen zu können (vgl. auch [20]).

Im Folgenden soll ein praxisnaher Überblick über die Ergebnisse der E-Prom-Projekte gegeben werden, wobei der Fokus auf die Promotionsphase und den frühen Übergang in die Postdoc-Phase gesetzt wird.


Ergebnisse

Individuelle und strukturierte Promotion

Zunächst zeigen unsere Analysen, dass mittlerweile sowohl im Rahmen strukturierter als auch individueller Promotionen formalisierte Lerngelegenheiten angeboten und wahrgenommen werden [24]. Die Ergebnisse unterstreichen, dass eine dichotome Betrachtung bei der Analyse von Promotionsformen nicht ausreicht. Zudem sind die Unterschiede zwischen individuell und strukturiert Promovierenden in den Lebenswissenschaften insgesamt geringfügiger als man annehmen könnte. Dies liegt daran, dass auch individuell Promovierende institutionelle Strukturen vorfinden und spezifische Vorgaben erfüllen müssen, und dass strukturierte Programme in ihrer Umsetzung jeweils von den einzelnen Promovierenden und Betreuenden unterschiedlich ausgestaltet und gelebt werden [21], [24].

Im Vergleich der Promotionsformen zeigen sich insbesondere Unterschiede beim Zugang zur Promotion. Formalisierte Rekrutierungs- und Auswahlverfahren kommen als Vorgabe häufiger im Rahmen von strukturierten Programmen vor, wobei in der Umsetzung offenbar praktisch immer auch noch informelle Zulassungsprozesse existieren [21]. Weiterhin kommen in strukturierten Programmen Betreuungsvereinbarungen etwas häufiger zustande (knapp 64 Prozent vs. 53 Prozent in individuellen Promotionen). 30 Prozent dieser Vereinbarungen beinhalten laut Angaben der Befragten konkrete Meilensteine und einen Arbeitsplan. Auch in einer anderen Studie zeigte sich, dass niedergeschriebene Ziele/Pläne mit Betreuenden den Erfolg von Postdocs signifikant positiv beeinflussen, z.B. hinsichtlich Publikationsoutput und subjektiv empfundenen Erfolg [5]. Da unsere Daten jedoch zeigen, dass sich lediglich 30 Prozent der Befragten in strukturierten Programmen regelmäßige mit Betreuenden treffen, ist an diesem Punkt noch ein starker Veränderungsbedarf sichtbar.

Insgesamt variiert die konkrete Ausgestaltung von Promotionsprogrammen stark [25]. Dies zeigt sich nicht nur in Betreuungsregelungen, sondern auch am Grad der Internationalisierung und der Interdisziplinarität. Zudem variiert das Themenspektrum der angebotenen Kursen stark, wobei nicht konkret forschungsbezogene Aspekte wie Karriereplanung außerhalb der Wissenschaft trotz ihrer hohen Relevanz für Promovierende selten angeboten werden. Auch Ansätze zur Vermeidung von Befangenheit bei der Bewertung von Dissertationen, beispielsweise durch Einbeziehung externer Gutachter oder Ausschluss der Betreuenden, finden sich bislang kaum in Promotionsprogrammen. An diesen Punkten besteht somit ebenfalls weiterhin Handlungsbedarf.

Strukturierte Programme entfalten einen positiven Effekt auf eine zentrale Variable unseres Forschungsvorhabens, die sogenannte forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung [20]: dieser Effekt wird teilweise über den Besuch von Kursen und anderen Lernformaten vermittelt, sodass die freiwillig teilnehmenden individuell Promovierenden (siehe oben) ebenso profitieren könnten. Allerdings bleibt der positive Effekt der Teilnahme an einem strukturierten Programm auf die forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung auch unter statistischer Berücksichtigung solcher Kursteilnahmen signifikant [24]. Zudem nahmen Promovierte aus strukturierten Programmen durchschnittlich an mehr Kursen teil als Individualpromovierte, insbesondere an solchen, die auf eine akademische Karriere nach der Promotion vorbereiten sollen [21]. In strukturierten Programmen nahmen hier 54 Prozent an solchen Kursen teil, bei den Individualpromotionen waren es lediglich 15 Prozent der Befragten. Eine differenzierte Übersicht zur Teilnahme an einzelnen Kursformaten ist Lachmann et al. 2020 ([21], S. 15) zu entnehmen.

Soziale Einbettung: Wissenschaftsgemeinschaft und Betreuung

In Bezug auf soziale Aspekte der Promotion weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass insbesondere die Eingebundenheit in die Wissenschaftsgemeinschaft wichtig ist. Zum Zeitpunkt direkt nach der Promotion stand diese bei weiblichen Promovierten der Biologie in positivem Zusammenhang mit dem Wunsch, eine wissenschaftliche Karriere zu verfolgen. Bei männlichen Promovierten zeigte sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Eingebundenheit in die Wissenschaftsgemeinschaft mit der Anzahl an Publikationen als Erstautor im Rahmen der Promotion. Die Eingebundenheit in die Arbeitsgruppe vor Ort war hingegen weder mit dem Publikationsoutput noch mit dem Wunsch, einer wissenschaftlichen Karriere nachzugehen, verbunden (vgl. [9]).

Im Rahmen der qualitativen Interviews stellte sich heraus, dass sich negativ erlebte Betreuungsverhältnisse nicht nur auf den Promotionsverlauf, sondern auch auf Karriereaspirationen und Entscheidungen nach der Promotion auswirken können. So z.B. wenn Betreuerinnen oder Betreuer ihre Promovierenden vor anderen schlecht machen ([10]: 144 ff). Umgekehrt konnten bereits positive Effekte von Autonomieunterstützung auf die forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung von Promovenden gezeigt werden [28]. In einer längsschnittlichen Betrachtung tritt die Bedeutung eines autonomie- und kompetenzunterstützendes Forschungsumfeld während der Promotion allerdings in den Hintergrund, während eine gute Einbindung in die Wissenschaftsgemeinschaften sich auch langfristig positiv auf wissenschaftliche Karriereaspirationen auswirkt. Die Ausbildung und Aufrechterhaltung der Identifikation als Wissenschaftler*in spielt dabei eine zentrale mediierende Rolle [27]. Unsere Daten zeigen, dass die soziale Eingebundenheit mit der Freude an forschungsbezogenen Tätigkeiten zusammenhängt [26]. Weiterhin zeigte sich, dass ein als autonomie- und kompetenzunterstützend wahrgenommenes Forschungsumfeld mit weniger Frustration und mehr Freude an forschungsbezogenen Tätigkeiten verbunden ist und dass Forschende in Führungspersonen signifikant mehr Freude bei der Forschung empfinden als Mitarbeitende [26]. Zudem war eine positive Beziehung zum vorgesetzten Professor und die Eingebundenheit in die Wissenschaftsgemeinschaft signifikant mit der wissenschaftlichen Karriereaspiration bei Postdocs verbunden, sowie negativ mit deren Intention die aktuelle Position zu verlassen [7]. Im Sinne der Eingebundenheit in die Wissenschaftsgemeinschaft zeigt sich zudem, dass wissenschaftliche Kollaborationen in den Lebenswissenschaften zwar ihre „Tücken“ haben können, aber insgesamt positiv bewertet werden und die Vorteile die Nachteile überwiegen [6].

Geschlecht und soziodemographische Merkmale

Die Daten der E-Prom-Projekte legen nahe, dass das Geschlecht sowohl in den biologischen Fächern als auch der Humanmedizin einen bedeutsamen Einfluss auf wissenschaftliche Leistungen während und nach der Promotion ausübt. In beiden Fächergruppen publizieren Frauen im Rahmen der Promotion signifikant weniger als Männer (vgl. [8], [9], [10]).

Größere Geschlechterunterschiede zeigten sich dabei in der Humanmedizin: Die forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung und die Intention, eine wissenschaftliche Karriere zu verfolgen, war hier in der weiblichen Stichprobe signifikant geringer ausgeprägt – selbst unter statistischer Kontrolle von Publikationen und Promotionsnote. Dies konnte durch keine der erhobenen Variablen aufgeklärt werden und sollte in weiteren Forschungsprojekten verfolgt werden.

Bemerkenswerterweise fand sich in unseren Stichproben nur ein geringer Einfluss des sozioökonomischen Hintergrunds (Beruf und Bildungshintergrund beider Eltern) auf den Promotionserfolg [22]. Ein positiver Zusammenhang zeigte sich zwischen sozioökonomischem Hintergrund und Veröffentlichungen im Rahmen der Promotion, jedoch gab es keine signifikanten Korrelationen mit der Note oder dem subjektiv wahrgenommenen Erfolg der Promotion. Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass die betrachtete Stichprobe bereits einen sehr homogenen, hohen sozioökonomischen Hintergrund aufwies und zudem nur erfolgreich abgeschlossene Promovierte betrachtet wurden (vgl. [22]).

Weitere erfolgsrelevante personenbezogene Merkmale

Einige personenbezogene psychometrische Merkmale der Promovierenden und Promovierten erwiesen sich im Rahmen unserer Ergebnisse als wichtig. Bezüglich der Promotionsaufnahme finden wir, dass intrinsische Motive für die Promotion aufgrund von Interesse an Forschung während und nach der Promotion positiv und signifikant mit dem Wunsch, einer wissenschaftlichen Karriere nachzugehen sowie der forschungsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung korreliert sind (vgl. [8], [10]). Auf die Anzahl an Publikationen scheinen sich die intrinsischen Motive jedoch nicht auszuwirken (vgl. [9]).

Als zentrale Variable erwies sich die forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung [20]. Diese korrelierte unter Kontrolle der Promotionsnote und Publikationen signifikant und stark mit dem Wunsch, einer wissenschaftlichen Karriere nachzugehen (vgl. [8], [10]). Zudem korrelierte diese Variable auch signifikant mit der Note der Promotion und der Anzahl der daraus hervorgegangenen Publikationen [10], [20]. Da diese Variablen in einem Querschnitt nach der Promotion erhoben wurden, ist die Richtung des Zusammenhangs unklar, ein wechselseitiger Einfluss ist jedoch plausibel (vgl. [10], [20]).

Sonderfall Humanmedizin?

Die Promotion im Fach Medizin unterscheidet sich strukturell deutlich von der Promotion in anderen Fächern, da sie bislang häufig bzw. im Wesentlichen studienbegleitend und ohne wissenschaftliche Vorerfahrung (wie zum Beispiel Qualifikationsarbeiten) erstellt wird. Zudem ist die Promotion in der Medizin fast schon als Regelabschluss zu bezeichnen, da die Mehrheit der Medizinerinnen und Mediziner eine Promotion abschließt – zumeist ist dies jedoch nicht mit einem Interesse an einer wissenschaftlichen Karriere verbunden (zusammenfassend in [3], [10]).

Im Bereich der personenbezogenen psychometrischen Merkmale zeigt sich in unseren Studien, dass Promovierte der Medizin im Vergleich zu Promovierten aus biologischen Fakultäten durchschnittlich eine geringere forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung aufweisen [8], [10], [20], niedrigere Ausprägungen bei intrinsischen Forschungsmotiven für die Promotionsaufnahme zeigen [10], [20] und auch seltener eine wissenschaftliche Karriere nach der Promotion anstreben [8], [10]. So verwundert es nicht, dass Promovierte der Medizin im Rahmen der Promotion auch weniger wissenschaftliche Artikel veröffentlichen (vgl. [8], [10]).

Analysen unserer qualitativen Forschung sowie weiterer Daten einer bayerischen Absolventenstudie [https://www.bap.ihf.bayern.de/medibas] lassen vermuten, dass die Unterschiede in den Ergebnissen der Promotion auf die wissenschaftliche Ausbildung sowie die Interessenlagen der Studierenden in Studium und Promotion zurückzuführen sind (vgl. [6]).

Wichtig zu konstatieren ist jedoch auch, dass in den meisten unserer Betrachtungen die beschriebenen Befunde für Medizin und Biologie gleichermaßen zutrafen. So kann davon ausgegangen werden, dass ein Einwirken auf die „Stellschrauben“ Selbstwirksamkeit und intrinsische Motivation auch in der Medizin zu einem höheren Interesse an einer Karriere in der Forschung führen. Wie positive Veränderungen erwirkt werden können, kann jedoch je nach Fachrichtung anders aussehen, da bereits bei der Studienfachwahl und der Studienplatzvergabe verschiedene Persönlichkeitsmerkmale zum Tragen kommen (vgl. z.B. [4], [14]. Frühe eigene Forschungserfahrungen bereits im Studium können z.B. eine Möglichkeit sein, auch im Medizinstudium Interesse an der Forschung zu wecken (zusammenfassend in [10]).


Diskussion

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ergebnisse des E-Prom Projekts die wichtige Rolle der forschungsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung, sowie deren Einflussfaktoren unterstreicht: Betreuung, Erfolgserlebnisse und damit verbundene Emotionen, soziale Einbindung und strukturierende Lernerfahrungen aber auch Fachdisziplin und Geschlecht spielen eine Rolle und beeinflussen somit auch das Interesse an einer wissenschaftlichen Karriere. Zudem ist das Interesse an einer solchen als Grund für die Promotionsaufnahme, wie zu erwarten, bereits entscheidend.

Unsere Analysen müssen aus methodischer Sicht vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass nur erfolgreich abgeschlossene Promotionen eingeflossen sind. So konnten keine Gründe für Promotionsabbrüche analysiert werden, oder etwa diesbezüglich Vergleiche zwischen unterschiedlichen Promotionsformen angestellt werden. Zudem wurden in fächervergleichenden Analysen rein dichotome Betrachtungen angestellt, d.h. dass Medizin und Biologie verglichen wurden. Uns ist jedoch wohl bewusst, dass auch diese Fachbereiche weiter untergliedert sind und sich zum Teil stark voneinander unterscheiden. Zudem ist in einigen Bereichen die Forschung in den Lebenswissenschaften sehr interdisziplinär, sodass die gemeinsame Arbeit von Medizin und Biologie oft notwendig für den wissenschaftlichen Fortschritt ist. Gerade Promovierte aus biologischen Fakultäten haben zudem hinsichtlich ihrer grundständigen akademischen Qualifikation vielfältigere Hintergründe und Spezialisierungen, die sich durchaus auf den Promotionsverlauf und den beruflichen Werdegang auswirken können. Im Rahmen der vorgestellten E-Prom-Projekte konnten diese aufgrund geringer Fallzahlen in den jeweiligen Subdisziplinen nicht berücksichtigt werden.

Was bedeuten die Ergebnisse unserer Projekte für die Ausbildung des lebenswissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland? Im Hinblick auf strukturierte Promotionsprogramme zeigen unsere Daten, dass diese Form des Promovierens eine Chance darstellt, die jedoch offenbar bislang nicht immer optimal genutzt wird. Die strukturierenden Vorgaben der Programme sollten zukünftig stärker hinsichtlich der realen Inanspruchnahme durch Promovierende, Betreuungsverantwortliche und weitere Beteiligte überprüft werden. Dies gilt vor allem für selbstwirksamkeitsstärkende Kursangebote sowie die Interaktionen in der Arbeitsgruppe und in der Wissenschaftsgemeinschaft. Nur so könnten die entsprechenden Strukturmerkmale retrospektiv bzgl. ihrer Nützlichkeit beurteilt und entsprechend weiterentwickelt werden.

Gerade im Fach Medizin mit seinen strukturellen Besonderheiten in der Promotion, die mit geringer wissenschaftlicher Vorerfahrung der Promovierenden einhergehen, können strukturierte Programme dafür genutzt werden, Kompetenzen im wissenschaftlichen Arbeiten zu vermitteln.

Im Weiteren bestätigen unsere Analysen, dass die Einbindung des wissenschaftlichen Nachwuchses in die Wissenschaftsgemeinschaft in Bezug auf Karriereaspirationen, Positionierung, sowie die wissenschaftlichen Ergebnisse von Vorteil ist [9], [13], [15], [17], [30], [31]. Dies ist ein Aspekt, der von betreuenden Personen sowohl im Rahmen strukturierter als auch individueller Promotionen berücksichtigt werden sollte.

Ebenso legen unsere Ergebnisse nahe, dass der weibliche wissenschaftliche Nachwuchs stärker gefördert werden sollte. Die Daten liefern leider keine starken Erklärungsfaktoren für deren Benachteiligung, eine stärkere Sensibilisierung aller Beteiligten für die Bedeutung z.B. von Co-Autorenschaften im Rahmen der Promotion (vgl. [11] erscheint jedoch sinnvoll und angezeigt.

Die forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung zeigt sich in unseren Daten als ein Merkmal, dass zum einen stark mit einer objektiviert erfolgreichen Promotion in Zusammenhang steht (z.B. mit Publikationen) als auch mit Bestrebungen, zukünftig in der Wissenschaft zu verbleiben. So kann dieses Konstrukt hilfreich im zukünftigen Monitoring von Promovierenden im Rahmen des Promotionsprozesses sein oder bereits bei der Auswahl von Doktorandinnen und Doktoranden zum Tragen kommen. Solche personenbezogenen Merkmale, Zugänge und förderliche Rahmenbedingungen von Promotionen zu untersuchen und zu verstehen ist aus unserer Sicht besonders wichtig: zu promovieren stellt für die Betroffenen und für die Gesellschaft eine erhebliche Investition zeitlicher und monetärer Ressourcen dar (vgl. z.B. [1], [2], [32], [33], [34]. Transparenz bei den Auswahlverfahren und disziplinspezifische Leitlinien in Bezug auf Qualitätsstandards von Promotionen können dabei helfen, den wissenschaftlichen Nachwuchs gezielter auszubilden.


Schlussfolgerung und Ausblick

Die Projektergebnisse zeigen, welche Faktoren den Erfolg in einer frühen Karrierephase in der Wissenschaft beeinflussen und somit, ob eine wissenschaftliche Karriere nach der Promotion fortgeführt wird. Da sich Promovierende zunächst einmal in Bezug auf ihre Fähigkeit selbstständig zu forschen bewähren müssen, lag der Fokus des Projektes auf der Forschung und forschungsbezogenen Aktivitäten. Weitere Forschung sollte sich damit beschäftigen, inwieweit sich andere Faktoren, wie etwa das Interesse an Lehre, auf die spätere Laufbahn sowie den Erfolg oder das Verlassen der Wissenschaft auswirken.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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