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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Studierende erleben Auswirkungen des Klimawandels auf die Kindergesundheit im Rollenspiel und erarbeiten Handlungsstrategien für die ärztliche Tätigkeit – ein interaktives Seminar

Artikel Klima und Kindergesundheit

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  • corresponding author Friederike Jonas - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Leipzig, Deutschland
  • author Anja Hagen - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Leipzig, Deutschland
  • author Benjamin W. Ackermann - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Selbstständige Abteilung für Neonatologie, Leipzig, Deutschland
  • author Matthias Knüpfer - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Selbstständige Abteilung für Neonatologie, Leipzig, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(3):Doc29

doi: 10.3205/zma001611, urn:nbn:de:0183-zma0016110

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001611.shtml

Eingereicht: 27. März 2022
Überarbeitet: 9. Januar 2023
Angenommen: 6. März 2023
Veröffentlicht: 15. Mai 2023

© 2023 Jonas et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

In diesem Projektbericht wird die Erarbeitung und Auswertung eines interaktiven Seminars mit dem Thema „Medizinische Auswirkungen des Klimawandels auf die Kindergesundheit“ beschrieben.

Zielsetzung: Die Lernziele sind das Erlernen der Grundlagen sowie der direkten und indirekten Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Kindergesundheit. Interaktiv werden Zukunftsszenarien betroffener Kinder, Eltern und Mediziner*innen erarbeitet. Im Anschluss werden Kommunikationsstrategien über den Klimawandel besprochen, sodass die Studierenden die Möglichkeiten aktiv zu werden identifizieren und analysieren.

Methodik: Das Seminar wurde als Pflichtseminar für insgesamt 128 Humanmedizin-Studierende im dritten Studienjahr mit einem Termin á 45 Minuten pro Kursgruppe im Rahmen der fächerübergreifenden Seminarreihe „Umweltmedizin“ angeboten. Eine Kursgruppe bestand aus 14 bis 18 Studierenden. Entwickelt wurde das Seminar für das Sommersemester 2020 im Rahmen des Querschnittbereich Umweltmedizin mit der Besonderheit eines interaktiven Rollenspiels. Das Rollenspiel soll den Studierenden die Möglichkeit geben, sich in die Situation von betroffenen Kindern, Eltern und Mediziner*innen der Zukunft zu versetzen, um konkrete Lösungsstrategien zu erarbeiten. Von 2020 bis 2021 erfolgte das Seminar auf Grund der Lockdown-Vorgaben als Online-Eigenstudium. Seit dem Wintersemester 2021/22 wird das Seminar erstmals als Präsenz-Seminar durchgeführt, wobei nach vier Seminarterminen wegen erneuter Lockdown-Vorgaben die Umstellung auf ein Online-Live-Seminar mit Anwesenheitspflichtstattfinden musste, welches ebenfalls viermal stattfand. Die hier ausgewertete Evaluation bezieht sich auf die insgesamt acht Termine im WS 2021/22 und erfolgte anhand eines eigens entwickelten Fragebogens, welcher unmittelbar nach dem jeweiligen Seminartermin von den Studierenden freiwillig und anonym ausgefüllt wurde. Hier wurde nach einer Gesamtnote sowie Angemessenheit des zeitlichen und inhaltlichen Umfangs von Vorträgen und Rollenspiel gefragt. Freitextantworten waren zu jeder Frage möglich.

Ergebnisse: Es wurden insgesamt 83 Fragebögen ausgewertet, 54 davon lagen aus den vier Seminaren in Präsenz vor, 15 lagen aus den vier Seminaren vor, welche als Online-Livestream stattgefunden haben. Die Evaluation des Seminars ergab eine Durchschnittsnote von 1,7 als Mittelwert für die Präsenz-Seminare und von 1,9 für die Online-Seminare. Inhaltliche Bemerkungen in den Freitextantworten thematisierten den Wunsch nach konkreten Lösungsstrategien, mehr Zeit für Diskussionen und einer inhaltlichen Vertiefung des Themas. Zahlreiche positive Rückmeldungen beschrieben das Seminar als „sehr spannend“, „guter Denkanstoß“, „interessantes und wichtiges Thema“.

Schlussfolgerung: Das Interesse der Studierenden am Thema „Klimawandel & Gesundheit“ ist sehr groß. Es zeigt sich die deutliche Notwendigkeit, das Thema breiter in die medizinische Ausbildung zu integrieren. Der Fokus auf die Gesundheit der Kinder sollte bestenfalls fester Bestandteil des pädiatrischen Curriculums sein.

Schlüsselwörter: medizinische Ausbildung, Klimawandel, globale Erwärmung, globale Gesundheit, Pädiatrie, Perinatologie


Einleitung

Ein wesentliches Ziel im Kampf gegen den Klimawandel ist die Wissensvermittlung und -verbreitung der gesundheitlichen Folgen der Erderwärmung für die Menschheit [1]. Neugeborene, Kinder und Jugendliche werden in der Zukunft maßgeblich vom Klimawandel betroffen sein und Auswirkungen auf ihre Gesundheit erleben [2], [3]. Diese Auswirkungen werden für Mediziner*innen der Zukunft eine bedeutende Rolle in ihrer alltäglichen Arbeit einnehmen. Daher hat die Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. das Ziel formuliert, Lehrveranstaltungen zu präventiven Maßnahmen und gesundheitlichen Folgen des Klimawandels in die studentische Ausbildung zu integrieren [4]. Als Mitglieder der Leipziger Lokalgruppe Health for Future, welche 2019 durch einen Aufruf der Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. gegründet wurde, haben wir ein interaktives Seminar mit dem Schwerpunktthema „Pädiatrische Umweltmedizin“ erarbeitet.

Den Seminar-Entwickler*innen war wichtig, verschiedene Sichtweisen auf den Klimawandel zu thematisieren. So wird inhaltlich neben den gesundheitlichen Folgen für Kinder und Erwachsene auch das Gesundheitssystem als Treibhausgasproduzent und somit als Mitverursacher im Fortschreiten des Klimawandels thematisiert. Unterschiedliche Sichtweisen sollen durch die Studierenden selbst interaktiv in Rollenspielen eingenommen werden. Hierbei besteht die Herausforderung, das zuvor erlernte allgemeingültige und theoretische Wissen in konkrete praktische Situationen zu transferieren. Durch das Einnehmen von verschiedenen Rollen betroffener Eltern, Jugendlicher oder deren Behandler*innen können Handlungsoptionen und -motivation durch das Nachempfinden der Situation besser nachvollzogen sowie Umgangs- und Lösungsstrategien entwickelt werden [5]. Dies führt bestenfalls zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Kernthema und kann die intrinsische Motivation steigern sich für ein aktives Handeln gegen den Klimawandel einzusetzen [6].

Dieses Pflichtseminar führen wir seit dem Sommersemester 2020 als Teil des Querschnittfaches „Umweltmedizin“ mit einem Termin á 45 Minuten pro Kursgruppe an der Universität Leipzig durch.

Lernziele

Die Lernziele des Seminars sind:

1.
Die Studierenden im dritten Studienjahr kennen im Anschluss an das Seminar die Grundlagen des menschengemachten Klimawandels sowie direkte und indirekte Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Kindergesundheit.
2.
Die Studierenden erarbeiten in einem Rollenspiel die Auswirkungen des Klimawandels für die Gesundheit betroffener Kinder bzw. deren Eltern jetzt und in der Zukunft durch das Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven.
3.
Die Studierenden können ihre eigenen Möglichkeiten als Mediziner*innen aktiv zu werden identifizieren und analysieren.

Material und Methodik

Das Seminar wurde als Pflichtseminar mit einem Termin á 45 Minuten im Rahmen des fächerübergreifenden Querschnittbereichs Umweltmedizin mit der Besonderheit eines interaktiven Rollenspiels im Sommersemester 2020 erarbeitet. Von 2020 bis 2021 erfolgte das Seminar als Online-Eigenstudium. Seit dem Wintersemester 2021/22 wurde das Seminar erstmals als Kurs in Präsenz durchgeführt, wobei nach 4 Seminarterminen in Präsenz auf Grund der Lockdown-Vorgaben ein Kurs mit Online-Livestream mit Anwesenheitspflicht für weitere 4 Gruppen stattfand. Im Wintersemester 2021/22 waren insgesamt 128 Studierende in 8 Kursgruppen eingeschrieben. Eine Kursgruppe bestand aus jeweils 14 bis 18 Studierenden. Der Ablauf und die Rahmenbedingungen des Seminars sind in den Abbildung 1 [Abb. 1] und Abbildung 2A [Abb. 2] zusammengefasst.

Die Evaluation des Seminars erfolgte unmittelbar nach jedem der 4 Präsenztermine mittels eines ausgedruckten Fragebogens, welcher einzeln und auf freiwilliger und anonymer Basis ausgefüllt werden konnte. Nach den 4 Onlineterminen wurde den Teilnehmenden zur Evaluation ein Link zu einem Online-Fragebogen zur Verfügung gestellt. In der Evaluation wurde mittels ja/nein-Fragen und Freitextfragen nach einer Note, nach subjektiver Einschätzung von zeitlichem und inhaltlichem Umfang sowie nach der jeweiligen Relevanz der 3 Seminaranteile gefragt. Freitextantworten waren zu jeder Frage möglich. Der für den Präsenzkurs genutzte Evaluationsbogen wird in Anhang 1 [Anh. 1] dargestellt, die im Onlinekurs genutzte Evaluation entsprach dem abgedruckten Bogen. Da für die Evaluationen verschiedene Tools verwendet wurden, konnte für die Kurse in Präsenz aus den Noten 1 bis 6 gewählt werden, für die Online-Kurse die Noten 1 bis 5.


Projektbeschreibung

Das 45-minütige Seminar gliedert sich entsprechend der oben genannten Lernziele in drei Teile, welche in Abbildung 1 [Abb. 1] skizziert werden:

Der erste Teil besteht aus einem Vortrag zu den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels, welcher inhaltlich insbesondere die Folgen für Neugeborene, Kinder und Jugendliche darstellt. Es handelt sich hier um leicht nachvollziehbare direkte Folgen, aber auch um noch unerklärte Zusammenhänge. Zu den nachvollziehbaren Folgen gehören z.B. eine höhere Prävalenz an dehydrierten Kindern im Rahmen von Hitze- und Dürreperioden oder eine Zunahme von Unfällen und Stürzen bei Extremwetter-Ereignissen [7]. Zu den noch unerklärten Zusammenhängen gehören z.B. eine erhöhte Prävalenz an Herzfehlern bei Feten, deren Mütter im ersten Trimenon einen hohen Anteil an Hitzetagen erlebt haben [8] oder z.B. die immer frühere Erstmanifestation des Diabetes mellitus Typ 1 in Zusammenhang mit höherer Luftverschmutzung [9]. Gesundheitliche Auswirkungen einer erhöhten Luftverschmutzung sind exemplarisch in Abbildung 3 [Abb. 3] dargestellt. Viele der gesundheitlichen Folgen sind für alle Menschen von Belang, treffen aber vulnerable Gruppen wie Schwangere, Neugeborene, Kinder & Jugendliche bedeutend stärker.

Im zweiten Teil wird ein interaktives Rollenspiel mit abschließender Ergebnispräsentation durch die einzelnen Gruppen im Plenum durchgeführt. Die Studierenden nehmen in vier Kleingruppen mit maximal fünf Personen pro Gruppe eine Zukunftsperspektive ein, mit dem Ziel, die Folgen der Erderwärmung für Kinder und Jugendliche herauszuarbeiten. Mittels interaktiven Rollenspiels sollen die Studierenden befähigt werden, Empathie für Betroffene zu empfinden, womit die Relevanz der Auswirkungen auf die Gesundheit des Einzelnen sowie die Notwendigkeit und Kompetenz des ärztlichen Handlungsbedarfes verdeutlicht werdeb. Hierbei werden die folgenden drei Rollen vorgegeben:

1.
Eltern eines dreijährigen Asthma-Patienten, der in einer feinstaubbelasteten Großstadt aufwächst.
2.
Ein Agrarwirt, der seine Familie mit drei Kindern, eins davon ein chronisch-krankes ehemaliges Frühgeborenes, versorgt.
3.
Ein Jugendlicher, der mit seiner Großfamilie in Bangladesch lebt und der unter den verheerenden Folgen einer Überschwemmung leidet.

Die Auswirkungen für die Betroffenen sollen durch die Informationen aus dem ersten Vortag geschlussfolgert werden können. Als zusätzliche Informationen erhalten die Studierenden in diesen drei Rollen aktuelle Daten zur Feinstaubbelastung von Stuttgart (Rolle 1), zur Wasserbilanz in Sachsen (Rolle 2) und zum Landverlust der Küste von Bangladesch (Rolle 3). Des Weiteren ist Freiraum für kreative Inhalte, welche nach Vorstellung durch die Kleingruppe, im Plenum diskutiert werden können.

Mit dem Ziel der Erarbeitung von Lösungsstrategien soll sich in einer weiteren Rolle in die Sicht von Mediziner*innen der Zukunft hineinversetzt werden, die bereits dazu beitragen konnten, die Erderwärmung zu begrenzen. Diese Rolle ist beispielhaft in Abbildung 4 [Abb. 4] dargestellt. Für die Gruppenarbeit sind 10 Minuten veranlasst, für die Ergebnispräsentation pro Gruppe jeweils 3 Minuten im Plenum.

Im dritten Teil des Seminars wird der Beitrag des Gesundheitssystems zum Klimawandel und die Rolle der Studierenden und Ärzt*innen im Kampf gegen den Klimawandel vorgetragen. Im Detail geht es um die Emissionen, die unser Gesundheitssystem verursacht und die dringende Notwendigkeit von klimaneutralen Krankenhäusern. Des Weiteren wird das große Vertrauen der Bevölkerung in Ärzt*innen und Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens thematisiert und dargestellt, wie eine persönliche Ebene der Kommunikation über den Klimawandel erreicht werden kann. Somit werden die Zuhörer*innen bestärkt, sich als zukünftige Ärzt*innen zu positionieren und aktiv zu werden.


Ergebnisse

Die Möglichkeit zur Evaluation bestand für 128 eingeschriebene Studierende aus dem 3. Studienjahr des WS 2021/21. Zur Auswertung lagen uns insgesamt 83 Fragebögen vor, 68 davon aus vier Präsenz-Seminaren, 15 aus vier Online-Live-Seminaren. 14 von 83 Teilnehmern haben keine Note angegeben. Die Evaluation des Seminars ergab eine Durchschnittsnote von 1,7±0,81 als Mittelwert±Standardabweichung aus allen vergebenen Noten (N=54) für die vier Präsenzseminare und eine Durchschnittsnote von 1,9±0,93 als Mittelwert±Standardabweichung aller vergebenen Noten (N=15) für zwei von fünf Online-Seminaren. Die Auswertung des Seminars wird in Abbildung 2 [Abb. 2] zusammengefasst, die inhaltliche Auswertung in Abbildung 2B [Abb. 2] und die Verteilung der Noten in Abbildung 2C/D [Abb. 2] dargestellt.

Die weitere Auswertung der Evaluation beschreibt, wie hoch der Anteil der Teilnehmer*innen war, die den folgenden Aussagen zustimmten. In 65 von 83 (78%) der Beurteilungen wurde der Vortrag zu den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels als zeitlich und inhaltlich angemessen bewertet. Nur 12 von 83 (14%) Teilnehmer*innen war der Inhalt dieses Vortrages bereits bekannt. 53 von 83 (65%) Teilnehmer*innen fanden das interaktive Rollenspiel inhaltlich relevant. Freitextantworten zum Rollenspiel lauteten zum Beispiel: „Spannender Perspektivwechsel“ und „Sehr schön sich in andere hineinzuversetzen“. In den Onlineseminaren wurde sich eine eindeutigere Anleitung zur Arbeit im interaktiven Teil gewünscht.

Weitere inhaltsbezogene Rückmeldungen in den Freitextantworten thematisierten großes Interesse am Thema Klimawandel und Gesundheit. Eine Rückmeldung hierzu lautete: „Aufgrund der Wichtigkeit des Themas wäre es toll in Zukunft vielleicht sogar mehr Veranstaltungen wie diese ins Studium zu integrieren. Danke!“ Weiterführend wurde der Wunsch nach konkreten Lösungsstrategien im Gesundheitssektor und einer Vertiefung zum: „klimafreundlichen Krankenhaus“ geäußert. Neben den medizinischen Folgen bestand auch Interesse an einer ausführlichen Darstellung der nicht-medizinischen Folgen des Klimawandels.

Mehrfach wurde der Wunsch nach mehr Zeit für inhaltliche Diskussionen geäußert. Zahlreiche positive Rückmeldungen beschrieben das Seminar als „sehr spannend“, „guter Denkanstoß“, „sehr schön, sich in andere hineinzuversetzen“, „interessantes und wichtiges Thema“. Aus den Notengruppen 3 bis 5 gab es leider keine konkrete Kritik bzw. Verbesserungswünsche.


Diskussion

Mitarbeitende im Gesundheitswesen sind aktuell noch nicht ausreichend auf die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels vorbereitet [10]. Im Curriculum werden diese bislang nicht ausreichend thematisiert, nur wenige Teilnehmer*innen beschreiben den Seminarinhalt als bereits vollumfänglich bekannt. In der medizinischen Ausbildung könnten unter anderem die Diagnostik und Therapie von Tropenkrankheiten stärker betont werden. In Gesundheitseinrichtungen müssten Räumlichkeiten und Ausstattung an die steigenden Temperaturen angepasst werden. Die Freitextantworten der Studierenden verdeutlichen, wie relevant das Wissen über gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels für die Gesunderhaltung der Gesellschaft und somit für die medizinische Ausbildung von diesen wahrgenommen wird. Nur einmal wurde im Seminar die Note „mangelhaft“ vergeben. Die Freitextantworten legen nahe, dass es sich hierbei um eine*n Teilnehmer*in handelt, welche dem menschengemachten Klimawandel sehr kritisch gegenübersteht.

Das Seminar wurde nach vier Präsenzterminen auf Grund erneuter COVID-19-bedingter Restriktionen als Online-Live-Seminar mit Anwesenheitspflicht weitergeführt. Da sich aus den Evaluationen eine bessere Annahme des Seminars, insbesondere des interaktiven Parts, in Präsenzform ergibt, streben wir auch in Zukunft ein Präsenzseminar an.

Nach Auswertung der ersten Seminareinheiten wurde deutlich, dass die meisten Studierenden über ein breites naturwissenschaftliches Wissen der Entstehung des Klimawandels verfügen und sich auch der antropogenen Ursachen bewusst sind. Da curricular für die Einheit „Pädiatrische Umweltmedizin“ nur 45 Minuten vorgegeben sind, wurde der Teil der Grundlagenvermittlung auf die wesentlichen pädiatrischen und perinatologischen Aspekte gekürzt. Die gewonnene Zeit soll für Diskussionszeit im interaktiven Teil genutzt werden. Eine weitere Möglichkeit zur Gewinnung zusätzlicher Diskussionszeit wäre den ersten Abschnitt als blended learning-Angebot anzubieten, dieser würde den Studierenden als Onlinevortrag zur Vorbereitung auf das Seminar zur Verfügung gestellt und der Einstieg zum Seminar unmittelbar mit der Gruppenarbeit beginnen.

Im interaktiven Teil sollen die persönlichen Auswirkungen des Klimawandels durch Empfinden von Empathie mit betroffenen Personen in Rollenspielen erfahren werden. Durch das Nacherleben können u.a. intrinsische Motivation und Meinungsbildung der Studierenden gestärkt werden [6]. Nur wer von den schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels überzeugt ist, wird das Thema vor seinen Patient*innen thematisieren.

Da in den Freitextantworten der Studierenden der Wunsch nach konkreten Lösungsstrategien geäußert wurde, haben wir im Verlauf des Seminars Kommunikationsstrategien in Klimawandeldiskussionen vorgestellt. Eine Möglichkeit besteht z.B. darin, Gesprächspartner*in von der Notwendigkeit des Handelns zu überzeugen, in dem durch Themen wie z.B. Gesundheit, Familie, Heimat, Sicherheit, Gerechtigkeit eine gemeinsame persönlichen Ebene geschaffen werden kann [11], [12]. Kommunikationsstrategien sollen den Studierenden in den zukünftigen Seminaren anschaulich vermittelt werden.


Schlussfolgerung

Wissen und Wissensvermittlung über Klimafolgen ist die Grundlage für transformatives Handeln. Die Evaluationen legen nahe, dass das Interesse der Studierenden an dem Thema „Klimawandel & Gesundheit“ sehr groß ist und die Nachfrage nach weiterer Vertiefung, insbesondere zu den gesundheitlichen Auswirkungen, liegt vor. Es zeigt sich die deutliche Notwendigkeit das Thema breiter und intensiver in die medizinische Ausbildung zu integrieren. Die Klimakrise unterliegt einem stetigen Wandel, sodass eine stetige wissenschaftliche Aktualisierung immer notwendig sein wird. Zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des Seminars tragen Studierende durch ihre Evaluationen sehr gut bei. Der Fokus auf die Gesundheit der Kinder ist bereits 2019 vom Lancet Countdown on Climate Change im Detail thematisiert worden und sollte bestenfalls fester Bestandteil des pädiatrischen Curriculums sein.



Förderung

Dieser Artikel wurde durch den Open-Access-Publikationsfonds der Universität Leipzig gefördert.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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