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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Vom summativen MAAS-Global zum formativen MAAS 2.0 – ein Werkstattbericht

Artikel ärztliche Gesprächsführung

  • author Tjorven Stamer - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck, Deutschland
  • author Geurt Essers - Network of General Practice Training Institutes in the Netherlands, Utrecht, Niederlande
  • corresponding author Jost Steinhäuser - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck, Deutschland
  • author Kristina Flägel - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(1):Doc9

doi: 10.3205/zma001591, urn:nbn:de:0183-zma0015911

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001591.shtml

Eingereicht: 10. Mai 2022
Überarbeitet: 10. Oktober 2022
Angenommen: 23. November 2022
Veröffentlicht: 15. Februar 2023

© 2023 Stamer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Der MAAS-Global (Maastricht history-taking and advise scoring list) ist ein international vielfältig in der medizinischen Aus- und Weiterbildung eingesetztes Instrument. Schwerpunkte liegen auf der Beurteilung ärztlicher Kommunikations- sowie klinischer Fertigkeiten. Das seit 2015 auch in Deutschland angewandte Beurteilungsinstrument besitzt eine hohe Qualität in Design (u. a. nachvollziehbarer Aufbau, angemessene Komplexität), gute psychometrische Eigenschaften und eine hohe Benutzerfreundlichkeit. Seit März 2021 existiert eine Aktualisierung des MAAS-Global: der MAAS 2.0, mit einer inhaltlichen Neuausrichtung auf Kontext und einem höheren Fokus auf das Formative.

Methode: Die überarbeitete Version des MAAS-2.0-Bewertungsbogens wurde nach Einholen der Erlaubnis der Autoren ins Deutsche übersetzt. Offene Fragen wurden mit dem Projektleiter des Überarbeitungsprozesses diskutiert.

Ergebnisse: Die Überarbeitung erfolgte in Hinblick auf die Fokussierung auf den Bezugsrahmen des/der Patient*in, auf die Bereinigung von in der Vergangenheit ermittelten Unklarheiten bei der Bewertung mittels des MAAS-Globals sowie auf eine stärkere Angleichung an das zugrundeliegende Calgary-Cambridge-Modell. Des Weiteren erfuhr die zur Evaluation genutzte Skala eine Modifikation und nutzt nun eine formative Bewertungsreichweite ohne notenbezogene Einteilung.

Schlussfolgerung: Mit der inhaltlichen Neuausrichtung vom MAAS-Global hin zum MAAS 2.0, und dem damit einhergehenden Fokus auf Bezugsrahmen, Kontext und das Formative, legt die hier vorgestellte Revision neue Schwerpunkte für zukünftige Evaluationen im Rahmen der Aus- und Weiterbildung und der Bewertung von Arzt-Patient-Kommunikation allgemein vor.

Schlüsselwörter: MAAS-Global, MAAS 2.0, Medizin, Kommunikation, Arzt-Patient-Kommunikation


1. Einleitung

Eine gelungene Kommunikation zwischen Ärzt*innen und Patient*innen wirkt sich positiv auf

die Zufriedenheit der Patient*innen, die partizipative Entscheidungsfindung sowie auf die Therapieadhärenz aus [1], [2], [3], [4], [5]. Dabei ist es von hoher Bedeutung, dass gute Kommunikationsfertigkeiten – i. e. Fertigkeiten, die es dem*der Behandler*in ermöglichen, die Kommunikation mit dem*der Patient*in kompetent durchzuführen – erlernt werden können [6]. Während die Entwicklungen im Bereich der Maßnahmen zur Optimierung der Arzt-Patient-Kommunikation im Rahmen der Aus- und Weiterbildung in Deutschland voranschreiten [7], [8], ist das Kommunikationstraining für Ärzt*innen in Weiterbildung, z. B. zum Facharzt für Allgemeinmedizin, in den Niederlanden seit über 40 Jahren fester Bestandteil der Weiterbildung [9], [10], [11]. Als Beurteilungsinstrument fungiert der MAAS-Global (Maastricht history-taking and advice scoring list) [12], welcher eine hohe Qualität in Struktur und Aufbau besitzt sowie über gute bis sehr gute psychometrische Eigenschaften und hohe Benutzerfreundlichkeit verfügt [13], [14]. In den Niederlanden findet der MAAS-Global als Instrument sowohl in der Aus- als auch in der Weiterbildung Verwendung. Ebenso findet die deutsche Version in der Weiterbildung sowie zusätzlich im Rahmen des Medizinstudiums ihren Einsatz [6].

Neben dem MAAS-Global stehen im deutschen Raum verschiedene weitere Bewertungsinstrumente zur Evaluation von Kommunikationsfertigkeiten zur Verfügung. Eine der etablierten Skalen ist der Calgary-Cambridge-Guide, der eine ausführliche Beurteilung des Arzt-Patient-Gespräches mit 71 Items in sieben Abschnitten erlaubt, die sich, unter anderem, von der Einführung über die Struktur der Konsultation bis hin zur Exploration sowie dem Abschluss der Konsultation erstrecken [15].

Die Frankfurter Observer Checkliste Kommunikation (FrOCK) enthält 31 Items und evaluiert den Beginn sowie den Abschluss einer Konsultation, die Struktur, das Zuhören, die adäquate Sprache, die nonverbale Kommunikation sowie die Gesprächsatmosphäre. Die Bewertung erfolgt in Schulnoten (eins bis sechs) [16].

Weiterhin steht der Kölner Evaluationsbogen Kommunikation (KEK) mit 25 Items zur Verfügung. Dieser dient als eine OSCE-Checkliste und behandelt Faktoren wie den Beziehungsaufbau, das Anhören des Patient*innenanliegens sowie die Exploration und die partizipative Entscheidungsfindung [17].

Ebenso spielt das Berliner Global Rating eine Rolle im Rahmen der Evaluationsinstrumente zur Bewertung von Kommunikationsfertigkeiten. Auf einer Likert-5-Punkte-Skala, die sich über vier Items erstreckt, erlaubt dieses Instrument die Berücksichtigung von Gefühlen und Bedürfnissen der Patient*innen, fokussiert die Struktur des Gespräches und erwägt den verbalen sowie nonverbalen Ausdruck im Zuge der Konsultation [18].

Von den hier aufgeführten Bewertungsinstrumenten unterscheidet sich der MAAS-Global vor allem darin, dass damit nicht „nur“ Kommunikationsfertigkeiten, sondern ebenso ärztliche Fertigkeiten im Zuge der Konsultation bewertet werden können. Auf diesem Boden ermöglicht es das Instrument, gezieltes individuelles Feedback geben zu können. Dies schafft die Möglichkeit eines ganzheitlichen Blickes auf eben die Kompetenzen, die für eine erfolgreiche Konsultation vonnöten sind.

1.1. Vom MAAS-Global zum MAAS 2.0

Schwerpunkte des MAAS-Global liegen auf der Evaluation ärztlicher Kommunikations- sowie klinischer Fertigkeiten. Der MAAS-Global ist in zwei wesentliche Kommunikationsteile gegliedert. Im ersten Abschnitt sind die Kommunikationsfertigkeiten für jede Gesprächsphase der Konsultation zu bewerten, im zweiten Abschnitt die allgemeinen Kommunikationsfertigkeiten.

Mit dem MAAS 2.0 hat der seit 2015 auch in Deutschland als Bewertungsinstrument verwendete MAAS-Global-D [5], [19] 2021 einen Nachfolger erhalten. Der Fokus des MAAS-Global lag auf der summativen Beurteilung der Ärzt*innen und weniger auf dem Prozess der Weiterentwicklung kommunikativer Fertigkeiten. Im Laufe der Jahre des Einsatzes wurden daher die Bewertungsrichtlinien des MAAS-Global als überarbeitungsbedürftig eingeschätzt und mit dem MAAS 2.0 nun einer Modifikation unterzogen: Die Beschreibungen einiger Items wurden angepasst, einige Verhaltenskriterien wurden umgeschrieben. Ebenso wurden die entsprechenden Erklärungen im Handbuch zum MAAS 2.0 überarbeitet und erhielten zum Teil ausführlichere Erläuterungen, mittels derer die Nachvollziehbarkeit erhöht werden und der Kontext der Patientenkonsultation in den Vordergrund rücken soll ([https://www.huisartsopleiding.nl/toetsen-beoordelen/maas%20-2-0/], zuletzt aufgerufen am 15.12.2022). Diese Schritte gehen einher mit der Ergänzung im dazugehörigen Manual und umfassenderer Beurteilungsanleitungen. Der Vorgänger des MAAS 2.0, der MAAS-Global, beinhaltete Bezüge auf die Kompetenzen, die in den CanMEDS-Rollen beschrieben sind [20] und basiert auf dem Beratungsmodell des Calgary-Cambridge Ansatzes. Letzteres stellt eine international etablierte Methode zur Lehre und zum Training von klinischen Kommunikationsfertigkeiten dar [21]. Speziell die Anlehnung an das zugrundeliegende Modell des Calgary-Cambridge-Schemas soll mit der neuen Version des niederländischen Bewertungsinstrumentes, dem MAAS 2.0, verstärkt in den Vordergrund rücken. Das 1996 von Kurtz und Silverman erstellte Konzept bildet einen Leitfaden in fünf Schritten, entlang derer eine gelungene Arzt-Patient-Kommunikation zu führen ist. Des Weiteren setzt der Ansatz Schwerpunkte auf eine konstruktive Strukturierung der Konsultation sowie auf den Beziehungsaufbau im Rahmen des Gesprächs [22]. Weitere Veränderungen finden sich im erhöhten Fokus auf den Kontext der zu beurteilenden Konsultation, dem stärker gewichteten Abwägen und Bewerten von Teilaspekten sowie der Betonung des Aspekts des Shared Decision-Makings im Rahmen der Arzt-Patient-Kommunikation [23]. Gesamtheitlich gestalten sich die Veränderungen vom MAAS-Global zum MAAS 2.0 im Sinne eines Wandels vom summativen zum formativen Beurteilungsformat.

Der hier vorgestellte Projektbericht beschreibt die deutsche Übersetzung des MAAS 2.0 und geht auf die Veränderungen im Hinblick auf seine Vorgängerversion, dem MAAS-Global-D ([https://www.uksh.de/allgemeinmedizin-luebeck/Downloads.html], zuletzt aufgerufen am 15.12.2022), ein.


2. Projektbeschreibung

Die überarbeitete Version des MAAS 2.0-Bewertungsbogens wurde nach Einholen der Erlaubnis der Autor*innen ins Deutsche übersetzt.

Die Hintergründe rund um die Notwendigkeit der Überarbeitung des MAAS-Global wurden auf der Internetseite der niederländischen Aus- und Weiterbildung zum Allgemeinmediziner recherchiert ([https://www.huisartsopleiding.nl/toetsen-beoordelen/maas%20-2-0/], letzter Aufruf: 10.10.2022). Der Erstautor mit niederländischen Sprachkenntnissen sichtete die auf der Website ausgestellten Dokumente. Offene Fragen wurden mit dem Projektleiter des Überarbeitungsprozesses und Koautor (GE) diskutiert. Orientiert an den Kriterien der ISPOR Task Force for Translation and Cultural Adaption [24] bestand der Übersetzungsprozess ins Deutsche aus den folgenden Schritten:

1.
Einholen der Erlaubnis bei Geurt Essers,
2.
Erstellen zweier unabhängiger Übersetzungen durch das Projektteam des Instituts für Allgemeinmedizin, Lübeck,
3.
Erarbeiten einer Konsensversion sowie kulturelle Adaption,
4.
Zustimmung der Konsensversion durch Geurt Essers (durch seine Kenntnisse der deutschen Sprache entfiel der Schritt der Rückübersetzung).

3. Ergebnisse

Die Übersetzung wurde kulturell adaptiert: Mit dem niederländischen Projektleiter Geurt Essers wurde der Begriff „Beratungsanlass“ als Übersetzung des Begriffs „hulpvraag“ diskutiert. Auf der Basis der Diskussionen ist das Autorenteam zu der Schlussfolgerung gekommen, den „Beratungsanlass“ durch die „Beratungsursache“ zu ersetzen. Dieser Begriff stützt sich auf die Arbeiten von Braun [25], Fink et al. [26] sowie Mader und Riedl [27] und stellt für den Rahmen der gelebten Praxis innerhalb einer Allgemeinarztpraxis eine passendere Terminologie dar: „Die Beratungsursache ist, was den Patienten zum Arzt gebracht hat“ [25]. Entsprechend dieser Änderungen wurden sowohl der Text als auch der Evaluationsbogen angepasst und „Beratungsanlass“ wurde zu Gunsten von „Beratungsursache“ ersetzt.

Ebenso fand eine Anpassung der Reihenfolge der Bewertungsskala statt (wie bereits in der Vorgängerversion [19]), die sich – nach deutscher Lesart – nun beginnend mit „Gut“ bis hin zu „Unbefriedigend“ erstreckt.

Die Änderungen hin zum MAAS 2.0 werden im Folgenden entlang seiner beiden Teile dargestellt:

1.
Kommunikationsfertigkeiten für jede Gesprächsphase und
2.
Allgemeine Kommunikationsfertigkeiten.

Konkrete Veränderungen der Inhalte des ersten Teils sind der Abbildung 1 [Abb. 1] zu entnehmen. Entsprechende Modifikationen des zweiten Teils sind Inhalt der Abbildung 2 [Abb. 2]. Die Veränderungen bei der Erläuterung und Formulierung auf Item- und Sub-Item-Ebene für beide Abschnitte des Instrumentes werden nachfolgend beschrieben. Selbiges gilt für Items, die im Zuge der Aktualisierung entfernt wurden.

3.1. Konkrete Veränderungen der Inhalte

Hinsichtlich der Sub-Items „Adhärenz dem besprochenen Procedere gegenüber erfragen und „Nachfragen, wie sich die Beschwerdesymptomatik entwickelt hat“ unter „2. Einstieg (Folgetermin)“ entschied sich das deutsche Autor*innenteam im Vergleich zum niederländischen Original für eine abweichende Reihenfolge, um zunächst das Befinden zu erfragen, bevor die Maßnahmen adressiert werden, die ggf. nicht erfolgreich umgesetzt werden konnten. Diese Reihenfolgenänderung begründet sich auf den Empfehlungen zur Gesprächseröffnung im Rahmen der ärztlichen Kommunikation [28].

Mit der Einführung des MAAS 2.0 wurde die Reihenfolge der Items in Teil 2 überarbeitet. So findet sich das Item „Empathie“ (MAAS-Global: Item 13; MAAS 2.0: Item 10) nun zwischen den Items „Emotionen“ (MAAS-Global: Item 9; MAAS 2.0: Item 9) und „Vermitteln von Informationen“ (MAAS-Global: Item 10; MAAS 2.0: Item 11) wieder. Mit diesen Veränderungen soll sich der MAAS 2.0 inhaltlich stärker an das Calgary-Cambridge-Modell angleichen [21]. Das Sub-Item „Hinlänglich durch die gesamte Konsultation“ wurde als Sub-Item sowohl aus der Liste der Sub-Items unter dem Item „9. Emotionen“ als auch aus der Liste der Sub-Items unter dem Item „12. Zusammenfassen“ entfernt. Als Grund hierfür wurde von den niederländischen Verantwortlichen angegeben, dass es im Zuge der Anwendung des Instruments einige Unklarheiten bezüglich der Bewertung mittels dieses Sub-Items gab. Den Rückmeldungen nach war eine deutliche Trennung zwischen der Bewertung dieses Sub-Items und der Bewertung des jeweiligen Gesamtitems („9. Emotionen“, „12. Zusammenfassen“) schwierig. Unter „12. Zusammenfassen“ wurde außerdem das Sub-Item „Kurz, prägnant, mit eigenen Worten, überprüfend“ entfernt, um hervorzuheben, dass der Fokus im Rahmen einer Konsultation nicht auf den Wörtern des/der Ärzt*in liegt, was die Narrative des/der Patient*in in den direkten Bezugsrahmen des Behandelnden ziehen würde, sondern auf den Wörtern des/der Patient*in und dessen Bezugsrahmen. Durch die Nutzung Letzterer würde sich der/die Patient*in zudem besser gehört und verstanden fühlen. Das Sub-Item „Ankündigend, kategorisierend“ wurde entfernt aufgrund der in der Vergangenheit festgestellten geringen Nutzung ankündigender und kategorisierender Gesprächselemente im Rahmen der Konsultation. „Nachfragen, was der Patient verstanden hat“ unter dem Item „11. Vermitteln von Informationen“ wurde durch ein weiter gefasstes „Überprüfen des Verständnisses“ ersetzt, welches einer offenen Gestaltung der Arzt-Patient-Kommunikation gerechter wird.

3.2. Konkrete Formulierungsänderungen

Das Item „6. Management“ wurde in „6. Partizipative Entscheidungsfindung“ umbenannt. Die Unklarheit, ob „Diagnose“ und „Management“ als Kommunikationsitems des Instruments eher als medizinische Inhalte anstelle von Elementen des Kommunikationsprozesses interpretiert werden sollten, stand einem konstruktiven Feedback zur Kommunikation im Wege. Um dieser Mehrdeutigkeit bei zukünftigen Bewertungen entgegenzuwirken, wurde das Item umbenannt. Im Rahmen dieser Umbenennung wurden diesem Item einige Sub-Items hinzugefügt. Die hinzugefügten Items lauten „Einbeziehung der Beratungsursache und Wünsche bei der Entscheidungsfindung“ und „Benennung und Besprechung aller relevanten Optionen“. Beide Sub-Items gehen aus dem mit dem MAAS 2.0 aufgelösten Sub-Item „Partizipative Entscheidungsfindung, Alternativen, Risiken und Nutzen“ hervor. Das mit dem MAAS 2.0 eingeführte „7. Abschluss“ geht aus dem Item 7 „Evaluation der Konsultation“ des MAAS-Global hervor. Dieses Item wurde in der Vergangenheit vermehrt als Einladung gedeutet, die gesamte Konsultation zu bewerten, anstatt den Abschluss der Konsultation als solchen zu beurteilen. Entsprechend fand an dieser Stelle eine Schärfung statt. Mit dieser Veränderung gehen des Weiteren einige Formulierungsänderungen einher, die in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt werden.

Bezüglich des Items „10. Empathie“ wurde eine Differenzierung zwischen verbalen und nonverbalen Sub-Items geschaffen. Im MAAS 2.0 existieren unter dem Item „10. Empathie“ demnach nun zwei Sub-Items, die auf nonverbale Empathie abzielen, und ein Sub-Item, das die Bewertung verbaler Elemente der Empathie erlaubt.

Hinsichtlich des Items „11. Vermitteln von Informationen“ konzentriert sich der MAAS 2.0 nun stärker auf den Bezugsrahmen der Patient*innen. In Folge dieser Anpassung wurde das Sub-Item „Ankündigend, kategorisierend“ zu Gunsten des neuen Sub-Items “Findet die Informationsvermittlung im Bezugsrahmen des/der Patient*in statt?“ entfernt. Dem Item „11. Vermitteln von Informationen“ wurde weiterhin das neue Sub-Item „Nutzung eines Computers oder Bildmaterials“ hinzugefügt, um den Aspekt der Informationsvermittlung mittels bildlicher Darstellung im Rahmen medizinischer Konsultationen einzubeziehen, da Informationen so besser durch die Patient*innen memoriert werden könnten [23]. Ebenso wurden die Sub-Items „Verständliche Sprache“ sowie „Nachfragen, was der/die Patient*in verstanden hat“ entfernt und im Sinne der Neuausrichtung durch „Schriftliche Auskünfte geben“ sowie „Überprüfen des Verständnisses“ ersetzt.

Unter dem Item „12. Zusammenfassen“ wurde aus dem Sub-Item „In eigenen Worten“ das Sub-Item „Verwendet Worte des/der Patient*in“, um den Fokus auf den Bezugsrahmen des/der Patient*in zu richten.

Abschließend erhielt auch das Item „13. Strukturieren“ einige Anpassungen. So erhielt das Sub-Item „Ausgewogene Zeiteinteilung“ im Zuge des MAAS 2.0 eine verständnisbezogene Verdeutlichung („Phasen, Beschwerden, Personen)“, um die konkreten Aspekte der Zeiteinteilung in das Sub-Item mit einzubeziehen. Außerdem wurde das Sub-Item „Rollen der Beteililgten verdeutlichen“ hinzugefügt, da eine potenzielle Unklarheit bei der Definition der Rollen der beteiligten Akteure einer gelungenen Kommunikation im Weg stünde.

Abseits der konkreten inhaltsbezogenen Veränderungen auf Item- und Sub-Item-Ebene vom MAAS-Global gab es zusätzliche Anpassungen in Folge der Modifikation des niederländischen Bewertungsinstruments. Bei der Wahl sämtlicher Items und Sub-Items wurden entsprechende Literaturreferenzen auf der Basis bestehender Kommunikationsforschung in das Handbuch zum MAAS 2.0 eingefügt.

3.3. Grundlegende Neuerungen

Eine weitere wesentliche Neuerung stellt die Anpassung der Bewertungsskala dar. Verfügte der MAAS-Global noch über eine summative Beurteilungsskala von „0=Nicht vorhanden“ über „6=Schlecht“ bis „1=Hervorragend“ (umgekehrte Nummerierung im Rahmen der kulturellen Adaption auf die Situation in Deutschland [19]), nutzt der MAAS 2.0 nun eine formative Bewertungsreichweite ohne zahlenbezogene Einteilung von „Gut“ über „Befriedigend“ und „Mäßig“ bis „Unbefriedigend“. Hierbei handelt es sich um eine 4-Punkte-Skala. Diese Abwägung erfolgt im Rahmen des durch das Kriterium vorgegebenen Interpretationsspielraums. Bei allen Items bzw. Sub-Items ist sowohl das Ausmaß, in dem das Verhalten, wenn vorhanden, gezeigt wird, als auch die Qualität des Verhaltens in die Bewertung einzubeziehen, um sich begründet auf ein Bewertungsmaß der 4-Punkte-Skala festlegen zu können. Für ein „Gut“ muss das verlangte Verhalten demnach nicht nur überhaupt vorhanden sein, sondern durch die Qualität des Gezeigten bekräftig werden. Zusätzlich kann, je nach Kontext, in dem die Konsultation stattfindet, ein Item oder Sub-Item anwendbar oder nicht anwendbar sein. Ist ein bestimmtes Item nicht Gegenstand des spezifischen Kontextes, wird dieses Item als „nicht anwendbar“ vermerkt. Die Bewertungsskala des MAAS 2.0 bezieht sich demnach nicht auf die quantitative Bewertung. Als Grund dafür wird der höhere Fokus auf den Bezugsrahmen und Kontext angeführt.

Im Zuge des Feedbacks hilft das Instrument dabei, konkrete Rückmeldungen sowie Informationen über die Kommunikation des*der Arztes*Ärztin geben zu können. Der MAAS 2.0 ist hierbei kein fester, objektiver Endpunkt oder Maßstab, sondern dient vielmehr als Instrument für die Lehrenden, die tägliche Realität zu beobachten und Kommunikation einzuordnen. Mit dem Fokus der Bewertungsskala des MAAS 2.0 auf Kontext ist es den Evaluierenden ferner möglich, auf Details zu achten, bestimmte Aspekte unterschiedlich zu gewichten und Gesamteindrücke für spezifische Bereiche zu konkretisieren. Auf der Grundlage des erhaltenen Feedbacks und der damit zusammenhängenden Ausführungen kann der*die Arzt*Ärztin (neue) Lernziele formulieren.

3.4. Evaluation

Das Instrument wurde im Rahmen eines Train-the-Trainer-Kurses für Weiterbildungsbefugte pilotiert [29]. Die Durchführung mit dem MAAS 2.0 fand auf demselben Boden wie die Durchführung mittels des MAAS-Global-D statt und gelang vergleichbar gut. Die Teilnehmenden konnten das Instrument unmittelbar anwenden. Im Rahmen der Schulung wurden dieselben Videos gezeigt und die Lernenden kamen, im Vergleich zu vergangen Schulungen, zu denselben Ergebnissen. In der Begleitevaluation erhielt der Input mittels des MAAS 2.0 die Note 1,4.


4. Diskussion

Der hier vorliegende Beitrag informiert über die Veränderungen vom MAAS-Global zum MAAS 2.0. Diese stellen neben sprachlichen Aktualisierungen vor allem eine Neuausrichtung von summativer hin zur formativen Beurteilung dar.

Beide Formen der Leistungsbeurteilung gehen mit unterschiedlichen Faktoren des Lernprozesses einher. Die formative Beurteilung ist durch Individualisierung charakterisiert und wirkt als Unterstützung für den Lernprozess, indem Aspekte wie Feedback, Begleitung und die Analyse von individuellen Stärken und Schwächen betont werden [30]. Die summative Beurteilung wirkt vor allem als abschließende Bilanz und gibt Aufschluss darüber, ob bestimmte Kompetenzen erworben oder Ziele erreicht wurden [31]. Zudem ist in summativen Evaluationen die Option von statistischen Vergleichen, z. B. in Studien, besser gegeben. Da die formative Art der Leistungsbewertung auf einen hohen Grad der Individualisierung setzt, stellt sich mit der Umstellung die Frage nach einem potenziell erhöhten Zeit- bzw. Kostenaufwand. Aufgrund der präzise durch den Bewertungsprozess führenden Struktur des MAAS 2.0 ist dieser nicht erhöht. Ebenso gehen mit den Anpassungen des Manuals zum MAAS 2.0 spezifische Schärfungen einiger in der Vergangenheit aufgetretener Unklarheiten im Rahmen des Evaluationsprozesses des MAAS-Global einher. Diese sollen zusätzlich für Klarheit hinsichtlich der Beurteilung mit dem MAAS 2.0 sorgen und Ambiguität reduzieren. Der MAAS-Global-D wurde zur Unterstützung von Feedbackgabe in Train-the-Trainer-Kursen (TTT-Kursen) von Kompetenzzentren Weiterbildung Allgemeinmedizin, z. B. in Schleswig-Holstein eingesetzt [29]. Weiterbildungsbefugte bekommen jetzt mit dem MAAS 2.0 ein Instrument an die Hand, mit dem sie innerhalb des Arzt-Patienten-Kontakts ihrer Ärzt*innen in Weiterbildung ein konstruktives Feedback geben können. Inwiefern die formative Form der Bewertung hier implementiert werden kann, wird in den folgenden TTT-Kursen erprobt werden.


5. Schlussfolgerung

Die inhaltliche Neuausrichtung vom MAAS-Global hin zum MAAS 2.0 mit Fokus auf Bezugsrahmen, Kontext und das Formative stellt eine bedeutsame Veränderung des etablierten niederländischen Beurteilungsinstruments dar. Die neu gelegten Schwerpunkte könnten sich im Zuge der Etablierung des MAAS 2.0 als wichtige Kernpunkte bei der zukünftigen Bewertung von Arzt-Patienten-Kommunikation im Rahmen der Weiterbildung und der medizinischen Ausbildung erweisen.


Förderung

Diese Arbeit wurde im Rahmen des LABORATORIUM-Projekts an der Universität zu Lübeck durchgeführt, das sich mit dem Aufbau einer KI-basierten Kommunikations-Lernhilfe beschäftigt. Unter der Projektnummer 16DHBKI075 wurde diese Arbeit von der Bund-Länder-Initiative zur Förderung der Künstlichen Intelligenz im Hochschulbereich gefördert.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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