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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Initiativen zur Förderung von Lehre zu Planetary Health in Deutschland: Ein aktueller Überblick

Artikel Klimalehre in Deutschland

  • corresponding author Eva-Maria Schwienhorst-Stich - Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland; Universität Würzburg, Lehrklinik der Medizinischen Fakultät & Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Medizinische Lehre und Ausbildungsforschung, Würzburg, Deutschland
  • author Katharina Wabnitz - Ludwig-Maximilians-Universität München, Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE), München, Deutschland; Centre for Planetary Health Policy (CPHP), Berlin, Deutschland
  • author Eva Geck - Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Sophie Gepp - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland; Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), Berlin, Deutschland
  • author Laura Jung - Universitätsklinikum Leipzig, Infektions- und Tropenmedizin, Leipzig, Deutschland
  • author Anna Mumm - Universität Ulm, Ulm, Deutschland
  • author Jörg Schmid - Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • author Anne Simmenroth - Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • author Johanna Simon - Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Michael Eichinger - Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim, Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit, Mannheim, Deutschland; Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Mainz, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(3):Doc38

doi: 10.3205/zma001620, urn:nbn:de:0183-zma0016200

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001620.shtml

Eingereicht: 17. Januar 2022
Überarbeitet: 8. August 2022
Angenommen: 23. November 2022
Veröffentlicht: 15. Mai 2023

© 2023 Schwienhorst-Stich et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Lehre zu Planetary Health befasst sich mit den Zusammenhängen zwischen der Klima- und Umweltkrise und der menschlichen Gesundheit. Mit Fortschreiten der Krise mehren sich die Rufe nach flächendeckender Integration von Lehre zu Planetary Health in die Aus-, Weiter- und Fortbildung aller Gesundheitsberufe. Die flächendeckende Integration wird seit 2019 durch mehrere bundesweite Initiativen unterstützt, die im folgenden Kommentar exemplarisch vorgestellt werden:

1. AG Planetary Health Lehre,
2. Leitfaden für Lehrangebote zu Planetary Health,
3. Themen- und Fachkatalog Planetare und Globale Gesundheit im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin,
4. AG Klima, Umwelt und gesundheitliche Folgenabschätzung am Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen,
5. Planetary Health Report Card und
6. PlanetMedEd Studie: Lehre zu Planetary Health an Medizinischen Fakultäten in Deutschland.

Die bundesweiten Initiativen sollen einen Beitrag zu standortübergreifender Zusammenarbeit, interprofessioneller Ausrichtung und rascher Implementierung von Lehre zu Planetary Health leisten.

Schlüsselwörter: planetare Gesundheit, Lehre zu Planetary Health, Klimawandel, nachhaltiges Gesundheitswesen, transformative Lehre


Einleitung

Lehre zu Planetary Health befasst sich mit den Zusammenhängen zwischen der Klimakrise, Umweltveränderungen und der menschlichen Gesundheit [1]. Da Gesundheitsfachkräfte einen wichtigen Beitrag zu Klima- und Umweltschutz und Klimafolgenanpassung leisten können, mehren sich die Rufe nach flächendeckender Integration der Themen in die Aus-, Weiter- und Fortbildung [2], [3], [4], [5], [6], [7], zudem zeigen erste Studien die Bedarfe von Studierenden [8]. Vor diesem Hintergrund wurden in Deutschland seit 2019 mehrere Initiativen gestartet, die die Entwicklung von Lehrangeboten zu Planetary Health unterstützen sollen. Dieser Kommentar gibt einen Überblick über ausgewählte bundesweite Initiativen, an denen die Autor*innen beteiligt sind, gibt Hinweise zu weiterführenden Informationen und stellt Kontaktadressen bereit.


Sechs ausgewählte bundesweite Initiativen

1. AG Planetary Health Lehre

Seit Februar 2021 finden regelmäßig Online-Treffen der bundesweiten interprofessionellen AG statt, die von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG e.V.) und von Health for Future getragen wird. Die AG bietet eine Austauschplattform für alle Menschen in Gesundheitsberufen, die an Lehre zu Planetary Health interessiert sind. Schwerpunktthemen waren bisher u.a. die Vorstellung von adaptierbaren Unterrichtsmaterialien und Wahl(pflicht)fächern sowie Journal Clubs. Parallel zu den AG-Treffen wird die WeChange-Plattform zur Sammlung von Materialien und zur Vernetzung genutzt.

Anmeldung zum E-Mail-Verteiler: [https://www.klimawandel-gesundheit.de/ag-lehre-mailingliste/]
Anmeldung zur WeChange-Plattform: [https://wechange.de/project/ag-planetary-health-lehre/]

2. Leitfaden für Lehrangebote zu Planetary Health

Im Rahmen der AG Planetary Health Lehre entstand 2021 ein Leitfaden, der auf rund 50 Seiten wichtige Hintergrundinformationen, didaktische Grundsätze, Anwendungsbeispiele und weiterführende Literatur für Lehrangebote zu Planetary Health in medizinischen und gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen bereitstellt. Der Leitfaden richtet sich gleichermaßen an Lehrverantwortliche und Studierende, die sich in der Lehre engagieren. Durch praxisnahe Inhalte soll die flächendeckende Integration von Lehrangeboten an Universitäten und Hochschulen erleichtert werden. Im Leitfaden werden beispielsweise Möglichkeiten beschrieben, wie Inhalte der Planetary Health Academy von KLUG [9] (z.B. Folien, Videoaufzeichnungen der Vorlesungen) in der eigenen Lehre oder zur Fortbildung von Lehrenden verwendet werden können [https://planetary-health-academy.de/]. Der Leitfaden steht in der jeweils aktuellen Version online zur Verfügung [10].

3. Kapitelübergreifender Themen- und Fachkatalog Planetare und Globale Gesundheit im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM)

Im Zuge der Weiterentwicklung des NKLM [https://www.nklm.de] wurde zwischen 2019-2021 der optionale Zusatzkatalog Planetare und Globale Gesundheit entwickelt [11]. Er umfasst klinische Kompetenzen zur Klimafolgenanpassung und zur klimasensiblen Gesundheitsberatung ebenso wie Fertigkeiten, die Ärzt*innen bei der Initiierung und Umsetzung klima- und nachhaltigkeitswirksamer Veränderungsprozesse außerhalb der Patient*innenversorgung unterstützen. Um die Integration von Lehre zu Planetary Health in allen Bereichen des Medizinstudiums zu erleichtern, enthält der Themen- und Fachkatalog umfangreiche Querverweise zu anderen Kapiteln des NKLM. Der Katalog kann u.a. für die Entwicklung von longitudinalen Curricula und Vertiefungsbereichen genutzt werden, wie sie in der neuen Ärztlichen Approbationsordnung angedacht sind.

4. AG Klima, Umwelt und gesundheitliche Folgenabschätzung am Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP)

Im Januar 2021 nahm die aus externen Expert*innen zusammengesetzte AG am Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) ihre Arbeit auf. Die interprofessionelle AG ergänzt den Gegenstandskatalog um Aspekte zu Planetary Health, sodass diese in den vom IMPP verantworteten Staatsexamina für Human- und Zahnmedizin, Pharmazie sowie Psychotherapie perspektivisch Berücksichtigung finden.

5. Planetary Health Report Card (PHRC)

Im Rahmen dieser internationalen Initiative bewerten Medizinstudierende ihre Fakultät anhand standardisierter Indikatoren zu Planetary Health, die folgenden Dimensionen zuzuordnen sind:

1.
Lehre,
2.
interdisziplinäre Forschung,
3.
kommunale Einbindung der Fakultät,
4.
Unterstützung für studentische Initiativen und
5.
Nachhaltigkeit auf dem Campus.

Während in der Vergangenheit nur medizinische Fakultäten in angelsächsischen Ländern anhand der PHRC evaluiert wurden, werden seit 2021 auch medizinische Fakultäten in Deutschland in die Bewertung einbezogen. Die Ausweitung auf andere gesundheitsbezogene Studiengänge wird aktuell durch das internationale PHRC-Team vorbereitet. Die Ergebnisse der Bewertung werden jährlich zum Earth Day online publiziert: [https://phreportcard.org/]. Kontakt für Deutschland: joergschmid@posteo.de

6. PlanetMedEd Studie: Lehre zu Planetary Health an Medizinischen Fakultäten in Deutschland

Die PlanetMedEd Studie wird seit 2021 von den Universitäten Würzburg und Heidelberg durchgeführt. Sie besteht aus drei Teilstudien und hat das Ziel, den Stand der Planetary Health Lehre an allen medizinischen Fakultäten zu dokumentieren (Teilstudie A), bundesweit den Bedarf an Lehre zu Planetary Health unter Studierenden zu erheben (Teilstudie B) sowie hinderliche und förderliche Faktoren für die Implementierung von Lehre zu Planetary Health an medizinischen Fakultäten zu untersuchen (Teilstudie C).

[https://www.med.uni-wuerzburg.de/planetaregesundheit/aktivitaeten/forschungsprojekte/]

Kontakt Teilstudie A und C: schwienhor_e@ukw.de, Teilstudie B: michael.eichinger@medma.uni-heidelberg.de


Schlussfolgerungen

Um das Wissen und das transformative Potenzial von Gesundheitsfachkräften in den Bereichen Klima- und Umweltschutz sowie Klimafolgenanpassung zu stärken, ist eine flächendeckende und zeitnahe Integration von Lehre zu Planetary Health in die Aus-, Weiter- und Fortbildung aller Gesundheitsfachkräfte notwendig. Die hier vorgestellten bundesweiten Initiativen, die auf Bedarfs- und Zustandsanalysen fokussieren sowie Vernetzung und Ressourcenentwicklung fördern, sollen Impulse zu lokaler Lehrentwicklung und standortübergreifender Zusammenarbeit geben.

Ergänzend zu den hier dargestellten Initiativen könnten weitere Ansatzpunkte die Lehrentwicklung zu Planetary Health fördern. Während viele bundesweite Initiativen derzeit auf die Humanmedizin fokussieren, könnten vergleichbare Initiativen in weiteren Berufsfeldern gefördert werden. Die Vernetzung zwischen den Initiativen könnte einen Beitrag zur interprofessionellen Zusammenarbeit leisten, die für die Bewältigung der enormen gesundheitlichen Herausforderungen durch die Klima- und Umweltkrise notwendig ist. Analog zum NKLM sollten Inhalte zu Planetary Health in weitere Rahmenwerke wie die aktualisierte Ärztliche Approbationsordnung oder die Lernzielkataloge und Ausbildungsordnungen weiterer Gesundheitsberufe aufgenommen werden. Ergänzend zur Entwicklung von Lehrinhalten für Studierende sollten Angebote geschaffen werden, damit Lehrende ihr Fachwissen zu Planetary Health und ihre didaktischen Fertigkeiten zur anwendungsbezogenen und transformativen Lehre erweitern können [2], [3], [12].


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Whitmee S, Haines A, Beyrer C, Boltz F, Capon AG, de Souza Dias BF, Ezeh A, Frumkin H, Gong P, Head P, Horton R, Mace GM, Marten R, Myers SS, Nishtar S, Osofsky SA, Pattanayak SK, Pongsiri MJ, Romanelli C, Soucat A, Vega J, Yach D. Safeguarding human health in the Anthropocene epoch: report of The Rockefeller Foundation-Lancet Commission on planetary health. Lancet. 2015;386(10007):1973-2028. DOI: 10.1016/S0140-6736(15)60901-1 Externer Link
2.
Shaw E, Walpole S, McLean M, Alvarez-Nieto C, Barna S, Bazin K, Behrens G, Chase H, Duane B, El Omrani O, Elf M, Faerron Guzmán CA, Falceto de Barros E, Gibbs TJ, Groome J, Hackett F, Harden J, Hothersall EJ, Hourihane M, Huss NM, Ikiugu M, Joury E, Leedham-Green K, MacKenzie-Shalders K, Madden DL, McKimm J, Nayna Schwerdtle P, Peters S, Redvers N, Sheffield P, Singleton J, Tun SY, Wollard R. AMEE Consensus Statement: Planetary health and education for sustainable healthcare. Med Teach. 2021;43(3):272-286. DOI: 10.1080/0142159X.2020.1860207 Externer Link
3.
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4.
Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. Positionspapier Klimawandel und Gesundheit. Berlin: bvmd; 2018. Zugänglich unter/available from: https://www.bvmd.de/fileadmin/user_upload/Grundsatzentscheidung_2018-11_Klimawandel_und_Gesundheit.pdf Externer Link
5.
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6.
Pühler W, Kettner M, Regel A, Schnicke-Sasse P, Valerius R, Wendland K, Zolg A. Beschlussprotokoll des 125. Deutschen Ärztetags: Berlin, 01.-02. November 2021. Berlin: Bundesärztetag; 2021.
7.
Schwienhorst-Stich EM, Wabnitz K, Eichinger M. Lehre zu planetarer Gesundheit: Wie Menschen in Gesundheitsberufen zu Akteur:innen des transformativen Wandels werden. In: Planetary Health - Klima, Umwelt und Gesundheit im Anthropozän. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2021. p.362.
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9.
Gepp S, Jung L, Wabnitz K, Schneider F, V Gierke F, Otto H, Hartmann S, Gemke T, Schulz C, Gabrysch S, Fast M, Schwienhorst-Stich EM. The Planetary Health Academy-a virtual lecture series for transformative education in Germany. Lancet Planetary Health. 2023;7(1):e68-e76. DOI: 10.1016/S2542-5196(22)00253-4 Externer Link
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Gepp S, Jung L, Hammelbeck J, Hornschuch M, Manderschied S, Regler H, Saß R, Schwienhorst-Stich EM, Wabnitz K. KLIMA.UMWELT.GESUNDHEIT. Ein Leitfaden für Lehrangebote zu planetarer Gesundheit. Zenodo. 2022. Zugänglich unter/available from: https://zenodo.org/record/5831579 Externer Link
11.
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12.
Simon J, Parisi S, Wabnitz K, Simmenroth A, Schwienhorst-Stich EM. Ten characteristics of high-quality planetary health education - Results from a qualitative study with educators, students as educators and study deans at medical school in Germany. Front Public Health. 2023;11:1143751. DOI: 10.3389/fpubh.2023.1143751 Externer Link