gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Kompetenzbasierter Lernzielkatalog für den Themenbereich Qualitätsmanagement im Medizinstudium – Positionspapier der Arbeitsgruppe Qualitätsmanagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung e.V. (GQMG)

Artikel Qualitätsmanagement

  • corresponding author Michael Vogeser - Klinikum der Universität München, LMU München, Institut für Laboratoriumsmedizin, München, Deutschland
  • Kirstin Börchers - Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Deutschland
  • Janina James - Universitätsklinikum Essen, Stabsstelle Qualitätsmanagement und klinisches Risikomanagement, Essen, Deutschland
  • Julian Koch - Klinikum der Universität München, LMU München, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, München, Deutschland
  • Doris Kurscheid-Reich - Städtisches Klinikum Solingen, Zentrales Qualitätsmanagement, Solingen, Deutschland
  • Silke Kuske - Fliedner Fachhochschule Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
  • Barbara Pietsch - Gemeinsamer Bundesausschuss (bis 2020), Berlin, Deutschland
  • Susanne Zillich - Universitätsklinikum Erlangen, Urologische und Kinderurologische Klinik, Erlangen, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(4):Doc42

doi: 10.3205/zma001624, urn:nbn:de:0183-zma0016246

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001624.shtml

Eingereicht: 8. Oktober 2022
Überarbeitet: 27. Januar 2023
Angenommen: 3. März 2023
Veröffentlicht: 15. Juni 2023

© 2023 Vogeser et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Traditionell werden im Medizinstudium überwiegend direkte medizinische Handlungskompetenzen vermittelt, Führungs- und Qualitätsmanagementkompetenzen hingegen kaum, obgleich Absolvierende bereits zu Beginn ihrer klinischen Tätigkeit mit Managementaufgaben konfrontiert sind. Mit der anstehenden Novellierung der Ärztlichen Approbationsordnung wird dieser Themenbereich voraussichtlich adressiert und ist von den Fakultäten entsprechend adäquat zu lehren. Die in der aktuellen Arbeitsfassung des Nationalen Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) 2.0 aufgeführten Lernziele im Bereich des Qualitätsmanagements sind bisher eher allgemein formuliert und bedürfen einer Konkretisierung.

Ziel: Die Entwicklung eines kompetenzbasierten Lernzielkatalogs für den Themenbereich Qualitätsmanagement im Medizinstudium als strukturierte Rahmenempfehlung für die Gestaltung fakultärer Lehr-Lernangebote und als Anregung für eine Weiterentwicklung des NKLM.

Methoden: Der kompetenzbasierte Lernzielkatalog wurde durch eine achtköpfige Arbeitsgruppe „Qualitätsmanagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung“ der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung e.V. (GQMG) im Rahmen einer kritischen Synthese zentraler Publikationen erarbeitet. Die Mitglieder der Projektgruppe besitzen langjährige Projekterfahrung im Qualitätsmanagement im Gesundheitsweisen sowie in der Hochschuldidaktik.

Ergebnisse: Es konnten sechs grundsätzliche Kompetenzziele sowie 10 spezifische Kompetenzziele formuliert und konsentiert werden. Diese werden jeweils von einer Liste von wesentlichen Grundbegriffen und Beispielen flankiert. Diese fokussieren auf Qualitätsverbesserungen, einschließlich Patientensicherheit und Behandlungserfolg vor dem Hintergrund einer ärztlichen Führungsrolle im interprofessionellen Kontext.

Diskussion: Es wurde ein kompetenzbasierter Lernzielkatalog zusammengestellt, der die notwendigen Konzepte und Grundkenntnisse des Qualitätsmanagements umfasst, die für Berufseinsteigende nach abgeschlossenem Medizinstudium erforderlich sind, um Qualitätsmanagement zu verstehen und aktiv daran partizipieren zu können. Nach Kenntnisstand der Autoren ist derzeit auch international kein vergleichbarer Lernzielkatalog für das Medizinstudium verfügbar.

Schlüsselwörter: Qualitätsmanagement, Medizinstudium, Lernzielkatalog, Kompetenzen, Lehre


Einleitung

Traditionell bereitet das Medizinstudium auf eine Fachkarriere vor. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung von unmittelbaren Kompetenzen in der Kuration, in geringerem Umfang auch Kompetenzen in Rehabilitation und Prävention. Ärztliche Berufsanfangende sind jedoch bereits von Anfang an auch mit Führungs- und Gestaltungsaufgaben – zu denen Qualitätsmanagement eindeutig gehört – in teils komplexen interprofessionellen Konstellationen konfrontiert. Diese nicht unmittelbar ärztlich-fachlichen Aufgaben nehmen für die meisten Ärztinnen und Ärzte im Verlauf des Berufslebens an Komplexität und Umfang zu [1]. In der gegenwärtig gültigen Approbationsordnung für Ärzte in Deutschland wird der Themenbereich Qualitätsmanagement nicht dezidiert adressiert. Es ist daher anzunehmen, dass ein großer Teil der ärztlichen Berufsanfangenden bezüglich des Qualitätsmanagements derzeit ein Defizit ihrer Ausbildung erfährt, wenngleich dies gegenwärtig noch nicht mit wissenschaftlich erhobenen Daten zu belegen ist.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass in der anstehenden Novelle der ärztlichen Approbationsordnung der Themenbereich Führung und Management in der Kategorie übergeordnete Kompetenz adressiert wird. Entsprechend ist zu erwarten, dass alle medizinischen Fakultäten in Deutschland Lehrangebote zu entwickeln haben, die den Studierenden Kompetenzen in diesem Bereich vermitteln. Im Kontext mit der zu erwartenden novellierten Approbationsordnung steht der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM), der seit Mitte 2021 in einer Version 2.0 als Arbeitsfassung vorliegt [https://nklm.de/zend/menu]. Grundsätzlich werden mit dem NKLM bindende Vorgaben für die fakultäre Lehre festgelegt. Ein abgeleiteter Lernzielkatalog des Instituts für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) bildet die Grundlage für staatliche Prüfungen [2]. Mit Stand Januar 2023 sind NKLM und IMPP-Katalog im Wesentlichen textgleich. In diesen vorliegenden Fassungen von NKLM und IMPP-Lernzielkatalogen wird der Bereich Führung und Management abgebildet; darunter adressieren die beiden übereinstimmenden Unterkapitel VII 5.5 „Modelle und Methoden des Qualitätsmanagements“. Darin werden folgende Kompetenzziele formuliert: „Die Absolventin und der Absolvent kennen Modelle und Methoden des Qualitätsmanagements und wenden diese an. Sie haben Kenntnis über Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der Patientenversorgung und deren Anwendungsbereiche. Sie können die wesentlichen gesetzlichen Vorgaben des Qualitätsmanagements (einschließlich Qualitätssicherung) erläutern, die für die Qualitätssicherung in der Medizin maßgeblichen Institutionen benennen, die Notwendigkeit strukturierter Maßnahmen von Schulung und Pflichtunterweisung beschreiben. Sie kennen Begriffe, Konzepte und Werkzeuge des Qualitätsmanagements und setzen diese um. Sie können die Bedeutung von Qualitätsmanagement zur Vorbereitung auf interne und externe Schadensereignisse erklären, verschriftlichte Organisations-, Arbeits- und Behandlungsabläufe benennen und berücksichtigen, Beschwerdemanagement beschreiben, die daran Mitwirkenden benennen und adäquat mit einer konkreten Beschwerde umgehen, einschlägige Dokumentationen des Qualitätsmanagements kritisch reflektieren, sich in strukturierten Teambesprechungen aktiv einbringen, die Prinzipien des Klinischen Risikomanagements erläutern.“

Nach Auffassung der GQMG-AG Qualitätsmanagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung sind diese Kompetenzziele relevant; sie bedürfen jedoch der Ergänzung und Konkretisierung, um zumindest die gesetzlich geforderten Mindestanforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement abzubilden und um als ein praxisorientiertes Gerüst zum Aufbau von Lehrangeboten der Fakultäten dienen zu können. Die AG hat entsprechend dieser Einschätzung 2021 in einem ersten Schritt einen Prozess zur Entwicklung eines kompetenzbasierten Lernzielkataloges zum Qualitätsmanagement für Studierende der Medizin initiiert. Ziel war hierbei die Entwicklung eines kompetenzbasierten Lernzielkatalogs für den Themenbereich Qualitätsmanagement im Medizinstudium als strukturierte Handreichung für die Gestaltung fakultärer Lehr-Lernangebote und als Anregung für eine Weiterentwicklung des Nationalen Lernzielkatalogs Medizin. Hierbei sollten insbesondere die im Sozialgesetzbuch V §§ 135 ff und in der verbindlichen Qualitätsmanagement-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses [3] verankerten Konzepte und Begrifflichkeiten des Qualitätsmanagements berücksichtigt werden.


Methodik

Die Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen e.V. (GQMG) ist die nationale medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für den Bereich Qualitätsmanagement und korporatives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft medizinisch-wissenschaftlicher Fachgesellschaften (AWMF). Der Vorstand der GQMG hat die Arbeitsgruppe Qualitätsmanagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der GQMG mit der Entwicklung eines Lernzielkataloges für das Medizinstudium beauftragt. Dieser Auftrag wurde von der achtköpfigen Arbeitsgruppe beginnend September 2021 bearbeitet. Alle acht Mitglieder der interprofessionellen Projektgruppe besitzen langjährige Projekterfahrung im Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen; dies beinhaltet Lehrtätigkeiten an Hochschulen im Bereich des Qualitätsmanagements, Consulting im klinischen Risikomanagement und im allgemeinen Qualitätsmanagement, klinisch-ärztliche Tätigkeit sowie Tätigkeit und/oder Ausbildung als klinische Qualitätsmanagement-Beauftragte.

Es wurde eine ausführliche Literaturreche, Synthese sowie eine kommunikative Validierung der Ergebnisse durchgeführt. Zur Synthese von zentralen kompetenzbasierten Lernzielen wurden zunächst die gesetzlich verbindlichen Dokumente und fachspezifische Publikationen zum Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung zugrunde gelegt und in einer kritischen Zusammenschau ausgewertet: Sozialgesetzbuch V (§§ 135 ff); Patientenrechtegesetz, Qualitätsmanagementrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses [3]; Kursbuch Ärztliches Qualitätsmanagement der Bundesärztekammer [4]; die Deutsche Norm DIN EN 15224 Qualitätsmanagementsysteme für die Gesundheitsversorgung [5] sowie den Katalog Begriffe und Konzepte des Qualitätsmanagements der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS) und der GQMG [6]. Eine erste Aufstellung von Elementen, die von der AG als fundamental bewertet wurden, wurde anschließend mit vorliegenden einschlägigen Textbooks [7], [8] bzw. weiterer vorliegender Literatur [9], [10] abgeglichen. Des Weiteren wurde unter den Suchbegriffen „quality management“ in Kombination mit „medical students“, „medical education“, „medical curriculum“, „medical/clinical learning objectives“ in PubMed und Google nach weiteren relevanten Veröffentlichungen unter Berücksichtigung von Fachliteratur recherchiert.

Damit wurde die relevante Kernliteratur berücksichtigt, die den aktuellen Stand zum Qualitätsmanagement abbildet, gesetzlich verankert und in den Fachgesellschaften des Qualitätsmanagements konsentiert ist sowie den Stand der Wissenschaft zum Thema abbildet. Insbesondere ist in Bezug auf „einrichtungsinternes Qualitätsmanagement“ gemäß Sozialgesetzbuch V die entsprechende Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses [3] leitend. Darüber hinaus wurden zur Erläuterung Begriffe benannt, die im ärztlichen Qualitätsmanagement weithin gebräuchlich sind, und die sich in der Lehrerfahrung der AG-Mitglieder als nützlich für Vermittlung und ggf. Vertiefung der Lehrinhalte erwiesen haben. In die Arbeit gingen auch Erfahrungen ein, die bei der Durchführung eines Wahlfachs „Einführung in das Qualitätsmanagement in der Medizin“ seit 2019 an der Medizinischen Fakultät der LMU München gesammelt worden sind.

Auf Basis der final eingeschlossenen Literatur und der erfahrungsbasierten Befunde wurden entsprechende operationalisierte, kompetenzbasierte Lernziele formuliert. Es wurden grundsätzliche Kompetenzen und spezifische Subkompetenzziele entwickelt und synthetisiert. Hierbei wurde eine Formulierung der Kompetenzen dem Hochschulqualifikationsrahmen der Kulturministerkonferenz von 2017 angelehnt und bezieht sich im Kern auf die Lernzieltaxonomie nach Bloom. Für den Großteil der Lernziele wird die Kompetenzstufe „Handlungs- und Begründungswissen“ angesetzt, entsprechend Level 2 nach NKLM-Terminologie (Sachverhalte und Zusammenhänge erklären, in den klinisch-wissenschaftlichen Kontext einordnen und datenbasiert bewerten) [https://nklm.de/zend/menu]. Für eine begrenzte Zahl von Zielen wurde eine Handlungskompetenz unter Anleitung angestrebt (entsprechend 3 a). Die Kompetenzstufen werden im Katalog durch Verben nach Bloom entsprechend kategorisiert.

Bei der Erarbeitung wurde angestrebt, eine pragmatische Balance zwischen Mindestanforderungen und Umfang zu gewährleisten.

Ein Ausgangsentwurf des auf diese Weise erstellten Lernzielkataloges wurde in mehreren strukturierten Videokonferenzen und anhand von zirkulierten Kommentierungslisten in der AG kommunikativ validiert, weiterentwickelt und schließlich konsentiert. Es folgte eine Bewertung und Kommentierung des Arbeitsdokumentes durch den Vorstand der GQMG, was zu der eingereichten Publikationsfassung führte.


Ergebnisse

Im Konsens der Arbeitsgruppe konnte ein kompetenzbasierter Lernzielkatalog mit sechs grundsätzlichen Kompetenzzielen und 10 spezifischen Kompetenzzielen des ärztlichen Qualitätsmanagements entwickelt werden.

Die sechs grundsätzlichen Kompetenzziele beziehen sich auf die (1) organisatorischen Maßnahmen zur Verbesserung und dem Erhalt des Behandlungserfolgs sowie der Patientensicherheit. Das (2) ärztliche Qualitätsmanagement wird als zentrale Führungsaufgabe gesehen, die (3) die interprofessionellen Kontexte von Qualitätsmanagement in der (medizinischen) Gesundheitsversorgung und die damit verbundenen Verantwortlichkeiten berücksichtigt. Die (4) Anwendung von Arbeitsweisen (und Werkzeuge) des Qualitätsmanagements sowie zur Zielerreichung in einer medizinischen Einrichtung steht ebenso im Fokus wie (5) die Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements in einer medizinischen Einrichtung. Vor diesem Hintergrund ist eine entsprechende (6) Haltung, Verantwortung und Reflexion, verbunden mit einem respektvollen, positiven Menschenbild zu erzielen.

Die grundsätzlichen Kompetenzziele bilden einen umfassenden Rahmen, der durch die spezifischen Kompetenzziele weiter konkretisiert und durch exemplarische Grundbegriffe sowie Beispiele detailliert gestaltbar wird (vgl. Anhang 1 [Anh. 1]). Die spezifischen Kompetenzziele umfassen die Grundbegriffe des Qualitätsmanagements, Anwendungsgebiete des Qualitätsmanagements, Institutionen, Regularien (gesetzliche, nicht-gesetzliche) und Normen, Prozessmanagement, Dokumentenmanagement, evidenzbasierte Entscheidungsunterstützung, Kompetenzmanagement und Kommunikation, Fehlermanagement sowie klinisches Risikomanagement und Qualitätsverbesserung. Entsprechend reichen die Werkzeuge, die vermittelt werden sollen, von unmittelbar patientennahen Qualitätsmanagementinstrumenten (wie Lern- und Berichtssysteme), über Prozesse auf Stationsebene (wie z.B. strukturierte Teambesprechungen) bis hin zu übergeordneten Verfahren der Qualitätssicherung auf Ebene der Institutionen bzw. zu gesundheitspolitischen Qualitäts-Belangen. Thematische Berührungs- und Anknüpfungspunkte mit etlichen anderen Fächern entsprechend der ärztlichen Approbationsordnung sollen erfasst werden, z. B. Medizinische Informatik, Hygiene, Rechtsmedizin.

Über die im Methodik-Teil dieses Manuskripts hinaus genannten Quellen hat unsere internetbasierte Recherche keine bereits publizierten Dokumente bzw. Kataloge erbracht, die für einen Eingang in den vorliegenden Lernzielkatalog in Frage gekommen wären.

Die Details zum vorgeschlagenen Lernzielkatalog zum Themenbereich Qualitätsmanagement und die entsprechenden Literaturquellen sind Anhang 1 [Anh. 1] zu entnehmen.


Diskussion

Mit dem vorliegenden Dokument wird ein umfassender und fundierter Katalog von grundsätzlichen und spezifischen Kompetenzzielen im Themenbereich des Qualitätsmanagements für Studierende der Medizin vorgelegt. Die GQMG empfiehlt dieses Dokument als eine Grundlage und Leitfaden für die curriculare Gestaltung der Lehre im ärztlichen Qualitätsmanagement durch die medizinischen Fakultäten. Essentiell werden dabei die in Deutschland gesetzlich verankerten Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement und an einrichtungsübergreifende Maßnahmen der Qualitätssicherung [3] in einer kohärenten Form adressiert. Der GQMG-Katalog steht im Einklang mit den Lernzielen, die in der gegenwärtig veröffentlichten Fassung des NKLM zu Modellen und Methoden des Qualitätsmanagements formuliert sind, konkretisiert sie dabei aber substantiell. Nach Kenntnisstand der Autoren und entsprechend deren Recherchen ist auch international bisher kein vergleichbarer Katalog verfügbar.

Abgebildet wird im vorgeschlagenen Katalog die Vermittlung von Basiswissen des ärztlichen Qualitätsmanagements; es ist nicht die Intention des Dokumentes, die Thematik Qualitätsmanagement in der Medizin vollumfänglich und für alle Berufsgruppen erschöpfend abzubilden. Dennoch wird der interprofessionelle Kontext explizit gemacht, da dieser der Versorgungsrealität entspricht. Das Qualitätsmanagement wird als ärztliche Führungsaufgabe vermittelt, wobei ein funktionierendes Qualitätsmanagement zwingend die sachverständige Partizipation aller im interprofessionellen Kontext der medizinischen Versorgung Tätigen erfordert. In diesem Kontext sollen von den Studierenden jedoch auch speziell Dimensionen erkannt werden, die spezifisch ärztlichen Charakter aufweisen. Hierbei ist insbesondere die systematische ärztliche Bewertung klinischer Behandlungen und Outcomes zu nennen, aber letztlich auch die ärztliche Gesamtverantwortung für eine jeweilige medizinische Einrichtung.

Die Anwendung allgemeiner Prinzipien und Verfahren des Qualitätsmanagements auf den Bereich der Patientenversorgung soll ein zielorientiertes, effizientes Gesundheitswesen ermöglichen, um mit den gegebenen Ressourcen bestmögliche Versorgung erreichen zu können. Primäre Intention ist es, den Studierenden einen praxisorientierten und niederschwelligen Zugang zu den zutiefst positiven, patienten- und mitarbeiterorientierten Prinzipien der modernen Qualitätsmanagement-Philosophie in der Medizin aufzuzeigen.

Qualitätsmanagement in der Medizin muss stets die besondere Situation ärztlichen Handelns berücksichtigen. Ärztinnen und Ärzte tragen eine hohe ethische und soziale Verantwortung. Sie sind dabei nicht zuerst dem System, sondern primär den anvertrauten Menschen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten verpflichtet. Dies stellt Ärztinnen und Ärzte bisweilen vor außerordentliche Herausforderungen, auf die sie durch angemessene Fachkenntnisse vorbereitet sein sollten.

Global existieren eine Reihe von medizinischen Lehrcurricula, die mehr oder weniger ausschließlich das Thema Patientensicherheit adressieren ohne ein übergreifendes und proaktives Qualitätsmanagement zur Fehlervermeidung umfassend abzubilden; hierbei ist insbesondere das von der WHO vorgeschlagene Curriculum zu nennen [11] im Kontext des Globalen Aktionsplans der WHO für Patientensicherheit 2021-2030 [12], der von der GMA formulierte Lernzielkatalog Patientensicherheit [13], sowie der vom Aktionsbündnis Patientensicherheit vorliegende Katalog [14]. Ein akzeptables Niveau von Patientensicherheit ist ohne beherrschte Prozesse auf Einrichtungsebene und ohne effektives Qualitätsmanagement jedoch kaum vorstellbar. Entsprechend sind spezifische Patientensicherheitscurricula ergänzend zum umfassenden Scope von Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen zu betrachten.

Darüber hinaus ist für Medizinstudierende, die auf der Basis des GQMG-Kataloges Basiswissen und Kompetenzen zu Qualitätsmanagement erworben haben, die Weiterbildungsfähigkeit nach der ärztlichen Approbation sichergestellt - insbesondere im Hinblick auf das Curriculum der Bundesärztekammer zur Zusatzbezeichnung Ärztliches Qualitätsmanagement [4].

Der hier vorliegende Lernzielkatalog umfasst noch keine Empfehlungen zur Umsetzung auf der Ebene der Lehr-Lernangebote; die Entwicklung von praktischen Lehrkonzepten in dieser Thematik ist als nächster Schritt anzusehen, welcher in die weitere Arbeit der GQMG-AG aufgenommen wird. Darüber hinaus sind die Autoren der Meinung, dass Aufbau und Umsetzung von Lehr-Lernformaten zum ärztlichen Qualitätsmanagement von Forschungsaktivitäten begleitet werden sollte, um Ausgangssituation und Erfolge objektivieren zu können (vgl. [15]). Auch dies soll Gegenstand der weiteren Arbeit der AG sein.

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess ist ein wesentliches Grundmotiv des Qualitätsmanagements, das selbstverständlich auch für den GQMG-Katalog – wie auch für den NKLM – zu gelten hat. Entsprechend lädt die GQMG alle interessierten Kreise zur gemeinsamen Weiterentwicklung des Kataloges sowie zur Begleitung der weiteren Aktivitäten der AG ein.


Schlussfolgerung

Der GQMG-Lernzielkatalog kann als Grundlage die medizinischen Fakultäten bei der Entwicklung von Lehr-Lernangeboten in diesem Themenbereich mit einem gut strukturierten Themenraster des ärztlichen Qualitätsmanagements im Medizinstudium unterstützen. Er kann zudem als Anregung für die Weiterentwicklung des NKLM/IMPP-Lernzielkataloges dienen.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Plsek PE, Greenhalgh T. Complexity science: The challenge of complexity in health care. BMJ. 2001;323(7313):625-628. DOI: 10.1136/bmj.323.7313.625 Externer Link
2.
Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP). GK 1.1 Kompetenzorientierter Gegegenstandskatalog Medizin aktualisiert. Mainz: IMPP; 2021. Zugänglich unter/available from: https://www.impp.de/informationen/kompetenzorientierte-gegenstandskataloge.html Externer Link
3.
Gemeinsamer Bundesausschuss. Qualitätsmanagement-Richtlinie. Richtlinie über grundsätzliche Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren, Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte sowie zugelassene Krankenhäuser – QM-RL. Berlin: Gemeinsamer Bundesausschuss; 2020. Zugänglich unter/available from: https://www.g-ba.de/richtlinien/87/ Externer Link
4.
Bundesärztekammer. (Muster) Kursbuch Ärztliches Qualitätsmanagement. 5. Auflage. Berlin: Bundesärztekammer; 2019. Zugänglich unter/available from: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Weiterbildung/aerztliches_Qualitaetsmanagement.pdf Externer Link
5.
Deutsches Institut für Normung. DIN EN 15224 – Qualitätsmanagementsysteme – EN ISO 9001:2015 für die Gesundheitsversorgung. Deutsche Fassung EN 15224:2016. Zugänglich unter/available from: https://www.dekra.de/de/din-en-15224-zertifizierung?gclid=EAIaIQobChMIwfLY2LuU-wIV1ZBoCR31ZwwhEAAYAiAAEgLl0fD_BwE Externer Link
6.
Sens B, Pietsch B, Fischer B, Hart D, Kahla-Witsch HA, von Friedrichs V, Nothacker M, Schneider K, Paschen U, Rath S, Rode S, Schrappe M. Begriffe und Konzepte des Qualitätsmanagements – 4. Auflage. GMS Med Inform Biom Epidemiol. 2018;14(1):Doc04. DOI: 10.3205/mibe000182 Externer Link
7.
Ertl-Wagner B, Steinbrucker S, Wagner BC. Qualitätsmanagement und Zertifizierung. 2nd Edition. Berlin: Springer-Verlag; 2013. DOI: 10.1007/978-3-642-25316-4 Externer Link
8.
Kuntsche P, Börchers K. Qualitäts- und Risikomanagement im Gesundheitswesen: Basis- und integrierte Systeme, Managementsystemübersichten und praktische Umsetzung. Berlin: Springer-Gabler; 2017. DOI: 10.1007/978-3-642-55185-7 Externer Link
9.
Rückher J, Matthias K, Gawelda T, Pietsch P. Plan – Do – Check – Act? Stand der Evaluation von Qualitätssicherungs-Richtlinien des G-BA. Gesundheit Sozialpolitik. 2020;74(4-5):93-101. DOI: 10.5771/1611-5821-2020-4-5-93 Externer Link
10.
Haeske-Seeberg H. Leitfaden Qualitätsmanagement im Krankenhaus. Umsetzungshinweise entlang der Qualitätsmanagement-Richtlinie des G-BA. Stuttgart: Kohlhammer; 2022.
11.
World Health Organization. WHO Patient Safety Curriculum Guide for Medical Schools. Geneva: WHO; 2009. Zugänglich unter/available from: https://apps.who.int/iris/handle/10665/44091 Externer Link
12.
World Health Organization. Global patient safety action plan 2021–2030. Geneva: WHO; 2021. Zugänglich unter/available from: https://www.who.int/publications/i/item/9789240032705 Externer Link
13.
Kiesewetter J, Gutmann J, Drossard S, Gurrea Salas D, Prodinger W, Mc Dermott F, Urban B, Staender S, Baschnegger H, Hoffmann G, Hübsch G, Scholz C, Meier A, Wegscheider M, Hoffmann N, Ohlenbusch-Harke T, Keil S, Schirlo C, Kühne-Eversmann L, Heitzmann N, Busemann A, Koechel A, Manser T, Welbergen L, Kiesewetter I. The Learning Objective Catalogue for Patient Safety in Undergraduate Medical Education--A Position Statement of the Committee for Patient Safety and Error Management of the German Association for Medical Education. GMS J Med Educ. 2016;33(1):Doc10. DOI: 10.3205/zma001009 Externer Link
14.
Aktionsbündnis Patientensicherheit. Wege zur Patientensicherheit – Lernzielkatalog für Kompetenzen in der Patientensicherheit. Berlin: Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.; 2022. Zugänglich unter/available from: https://www.aps-ev.de/hempfehlungen/aps-lernzielkatalog/ Externer Link
15.
Carruthers S, Lawton R, Sandars J, Howe A, Perry M. Attitudes to patient safety amongst medical students and tutors: Developing a reliable and valid measure. Med Teach. 2009;31(8):e370-e376. DOI: 10.1080/01421590802650142. Externer Link