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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

„Wo meine Verantwortung liegt“: Reflexion über die Medizin während des Holocaust zur Unterstützung der persönlichen und beruflichen Identitätsbildung in der Ausbildung der Gesundheitsberufe

Artikel Professionelle Idenditätsentwicklung

  • author Madelin S. Riesen - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Witten, Deutschland
  • corresponding author Claudia Kiessling - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Lehrstuhl für die Ausbildung personaler und interpersonaler Kompetenzen im Gesundheitswesen, Witten, Deutschland
  • author Diethard Tauschel - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Integriertes Begleitstudium Anthroposophische Medizin (IBAM) innerhalb des Lehrstuhls für Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Anthroposophischen Medizin, Witten, Deutschland
  • author Hedy S. Wald - Warren Alpert Medical School of Brown University, Department of Family Medicine, Lancet Commission on Medicine and the Holocaust, Providence/RI, U.S.A

GMS J Med Educ 2023;40(2):Doc24

doi: 10.3205/zma001606, urn:nbn:de:0183-zma0016064

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001606.shtml

Eingereicht: 4. August 2022
Überarbeitet: 27. November 2022
Angenommen: 30. Januar 2023
Veröffentlicht: 17. April 2023

© 2023 Riesen et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Ärzt*innen und medizinische/wissenschaftliche Institutionen haben während des Nationalsozialismus und des Holocaust schwere, ethisch nicht zu vertretende Verbrechen begangen, einschließlich der Mitwirkung am Völkermord. Die kritische Reflexion über diesen Teil der Vergangenheit kann als wirkungsvolle Grundlage für die persönliche und berufliche Identitätsbildung, mit einer intensiven Auseinandersetzung über ethische Werte und Normen dienen. Diese ist für die heutige Ausbildung und Berufsausübung in den Gesundheitsberufen von großer Bedeutung. Ziel der Studie war es, die Effekte einer Exkursion zur Gedenkstätte Auschwitz im Rahmen des Curriculums „Ärztliche Bewusstseinsbildung und Ethik am Beispiel der Medizin im Nationalsozialismus“ auf die persönliche und berufliche Identitätsbildung von Studierenden zu untersuchen.

Methoden: Reflective Writings von 44 Medizin- und Psychologiestudierenden einer Exkursion zur Gedenkstätte Auschwitz im Jahr 2019 wurden mittels thematischer Analyse (Immersion-Kristallisations-Ansatz) qualitativ ausgewertet.

Ergebnisse: Es wurden sechs verschiedene Themen und 22 Unterthemen identifiziert und in ein Modell des reflexiven Lernprozesses gemappt:

1. „Was bringe ich mit?“
2. „Was erlebe ich durch das Curriculum?“
3. „Was nehme ich initial als erste Reaktion bewusst wahr?“
4./5. „Wie und was verarbeite ich?“
6. „Was nehme ich mit?“

Besonders hervorstechende Unterthemen wie Macht des Ortes, emotionales Erleben, Reflexion über mich selbst als moralische Person und aktuelle Relevanz deuteten auf wirkungsvolle Kurselemente hin.

Schlussfolgerungen: Dieses Curriculum katalysierte einen kritisch reflexiven Lern-/Sinnfindungsprozess, der die persönliche und berufliche Identitätsbildung unterstützt, einschließlich des kritischen Bewusstseins, des ethischen Gewahrseins und der professionellen Werte. Die gestalterischen Elemente des Curriculums beinhalteten Erzählungen (Narrative), die Unterstützung emotionaler Aspekte des Lernens und die angeleitete Reflexion über ethisch-moralische Implikationen. Ein Curriculum „Medizin während des Nationalsozialismus und des Holocaust“ kultiviert Einstellungen, Werte und Verhalten für eine empathische, moralische Orientierung bei den unvermeidlichen Herausforderungen im Gesundheitswesen. Es sollte einen fundamentalen Bestandteil der Ausbildung in den Gesundheitsberufen darstellen.

Schlüsselwörter: Bildung einer beruflichen Identität, medizinische Ausbildung, Medizin während des Holocausts


Einleitung

„To be a physician requires a transformation of the individual - one does not simply learn to be a physician, one becomes a physician” [1].

Professionelle Identitätsbildung, im Englischen „professional identity formation“ (PIF), d. h. eine „Repräsentation des Selbst, die im Laufe der Zeit schrittweise erreicht wird, wobei die Merkmale, Werte und Normen des medizinischen Berufs internalisiert werden, resultierend im individuellen Denken, Handeln und Fühlen wie ein:e Ärzt:in” [2], ist ein grundlegendes Ziel der medizinischen Ausbildung [3]. Durch die soziale Interaktion mit der „community of practice“ [2] bewegen sich die Lernenden von einer legitimen peripheren zu einer vollen Teilnahme an der derselben. Es handelt sich im Wesentlichen um einen Sozialisierungsprozess, bei dem Normen, Überzeugungen und Werte der medizinischen „community of practice“ innerlich verhandelt und entsprechend akzeptiert, als Kompromiss angenommen oder abgelehnt werden [2]. PIF ist ein aktiver, konstruktiver Prozess [4]. Dieser beinhaltet prägende Lernerfahrungen, die darauf abzielen, „die Auszubildenden zu bestärken, bei der Entwicklung ihres professionellen Selbst als intentionale Akteur:innen zu handeln” [5]. PIF ist mit der Entwicklung der persönlichen Identität verbunden [4], [6] und mit der moralischen Entwicklung verflochten [7]. Dies zielt darauf ab, „Studierende in grundlegenden Prinzipien zu verankern und ihnen gleichzeitig zu helfen, unvermeidliche moralische Konflikte in der medizinischen Praxis zu bewältigen” [8]. Angesichts der ethisch-moralischen Komplexität in der Medizin und der Notwendigkeit eines expliziteren PIF-Curriculums stellt die Erstellung eines entsprechenden Curriculums eine Herausforderung für Lehrende und Planende dar [4].

Das Lernen über und kritische Reflektieren der Geschichte der Medizin während des Nationalsozialismus und des Holocaust (GMNH) wird als ein effektives Vehikel für die Entwicklung von PIF mit einer ethisch-moralischen Resilienz von Angehörigen der Gesundheitsberufe beschrieben [9], [10]. Die Lernenden engagieren sich persönlich und berücksichtigen die Auswirkungen dieser Geschichte auf ihr moralisches Handeln („moral agency“ [12]) und auf die Ethik innerhalb des Berufsstandes. Eine solche Reflexion schärft das Bewusstsein für dehumanisierende Elemente in der modernen Medizin [11], [12]. Im Idealfall hilft sie, „die Lernenden mit einem moralischen Kompass auszustatten, um die zukünftige medizinischen Praxis und die damit verbundenen ethischen Herausforderungen zu meistern” [10]. Angesichts der Forderungen, die Ausbildung in den Gesundheitsberufen um die Fähigkeiten der Lernenden über die klinischen Kompetenzen hinaus um Aspekte wie zum Beispiel Integration von Ethik einschließlich ethischer Vigilanz, Mitgefühl, Humanismus zu erweitern [3], [9], stellt dieser Teil der Geschichte der Medizin als Teil der „Medical Humanities“ einen integralen Bestandteil der medizinischen Ausbildung dar. Die Galiläa-Erklärung von 2017 [https://bit.ly/3K0GFt5]) forderte daher die medizinischen Fakultäten und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens auf, die Geschichte der GMNH [10] als ein zentrales und markantes Beispiel für das Versagen der Medizin in den Unterrichtskanon aufzunehmen [13]. Ein Leitartikel in The Lancet bezeichnete diesen Unterrichtsbaustein als „medizinischen Imperativ” [14] und „instruktiv” für „inkrementelle Schritte, die zu unmenschlicher Verletzung ethischer Prinzipien in der Medizin führen können” [15]. Die Lancet Commission on Medicine and the Holocaust schlägt daher „didaktische Ansätze vor, die diese Geschichte nutzen, um ethisches Verhalten, eine auf Empathie beruhende Identitätsbildung und moralische Entwicklung zu fördern” [16].

Die tragische Tatsache einer solch unfassbaren Beteiligung von Angehörigen der Gesundheitsberufe an Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat sich auf fast jeden Aspekt der modernen Bioethik ausgewirkt [17]. Sie ist entsprechend von aktueller Relevanz für Themen wie Machthierarchien und -missbrauch, Forschung am Menschen und Einholung einer informierten Einwilligung, öffentliche Gesundheitspolitik, Einfluss wirtschaftlicher und politischer Aspekte auf die eigene Arbeit, doppelte Loyalität, Anti-Bias, Diversität/Gleichheit/Inklusion, Ressourcenverteilung, Beginn und Ende des Lebens und Herausforderungen der Genforschung und Technologisierung. Während der Nürnberger Kodex fester Bestandteil der Schulungen zur Forschungsethik ist, wurde international ein geringes Wissen der Medizinstudierenden über die Geschichte des GMNH berichtet [18], [19], [20]. Die Verankerung dieses Themas in der medizinischen Ausbildung ist bisher relativ gering. In einer nationalen Umfrage zum Pflichtcurriculum „Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin” wurde beispielsweise berichtet, dass Lehrkräfte an zehn von 29 deutschen medizinischen Fakultäten diesen Fachinhalt als notwendig im Rahmen des Pflichtcurriculums befürworten (Thema mit der höchsten Zustimmung von allen befragten Themen), er ist jedoch nicht an allen Hochschulen verpflichtend [21], [22]. Nur 16% der befragten US-amerikanischen und kanadischen Hochschulen gaben an, dass Seminare oder Kurse zu diesem Thema verpflichtend sind [17], und nur eine medizinische Hochschule in Israel (Ben-Gurion-Universität) bietet einen verpflichtenden GMNH-Kurs an [22].

Hinsichtlich der Wirksamkeit solcher Curricula, wurden Tendenzen über eine zunehmende Sensibilisierung für bioethische Fragen bei Medizinstudierenden, die sich mit GMNH inklusive Exkursionen zu realen Stätten als Teil des Studiums auseinandersetzen, berichtet [23]. Allerdings gibt es keine Studien über die Effekte dieser Kurse oder Veranstaltungen auf die persönliche und professionelle Identitätsbildung. Ziel unserer Studie war es, dies anhand der Themen der „Reflective Writings“ (RWs) von Studierenden während einer Exkursion zur Gedenkstätte Auschwitz im Rahmen eines GMNH-Curriculums zu untersuchen und Curriculumselemente zu identifizieren, die die persönliche und professionelle Identitätsbildung in diesem Kontext unterstützen.


Methoden

Setting

Lehrende der Universität Witten/Herdecke (UW/H), Deutschland, entwickelten 2017 in Zusammenarbeit mit dem Ita Wegman Institut, Schweiz, ein dreijähriges interprofessionelles Curriculum mit dem Titel „Ärztliche Bewusstseinsbildung und Ethik am Beispiel der Medizin im Nationalsozialismus” [24]. Die Studierenden konnten ein, zwei oder drei Jahre lang an dem Kurs teilnehmen, der Teil des Integrierten Begleitstudiums Anthroposophische Medizin [https://bit.ly/3hgtzeQ] sowie des Studium Fundamentale ist, einem Wahlpflichtbereich für alle Studierenden, das die Möglichkeiten bietet, in eigener Schwerpunktsetzung „vertiefendes Arbeiten und das Erreichen übergeordneter Kompetenzen, wie z. B. kritisches Denken” [25] zu fördern. Zu den Zielen des Kurses gehörten

1.
Beschreibung der historischen Ereignisse und der Rolle der Ärzt*innen und medizinischer/wissenschaftlicher Institutionen, unter Berücksichtigung der Entwicklung von dehumanisierenden Einstellungen, Verhaltensweisen und systembezogenen Vorgehensweisen; die „Ethik” der Zeit,
2.
Identifizierung von Widerstand gegen diese historischen Ereignisse (#1), einschließlich des eigenen „moralischen Kompasses”, der trotz sozialer, wirtschaftlicher, politischer und beruflicher Zwänge bewahrt werden konnte, und
3.
ein Bewusstsein für die aktuelle Relevanz dieses Teils der Geschichte zu entwickeln.

Das Curriculum umfasst Seminare zu historischen Inhalten, Einzel- und Kleingruppenreflexion über Dokumentarfilme von Überlebenden, vorgegebene Lektüre (einschließlich Geschichten von Überleben und Widerstand) [26], [27] und Exkursionen zu Gedenkstätten (z. B. der Gedenkstätte Auschwitz). Am Ende eines jeden Jahres präsentieren die Studierenden selbst gewählte Themen im Zusammenhang mit den Kursthemen im Rahmen eines öffentlichen Symposiums [24].

Im Jahr 2019 wurde das Curriculum durch Interaktives Reflektierendes Schreiben (IRS) bereichert, um sinnstiftendes („meaning-making“ [28]) und transformatives Lernen zu unterstützen [28]. Die Wirksamkeit von IRS zur Förderung der Reflexion und zur Unterstützung der persönlichen und beruflichen Identitätsbildung ist gut dokumentiert [29], [30], [31], [32]. Die Iteration des Curriculums für die Exkursion beinhaltete „Medical Humanities“ Komponenten, d. h. IRS, Poesie, Kunst, Musik sowie meditative Übungen. Zu den Vorteilen der Integration von „Medical Humanities“ in die medizinische Ausbildung [33], [34] gehören die Förderung einer moralischen Sensitivität [35] und einer humanistischen Haltung [36], von Reflexionsprozessen zur Unterstützung einer „praktischen Weisheit“ („practical wisdom“) [4], von PIF [37] und dem Sinn für soziale Verantwortung [38].

Datenerhebung und Datenmanagement

Sechsundvierzig Studierende (39 Medizin, 7 Psychologie) aus verschiedenen Studienjahren nahmen an dem Curriculum und der viertägigen Exkursion 2019 teil (100 % der Kursteilnehmenden waren auf der Reise). Die Studierenden wurden jeden Abend zu freiwilligen IRS-Sitzungen eingeladen. Die RWs wurden durch Prompts eingeleitet, die sich auf die tägliche Exkursion und Vorlesung bezogen, darunter Themen wie Dehumanisierung in der Medizin, Heilende, die zu Mordenden werden, Geschichten von Widerstand und Zivilcourage sowie Auswirkungen auf das Selbstverständnis, die berufliche Identität und/oder die künftige Praxis im Rahmen aktueller ethischer Herausforderungen. Prompts, die auch Gedichte und einschlägige Zitate von Forschenden und Schriftsteller*innen enthielten, dienten als Anregung zum kritischen Nachdenken. Die Struktur der Prompts erlaubte eine flexible Reaktion der Studierenden und enthielt eine Option zum „freien Schreiben”.

Vierunddreißig Studierende reichten freiwillig 91 RWs ein, darunter zehn RWs von drei Psychologiestudierenden. Die Studierenden verwendeten selbst gewählte Codes für die RWs mit maximal vier RWs pro Student:in (bezogen auf vier IRS-Sitzungen). Die Codes wurden in fortlaufende ID-Nummern umgewandelt (z. B. 14.3). Personenbezogene Daten wurden nicht erhoben, um die Anonymität zu wahren. Vierundvierzig zufällig ausgewählte RWs (50%), die 27 Studierende repräsentierten, wurden von einer professionellen Übersetzerin ins Englische übersetzt, damit alle Forschenden an der Analyse teilnehmen konnten. RWs der Autorin MSR als Kursteilnehmende wurden ausgeschlossen. Diese Studie wurde von der Ethikkommission der UW/H genehmigt.

Datenanalyse

Das interprofessionelle, generationenübergreifende Forschungsteam brachte ein breites Spektrum an Expertise, einschlägige Forschungserfahrung und expliziter Reflexivität in die qualitative Datenanalyse ein [39], [40]. Zum Forschungsteam gehörten eine Medizinstudentin im elften Semester (MSR), eine Professorin für Family Medicine/clinical Psychologist mit IRS-, PIF- und qualitativer Forschungserfahrung (HSW) und eine Professorin mit dem Hintergrund Medizindidaktik mit Forschungserfahrung in qualitativer Forschung und Curriculumsentwicklung sowie einer Dissertation über Medizin im Nationalsozialismus (CK).

Die RWs der Studierenden wurden mittels thematischer Analyse [41] ausgewertet, wobei von allen Forschenden die englische Übersetzung verwendet wurde. Die kontinuierliche Reflexion im Team beinhaltete auch die Frage, wie die Datenanalyse durch die unterschiedlichen kulturellen und/oder familiären Hintergründe der Forschenden, z. B. zwei deutsche und eine amerikanische Forschende, beeinflusst werden könnte. Alle Fragen zu kulturellen oder sprachlichen Interpretationen der RWs wurden besprochen. Die deutsche Originalversion der RWs wurde überprüft und/oder die Übersetzerin zur weiteren Klärung konsultiert, wenn dies notwendig war.

Drei Autorinnen führten unabhängig voneinander Datenanalysen mit der Methode Immersion/Kristallisation durch, indem sie die Erzählungen mit „kognitivem und emotionalem Engagement” wiederholt lasen, was zu „intuitiven Kristallisationen” führte, um auftauchende Unterthemen bis zur Sättigung zu identifizieren und zu extrahieren [39]. Die Praxis der Reflexivität und des Dialogs wurde während des Datenanalyseprozesses fortgesetzt, einschließlich des Bewusstseins der inhärenten Subjektivität der Forscherinnen. Es wurde zudem besprochen, wie die zugrundeliegenden Vorannahmen der einzelnen Mitglieder des Analyseteams die Interpretation der Daten beeinflussen könnten [40]. Für die thematische Pilotierung wurden vier RWs analysiert, wobei Diskrepanzen durch Diskussion geklärt wurden. Die verbleibenden RWs wurden in einer Abfolge von vier Sets von 10-14 RWs analysiert und solange diskutiert, bis eine thematische Sättigung erreicht war, die durch Konsens des Forschungsteams festgestellt wurde. Dabei wurde auch darüber nachgedacht, wie die Teamdynamik den Entscheidungsprozess beeinflussen könnte, da das Forschungsteam aus einer Medizinstudentin und zwei Professorinnen bestand. Bei der Analyse war es wesentlich einen Konsens zu erzielen und dabei die Meinung der Forschungsstudentin gleichberechtigt einfließen zu lassen. Die Generierung von Unterthemen erfolgte ohne „a priori”-Ansatz analytischer oder thematischer Vorannahmen und wurde iterativ präzisiert. Unstimmigkeiten wurden per Videokonferenzen geklärt, um einen Konsens über die endgültigen Unterthemen zu erzielen. Nach der Analyse der 44 RWs diskutierte das Forschungsteam, inwieweit eine thematische Sättigung erreicht wurde, und kam zu dem Schluss, dass diese erreicht war, da in den letzten RWs keine neuen Unterthemen mehr aufgetaucht waren.

Das Forschungsteam arbeitete mit den endgültigen Unterthemen in iterativen Zyklen, um einen Konsens für die Gruppierung der Unterthemen in thematische Kategorien zu finden, die in ein konzeptionelles Modell für reflexives Lernen gemappt wurden. Eine Ärztin/Promovendin mit Erfahrung in Curriculumsentwicklung, reflektierender Gruppenarbeit und IRS diente als externe Reviewerin und begutachtete die gesamte thematische Analyse einschließlich der Themen und Unterthemen sowie den konzeptionellen Rahmen für reflexives Lernen, um die Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit der Analyse zu unterstützen.


Ergebnisse

Aus den Analysen wurden sechs verschiedene Themen des reflexiven Lernens mit 22 eigenständigen Unterthemen extrahiert, die im Folgenden mit Themen und Unterthemen in kursiv beschrieben werden. Themen, Unterthemen und beispielhafte Zitate zur Veranschaulichung sind in Anhang 1 [Anh. 1] zu finden. Im Rahmen des Themen-Mappings wurden die Themen und Unterthemen einem Modell des reflexiven Lernprozesses zugeordnet. Der iterative Prozess der Analyse und Diskussion von Themen und Unterthemen beinhaltete Diskussionen über bestehende Reflexionsmodelle und Lerntheorien, um die Themen, Unterthemen und das Modell des reflexiven Lernprozesses zu re-evaluieren. Dabei zeigte sich, dass dieses Modell mit dem Reflexionsmodell von Koole et al. [42] konsistent war und letzteres um die Perspektive der Studierenden erweitert werden konnte (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Themen
Thema 1: „Was bringe ich mit?”

Der reflexive Lernprozess beginnt mit dem, was den Studierenden inhärent ist; was sie in Bezug auf ihre Identität und Intentionen in die Erfahrung einbringen. Die Studierenden schrieben über Intentionales Lernen, einschließlich persönlichem Wachstum und moralischer Entwicklung, z. B. „Warum bin ich hierher gekommen? Um meinen moralischen Kompass zu stärken und einzunorden.” (11.1). Sie schrieben auch über persönliche Stärken, die die moralische und emotionale Widerstandskraft fördern, z. B. „Mein Empathievermögen würde ich als Stärke bezeichnen. [...] Der Glaube an die Liebe und das Gute, mit dem Bewusstsein von dem potenziell Bösen in uns.” (2.3).

Thema 2: „Was erlebe ich durch das Curriculum?”

Die Studierenden reflektierten über wirkungsvolle Elemente des Curriculums, z. B. die Macht des Ortes, d. h. die Anwesenheit an dem realen Ort, der für die Kontextualisierung des Lernens und für das emotionale Engagement von Bedeutung ist: „Das Bedürfnis, mich mit diesem Ort zu verbinden. Physisch. Nicht nur auf diesem Boden zu gehen, sondern ihn wirklich zu spüren. Psychisch. Die Bilder, die sich vor meinen Augen entfalten, aufsaugen, behalten, so in mein Gehirn einprägen, dass ich sie nicht vergesse.” (10.1). Zu spezifischen Elementen, die in den Studierenden angeklungen sind, gehörten Überreste des Krematoriums mit Gedenksteinen, das berüchtigte „Arbeit macht frei”-Schild und die persönlichen Habseligkeiten der Opfer, z. B. „Es ist kaum vorzustellen wie viele Menschen ihr Leben dort lassen mussten. Und dann sah ich die unfassbar großen Haufen an Brillen, Koffern, Geschirr und Haare… Und es wird sehr deutlich um wie viele Menschen es geht. Und trotzdem geht es um Massen. Massen an Menschen. Da fällt es mir nicht schwer zu verstehen, wie einfach es ist, zu dehumanisieren.” (6.2).

Die Studierenden identifizierten sich mit und reflektierten über Biografien positiver historischer Vorbilder und deren persönliche Relevanz, darunter auch Widerstandsbiografien mit den Vorbildeigenschaften Selbstlosigkeit, Altruismus und Demut, z. B. „Mich hat die Geschichte von einem Häftling, der die Hungerstrafe für einen anderen Häftling übernommen hat und daran dann verstorben ist, sehr bewegt. So viel Selbstlosigkeit zu zeigen und das in einem Lager wie Auschwitz, in dem Hunger, Angst und Grausamkeit ständige Begleiter sind, ist sehr beeindruckend und inspirierend.” (25.3).

Zu den lernendenzentrierten Kurselementen, die das Lernen unterstützen, gehörten die Länge der Exkursion, Reflexionserfahrungen in der Gruppe und qualifizierte Dozierende als Katalysatoren des Lernprozesses, z. B. „Ich bin vor allem überwältigt mit Dankbarkeit für Krzysztofs [Programmbegleiter/Pädagoge] Worte. Wenn ich nur einen Bruchteil dieser Liebe in die Welt tragen kann...” (26.3).

Thema 3: „Was nehme ich initial als erste Reaktion bewusst wahr?“

Die Wahrnehmung auf einer emotionalen Ebene und das Gefühl der Abstraktion/des Fehlens eines zusammenhängenden Sinns (Phase vor der bewussten Verarbeitung) war eine erste nicht-kognitive Reaktion, d. h. Fremdheit und Unbegreiflichkeit: „Ich verstehe es nicht. Ich kann es nicht fassen. Ich fühle mich nicht vorbereitet. Ich glaube es gibt nichts, was ich tun kann, um wirklich vorbereitet zu sein. [...] Es ist glasklar und verschwommen gleichzeitig.” (10.1). In Bezug auf die Intensität des affektiven Erlebens schrieb ein:e Studierende:r: „Ich versuche gütig mit mir selbst zu sein. [...] Ich kann ein wahres Verstehen nicht erzwingen. Ich bin ehrfürchtig, ratlos, leer und voll.” (10.1). Einige schrieben über das Bedürfnis zur Konfrontation, um eine Verbindung herzustellen, z. B. „[...] zugleich war es so abstrakt, weil man den Ort sprechen lassen muss. Man muss sich die Unmengen an Opfern und Tätern vor Augen führen, um die Wirkung des Ortes zu spüren.” (6.1).

Thema 4: „Wie verarbeite ich? (kognitiv, affektiv)“

Kognitive und affektive Elemente des reflexiven Lernens tauchten auf, darunter auch Erfahrungen des desorientierenden Dilemmas/Ringens mit Grautönen, die mit Gefühlen der Anspannung und des Unbehagens einhergehen können, z. B. „Heute gab es einige Situationen, in denen ich gezwungen war, bisherige Wahrnehmungen und Gedanken zu hinterfragen: [...] Biografien [...] wiesen mich immer wieder darauf hin, dass Menschen vielerlei Beweggründe für ihr Handeln haben. [...] dass es mir schwer fällt die Grautöne zu sehen und abzuwägen.” (19.2) Und: „Die Frage, wie Ärzte zu Mördern wurden, hat mich heute auch beschäftigt.” (9.2) und ein:e andere:r brachte ein evokatives Bild: „[...] das Krematorium neben der Bierstube der SS.” (10.2).

Emotionales Erleben, als ein Element der Reflexion, umfasste ein Spektrum oft intensiver Emotionen wie Wut, Zorn und Scham und mitunter auch Empathie und Liebe. Es wurden Herausforderungen bei der Beschreibung von Gefühlen und Versuche der emotionalen Kalibrierung beschrieben: „[...] wird mir flau im Magen und mich überkommt ein Gefühl, dass ich nicht gut beschreiben kann - irgendwas zwischen Fassungslosigkeit, Trauer, Wut, Verzweiflung, Angst, Hilflosigkeit [...]. Es fühlt sich grund falsch (sic!) an, grund böse (sic!) und wahnsinnig absurd, nicht fassbar. Ich kann auch meine Gefühle nicht richtig verstehen - ich schwinge nicht richtig mit [...]. Fassungslos.” (9.1). Im Rahmen des empathischen Erlebens schrieb ein:e Studierende:r: „Immer wieder haben wir uns heute versucht vorzustellen, wie es für die Menschen gewesen sein muss, als sie im Lager ankamen; im Bus, beim Durchschreiten des Tores und beim Stoppen am Selektionsplatz.” (11.1). Das Bemühen um Meaning-Making wurde evident, z. B.: „Die Blocks: Es sind Räume. Da ist Schlimmes passiert. Ja! Aber es sind nur Räume. Ich konstruiere den Sinn.” (4.2).

Thema 5: „Was verarbeite ich? (spezifische Themen)“

Die Studierenden reflektierten kritisch über spezifische Themen der persönlichen und beruflichen Identitätsbildung, philosophische Aspekte und Machtmissbrauch. Die Reflexion über die medizinische Profession umfasste das Bewusstsein für Vulnerabilitäten innerhalb des Berufs wie z. B. Dehumanisierung. Es tauchten Fragen darüber auf, „[...] wie Ärztinnen & Ärzte zu solch einem Medizin-Ethos kommen konnten [...]” (9.4), und darüber hinaus, was die Normen und Werte der medizinischen Profession ausmacht, einschließlich Forschungspraxis und Objektivierung: „Wann hören wir auf, die Menschen als Menschen zu sehen? In dem Moment, in dem ich eine Diagnose stellen muss? In dem Moment, in dem ich keinen Raum mehr für die hilfesuchenden Menschen, mir gegenübersitzend, aufmachen kann, weil ich bei mir sein muss und in meinem Verstand die Kriterien durchgehen muss: Schlafprobleme √ Gewichtsschwankung √ Anhaltende bedrückte Stimmung √ → Depression.” (11.2). Innerhalb Reflexion über meine professionelle Identitätsbildung setzten sich die Studierenden mit den Implikationen von Gräueltaten und Widerstand in diesem historischen Kontext für ihr eigenes PIF auseinander, z. B. „Ich habe für mich herausgefunden, dass es schwierig wird zu dehumanisieren, so lange man dem Menschen individuell entgegentritt und ihn als ganzen Menschen begreift. Auch habe ich verstanden, wie viel Kraft es schenkt, Mensch „menschlich” zu behandeln. Ich bin überzeugt, dass einem die Tätigkeit als Arzt schwerfallen wird, wenn man das alles vergisst.” (6.4) und mit Implikationen für einen „sense of agency“, d. h. „Welchen Impuls nehme ich mit:

  • mehr politisches aktives Engagement;
  • mehr Mut zur freien Gestaltung des medizinischen Berufsweges;
  • aktive Widersprache (sic!) und Einsatz in medizinisch-moralisch prekären Situationen” (8.4).

Die Reflexion über mich selbst als moralische Person beinhaltete die Reflexion über die eigene moralische Integrität und ethisches Verhalten sowie die Notwendigkeit von bewusster Zivilcourage, Resilienz und Standhaftigkeit, z. B. „Eigene Schatten erkennen und annehmen, um sich dann willentlich + bewusst dagegen zu entscheiden. Der Täter steckt auch in mir. Habe ich den Mut, ihn zu benennen und in den Widerstand zu gehen?” (5.4).

Der kulturelle Kontext des Deutschseins tauchte auf, z. B. „Es kamen immer wieder die Fragen Wieso und Wie auf. Ich habe mich selbst gefragt, ob ich die grausamen Taten verstehen kann oder ob ich sie verstehen muss. Muss ich als Deutsche verstehen, was da vor sich gegangen ist, um in meinem Geiste um Vergebung zu bitten und um meine unglaubliche Trauer den Opfern entgegen zu bringen? Habe ich eine Verantwortung? (als Deutsche?)” (28.2). Im Rahmen des Unterthemas Philosophie des Menschseins und existenzielle Fragen hinterfragten die Studierenden die essenziellen konstituierenden Elemente des Menschseins, die Grundlagen der Moral und die Entstehung/Natur einer „Verschiebung“ hin zur Unmoral, die Natur der moralischen Verantwortung und des freien Willens, z. B. „Wie sehr ist jeder Charakterzug eines Menschen nur ein Ergebnis aller Erlebnisse? Wie sehr hängen moralische Entscheidungen von einem „Zufallsgenerator” ab? [...] Doch was heißt Wahrheit?” (19.2). Das Unterthema der Dualität von Gut und Böse beinhaltete komplexe Themen wie die Existenz von Moral/Unmoral und die Herausforderung, diese Spannung und Komplexität zu begreifen bzw. zu tolerieren, z. B. „Völliges Unverständnis, wie führende SS-Ärzte und andere SS-Verantwortliche täglich übelste Menschenverletzungen mit solch einer Perversität und Durchdachtheit (sic!) ausüben konnten und gleichzeitig selber Familie hatten, ihre Ehefrauen/-männer und Kinder wahrscheinlich über alles liebten.” (12.2). Die Studierenden dachten über Missbrauch von Macht in der Vergangenheit nach, z. B. „Die Geschichten, welche mich am meisten beeindruckt haben, waren jene über Macht - und wer sie wofür einsetzt. Ich finde es in gewisser Weise „bemerkenswert“, wie ein und dasselbe Gefühl den Einzelnen dazu veranlasst, ohne mit der Wimper zu zucken, Tausende in den Tod zu schicken, während auf der anderen Seite, sie unter täglichem Einsatz des Lebens immer wieder genutzt wurde, um zutiefst menschlich zu handeln, im Medizinischen wie auch im Persönlichen.” (1.3). Die aktuelle Relevanz dieser Vergangenheit wurde deutlich, z. B. Dehumanisierung, Machthierarchien, Gleichberechtigung im Gesundheitswesen und Rassismus speziell im klinischen Kontext, z. B. „Mein Fokus lag auf den subtilen Facetten von Dehumanisierung in der Gesellschaft und der Medizin, den ganz alltäglichen. [...] Und dennoch berührt es mich auch so sehr, gerade, weil ich mir nach und nach bewusster werde, wie rassistisch unsere Gesellschaft, und natürlich Institutionen (hierarchie-freundliche (sic!)) wie Krankenhäuser, sind. Beginnt man erst einmal darauf zu achten (und hierbei stehen die eigenen erlernten Denkmuster an erster Stelle!), ist es überall.” (26.1).

Thema 6: „Was nehme ich mit?“

Zu gewonnene Einsichten gehören die Bedeutsamkeit einer kontinuierlichen Selbstreflexion, das Thematisieren von Gefühlen und ethischen Dilemmata, für die eigenen Meinung einzutreten, mutig zu sein und bewusst aus der Vergangenheit zu lernen, um zukünftige Handlungen zu gestalten, z. B.: „Vergangenes ist nicht einfach nur Vergangenes, was vergessen werden soll/darf, sondern [...] es trägt uns weiter, bis wir uns bewusst machen, es verstehen wollen und uns auf den Weg machen, es zu verstehen und dieses neu Gelernte auch zu Zukünftigem transformieren.” (20.4). Und: „Auch habe ich verstanden, dass es durchaus gut ist, seine Arbeit immer wieder durch Innehalten zu hinterfragen, sowie das System, in dem man agiert.” (6.4).

Die Intention, das Gelernte für moralischen Mut und Verantwortung zu nutzen, wurde mit Überzeugung und Inspiration zum Ausdruck gebracht, z. B. den eigenen inneren moralischen Kompass hinsichtlich der persönlichen und beruflichen Relevanz dieser Vergangenheit anzuwenden: „Ich möchte Veränderungen anstoßen [...]. Ich möchte andere ermutigen, dasselbe zu tun. Ich möchte aus dieser Tragödie, die ich erfahren habe, Kreativität und Kraft schöpfen, um mich selbst verändern zu können und Veränderung zuzulassen.” (19.4). Und: „Ich hoffe, dass ich meine Sinne für die Dehumanisierung geschärft habe und dass ich den Mut aufbringen werde, in solchen Situationen meine Stimme zu erheben.” (28.4).


Diskussion

Die vorliegende Studie zu den RWs von Studierenden der Medizin und Psychologie während einer Exkursion zur Gedenkstätte Auschwitz im Rahmen eines GMNH-Kurses untersuchte die Auswirkungen eines solchen Curriculums auf die persönliche und berufliche Identitätsbildung der Studierenden. Unseres Wissens nach ist dies die erste qualitative Studie über die Effekte eines solchen Curriculums auf Studierende der Gesundheitsberufe. Das Curriculum katalysierte einen kritisch-reflexiven Lernprozess [43], der sowohl historisches Wissen als auch prägende Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit sogenannten „desorientierenden Dilemmata“ [28] wie Heilende, die zu Mordenden werden, die Vulnerabilität und Fehlbarkeit von Ärzt*innen [44], die Dualität „Gut/Böse” und die Herausforderungen von Zivilcourage/moralischem Mut [45] einschloss. Das Verarbeiten innerhalb der RWs im Sinne eines „meaning-making“ unterstützte ein transformatives Lernen für die persönliche und berufliche Identitätsbildung (generierte Unterthemen) zur Förderung der Entwicklung von Haltungen, Werten und idealerweise Verhaltensweisen einer empathischen, moralisch verantwortlichen Praxis. Threshold-Konzepte, die „problematisches Wissen” (sogenanntes „troublesome knowledge“ [72]) einschließen, können und haben sich herauskristallisiert und kennzeichnen potenziell wirkungsvolle transformative Aspekte in der Lernerfahrung der Studierenden [45]. Diese transformativen Aspekte können eine bleibende Prägung darstellen. Die Ergebnisse veranschaulichen, dass reflexives Lernen zu diesem grundlegenden Thema für die Entwicklung einer humanistischen, moralisch engagierten, widerstandsfähigen Persönlichkeit und der PIF für Angehörige der Gesundheitsberufe hilfreich ist [9], [10].

Besonders eindringliche Unterthemen (Anzahl/Art der Zitate) wie Macht des Ortes, emotionales Erleben, Reflexion über mich selbst als moralische Person und aktuelle Relevanz weisen auf besonders wirkungsvolle Kurselemente hin. Das Unterthema Macht des Ortes oder „Pädagogik des Ortes” („pedagogy of place“) [46] deckt sich mit Beschreibungen von Besuchen an Orten, die mit dem Holocaust in Verbindung stehen und für Medizinstudierende eine besondere Bedeutung besitzen [47]. Darüber hinaus enthielt ein Großteil der RWs das Unterthema emotionales Erleben, wobei häufig eine starke emotionale Beteiligung erwähnt wurde. Diese beeinflusst sowohl kognitive und motivationale Prozesse, die für das Lernen von zentraler Bedeutung sind [48] und ist ebenso eng mit der Identitätsentwicklung verbunden [49]. Dieses Ergebnis stimmt überein mit der von Dornan und Kollegen beschriebenen „Verbindung zwischen den Emotionen der Studierenden und ihrer Identitätsentwicklung in der bedeutungsvollen Welt des Werdens und Seins einer*s Ärzt*in” ([49], S.174). Dies spiegelt sich auch in dem Diskurs wider, dass emotionales Lernen potenziell zur Gestaltung eines reflektierten, verantwortungsbewussten beruflichen Handelns innerhalb von „caring identities” ([49], S.174) beiträgt. Im Rahmen des Modells der Threshold-Konzepte kann emotionales Erleben ein Gefühl der Verunsicherung auslösen, wenn es darum geht, während der Prozesselemente von Bewusstmachung und „Rekonstituierung“ z. B. neue Erkenntnisse in das eigene Selbstkonzept zu integrieren. Die Reflexion über affektive Reaktionen kann zur emotionalen Entwicklung und zum Wohlbefinden einer*s Medizinstudierenden im Rahmen von PIF beitragen [30], angesichts der Tatsache, dass es auch ein emotionaler Prozess ist, ein*e Ärzt*in zu werden [50].

Die Reflexion über mich selbst als moralische Person betonte die Reflexion über die persönliche Entwicklung (die in der medizinischen Ausbildung tendenziell unterbetont wird) zusätzlich zur beruflichen Entwicklung. Der Reflexionsprozess treibt nach Kegan den Entwicklungsprozess der Identität voran [51]. Aktuelle Relevanz war ein zentrales Thema, das eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und aktuellen Fragen des potenziellen Machtmissbrauchs und der Dehumanisierung sowie zukünftigen ethischen Dilemmata und Herausforderungen in der medizinischen Ausbildung und Praxis herstellt. Dazu zählt auch die Intention zukünftig moralischen Mut zu zeigen, um Dinge anzusprechen, Diversität zu respektieren und die Würde des Menschen zu bewahren. Es wurden bereits Bedenken über einen Mangel an Entwicklung bezüglich des moralischen Urteilsvermögens in der medizinischen Ausbildung geäußert [52]. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass sowohl der Inhalt (Geschichte) als auch der Prozess (Reflexion über das Handeln [53] und über das Sein [51], [54]) zur Entwicklung eines kritischen Bewusstseins innerhalb einer aktiven, konstruktiven PIF beitragen. Im Rahmen dieses Curriculums als „identitätsbereichernde” Erfahrung [55] sind die aufkommenden existenziellen Fragen innerhalb der Unterthemen Philosophie des Menschseins/Existenzielle Fragen und das Ringen mit Grautönen schwieriger Dualitäten in dem Bemühen um ein differenzierteres Verständnis hervorzuheben.

Diese Studie zeigte auch die fortlaufende Reflexion der Studierenden über „Was nehme ich mit?“, einschließlich unbeantworteter Fragen (zusätzlich zu den gewonnenen Einsichten), als wertvollen Prozess im Rahmen des lebenslangen Lernens und der Aufrechterhaltung eines kritischen Bewusstseins. Dies wiederum resoniert mit einem „Leben der Fragen” („living the questions“) [56] und dem Stellen der „richtigen Fragen” [57]. Nach Kleinman „müssen wir unser moralisches Leben erkunden” [35].

IRS kann „angehenden Ärzt*innen die Möglichkeit bieten, ihre Erfahrungen vollständiger in eine berufliche Identität einzubringen, die Reflexion, kritisches Bewusstsein, kulturelle Bescheidenheit und Empathie verkörpert” [58] sowie kritisches Bewusstheit und ethische Wachsamkeit beinhaltet [9]. Die thematische Analyse zeigte, dass die Reflexion der Studierenden den PIF-Prozess sowohl durch die Reflexion über und die Wachsamkeit für die eigene „moral agency“ als auch durch die Reflexion über die Medizin als Profession und das Gesundheitssystem unterstützt. Auf diese Weise befördert es ebenso die in beiden Bereichen möglicherweise notwendigen Veränderungen (z. B. gerechter Zugang zur Gesundheitsversorgung und Bekämpfung struktureller Diskriminierung). Dies zeigte sich in verschiedenen Unterthemen, darunter Reflexion über die medizinische Profession, Reflexion über meine professionelle Identitätsbildung und aktuelle Relevanz.

Die Ergebnisse zu den Themen und Unterthemen verdeutlichen, dass ein individualisierter und gemeinsamer PIF-Prozess das Hineinwachsen in die Mitgliedschaft der „community of practice“ unterstützt und den Verhandlungsprozess [2] dahingehend erweitert. Entsprechend wird dieser PIF-Prozess zusätzlich zu den klinischen und nicht-klinischen Erfahrungen auch von der Geschichte der eigenen Profession beeinflusst. Die kritische Reflexion über die Geschichte der GMNH stößt PIF-Prozesse an, wenn sie im Rahmen von effektiven Curriculumselementen, wie biografischen Narrativen einschließlich die über historische moralische Vorbilder, Reflexionsveranstaltungen mit erfahrenen Lehrenden und der Macht des Ortes präsentiert werden.

Während des Mapping-Prozesses der Themen und Unterthemen in einen reflexiven Lernprozess wurden verschiedene veröffentlichte Reflexionsmodelle [59], [60], [61], [62], [63] gesichtet und es wurde eine große Übereinstimmung mit dem „eklektischen” Reflexionsmodell von Koole et al. ([42], S.2) gefunden. Dieses enthält Elemente verschiedener in der Vergangenheit publizierter Reflexionsmodelle. Die Erweiterung des Reflexionsmodells von Koole et al. [42] um „Was bringe ich mit?“ berücksichtigt, dass die Studierenden ihre eigenen Perspektiven („Biases”), Annahmen, Eigenschaften und Identität(en) in den Lernprozess einbringen. Deren Berücksichtigung kann einen unterstützenden individualisierten sowie gruppenorientierten Unterrichtsansatz fördern, insbesondere bei potenziell herausfordernden Themeninhalten.

Mehrere Zeichnungen und Gedichte der Studierenden entstanden organisch während der Reflexionsübungen. Biografien von Opfern/Widerstandskämpfer*innen wurden als zentrale, anschauliche Vermittlungskomponente identifiziert, um Empathie und emotionale Resonanz zu wecken, ebenso wie persönliche Erzählungen von Lehrenden (einschließlich der Autorin HSW, einer Tochter eines Überlebenden).

Zu den Limitationen unserer Studie gehört die Frage der Übertragbarkeit, da die Daten lediglich an einer Einrichtung in einem Land (Deutschland) erhoben wurden und ausschließlich die Erfahrungen von Studierenden beschreiben, die sich im Rahmen der Exkursionen freiwillig an interaktiven Reflexionsveranstaltungen beteiligten. Variablen wie Ausbildungsniveau, Geschlecht und/oder kultureller Hintergrund wären zusätzlich von Interesse gewesen. Während künftige Studien den relativen Beitrag von Exkursionskomponenten zu diesem GMNH-Curriculum untersuchen könnten, zeigte unsere Studie bedeutungsvolle Effekte auf und einen pädagogischen Wert für Studierende der Gesundheitsberufe, die diese Lernerfahrung einschließlich einer Exkursionskomponente nutzen. Obwohl grundlegende PIF-Konzepte von interprofessioneller Relevanz sind, wie z. B. das „Gefühl der Verbundenheit mit den Werten des Berufs” in der Psychologie [64] (und in der Medizin), können die Auswirkungen eines solchen Curriculums auf das berufsspezifische PIF in der Psychologie in Zukunft näher untersucht werden. Da es sich um einen Wahlpflichtkurs mit freiwilliger Teilnahme handelt, wäre es außerdem interessant, die Ergebnisse eines verpflichtenden Curriculums mit einer Exkursion zu untersuchen, angesichts der Forderung nach einer solchen Einbeziehung in den Lehrplan des Medizinstudiums [10]. Daten über positive Effekte von Pflichtseminaren und -kursen liegen bereits vor [65]. Um das Engagement der Studierenden und ein tieferes Verständnis dafür zu fördern, wie die Medizin-Geschichte PIF unterstützt, befürworten die Autor*innen die Integration von Reflexionsmöglichkeiten in diese Art von Curricula mit geschulten Dozierenden [65]. Es wäre von Interesse, in zukünftigen Studien die Nuancen der Beziehung von Vergangenheit und „meaning-making“ innerhalb des Lernens zu dieser Thematik mit Studierenden mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund zu untersuchen, um Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zu identifizieren. Während die Analysen einige deutsche kulturspezifische Aspekte des Erlebens aufzeigten, tauchten universelle Themen und Unterthemen auf, was diese Intervention als übertragbares Modell für den Unterricht in andere kulturelle Kontexte unterstützt. Um eine Umsetzung eines solchen Curriculums an Bildungseinrichtungen zu erleichtern, sind die Kernelemente des Kurses, basierend auf den Ergebnissen dieser Studie, in Tabelle 1 [Tab. 1] aufgeführt. Beispiele für die Umsetzung des Curriculums durch verschiedene medizinische Fakultäten, einschließlich von Förderungen und Stiftungen unterstützter Besuche von Holocaust-Gedenkstätten/NS-Vernichtungslagern, sind in der Literatur verfügbar [24], [47], [66]. Sie zeigen positive Trends einer Wirksamkeit [47] und unterstreichen die Relevanz für eine verstärkte Betonung von PIF in Medizinstudium in Deutschland [https://gesellschaft-medizinische-ausbildung.org/ausschuesse/professional-identity-formation.html].

Die Vision eines Curriculums mit

1.
Grundprinzipien für die Ausbildung der Gesundheitsberufe und
2.
lokaler/situativer Relevanz mit positiven Vorbildern im jeweiligen nationalen Kontext kann also erreicht werden [67] (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Die Wirksamkeit eines GMNH-Curriculums auf den PIF-Prozess und den inhärenten Aushandlungsprozessen sozialisationsbedingter und verinnerlichter persönlicher Werte [7] in Bezug auf den gesamten beruflichen Entwicklungszyklus der Aus-, Weiter- und Fortbildung in den Gesundheitsberufen zu beziehen wäre weiterhin von großem Interesse [67]. Die vorliegenden Studienergebnisse decken sich mit jüngsten Erkenntnissen über die Wirksamkeit dieser Geschichte für PIF in der Pflegeausbildung [65], [68]. Idealerweise kann diese Ausbildung als „praktischer Ankerpunkt, als Werkzeug zur Reflexion“ [69] dienen, ausgelöst durch die Herausforderungen in der heutigen Medizin und der globalisierten Gesellschaft.

Innerhalb der medizinischen Ausbildung braucht es die Auseinandersetzung damit, wie sich die Rolle von Ärzt*innen und die Verantwortung innerhalb der Ärzt*in-Patient*innen-Beziehung im nationalsozialistischen Deutschland so grundlegend und radikal verändern konnte, dass die Fürsorge der Gesundheit der*s einzelnen Patient*in gegenüber der Fürsorge für die „Volksgesundheit“ in den Hintergrund trat. Es ist notwendig, dass sich die Studierenden mit den fundamentalen Veränderungen der berufsethischen Standards innerhalb der Symbiose von Medizin und nationalsozialistischer Staatspolitik auseinandersetzen. Weiter obliegt das Erkennen der Studierenden, dass der Holocaust anders als andere Völkermorde war, da „der Holocaust mit der intellektuellen Unterstützung und Beteiligung der medizinischen und wissenschaftlichen Institutionen stattfand“ ([70], S.63). Der Antisemitismus war innerhalb weiter Teile der Ärzt*innenschaft legitimiert. Daher ist GMNH auch über PIF hinaus ein Thema, das als Pflichtfach in jeden medizinischen Studiengang integriert werden sollte.

Das Studium des GMNH ist für Lernende in allen Phasen des beruflichen Lebenszyklus lohnend. Es dient als dauerhafter Bezugspunkt für die Antithese zu den Eigenschaften, die die medizinische Ausbildung in einem Mitglied der Gesundheitsberufe kultivieren möchte, wie auch für bewundernswerte Eigenschaften, die idealerweise durch Beispiele von Widerstand und Zivilcourage inspiriert sind. Die Autor*innen planen eine Längsschnittstudie über die Auswirkungen dieses Kurses auf nachhaltige Veränderungen von Einstellungen, Werten und Verhalten als moralischen Kompass innerhalb der persönlichen und beruflichen Identitätsbildung , um den „Pakt” („covenant“) der Medizin [71] mit Patient*innen und Vertrauenswürdigkeit zu stärken.


Schlussfolgerung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Auseinandersetzung der Studierenden mit den ethischen Implikationen der weit verbreiteten Mittäter*innenschaft von Ärzt*innen während des Nationalsozialismus und des Holocaust mit einer korrumpierten Berufsethik [73] sowie mit Beispielen des Widerstands und der Zivilcourage eine prägende Bedeutung hatte. Dazu gehörten die Sensibilisierung für den eigenen moralischen Kompass und ein geschärftes Bewusstsein für die aktuelle Relevanz der Verhinderung von Machtmissbrauch ebenso wie die Achtung von Vielfalt und die moralische Intention, das Gelernte verantwortungsbewusst im Beruf und in der Gesellschaft einzusetzen, im Einklang mit der Notwendigkeit einer „sozial verantwortungsvollen” Ausbildung für Gesundheitsberufe [74]. Die identifizierten Themen der RWs konnten zeigen, dass ein solches Curriculum die persönliche und berufliche Identitätsbildung der Studierenden für eine humanistische Gesundheitsversorgung und Gesundheitspolitik unterstützt. Die Ergebnisse untermauern die Forderung nach der Integration einer kritischen Reflexion über die Geschichte des GMNH als „zwingend erforderlich“ in die gesamte Aus-, Weiter- und Fortbildung für Gesundheitsberufe [10], [14], [73].

… „Ah, da haben wir meine Verantwortung – so etwas nie wieder geschehen lassen.“ (28.2)

Erklärungen

Ethische Genehmigung

Diese Studie wurde von der Ethikkommission Witten/Herdecke genehmigt. Die Teilnehmer*innen wurden darüber informiert, dass ihre freiwillig eingereichten, anonymen RWs zum Zwecke dieser Studie analysiert wurden.

Beiträge der Autor*innen

DT war der Leiter des Curriculums. HSW entwickelte und leitete das Interaktive Reflektierende Schreiben. CK, MSR und HSW analysierten die Daten. Alle Autor*innen waren an der Planung und Verfassung des Manuskripts beteiligt.

MSR ist Medizinstudentin im 11. Semester an der Universität Witten/Herdecke.


Danksagung

Die Autor*innen danken Prof. Dr. med. Peter Selg, Ita Wegman Institut für anthroposophische Grundlagenforschung, Schweiz und Dr. phil. Krzysztof Antonczyk, Gedenkstätte und Museum Auschwitz-Birkenau, Polen, für die Ermöglichung der Exkursion und die Lehrvorträge, Clarissa Frehle, Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Deutschland, für den Review der Analysen und Jeffrey M. Borkan, MD, PhD, Warren Alpert Medical School of Brown University, RI, USA, für hilfreiches Feedback zur Methodik.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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