gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Klimawandel und Gesundheit in der internationalen medizinischen Ausbildung – eine narrative Übersichtsarbeit

Artikel Klimalehre international

  • author Rebecca Boekels - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland
  • author Christoph Nikendei - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland
  • author Emma Roether - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland
  • author Hans-Christoph Friederich - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland
  • corresponding author Till Johannes Bugaj - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(3):Doc37

doi: 10.3205/zma001619, urn:nbn:de:0183-zma0016192

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001619.shtml

Eingereicht: 31. März 2022
Überarbeitet: 3. November 2022
Angenommen: 23. November 2022
Veröffentlicht: 15. Mai 2023

© 2023 Boekels et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Der Klimawandel stellt eine zentrale Bedrohung für die Gesundheit der Menschen weltweit dar. Entsprechend sollte die medizinische Ausbildung zukünftige Ärzt*innen auf klimaassoziierte Gefahren und entsprechende berufliche Herausforderungen vorbereiten. Aktuell wird dies noch nicht flächendeckend umgesetzt. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, (I) das Wissen und (II) die Haltungen von Medizinstudierenden und Ärzt*innen zum Klimawandel sowie (III) die von den Medizinstudierenden formulierten Erwartungen an die medizinische Lehre darzustellen. Darüber hinaus wird anhand der verfügbaren Literatur ein Blick auf (IV) globale Lehraktivitäten gelenkt, (V) internationale Lernziele und Lernzielkataloge werden dargestellt sowie (VI) angewandte Lehrmethoden und -formate beleuchtet. Hierdurch soll die Gestaltung künftiger Lehrveranstaltung vereinfacht und – in Anbetracht der Dringlichkeit des Themas – beschleunigt werden.

Methodik: Dem Beitrag liegt eine selektive Literaturrecherche, ergänzt durch eine themengeleitete Internetsuche, zugrunde.

Ergebnisse: Das Wissen um die Ursachen und konkrete gesundheitliche Folgen des Klimawandels scheint unvollständig zu sein. Mehrheitlich betrachten Medizinstudierende die menschliche Gesundheit als durch den Klimawandel gefährdet und den Gesundheitssektor als inadäquat vorbereitet. Eine Mehrheit befragter Medizinstudierender wünscht Lehre zum Themenkomplex Klimawandel. Es zeigt sich, dass international Lehrprojekte zu Klimawandel und Klimagesundheit sowie themenspezifische Lernziele und Lernzielkataloge entwickelt und in die medizinische Ausbildung integriert wurden.

Schlussfolgerung: Es besteht der Bedarf und eine Akzeptanz für Lehre zum Klimawandel im medizinischen Curriculum. Die vorliegende Literaturübersicht kann bei der Entwicklung und Implementierung neuer Lehrformate unterstützen.

Schlüsselwörter: globale Erwärmung, medizinische Ausbildung, Gesundheitserziehung, Umwelt und Gesundheit, Klimawandel


1. Einleitung

Der Klimawandel bedroht die Gesundheit, das Wohlbefinden und das Leben unzähliger Menschen [1], [2]. Die Effekte der globalen Erwärmung auf die menschliche Gesundheit sind vielfältig: Durch Hitzewellen, Extremwetterereignisse, veränderte Luftqualität und die Veränderung von Ökosystemen kommt es einerseits zu direkten negativen Gesundheitsfolgen [3], andererseits wirkt sich der Klimawandel mit Trinkwassermangel, Fluchtbewegungen und höherem (auch gewaltsamen) Konfliktpotenzial indirekt auf die Gesundheit der Menschen aus [3]. Dabei sind besonders die ärmeren und vulnerablen Teile der Menschheit betroffen, die bereits heute durch Mangelernährung, Extremwetterereignisse oder den Meeresspiegelanstieg gefährdet werden [3].

Mit den resultierenden Gesundheitsproblemen werden die Gesundheitssysteme weltweit konfrontiert, weshalb für Mediziner*innen die dringende Notwendigkeit und Verantwortung besteht, sich diesbezüglich weiterzubilden. Ihre Verantwortung umfasst mindestens vier Ebenen: Als Ärzt*innen müssen sie zur Erkennung, Prävention und Behandlung von sog. klimasensitiven und klimainduzierten Erkrankungen [4] in der Lage sein, als Wissenschaftler*innen zudem die dafür relevanten medizinischen Daten erfassen, aufarbeiten und deuten können. Ebenso ist es notwendig, auf institutioneller Ebene den Treibhausgas (THG)-Ausstoß zu begrenzen (Mitigation) und durch Anpassungsmaßnahmen die Folgen des Klimawandels abzumildern (Adaptation) [3]. Einen weiteren Bereich stellt die zentrale Rolle von Ärztinnen bei der Herbeiführung einer gesellschaftlichen Transformation dar: Das ihnen entgegengebrachte Vertrauen bzw. ihr sozialer Status [5] befähigen sie dazu, führend bei der Bekämpfung des Klimawandels zu werden [5], als gesellschaftliche Vorbilder zu dienen und einen Wandel in Wirtschaft, Politik und Lehre mit anzustoßen [6]. Auf diese Aufgaben muss das ärztliche Personal [4] adäquat vorbereitet werden. Eine an den Erfordernissen des Klimawandels orientierte Lehre ist daher unabdingbar [7]. Trotzdem ist die Lehre zum Klimawandel bis heute längst nicht an jeder medizinischen Fakultät etabliert. Um dringend benötigte Lehrveranstaltungen zur Klimagesundheit an der eigenen Fakultät zu implementieren, sollten die folgenden Punkte bedacht werden:

  • Das Wissen und die Haltung der Medizinstudierenden zum Klimawandel sollten ebenso wie deren diesbezügliche Erwartungen bekannt sein, um die Lehre auf den tatsächlichen Bedarf der Zielgruppe abzustimmen.
  • Des Weiteren ist das Wissen über Pilotprojekte, bereits etablierte Lehrveranstaltungen oder veröffentlichte Lernzielkataloge hilfreich, um von dieser Vorarbeit zu profitieren.
  • Außerdem sollten an die Inhalte angepasste adäquate Lehrmethoden verwendet werden.

All diese Punkte wurden bereits in internationalen Veröffentlichungen adressiert, deren Ergebnisse im Fokus dieser Übersichtsarbeit stehen.


2. Methoden

2.1. Zielsetzung

Ziel dieses Reviews ist es, den Stand der internationalen medizinischen Ausbildung zu Klimawandel und Gesundheit darzustellen. Hierzu werden Erkenntnisse über Vorwissen, Haltung und Erwartungen Medizinstudierender zum Thema Klimawandel und Klimalehre gesammelt. Es werden aktuelle Lehraktivitäten betrachtet und mögliche Inhalte und Gestaltungsmöglichkeiten von spezifischen Lehrveranstaltungen aufgezeigt.

2.2. Methodisches Vorgehen

Für die Literaturrecherche wurde ein dreistufiges Vorgehen verfolgt. Zunächst wurden Bereiche identifiziert, auf die sich die Untersuchung konzentrieren sollte: Dies umfasste (I) das Wissen, (II) die Haltungen von Medizinstudierenden und Ärzt*innen sowie verwandter Disziplinen zum Klimawandel und (III) die Erwartungen von Medizinstudierenden in Bezug auf die medizinische Lehre, (IV) eine globale Darstellung bestehender Lehraktivitäten, (V) formulierter Lernziele sowie (VI) angewandter Methoden und Formate in der Lehre klimabezogener Inhalte. Die Suche nach relevanten Publikationen erfolgte im April 2021 in den Datenbanken PubMed und Google Scholar. Die Suchstrategie wird in Abbildung 1 [Abb. 1] vorgestellt. Im Anschluss an diese orientierende Suche wurde eine zweite, tiefergehende Suche durchgeführt, die die Referenzen passender Artikel umfasste. Der Fokus lag hierbei auf Veröffentlichungen, die sich mit der Lehre von Inhalten zum Klimawandel in der humanmedizinischen Ausbildung beschäftigten. Schließlich wurden die ermittelten Artikel geprüft und ausgearbeitet, auf deren Grundlage diese narrative Übersichtsarbeit verfasst wurde.


3. Zielgruppenanalyse: Wissen und Haltungen zum Klimawandel sowie Erwartungen zur Klimalehre

3.1. Wissen Medizinstudierender zum Klimawandel und Informationsquellen

In einer Studie unter deutschen Medizinstudierenden im Praktischen Jahr bejahten 72% der Befragten die Aussage, der Klimawandel sei fast vollständig menschengemacht [8], was den aktuellen wissenschaftlichen Konsens in der Klimaforschung darstellt [9], wobei die Gründe für die Abweichung der übrigen 28% nicht weiter untersucht wurden [8]. In einer interprofessionellen Studie aus den USA wurden u.a. Medizinstudierende der Yale Universität zu ihrem Wissen und ihrer Haltung gegenüber dem Klimawandel befragt. 57% der Teilnehmer*innen – bestehend aus Medizinstudierenden, Pflegestudierenden und Arzthelfer*innen in Ausbildung – unterschätzten den vom US-amerikanischen Gesundheitssektor emittierten Treibhausgasanteil [10]. Eine chinesische Studie untersuchte Studierende mehrerer Professionen und erhob ihr Wissen zum Klimawandel [11]. Die verwendeten Fragen umfassten u.a. die Verantwortung des Menschen für den Klimawandel, den Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre sowie den Temperaturanstieg der Erde. Die Fragen wurden von 60% der Studierenden richtig beantwortet. Es zeigte sich weiterhin, dass mit 79% eine Mehrheit der Befragten den Menschen für hauptverantwortlich am Klimawandel hielt [11]. Ebenso gaben drei Viertel der befragten Medizinstudierenden an, es habe innerhalb der letzten 250 Jahre einen globalen CO2-Anstieg in der Atmosphäre gegeben [11]. Einzelne direkte Gesundheitsfolgen des Klimawandels, beispielsweise schlechtere Luftqualität oder Hitzestress, wurden jeweils von 84-94% der Befragten erkannt, jedoch identifizierten nur wenige Mangelernährung und psychische Erkrankungen als mögliche indirekte Folgen des Klimawandels [11]. Ein weiterer Artikel aus China gibt Aufschluss über die von Medizinstudierenden verwendeten Informationsquellen. Das Internet wurde am häufigsten als Quelle für Informationen zur Klimakrise genannt, an zweiter Stelle folgten Fernsehen und Radio [12]. Das Lehrpersonal wurde am dritthäufigsten als Informationsquelle angegeben [12]. Ähnlich zeigt eine Umfrage unter äthiopischen Medizinstudierenden sowie Studierenden anderer Gesundheitsfächer, dass diese elektronische Massenmedien als Hauptquelle für Informationen zum Klimawandel nutzen [13]. Fast 80% der chinesischen Medizinstudierenden sowie die Mehrheit der äthiopischen Studierenden gaben dennoch an, ihnen fehle für den Umgang mit Gesundheitsrisiken des Klimawandels notwendiges Wissen [12], [13]. Dies führten 90% der äthiopischen Studierenden auf ihre Ausbildung zurück. Zum relevanten Wissen gehört beispielsweise die Kenntnis besonders schutzbedürftiger Gruppen. Zwar erkannten die chinesischen Medizinstudierenden einen großen Teil der relevanten Risikogruppen – so etwa Senior*innen, Kinder, unter freiem Himmel Arbeitende, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und in bestimmten geografischen Regionen lebende Menschen – weniger oft wurden allerdings Personen mit geringerem sozioökonomischen Status als vulnerable Bevölkerungsgruppe identifiziert [12].

3.2. Wissen von Ärzt*innen zum Klimawandel und Informationsquellen

Auch die Erfassung des aktuellen Wissensstandes zum Klimawandel von bereits approbierten Mediziner*innen ist aufschlussreich, um abzuleiten, von welchen Lehrangeboten Medizinstudierende – als Ärzt*innen von morgen – profitieren könnten. So befragte die American Thoracic Society (ATS) 2015 und 2016 ihre internationalen Mitglieder hinsichtlich ihres Wissens zu den Verbindungen von Klimawandel und Gesundheit. 2015 stimmten dabei 89% der Ärzt*innen der Aussage zu, die globale Temperatur sei in der Vergangenheit angestiegen, werde weiter steigen und das Weltklima verändern. Als Ursache für diese Veränderungen sahen 68% den Menschen [14]. Ein Jahr später hielten 96% der Befragten den globalen Temperaturanstieg für real, dieses Mal wurde der Mensch von 70% der Befragten verantwortlich gemacht [15]. Neben der bloßen Anerkennung des Klimawandels ist weitergehendes Wissen über seine Ursachen und Auswirkungen für Ärzt*innen sehr relevant. Nur 54% der Antwortenden bezeichneten sich 2015 als ziemlich oder sehr gut über den Klimawandel unterrichtet. 6% der Befragten gaben an, gar nicht informiert zu sein [14]. Dieses mangelnde Wissen wurde vielfach auch als Hindernis in der Kommunikation mit Patient*innen wahrgenommen: Neben Zeitmangel gaben 45% der Ärzt*innen als Problem an, dass sie nicht wüssten, wie sie die Gesundheitsfolgen des Klimawandels mit ihren Patient*innen besprechen sollten [15]. Als vertrauenswürdige Informationsquelle wurde von 40% der Mediziner*innen einer der Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) benannt [14], ein Jahr später gab dies etwa die Hälfte der Antwortenden an [15].

Eine besonders mit den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels konfrontierte Gruppe sind Landärzt*innen. 2014 wurde daher in Australien eine Befragung der auf dem Land tätigen Ärzt*innen durchgeführt. Unter ihnen hielten 71% den Klimawandel für real, 66% führten ihn auf Treibhausgas-Emissionen zurück [16].

3.3. Haltungen Medizinstudierender zum Klimawandel

Die Mehrheit deutscher Medizinstudierender sah sich in einer Studie von 2021 in einer Vorbildfunktion bezüglich des Klimawandels, während weniger als die Hälfte der Antwortenden angab, eine besondere soziale Verantwortung, eine informierende oder edukative Rolle wahrzunehmen [8]. Unter Medizinstudierenden der Yale-Universität gaben 93% an, sich um die Gesundheitsfolgen des Klimawandels zu sorgen [10]. Mit 88% der Befragten fühlte die Mehrheit sich verantwortlich, ressourcen- und umweltschonend zu arbeiten [10]. 60% der Medizinstudierenden empfanden es als wichtig, den Klimawandel zu verstehen, um Patient*innen helfen zu können. Unter weiblichen Studierenden war die Zustimmung zu der entsprechenden Aussage höher. Mit knapp 70% empfand eine Mehrheit es als einen Aspekt der ärztlichen Aufgaben, die Patient*innen und die Öffentlichkeit über den Klimawandel zu informieren [10]. Dies kontrastiert die Ergebnisse der deutschen Studie, in der nur 40% der Studierenden die Ärzteschaft in einer edukativen Rolle sahen [8]. Eine weitere Erhebung wurde landesweit unter Medizinstudierenden und Studierenden aus Public Health und Pflege in China durchgeführt: Mehr als 80% der von Yang et al. befragten Student*innen erwarteten negative Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit [11]. 65% der Antwortenden hielten ihn für kontrollierbar [11]. Mit 96% bzw. 94% stimmte eine große Mehrheit zu, der Klimawandel werde sich negativ auf China bzw. die Welt auswirken [11]. Eine weitere Studie an chinesischen Medizinstudierenden zeigte, dass etwa die Hälfte der Befragten den Gesundheitssektor nicht für ausreichend vorbereitet auf den Klimawandel hielt, obwohl 90% der Teilnehmenden die Behandlung der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels als ihre Aufgabe betrachteten [12].

3.4. Haltungen von Ärzt*innen zum Klimawandel

Da die Zahl der auf Medizinstudierende fokussierten Studien klein ist, sollen auch hier vergleichend die Haltungen bereits approbierter Mediziner*innen betrachtet werden. Im Rahmen der ATS-Studien 2015 und 2016 wurden Mediziner*innen verschiedener Disziplinen befragt [14], [15]. Verglichen mit den Medizinstudierenden der Universität Yale äußerten sie mit 65% häufiger, dass der Klimawandel relevant für die Patient*innenversorgung sei und die Gesundheit ihrer Patient*innen bereits jetzt beeinflusse [14]. Knapp 80% der befragten Ärzt*innen sahen sich verantwortlich, ihren Patient*innen die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels nahezubringen. Ebenso viele Befragte stimmten zu, dass diese Aufgabe sich auch auf die Bevölkerung erstrecke [14], [15]. Unter den von Purcell et al. untersuchten Landärzt*innen sahen sich 2014 mehr Ärzt*innen in einer edukativen Rolle für generelle Gesundheitsaufklärung. Mit 65% hielten deutlich weniger Befragte auch die Aufklärung der Patient*innen über den Klimawandel und die Gesundheit für wichtig. Dies korrelierte mit dem Alter, da vor allem Ärzt*innen unter 55 Jahre dies als ihre Aufgabe wahrnahmen [16].

3.5. Haltung von Medizinstudierenden zur Integration von Lehrinhalten der planetaren Gesundheit in das Curriculum

In den meisten identifizierten Studien zeigt sich eine Mehrheit der Medizinstudierenden positiv gegenüber der Einführung von Lehrveranstaltungen und -inhalten zum Klimawandel eingestellt: Für die USA zeigten Ryan et al., dass knapp 60% der befragten Medizinstudierenden eine Integration dieses Themenkomplexes in ihr Curriculum wünschten [10]. Allerdings empfanden 30% ihr Studium bereits ohne diese neuen Inhalte als ausreichend zeitintensiv [10]. Ausdrücklich abgelehnt wurde die diesbezügliche Lehre von 17% der Medizinstudent*innen [10]. Ein ähnliches Bild zeigt eine der beiden bereits genannten Studien an chinesischen Universitäten: Als Grund für einen Mangel notwendigen Wissens zum Klimawandel wurde am häufigsten das Fehlen eines theoretischen Überbaus genannt, als zweithäufigste Ursache mangelnde Lehre [12]. Die überwiegende Mehrheit der Student*innen – je nach Studiengang zwischen 70-80% – wünschten Inhalte zum Klimawandel in ihrem Curriculum [12].

3.6 Durch Studierende wahrgenommene Erfordernisse in der Lehre nicht-medizinischer Professionen

Aufgrund der sehr begrenzten Anzahl von Studien zum Wunsch nach einer Thematisierung des Klimawandels im humanmedizinischen Curriculum empfiehlt sich auch die Betrachtung von Untersuchungen in anderen Gesundheitsprofessionen. In vier europäischen Ländern wurden 2014 Pflegeauszubildende befragt, ob sie eine Integration von Veranstaltungen zum Klimawandel in ihr Curriculum wünschten. Die deutschen Pflegeauszubildenden stimmten signifikant häufiger als solche aus dem Vereinigten Königreich zu [17]. Auch in verschiedenen arabischen Ländern zeigte sich 2016, dass die Pflegestudierenden den Themenkomplexen Klimawandel und Nachhaltigkeit gegenüber positiv eingestellt sind [18].


4. Lehrveranstaltungen und geeignete Lernziele weltweit

4.1. Status Quo der weltweiten Klimalehre

Vielerorts wurden bereits Lehrveranstaltungen zum Klimawandel in Form von Pilotprojekten durchgeführt oder dauerhaft in die medizinische Ausbildung implementiert. Eine Befragung der Mitglieder der International Federation of Medical Students Associations (IFSMA) im Jahr 2019 zeigte, dass 73 von 107 Ländern Unterricht zum Thema Klimawandel in die nationalen Curricula integriert hatten [19]. Vier Monate später wurde an 2817 medizinische Hochschulen in 108 Ländern erhoben, ob diese das Thema Klimawandel und Gesundheit bereits in ihre Curricula integriert hatten. Dies gaben 414 – knapp 15% – der Hochschulen an [19]. An 12% der Hochschulen existierten neben dem offiziellen Curriculum studentisch geleitete Lehrveranstaltungen [19]. Eine auf andere Gesundheitsprofessionen ausgeweitete globale Datenerhebung erfolgte 2017-2018 durch Shea et al. Es zeigte sich, dass 53 der 84 (63%) antwortenden Institutionen curriculare Veranstaltungen zum Klimawandel anboten. Davon stammten 37 Institutionen aus dem Bereich Public Health oder Gesundheitswissenschaften, zwölf aus der Medizin und vier aus der Pflege [20].

Eine Studie, welche methodisch der partizipativen Aktionsforschung zuzuordnen ist, untersuchte die Integration von Lehrveranstaltungen zum Themenkomplex Nachhaltigkeit an acht medizinischen Hochschulen im Vereinigten Königreich [21]. Aus Lehrpersonal und Studierenden der teilnehmenden medizinischen Fakultäten wurden Teams gebildet, um bestehende Lehrangebote auszuweiten oder neue Veranstaltungen zu implementieren. Fachlichen Input erhielten die Teams etwa durch ein Seminar zum Thema „planetary health education“. Im Rahmen der Studie wurden die Teams bei der anschließenden Projektarbeit begleitet. An sieben der acht teilnehmenden medizinischen Fakultäten wurden die Curricula überarbeitet. Zusätzlich zu bereits bestehenden Veranstaltungen wurden so z.B. die Fälle für das problemorientierte Lernen (POL) erweitert, Vorlesungen um den Themenkomplex Nachhaltigkeit ergänzt oder beim Verfassen von Essays im Fach Global Health die Wahl eines umweltbezogenen Schwerpunktes ermöglicht. An der achten Hochschule wurde die Implementation nicht abgeschlossen [21]. Die Autor*innen betonen in ihrer Arbeit den Wert der standortübergreifenden Zusammenarbeit sowie die Wichtigkeit, Personen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Kenntnissen zusammenzubringen, da diese für Inspiration und eine effektivere Verbreitung von Best-Practice-Beispielen günstig seien.

Waren in der Arbeit von Walpole et al. bereits Studierende in den Teams vertreten, so gibt es international auch zahlreiche primär studentische Initiativen, die sich um eine Integration des Themas Klimawandel in die medizinische Ausbildung bemühen. Entsprechend wurden erste wichtige Stellungnahmen zum Thema Klimalehre in der medizinischen Ausbildung durch Medizinstudierende veröffentlicht. Vor allem drei studentische Organisationen unterstützen die Entwicklung und Implementierung neuer Lehrveranstaltungen zum Thema Klimawandel durch themenbezogene Veröffentlichungen:

  • In Zusammenarbeit mit der WHO gab die International Federation of Medical Students Association (IFSMA) eine Handreichung zum Klimawandel heraus, in der gesundheitliche Auswirkungen, wissenschaftliche Grundlagen, Adaptation und Mitigation sowie politische Zusammenhänge erläutert werden. Diese Informationen sind für die Organisation von studentisch geleiteten Workshops aufbereitet worden [22].
  • In Australien entstand durch die Australian Medical Students Association (AMSA) ein Leitfaden für die nachhaltige und klimafreundliche Gestaltung von Veranstaltungen [19].
  • Die Health and Environment Adaptive Response Task Force (HEART) der Canadian Federation of Medical Students (CFMS) nennt sogar konkrete Lernziele in verschiedenen Themenbereichen [23].
4.2. Klimabezogene Lernziele in der medizinischen Ausbildung

Neben den studentischen Gruppen entwickeln auch Dozierende und Expert*innen konkrete Lernzielkataloge. International haben Expert*innen für die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit eine Zusammenstellung verschiedener wesentlicher und untergeordneter Lernziele erarbeitet, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten im medizinischen Curriculum verankert werden sollten (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) [6].

Spezifisch für das Vereinigte Königreich wurde in Zusammenarbeit vieler Expert*innen mit Studierenden ein Lernzielkatalog erarbeitet [19]. Dieser nationale Lernzielkatalog wurde durch den General Medical Council in die Zulassungsstandards aufgenommen und verpflichtet Hochschulen seit 2020 dazu, Lehre zu Nachhaltigkeit als übergeordnetem Themenkomplex anzubieten [19]. Aus den bereits stattgefundenen Lehrveranstaltungen, Expert*innenempfehlungen und der Evaluation der Studierenden lassen sich Lernziele für die Lehre zu Klimawandel und Gesundheit extrahieren. Diese können gemäß dem Centre of Sustainable Healthcare in drei Bereiche eingeteilt werden [https://sustainablehealthcare.org.uk/priority-learning-outcomes].

1.
Beschreiben, wie Umwelt und menschliche Gesundheit auf verschiedenen Ebenen interagieren.
2.
Aneignung des nötigen Wissens und der Fähigkeiten, die für nachhaltigere Gesundheitssysteme benötigt werden.
3.
Diskutieren, wie die Pflicht eines Arztes oder einer Ärztin, die menschliche Gesundheit zu schützen und zu erhalten, von der lokalen und globalen Umwelt beeinflusst wird.

Einen anderen Ansatz, die Aufgliederung in vier verschiedene Wissensdomänen, verfolgten Maxwell und Blashki bei der Aufstellung weiterer themenbezogener Lernziele. So lassen sich Lernziele aus den Bereichen Faktenwissen, konzeptuelles Wissen, Fähigkeiten-bezogenes Wissen sowie affektives Wissen (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) identifizieren [4].

Besonders die Bedeutung der ersten Domäne, des Faktenwissens zum Klimawandel, wird in einigen Studien diskutiert: So halten beispielsweise mehr als 70% der chinesischen Medizinstudierenden dieses klimabezogene Faktenwissen für wichtig [12]. Von Seiten der Studierenden und Dozierenden werden interessanterweise jene Lernziele befürwortet, die die Beziehung zwischen Umwelt und Gesundheit adressieren. Weiterhin regen Dozierende und Studierende die Lehre zentraler Konzepte wie Nachhaltigkeit an [24].

Neben dem Faktenwissen sind weitere Wissensdomänen bedeutsam: Bei der Lehre klinischer Fertigkeiten können Dozent*innen die Möglichkeit nutzen, Konzepte der Nachhaltigkeit einzubringen, beispielsweise durch Reduktion von Verpackungsmaterial und dadurch reduziertem Ressourcenverbrauch mit Treibhausgaseinsparungen [25]. Es werden auch spezifische Kompetenzen wie etwa die Fähigkeit, ökologische Themen für die Öffentlichkeit zu kommunizieren und zu einem nachhaltigen Management und der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen beizutragen, angestrebt [26].

Walpole et al. fanden in der Untersuchung zahlreicher Veröffentlichungen zur Lehre klimabezogener Inhalte in der medizinischen Ausbildung heraus, dass von vielen Autor*innen – vergleichbar mit den Wünschen Medizinstudierender – das Wissen um die Beziehungen zwischen Menschen und Ökosystemen als wichtig herausgestellt wird [26]. Ähnlich ergab sich in Expert*innen-Befragungen, dass die Vermittlung von Faktenwissen derzeit priorisiert wird, um Wissenslücken zu füllen [6]. Letztlich wird das Faktenwissen um die Ursachen des menschengemachten Klimawandels von einigen Autor*innen als essenziell betrachtet, um das Gesundheitspersonal hinreichend zu motivieren, nachhaltiger zu handeln und für einen Wandel einzutreten [11]. Als wichtige übergeordnete Fähigkeit identifizieren Walpole et al. in ihrer Literaturrecherche ein kritisches Denken, welches die Reflexion über Probleme und ihre Lösungen ermöglicht [26].


5. Gestaltungsmöglichkeiten für klimabezogene Lehrveranstaltungen und spezifische Leistungsnachweise

5.1. Integration von Inhalten zum Klimawandel in bestehende Lehrveranstaltungen und Curricula

Die medizinische Ausbildung gilt in vielen Ländern derzeit als regelrecht mit Inhalten überfüllt [6]. Themen zu Klimawandel und Gesundheit lassen sich entweder in bereits existierende Curricula in verschiedenen Fächern wie etwa Allgemeinmedizin, Pädiatrie, Kardiologie, Nephrologie, Psychiatrie und Notfallmedizin [27] eingliedern oder als Querschnittsthema lehren [28]. Die Verantwortung, wie Unterricht zum Klimawandel in die medizinische Ausbildung integriert wird, liegt bei den einzelnen Hochschulen. Hilfreich für die Entwicklung von curricularen Veranstaltungen zu Klimawandel und Gesundheit sind interne Faktoren, wie das Interesse der Lernenden selbst oder der entsprechenden Fakultät. Auch die Unterstützung von anderen Seiten wird als wertvoll wahrgenommen [20]. Dem gegenüber stehen externe Faktoren wie politischer Druck, gesellschaftliche Erwartungen, die Gesetzgebung oder der technologische Fortschritt [29].

Weiterhin erwiesen sich in einer Studie von Goldman et al. regelmäßige Treffen aller beteiligten Disziplinen als wertvoll, um thematische Überschneidungen zu erfassen und gemeinsame Hindernisse für die Einführung der Curricula zu identifizieren sowie die Kommunikation gezielt zu verbessern [30].

5.2. Geeignete Lehrmethoden und -formate

Bei Sichtung der in der Literatur beschriebenen Methoden fällt – wie sollte es auch anders sein – auf, dass die im Bereich der Klimalehre im Medizinstudium eingesetzten Lehrmethoden und -formate sich auch in der sonstigen Medizindidaktik wiederfinden. So schlagen Maxwell et al. in einer Publikation zur Klimalehre eine Vielzahl von Unterrichtsmethoden und Lehrformaten vor, welche von der Durchführung klassischer Vorlesungen, über Praktikums- und Projektarbeiten, selbstgesteuertem Lernen in Form von Problemorientiertem Lernen (POL) bis hin zur Einführung von Reflexionsjournalen reichen [4].

International diskutiert wird die Frage, welche Vorteile eine klimaspezifische Kontextualisierung bestehender Lehrformate gegenüber einer gesonderten Klimalehre (durch neu geschaffene Lehrveranstaltungen) haben könnte: Werden Inhalte zum Thema Klimawandel in bestehende Lehrangebote eingebettet, wie etwa in Tutorien oder Fallbesprechungen, setzt dies das Gelernte in Kontext, zeigt seine Relevanz auf und trägt zur (dauerhaften) Verankerung der Inhalte in der medizinischen Ausbildung bei [4]. Eine Kontextualisierung durch fallbasierte Ansätze führt zudem zu einer Vertiefung der Lerninhalte [29]. Für das gesonderte Unterrichten der Lehrinhalte zum Klimawandel spricht, dass die Studierenden dabei die Zusammenhänge von Klima und Gesundheit umfassender begreifen können und somit statt Fakten eher Konzepte lernen [4].

Das bereits erwähnte Lehrformat des POL scheint nach Ansicht vieler Autor*innen besonders geeignet für den Themenkomplex der Klimalehre im Medizinstudium zu sein – unabhängig davon, ob eine bestehende POL-Veranstaltungsreihe spezifisch kontextualisiert oder für den Zweck der Klimalehre neu etabliert wird [31], [32]. So erlaubt es dieses Lehrformat scheinbar besonders organisch, Themen aus dem Bereich „eco health“ mit sonstigem (medizinischen) Wissen zu verbinden [32].

Ein mögliches Ziel der Lehre zum Klimawandel kann es sein, dass die teilnehmenden Studierenden einen Eindruck von der Vielfalt dieses Themas erhalten. So rücken im Bereich der Klimalehre neben dem Wissen (knowledge) und den Skills (Fertigkeiten) auch Haltungen (attitudes) und Werte (values) in den Vordergrund, welche jedoch nicht im herkömmlichen Sinn „erlernt“ werden können. Um Haltungen und Werte zu vermitteln sind daher besonders ethische Fallarbeit und Diskussionen, Gruppenarbeiten unter Einbezug verschiedenartiger Perspektiven oder Reflexionsübungen hilfreich [29].

Die Einbindung von engagierten Studierenden nimmt im Bereich der Klimalehre einen besonderen Stellenwert ein, da einzelne Medizinstudierende, beispielsweise aufgrund von einem vorangegangenen Engagement für Fridays For Future, über ein fundiertes Wissen zum Klimawandel und dessen gesundheitliche Folgen verfügen. Um diese Kompetenzen gewinnbringend in Lehrveranstaltungen einfließen zu lassen, bieten sich insbesondere die „flipped-classroom“-Technik, Diskussionsrunden und Debatten an [4]. Auch Peer-to-Peer-Unterrichtsformate sind für diesen Themenkomplex gut vorstellbar [4]. Den Ansatz der Peer-Education verfolgt auch die IFSMA: Durch die von ihr veröffentlichte Handreichung sollen engagierte Studierende befähigt werden, in Eigeninitiative Workshops zum Thema Klimawandel zu gestalten [22].

Neben den genannten Lehrmethoden und -formaten tragen auch eine klare Unterrichtsstruktur, präzise Anweisungen sowie jene Ansätze, die die Relevanz des Gelehrten für die klinische Praxis verdeutlichen, zu einem größeren Engagement der Studierenden bei [21]. So werden etwa Vorträge durch praktizierende Ärzt*innen von den Studierenden als wertvoll empfunden [31]. Humanistische Lernprinzipien können schließlich genutzt werden, um das Selbstbewusstsein und die Motivation der studentischen Zielgruppe zu fördern, was zu einer noch ausgeprägteren Eigenverantwortung und stärkerem Engagement führen kann [33].

5.3. Leistungsnachweise im Bereich der Klimalehre

Auch die Erbringung von Leistungsnachweisen im Bereich der Klimalehre kann – je nach universitärem Setting, Schwerpunktsetzung und verwendeter Lehrmethode (im Sinne eines Constructive Alignments) – sinnvoll sein [6]. International wurde bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Prüfungsformate für den Themenbereich der Klimalehre erprobt und etabliert. Qualitativ hochwertige Prüfungen sollten, wie auch in vielen anderen Bereichen der medizinischen Lehre, kein reines Faktenwissen abfragen, da dies der Komplexität des Themas nicht gerecht werden würde [29]. Klassische Prüfungsformate wie eine MC-Klausur scheinen nur eingeschränkt geeignet zu sein, um beispielsweise transformative Kompetenzen zu überprüfen. „Tieferes“ Wissen könnte auch durch studentische (Abschluss-)Präsentationen, reflektierendes Schreiben, in speziellen Tagebüchern oder in Form von Essays und Aufsätzen, oder durch komplexere Projektarbeiten demonstriert und geprüft werden [29]. Bei Projektarbeiten, die die Studierenden häufig über einen längeren Zeitraum binden, erweist es sich als vorteilhaft, wenn die Studierenden deren Fokus selbst wählen dürfen [31]. Im besten Fall trägt die abschließende Prüfungsleitung sogar dazu bei, dass durch die Bewältigung (kleinerer) transformativer Praxisprojekte neben dem Kompetenzerwerb auch eine gesteigerte Selbstwirksamkeit erreicht wird. Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass das weltweit etablierte Format der „objective structured clinical examinations“ (OSCE) sich auch für den Bereich der Lehre zum Klimawandel anbietet [29].


6. Diskussion

Diese Arbeit verfolgt das Ziel, den Stand der Klimalehre innerhalb der medizinischen Ausbildung darzustellen. Auf internationaler Ebene existieren bereits einige Projekte zur Integration dieses Themenkomplexes in die medizinischen Curricula. So existieren z.B. Lernzielkataloge und Handreichungen zur Gestaltung spezifischer Lehrveranstaltungen, welche frei zugänglich sind und eine wichtige Inspiration darstellen. Das Feld der Lehre zu klimabezogenen Inhalten entwickelt sich rasant weiter, so ist bei Drucklegung dieses Artikels beispielsweise bereits eine themenbezogene Erweiterung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs (NKLM) in Deutschland in Arbeit. Bei aller Detailversessenheit und Hingabe, die Medizindidaktiker*innen auf dem Weg zur bestmöglichen Lehrveranstaltung teilweise an den Tag legen, darf eins nicht in Vergessenheit geraten: Die Zeit drängt. Ebenso wichtig wie die Berücksichtigung der hier vorgestellten Literatur ist daher, nach Auffassung der Autor*innen dieser Übersichtsarbeit, die Bereitschaft, „loszulegen“. Der relative Zeit- und Handlungsdruck unterstreicht wiederum die Wichtigkeit einer begleitenden Seminarevaluation, um Anpassungen im Verlauf vornehmen zu können. Heute und künftig praktizierende Ärzt*innen werden mit den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sein. Anpassungsstrategien müssen daher genauso gelehrt werden, wie die Möglichkeiten, die negativen ökologischen Auswirkungen des Gesundheitssektors zu minimieren.

Selbstverständlich unterliegt auch diese Arbeit gewissen Limitationen, die ihre Aussagekraft einschränken: Aufgrund ihres narrativen Charakters kann kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Das tatsächliche Wissen Medizinstudierender über die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels kann nur näherungsweise nachvollzogen werden. Bezüglich der geringen Bereitschaft der heutigen Medizinstudierenden, als gesellschaftliches Rollenvorbild für die zukünftigen Patient*innen tätig zu werden, muss kritisch hinterfragt werden, ob dies auf eine Unkenntnis der gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zurückzuführen ist oder darauf, dass diese Verantwortung bei anderen Professionen gesehen wird. Es scheinen bisher nicht viele Lehrprojekte innerhalb der Humanmedizin entwickelt oder wissenschaftlich beschrieben worden zu sein, sodass oftmals Studien aus Nachbardisziplinen herangezogen werden. Dies erschwert es, eine spezifisch auf Medizinstudierende bezogene Aussage zu treffen. Letztlich scheint die Lehre zu den Zusammenhängen von Klimawandel und Gesundheit bisher aber stark von der Eigeninitiative einzelner studentischer Gruppierungen, Dozierender, Fakultäten oder Hochschulen abhängig zu sein. Es ist daher notwendig, das Medizinstudium verbindlich und flächendeckend um Inhalte zum Klimawandel zu erweitern, um der Wichtigkeit dieses Themas Rechnung zu tragen.


7. Weiterführende Informationen

  • Das Sustainable Healthcare Education Network (SHE) des Centre of Sustainable Healthcare stellt ein Peer-Netzwerk zur Unterstützung der Lehre über nachhaltige Gesundheitsversorgung dar. CSH Networks: https://networks.sustainablehealthcare.org.uk/.
  • Die Planetary Health Report Card Initiative https://phreportcard.org/ ist eine studentische Initiative, die Universitäten und Fakultäten zu mehr Engagement für Lehre zum Klimawandel anregen möchte. Dort findet sich eine interaktive Karte mit Lehrangeboten, derzeit besonders in den USA und England.
  • Die Canadian Federation of Medical Students (CFMS) hat einen Lernzielkatalog mit Empfehlungen, welche Themen zum Klimawandel abzudecken sind und in welche bestehenden Fächer sich diese integrieren lassen, herausgegeben: https://www.cfms.org/what-we-do/global-health/heart-competencies.

Förderung

Gefördert von der Baden-Württemberg Stiftung.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
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