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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Christoph Nikendei, Till Johannes Bugaj, Anna Cranz, Alina Herrmann, Julia Tabatabai: Heidelberger Standards der Klimamedizin – Wissen und Handlungsstrategien für den klinischen Alltag und die medizinische Lehre im Klimawandel

Buchbesprechung Heidelberger Standards Klimamedizin

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  • corresponding author Lorena Morschek - Universitätsklinik Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(3):Doc25

doi: 10.3205/zma001607, urn:nbn:de:0183-zma0016072

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001607.shtml

Eingereicht: 27. März 2023
Überarbeitet: 27. März 2023
Angenommen: 27. März 2023
Veröffentlicht: 15. Mai 2023

© 2023 Morschek.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Bibliographische Angaben

Christoph Nikendei, Till Johannes Bugaj, Anna Cranz, Alina Herrmann, Julia Tabatabai

Heidelberger Standards der Klimamedizin – Wissen und Handlungsstrategien für den klinischen Alltag und die medizinische Lehre im Klimawandel

Verlag: Heidelberger Klinische Standards

Erscheinungsjahr: 2023, Seiten: 352, Preis: € 34,99

ISBN: 978-3-00-074681-9


Rezension

Die Klimakrise bedroht auf vielfältige Weise unsere natürlichen Lebensgrundlagen und unsere Zivilisation. Mit der stetigen Zunahme der globalen Mitteltemperatur wird die Überschreitung irreversibler Kipppunkte immer wahrscheinlicher. Es drohen eine massive Beschleunigung des Biodiversitätsverlusts, die Übersäuerung der Ozeane, vermehrte Ernährungsengpässe, eine Zunahme von Extremwetterereignissen sowie klimabedingte Fluchtbewegungen.

Als kompaktes „Kitteltaschenbuch“ vermitteln die Heidelberger Standards der Klimamedizin sowohl breit gefächertes Wissen als auch praxisorientierte Handlungsempfehlungen zu den wissenschaftlichen Grundlagen, der (medizinischen) Versorgung von körperlichen wie psychischen Auswirkungen der Klimakrise sowie zu notwendigen Transformationsprozessen bis hin zu einem ökologisch nachhaltigeren Gesundheitssektor. In 12 Kapiteln mit insgesamt 45 Beiträgen verdichten die beteiligten Autor*innen den aktuellen Forschungsstand und Informationen aus ihrer (medizinischen) Praxis und stellen nützliche Tipps und Hinweise für den beruflichen Alltag sämtlicher Akteur*innen des Gesundheitssektors bereit.

Zunächst geben die Heidelberger Standards der Klimamedizin einen kurzen und prägnanten Überblick über die wissenschaftlichen Grundlagen der Klimakrise (Kapitel 1) und deren Auswirkung auf natürliche und soziale Systeme (Kapitel 2). Die Kenntnisse dieser Grundlagen helfen den Leser*innen einerseits bei der Lektüre der folgenden Buchkapitel, sollen andererseits aber auch als praktisches Handwerkszeug im (wissenschaftlichen) Diskurs dienen.

In zwei umfassenden Kapiteln werden anschließend die zahlreichen direkten und indirekten Auswirkungen der Klimakrise auf die menschliche Gesundheit beleuchtet. Im 3. Kapitel zu den körperlichen Auswirkungen der Klimakrise wird deutlich, wie eng Veränderungen der Umwelt (z. B. häufigere Extremwetterereignisse, Hitzewellen, vermehrtes Vorkommen tropischer Krankheitserreger) mit der menschlichen Gesundheit zusammenhängen: Das Auftreten vieler Erkrankungen, wie z. B. Hitzschlag, COPD, Allergien, Diabetes oder Nierenversagen, wird von der Klimakrise beeinflusst. Neben der Erklärung dieses Zusammenhangs werden hier für Kliniker*innen relevante Definitionen, pathophysiologische Prozesse, wesentliche Empfehlungen zur klinischen Versorgung sowie hilfreiche therapeutische Strategien dargestellt. Die psychischen Auswirkungen des Klimawandels werden in Kapitel 4 näher betrachtet, die von Traumata im Rahmen von Naturkatastrophen bis hin zu Zusammenhängen von Klima, Wetter und Suizidalität reichen. Daneben widmet sich das 5. Kapitel generellen kognitiven Prozessen und Verzerrungen in der psychischen Wahrnehmung und Verarbeitung des Klimawandels und veranschaulicht eindrücklich die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln in Bezug auf die Klimakrise.

Nachfolgend zeigen die Heidelberger Standards der Klimamedizin konkrete Handlungsfelder des Gesundheitssektors auf (u. a. die Reduktion von Emissionen durch eine veränderte Speisenversorgung, Energiewirtschaft und Arzneimittelversorgung im Krankenhaus), um der durch die Klimakrise drohenden Gesundheitskrise entschieden entgegenzutreten (Kapitel 6). Danach werden etliche gesundheitliche Co-Benefits von Klimaschutzmaßnahmen an eingängigen Beispielen erläutert (Kapitel 7), eingerahmt von praktischen Tipps zur klimasensiblen Gesundheitsberatung und einer patient*innenorientierten Klimakommunikation (Kapitel 8). Darüber hinaus wird verständlich und präzise dargestellt, wie eine nachhaltige Transformation des Gesundheitssektors konkret gelingen kann (Kapitel 9) und wie Erkenntnisse zur Klimakrise in Forschung und Lehre zielgerichtet integriert werden können (Kapitel 10 und 11). Abschließend werden Überlegungen zum ärztlichen Ethos in Zeiten der Klimakrise dargestellt und verschiedene Initiativen im Gesundheitssektor vorgestellt (Kapitel 12). Die inhaltliche Schwerpunktsetzung des Buchs veranschaulicht insofern zum einen die komplexen Auswirkungen der Klimakrise und zum anderen verbleibende Handlungsspielräume sowohl auf individueller als auch auf struktureller Ebene. Zahlreiche Tabellen und Abbildungen bieten einen schnellen Überblick zu zentralen Aspekten der Kapitel. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Themen wird über den Fließtext sowie eine Vielzahl an (teils weiterführenden) Quellenverweisen ermöglicht.

Die Lektüre der Heidelberger Standards der Klimamedizin empfiehlt sich insbesondere für interessierte Beteiligte des Gesundheitssektors, die sich mit den Grundlagen und Folgen der Klimakrise für ihren beruflichen Alltag auseinandersetzen möchten, gewonnene Erkenntnisse in ihrer (medizinischen) Praxis, Forschung und Lehre umsetzen möchten und Transformationsprozesse verstehen und mitgestalten möchten.


Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.