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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Initiative zur Implementierung von Planetary Health in die ärztliche Fort- und Weiterbildung in der Schweiz

Artikel Planetare Gesundheit Schweiz

  • Robin Rieser - Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, Bern, Schweiz
  • Barbara Weil - Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, Bern, Schweiz
  • Nadja Jenni - Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF, Bern, Schweiz
  • corresponding author Monika Brodmann Maeder - Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF, Bern, Schweiz

GMS J Med Educ 2023;40(3):Doc26

doi: 10.3205/zma001608, urn:nbn:de:0183-zma0016082

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001608.shtml

Eingereicht: 14. Januar 2022
Überarbeitet: 10. August 2022
Angenommen: 1. September 2022
Veröffentlicht: 15. Mai 2023

© 2023 Rieser et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH hat die Strategie „Planetary Health – Strategie zu den Handlungsmöglichkeiten der Ärzteschaft in der Schweiz zum Klimawandel” in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF, den Dachverbänden und den Studierenden verfasst. Am 7. Oktober 2021 wurde die Strategie von der Ärztekammer der FMH mit einem Budget über ca. 380'000 CHF (ca. 365'000 €) verabschiedet. Als erster Schritt zur Umsetzung wurde eine Begleitgruppe ins Leben gerufen, die nun die konkrete Umsetzung der Strategie in Angriff nehmen wird. Der vorliegende Artikel gibt einen Einblick in den aktuellen Stand der Projektarbeit mit dem Fokus auf Maßnahmen im Bereich der ärztlichen Weiter- und Fortbildung. Er soll als „work in progress“ verstanden werden.

Schlüsselwörter: planetare Gesundheit, Klimawandel, ärztliche Weiterbildung, nationale Strategie


1. Ausgangslage

1.1. Planetary Health und Gesundheit

Spätestens nach Veröffentlichung des 6. Assessment Reports des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) [1] ist klar, dass der Klimawandel nicht mehr von der Hand zu weisen ist. Die Auswirkungen der Klimaveränderungen sind vielseitig: Temperaturzunahme, Gletscherschmelze, Schadstoffbelastung, Artensterben, Extremwetterereignisse und der Anstieg des Meeresspiegels. Dies sind nur einige der beobachtbaren Auswirkungen der klimatischen Veränderungen, welche Einfluss auf die individuelle und öffentliche Gesundheit und Planetary Health mit sich bringen [2], [3], [4]. Die menschengemachte Veränderung des Klimas führt zu längeren Trockenperioden und Hitzewellen, einer Zunahme von Starkregen und weiteren Extremwetterereignissen. Hauptverantwortlich für diese Erwärmung ist der durch menschliche Tätigkeiten verursachte Treibhausgasausstoß [1]. Aufgrund der geographischen Lage der Schweiz inmitten des europäischen Festlandes und der relativen Nähe zu der sich stark erwärmenden Nordpolregion sowie der möglichen Rückkopplungseffekten durch die Reduktion der alpinen Schneebedeckung ist die Schweiz besonders von der Klimaerwärmung betroffen [5]. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich das Klima der Schweiz um durchschnittlich rund 2°C erwärmt. Diese Temperaturzunahme ist etwa doppelt so groß wie der Anstieg der mittleren globalen Temperatur [5].

Auch der Gesundheitssektor trägt wesentlich zu den nationalen Treibhausgasemissionen bei. International beträgt der Anteil des Gesundheitssektors an den Gesamtemissionen gemäß neustem Lancet Countdown-Bericht 4,6% [6]. Besonders hoch ist der Anteil der CO2-Emissionen des nationalen Gesundheitssystems an den Gesamtemissionen beispielsweise in den USA mit 8-10% [7], [8]. In Großbritannien betrug 2017 der entsprechende Anteil 4-5%. Aufgrund der Bestrebungen des National Health Service (NHS) [9], das weltweit erste Netto-Null-Gesundheitssystem zu werden, sinkt er seither [6]. Die Zahlen für die Schweiz unterscheiden sich je nach Studie und Berechnungsmethode. Ein internationaler Vergleich des CO2-Fussabdrucks des Gesundheitssektors von Pichler et al. [7] geht für die Schweiz im Jahr 2014 von einem Anteil von 5,9% aus. Health Care without Harm hat für 2019 diesen Wert auf 6,7% geschätzt [10]. Der Klimawandel ist eine substanzielle Bedrohung für die regionale, globale und planetare Gesundheit; es besteht Handlungsbedarf in verschiedenen Tätigkeitsbereichen und Ebenen.

In der Schweiz wurde die Bedrohung durch die Klimaveränderungen bei einer Umfrage in der Bevölkerung im Jahr 2022 als größte Sorge wahrgenommen [https://www.gfsbern.ch/de/news/credit-suisse-sorgenbarometer-2022/]. Jugendbewegungen wie „Fridays for Future“ oder der „Climatestrike“ machten in den vergangenen Jahren auf sich und die Klimakrise aufmerksam. Die jungen Generationen setzen sich öffentlich mit Vehemenz für den Schutz des Klimas und der Lebensbedingungen ein. Auch innerhalb der Ärzteschaft sind diese Stimmen zu finden: die Medizinstudierenden (Swiss Medical Students‘ Association, swimsa) haben gemeinsam mit dem Verband der Assistenz- und Oberärzte (VSAO) das „Manifest für eine gesunde Zukunft“ der Delegiertenversammlung der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (Foederatio Medicorum Helveticorum, FMH) vorgelegt [11], welche dieses an ihrer Sitzung vom 3. September 2020 unterzeichnet hat. Die unterzeichnenden Organisationen setzen sich für den Schutz und die Förderung der öffentlichen Gesundheit ein, anerkennen den Klimawandel als substanzielle Bedrohung für die regionale und globale Gesundheit und rufen zu einer gesunden und nachhaltigen Zukunft auf (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). Um der gemeinsamen Verantwortung in Sachen Klimawandel gerecht zu werden, hat die FMH die Strategie „Planetary Health – Strategie zu den Handlungsmöglichkeiten der Ärzteschaft in der Schweiz zum Klimawandel“ in Zusammenarbeit mit den Dachverbänden und den Studierenden verfasst. Am 7. Oktober 2021 wurde die Strategie von der Ärztekammer der FMH mit einem Budget über ca. 380'000 CHF (ca. 365'000 €) verabschiedet.

Die Strategie umfasst Ziele in vier verschiedenen Handlungsbereichen:

  • Information: durch Aufklärung und Sensibilisierung der Ärzteschaft und der Patientinnen und Patienten soll ein größeres Bewusstsein für die Tragweite der Auswirkungen der Veränderungen des Klimas auf die Gesundheit und für die Möglichkeiten aktiv zu werden geschaffen werden.
  • Mitigation: konkrete Handlungen zur Reduktion des ökologischen Fußabdruckes innerhalb der Ärzteschaft sollen aufgezeigt und umgesetzt werden, mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen der Ärzteschaft auf ein Minimum zu beschränken.
  • Adaptation: zu den unabwendbaren Veränderungen des Klimas und der Umwelt werden Maßnahmen erarbeitet, so dass besonders gefährdete Personen besser vor den klimatischen Veränderungen geschützt werden können.
  • Vorbildrolle: Ärztinnen und Ärzte sind sich ihrer Verantwortung bewusst und nutzen das ihnen entgegengebrachte Vertrauen, um ihre Patientinnen und Patienten zu gesundheitsförderndem und klimaschonendem Verhalten zu bewegen. Damit wird die Vision eines nachhaltig gesundheitsfördernden und klimaresilienten Schweizer Gesundheitswesens verfolgt. Für jeden Handlungsbereich wurden Ziele erarbeitet, welche die Dokumentation des Fortschritts ermöglichen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Die Priorisierung der einzelnen Handlungsbereiche und Ziele erfolgt durch eine Begleitgruppe aus Vertretern der FMH angeschlossenen Dachorganisationen.

Planetary Health befasst sich mit den Zusammenhängen zwischen der menschlichen Gesundheit und den sozialen, ökonomischen und politischen Systemen, sowie den natürlichen Systemen unseres Planeten, von denen die Existenz der menschlichen Zivilisation abhängt. Damit beschreibt Planetary Health ein Konzept, bei welchem der Gesundheit des Planeten als Grundlage der menschlichen Gesundheit und allen Lebens eine zentrale Bedeutung zukommt [1]. Planetary Health ist eine Erweiterung von Public Health und Global Health, wobei die Nutzung der natürlichen Ressourcen im Kontext mit den Auswirkungen auf die Gesundheit des gesamten Systems und zukünftiger Generationen gesetzt wird. Das Konzept nutzt Synergieeffekte durch eine ganzheitliche Sichtweise, indem beispielsweise durch Schutz, Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen gleichzeitig das Klima stabilisiert, die Gesundheit geschützt und eine nachhaltige Wirtschaft gefördert wird.

Nachfolgend soll dargestellt werden, wie die involvierten Akteure die Implementierung der Planetary Health Strategie der FMH in die ärztliche Weiter- und Fortbildung planen. Ebenfalls soll ein Ausblick auf die erwartete Wirkung der Implementierung gegeben werden.

1.2. Die Verbindung Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH

Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) setzt sich dafür ein, dass alle Patientinnen und Patienten in der Schweiz Zugang zu qualitativ hochstehenden und finanziell tragbaren medizinischen Leistungen haben – Im politischen Entscheidungsprozess macht sich die FMH für eine ausgewogene Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder stark und fördert die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren des Schweizer Gesundheitssystems.

1.3. Das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF

Das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) ist für Ärzteschaft, Behörden und Bildungsinstitutionen das Kompetenzzentrum rund um die ärztliche Weiter- und Fortbildung in der Schweiz. Indem das SIWF als autonomes Organ der FMH alle wesentlichen Akteure und Organisationen in diesem Bereich vereinigt, stellt es in über 120 Fachgebieten eine qualitativ hochstehende Weiter- und Fortbildung der Ärztinnen und Ärzte sicher. Das SIWF ist insbesondere zuständig für die Beschlussfassung über Revisionen der Weiterbildungsordnung, die Schaffung und Aufhebung von Facharzttiteln und die Beschlussfassung über die von den ärztlichen Fachgesellschaften ausgearbeiteten oder revidierten Weiterbildungsprogrammen. Zu den alleinigen Kompetenzen des SIWF gehören die Vornahme redaktioneller Änderungen/Ergänzungen in den übergeordneten Weiter- und Fortbildungsordnungen sowie in den Weiterbildungsprogrammen, die Genehmigung neuer Fortbildungsprogramme und materielle Revisionen. Außerdem kann das SIWF Expertinnen und Experten zur Bearbeitung bestimmter Fragen einsetzen und nicht-fachspezifische Veranstaltungen anerkennen, welche ethische, gesundheitsökonomische oder versicherungsmedizinische Anliegen verfolgen, der Patientensicherheit, dem Risiko- bzw. Fehlermanagement oder der Schulung im Bereich des Notfalldienstes dienen.


2. Umsetzung der Strategie Planetary Health der FMH in der ärztlichen Weiter- und Fortbildung

Die Umsetzung der Strategie Planetary Health der FMH und der darin gesetzten Ziele erfolgt in den vier Bereichen Information, Mitigation, Adaptation und Vorbildfunktion (siehe oben).

Nachfolgend soll aufgezeigt werden, wie Planetary Health thematisch in die ärztliche Weiter- und Fortbildung integriert werden kann. Die Initiativen sollen sich am AMEE Consensus statement orientieren, das Bildungsbemühungen im Bereich Planetary Health beziehungsweise nachhaltiges Gesundheitswesen wie folgt definiert:

„… We define education for sustainable healthcare as the process of equipping current and future health professionals with the knowledge, values, confidence and capacity to provide environmentally sustainable services through health professions education… “ [12]

Damit wird klar, dass eine reine Wissensvermittlung nicht genügt, um das ärztliche Verhalten zu ändern, oder dass die Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz eine Vorbildfunktion für ihre Patientinnen und Patienten übernehmen können. Deshalb müssen neben curricularen Anpassungen auch Anreize gesetzt werden, um das bereits vorhandene oder neu erworbene Wissen umzusetzen. Möglichkeiten für eine Aufnahme von Planetary Health in die Curricula sollen skizziert und Systeme für einen Anreiz, die Inhalte aufzunehmen, dargestellt werden. Dabei werden auch Aspekte der transformativen Bildung aufgenommen, die gerade im Bereich „Planetary Health“ ein großes Gewicht haben werden. Interprofessionelle, interdisziplinäre und übernationale Netzwerke sollen dabei helfen, das ausreichend vorhandene Wissen in Handlung und Aktivitäten umzusetzen. Initiativen wie das Planetary Health Education Framework können dabei helfen, den Austausch zu unterstützen [13].

Die universitäre Ausbildung ist nicht Gegenstand dieser Zusammenstellung, da das SIWF nicht für das Studium der Humanmedizin zuständig ist.

2.1. Planetary Health in der ärztlichen Weiterbildung

Nach Abschluss des Studiums der Humanmedizin und Erwerb des eidgenössischen Arztdiploms folgt die Weiterbildung zur Fachärztin oder zum Facharzt. Die Schweiz verfügt über 45 verschiedene eidgenössische Facharzttitel. Zusätzlich zu diesen Titeln können mittels Schwerpunkten und Fähigkeitsausweisen weitere Titel im Sinne von Zusatzbefähigungen oder Subspezialisierungen erlangt werden. Aktuell existieren 39 monodisziplinäre und 8 interdisziplinäre Schwerpunkte sowie 42 Fähigkeitsausweise. Monodisziplinäre Schwerpunkte entsprechen einer Subspezialisierung in einem einzelnen Fachgebiet. Interdisziplinäre Schwerpunkte und Fähigkeitsausweise gelten als Bestätigung für Weiter- bzw. Fortbildungen, welche von ihrem Umfang oder ihrer Bedeutung her den Anforderungen eines Facharzttitels nicht genügen, oder für eine abgeschlossene Weiter- bzw. Fortbildung in bestimmten Untersuchungs-bzw. Behandlungsmethoden (Weiterbildungsordnung WBO des SIWF). Das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) kann über Änderungen in der Weiterbildungsordnung und den für alle Facharzttitel bindenden Allgemeinen Lernzielen generelle Aspekte der ärztlichen Weiterbildung einbringen.

Allgemeine Lernziele des SIWF

Die Allgemeinen Lernziele des SIWF sind Bestandteil der für alle Schweizer Facharztweiterbildungen verbindlichen Weiterbildungsordnung. Sie basieren auf den nach CanMEDS beschriebenen verschiedenen Rollen von Ärztinnen und Ärzten [14]. Sie enthalten unter anderem ärztliche Kompetenzen in den Bereichen Kommunikation, Zusammenarbeit, Gesundheitsförderung, Ökonomie und Medizin, Team- und Konfliktmanagement, Leadership, Umgang mit Fehlern oder ethische Entscheidungsfindung. All diesen Themen ist gemeinsam, dass sie zwar Wissensaspekte beinhalten, jedoch alle sehr viel mehr auch Werte, Haltungen und emotionale Aspekte ansprechen. Sie eignen sich deshalb speziell gut für Ansätze der transformativen Bildung, wie sie auch von Initiativen wie der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. [https://www.klimawandel-gesundheit.de/] gefordert wird. Zentrale Ansätze des transformativen Lernens sind die Interaktivität von Veranstaltungen, der Erfahrungsaustausch innerhalb einer Berufsgruppe, aber auch fach- und berufsgruppenübergreifende Angebote. Dabei sollen Personen aus Gesundheitsberufen vor allem auch vom Expertenwissen von Exponentinnen und Exponenten aus dem Umfeld der Klima- und Unweltforschung profitieren.

Das Thema Planetary Health wird nun als neues Thema in die Allgemeinen Lernziele aufgenommen. Damit werden die ärztlichen Fachgesellschaften in die Verantwortung genommen, Aspekte von Planetary Health in ihr Fachgebiet als übergeordnetes Thema in der Weiter-, aber auch in der Fortbildung, als Lerninhalt aufzunehmen. In einem fortgeschrittenen Stadium der Umsetzung der Strategie Planetary Health wäre auch die Entwicklung eines interdisziplinären Schwerpunkts oder Fähigkeitsausweises „Planetary Health“ möglich. Mögliche Lerninhalte dafür finden sich in Tabelle 2 [Tab. 2].

2.2. Planetary Health in der ärztlichen Fortbildung

Die lebenslange Fortbildung beginnt nach Abschluss der Weiterbildung und ist eine unverzichtbare Voraussetzung, um kompetent den Arztberuf ausüben zu können. Auch hier können Aspekte von Planetary Health einfließen, indem die Fachgesellschaften aufgerufen werden, Themenbereiche gemäß Tabelle 2 [Tab. 2] in ihre Curricula zu integrieren. Das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) selbst kann in übergeordneten Bereichen nicht-fachspezifische Veranstaltungen anbieten bzw. anerkennen wie zum Beispiel Medizinethik, Gesundheitsökonomie, Patientensicherheit, Risiko- bzw. Fehlermanagement, Management/Führung, Teaching, Kommunikation, Medizinrecht, Notfalldienst, Evidence Based Medicine, Medical Decision Making, zukunftsweisende Forschung und Technologie etc. Es kann aber auch Incentives im Sinne von Fortbildungscredits für klimafreundliche Veranstaltungen erteilen. So könnten spezifische Kriterien für Kongresse und Fortbildungsveranstaltungen definiert werden, die mit zusätzlichen Credits honoriert werden, wie beispielsweise:

  • Motivation zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (ÖV) für Reisen an Veranstaltungen; zum Beispiel Rückerstattung eines Teils der Fahrkosten mit ÖV oder Aufnahme des ÖV-Tickets in die Teilnahmekosten
  • Verwendung einer App für die allgemeinen Kongressinformationen und Verzicht auf Print-Programme
  • Verzicht auf Prospekte von Industriepartnern
  • Notwendige Drucksachen nur auf recyceltem Papier anbieten
  • Verzicht auf Wegwerfgeschirr
  • Berücksichtigung lokaler und saisonaler Produkte im Catering
  • Vegetarische oder vegane Verpflegung
2.3. Projektförderung SIWF mit Spezialthema Bildung im Bereich Planetary Health

Die SIWF-Projektförderung ist ein Instrument zur Verbesserung der ärztlichen Weiterbildung. Durch die finanzielle Unterstützung von ausgewählten Weiterbildungsprojekten will das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) zur Verbesserung der Weiterbildung und zur Entlastung der Weiterbildungsverantwortlichen beitragen. Die SIWF-Projektförderung richtet sich an Ärztinnen und Ärzte mit einer Weiterbildungsfunktion an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte – sowohl an Einzelpersonen als auch an Teams. Eine Jury, bestehend aus Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen sowie Bildungsexpertinnen und -experten beurteilt die eingegebenen Projekte hinsichtlich ihres Nutzens für die ärztliche Weiterbildung, der Breite der Nutzungsmöglichkeiten, ihrer Übertragbarkeit und der Anwendbarkeit an anderen Institutionen. Die Projektförderung kann neben allgemeinen Bildungsprojekten auch spezifische und wichtige Themen aufnehmen und so einen Fokus auf entsprechende Initiativen legen. Hier ist eine Ausschreibung zum Thema Weiterbildung im Bereich Planetary Health angedacht.


3. Evaluation der Strategie Planetary Health in der ärztlichen Weiter- und Fortbildung

Nebst der Wissensvermehrung für Ärztinnen und Ärzte im Bereich Planetary Health soll es vor allem darum gehen, konkrete und praktische Hilfsmittel und Anleitungen zu generieren, die eine Verhaltensänderung sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld bewirken. Andererseits können Ärztinnen und Ärzte auch als Vorbilder für ihre Patientinnen und Patienten dienen und bei ihnen eine Verhaltensänderung anstossen.

Bei der Auswertung der aufgezeigten Interventionen muss zwischen kurzfristigen Veränderungen (Wissenszunahme, kleinere Anpassungen in der täglichen Arbeit) und mittel- bis langfristigen Wirkungen unterschieden werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Bildungsinterventionen mittels Fragebogen, Selbstevaluationen oder Fokusgruppen relativ leicht evaluiert werden können, die aber viel interessanter langfristigen Änderungen im Verhalten oft so multifaktoriell sind, dass Rückschlüsse auf die Bildungsaktivitäten häufig nicht direkt möglich sind.


4. Nächste Schritte

Das Projekt Planetary Health in der ärztlichen Weiter- und Fortbildung ist in der Phase des Aufbaus. Erste Ideen wie oben skizziert, sind vorhanden. Nun geht es darum, diese Liste möglicher Handlungsfelder zu erweitern und mögliche Maßnahmen zu konkretisieren. Folgende Aktivitäten sind geplant:

  • Einsetzen einer Expertengruppe Planetary Health in der ärztlichen Weiter- und Fortbildung
  • Aufbau eines Think tank mit möglichen Themenbereichen und Aktivitäten
  • Vernetzung mit nationalen und internationalen Stakeholdern
  • Erarbeiten eines Delphi Prozesses zur Priorisierung der Maßnahmen
  • Konkretisieren der priorisierten Maßnahmen
  • Umsetzung der oben skizzierten Initiativen
  • Evaluation der durchgeführten Aktivitäten und Entscheid über deren Weiterführung durch die Expertengruppe

5. Fazit

Der Handlungsbedarf im Bereich der Treibhausgasreduktion, dem Schutz des Klimas und der Förderung von Planetary Health ist in den letzten Jahren verdeutlicht worden. Nur durch umfassende und umsetzbare Maßnahmen lässt sich die aktuelle Entwicklung verlangsamen oder idealerweise sogar stoppen, so dass auch künftige Generationen eine lebendige und gesunde Umwelt vorfinden können. Die FMH und das SIWF sind bereit, aktiv dazu beizutragen, bei der Ärzteschaft generationsübergreifend auf die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen, entsprechende Initiativen selbst zu ergreifen und zu unterstützen. Dazu ist es notwendig, auf verschiedenen Ebenen das Bewusstsein für diese Prozesse zu wecken, sei es in der Politik, in Verbänden und Organisationen, in Universitäten oder Ausbildungsbetrieben wie auch in Praxen und Spitälern, um nur einige Beispiele zu nennen. Die FMH und das SIWF setzen sich im Sinne der Nachhaltigkeit dafür ein, im Bereich der Weiter- und Fortbildung der Ärzteschaft die Thematik Planetary Health zu verankern. Eine gute nationale Vernetzung sowie eine übernationale Zusammenarbeit gerade im medizinischen Bildungssektor muss angestrebt werden, damit die Interventionen und Aktivitäten im Bereiche Planetary Health möglichst vielfältig, effizient und nachhaltig sein werden. Die Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger von Heute sind die Führungskräfte von Morgen, sie werden sich mit den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels in der Betreuung ihrer Patientinnen und Patienten konkret auseinandersetzen – und vielleicht in Zukunft auch schwierige Entscheidungen treffen müssen. Nur wenn interprofessionell und interdisziplinär der Ernst und die Dringlichkeit der aktuellen Lage erkannt und konkrete und dem Problem angepasste Maßnahmen ergriffen werden, kann die langfristige Gesundheit aller gesichert werden.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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