gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Telemedizin in der medizinischen Ausbildung: Anwendungsbeispiel digitaler Famulaturvorbereitungskurs – ein Prä-Post-Vergleich

Artikel Telemedizin

  • corresponding author Lina Vogt - RWTH Aachen, Medizinische Fakultät, AIXTRA - Kompetenzzentrum für Training und Patientensicherheit, Aachen, Deutschland; RWTH Aachen, Medizinische Fakultät, Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Anästhesiologie, Aachen, Deutschland
  • author Michelle Schmidt - RWTH Aachen, Medizinische Fakultät, AIXTRA - Kompetenzzentrum für Training und Patientensicherheit, Aachen, Deutschland; RWTH Aachen, Medizinische Fakultät, Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Anästhesiologie, Aachen, Deutschland
  • author Andreas Follmann - RWTH Aachen, Medizinische Fakultät, Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Anästhesiologie, Aachen, Deutschland
  • author Andrea Lenes - RWTH Aachen, Medizinische Fakultät, AIXTRA - Kompetenzzentrum für Training und Patientensicherheit, Aachen, Deutschland
  • author Martin Klasen - RWTH Aachen, Medizinische Fakultät, AIXTRA - Kompetenzzentrum für Training und Patientensicherheit, Aachen, Deutschland; RWTH Aachen, Medizinische Fakultät, Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Anästhesiologie, Aachen, Deutschland
  • author Saša Sopka - RWTH Aachen, Medizinische Fakultät, AIXTRA - Kompetenzzentrum für Training und Patientensicherheit, Aachen, Deutschland; RWTH Aachen, Medizinische Fakultät, Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Anästhesiologie, Aachen, Deutschland

GMS J Med Educ 2022;39(4):Doc46

doi: 10.3205/zma001567, urn:nbn:de:0183-zma0015677

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2022-39/zma001567.shtml

Eingereicht: 20. September 2021
Überarbeitet: 6. Mai 2022
Angenommen: 5. Juli 2022
Veröffentlicht: 15. September 2022

© 2022 Vogt et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Einleitung: Telemedizin ist in den meisten Fachdisziplinen ein wichtiger Baustein des Gesundheitswesens. Dementsprechend bedeutsam ist die Ausbildung junger Ärzte und Ärztinnen in diesem Bereich. Dennoch ist das Thema Telemedizin in den Curricula medizinischer Fakultäten bisher wenig bis gar nicht implementiert.

Diese Arbeit leistet durch die Konzeption, Durchführung und Evaluation eines Kurses mit telemedizinischen Bestandteilen einen wichtigen Beitrag zum Schluss dieser Lücke. Untersucht wurde am Beispiel eines Famulaturvorbereitungskurses, inwieweit integrierte telemedizinische Module zur subjektiven Sicherheit der Studierenden hinsichtlich Wissen und Sicherheit bei der Ausübung praktischer telemedizinischer Fertigkeiten wie der Arzt-Patienten Kommunikation, Anamneseerhebung und Übergabetechniken beitragen können.

Projektbeschreibung: Die Evaluation des Kurses erfolgte deskriptiv. Es wurde die subjektive Sicherheit hinsichtlich der Ausübung klinischer telemedizinischer Fertigkeiten vor Beginn und nach Absolvieren des Kurses mittels Online-Fragebogen erhoben und in einem Prä-Post-Design mittels Vorzeichen-Rang Test (signed-rank test) nach Wilcoxon berechnet.

Ergebnisse: Der Kurs wurde von der überwiegenden Mehrzahl der Studierenden mit den Schulnoten „sehr gut“ (31%) und „gut“ (54,2%) bewertet. Die Ergebnisse des Wilcoxon- Tests zeigen für alle Items signifikante Anstiege des Sicherheitsgefühls der Studierenden bei der Ausübung praktischer telemedizinischer Fertigkeiten.

Diskussion: Die vorliegende Arbeit zeigt, dass in einem digitalen FamV integrierte telemedizinische Module zur subjektiven Sicherheit der Studierenden hinsichtlich des Wissens und Sicherheit bei der Ausübung praktischer telemedizinischer Fertigkeiten positiv beitragen. Insbesondere verdeutlicht diese Arbeit, dass eine professionelle digitale Arzt-Patienten-Kommunikation, digitale Erhebung einer Anamnese und Übergabetechniken durch telemedizinische Kursinhalte erlernt werden können.

Schlussfolgerung: Telemedizinische Module erhöhen die subjektive Sicherheit der Studierenden bei der Ausübung praktischer telemedizinischer Fertigkeiten. Praktische telemedizinische Kursinhalte können somit Unsicherheiten im Umgang mit Telemedizin abbauen und zukünftige Ärzte und Ärztinnen auf ihren Einsatz vorbereiten.

Schlüsselwörter: Telemedizin, Famulaturvorbereitungskurs, Digitalisierung der Lehre, medizinische Ausbildung


1. Einleitung

Telemedizin ist heute ein wichtiger Baustein im Gesundheitssystem [1], [2]. Verschiedene Anwendungen dienen dem interdisziplinären Austausch, der Vernetzung interprofessioneller Gruppen oder dem direkten Kontakt zwischen Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten. Telemedizin ist dabei in mittlerweile nahezu allen Fachdisziplinen vertreten und reicht von der Videosprechstunde über das Tele-Konsil bis hin zur Telemedizin im Rettungsdienst [3], [4]. Der Telenotarzt ist beispielsweise schon seit 2014 fester Bestandteil des Rettungsdienstes und wird in vielen Regionen Deutschlands mittlerweile im Routinebetrieb zum Einsatz gebracht [5], [6], [7].

Dementsprechend bedeutsam ist die Ausbildung von jungen Ärztinnen und Ärzten in diesem Bereich, um auf die entsprechenden Veränderungen durch die Integration telemedizinischer Anwendungen im Arbeitsalltag vorbereitet zu sein. Sowohl die Deutsche Gesellschaft für Telemedizin als auch der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM 2.0 VII.2-13.1.5) fordern, dass telemedizinische Inhalte frühzeitig in die medizinische Ausbildung intergiert werden [8], [https://www.nklm.de]. Dennoch ist das Thema Telemedizin in der ärztlichen Ausbildung in Deutschland bislang nicht ausreichend implementiert und findet sich in den Curricula der medizinischen Hochschulen Deutschlands kaum wieder.

Die vorliegende Arbeit leistet durch die Konzeption, Durchführung und Evaluation eines Kurses mit telemedizinischen Inhalten einen wichtigen Beitrag zum Schließen der Lücke im Bereich der medizinischen Ausbildung. Der Kurs basierte inhaltlich auf einem Famulaturvorbereitungskurs (FamV). An der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen wird der Kurs seit dem Sommersemester 2005 [9] angeboten, um Medizinstudierende des 4. Semesters vor ihrer ersten Famulatur durch praktische Trainings auf entsprechende Aufgaben in der Krankenversorgung vorzubereiten. Um den Aspekt der Telemedizin gezielt zu schulen, wurden Inhalte mit telemedizinischem Anwendungsfeld aus dem bisherigen Kurskonzept ausgewählt und auf ein telemedizinisches Setting sowie die digitale Durchführung angepasst. Dies umfasste bspw. die digitale Arzt-Patienten-Kommunikation als Videosprechstunde, online durchgeführte Anamnesegespräche und digitale Übergaben.

Die vorliegende Arbeit untersucht, inwieweit in einem digitalen FamV integrierte telemedizinische Module zur subjektiven Sicherheit der Studierenden hinsichtlich Wissen und Sicherheit bei der Ausübung praktischer telemedizinischer Fertigkeiten wie einer digitalen Arzt-Patienten-Kommunikation, digitaler Erhebung einer Anamnese und Übergabetechniken beitragen können.

Hypothese

Ein digitaler FamV mit telemedizinischen Modulen erhöht die subjektive Sicherheit der Studierenden bei der Ausübung praktischer telemedizinischer Fertigkeiten.


2. Projektbeschreibung

2.1. Kurskonzept

Vor Kursbeginn wurden den Teilnehmenden (TN) alle erforderlichen Kursmaterialien auf der E-Learning-Plattform Moodle [https://moodle.rwth-aachen.de/] zur Verfügung gestellt. Diese beinhalteten alle Arbeitsmaterialien für das Anamnese- und Übergabetraining inklusive der Fallbeispiele (Papercases A1-5) sowie die Checklisten ISBAR, SAMPLER, MIST und ABCDE (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). Patientenübergaben bergen Risiken, wie beispielsweise Informationsverlust, welche die Patientensicherheit gefährden können. Strukturierte Übergaben, durchgeführt mittels Checklisten, wirken diesem entgegen und erhöhten somit die Patientensicherheit [10], [11].

Der Kurstag begann mit der Vermittlung theoretischer Grundlagen mit einem Vortrag zu den Themen Kommunikation, Fehlermanagement und Patientensicherheit. Anschließend wurden telemedizinische Inhalte zu Anamnese und medizinischer Übergabe vermittelt. Des Weiteren lernten die TN verschiedene standardisierte Checklisten und Übergabetools kennen.

Im Anschluss erfolgte die Aufteilung der Studierenden in acht Kleingruppen (Breakout-Räume) mit max. sechs TN. Hier stellten die TN ihren Papercase (A1-5) gegenseitig in der Gruppe vor (siehe Anhang 2 [Anh. 2]). Jeder der acht Kleingruppen war ein Fachdozierender zugeschaltet, der zuvor eine Einweisung erhalten hatte (siehe Anhang 3 [Anh. 3] und Anhang 4 [Anh. 4]).

Im nächsten Schritt erfolgte die praktische Anwendung des zuvor Erlernten. Hierzu wurde jeder Kleingruppe eine Simulationsperson (SP) zugeschaltet, bei der eine standardisierte Anamneseerhebung zu einem zugewiesenen Krankheitsbild erfolgte mit dem Lernziel der Gestaltung einer professionellen Gesprächssituation mit der Patientin oder dem Patienten. Die SP wurde durch das SP Programm engmaschig geschult und erhielt die Fallinformationen und Instruktionen vorab. Insgesamt gab es zwei Krankheitsbilder (siehe Anhang 5 [Anh. 5]), von denen vier Gruppen Krankheitsbild A und vier Gruppen Krankheitsbild B erarbeiteten. Die Studierenden erarbeiteten in den jeweiligen Kleingruppen unter Supervision den Aufbau eines Arzt-Patienten-Verhältnisses in digitaler Form sowie die strukturierte und patientenzentrierte Anamneseerhebung. Nachdem alle TN ihr Anamnesegespräch mit der SP geführt hatten, fand eine Neukonstellation der Gruppen statt. Aus allen TN wurden insgesamt vier Gruppen gebildet, in denen sowohl Krankheitsbild A als auch B repräsentiert war. Somit konnte im nächsten Schritt eine gegenseitige Übergabe der Krankheitsbilder durch die TN stattfinden. Begleitet wurden die Gruppen in diesem Schritt durch jeweils zwei Fachdozierende.

Zum Abschluss fand ein Blitzlicht-Feedback im Plenum statt. Eine Visualisierung des gesamten Tagesablaufes kann Abbildung 1 [Abb. 1] entnommen werden.

2.2. Evaluation

Die Evaluation fand im Juli 2020 statt. Die TN wurden mittels Online-Fragebogen zu Beginn und nach Absolvieren des fakultativen FamV anonym zu Selbsteinschätzungen hinsichtlich Wissens und Sicherheit bei der Ausübung praktischer telemedizinischer Fertigkeiten befragt. Der Online-Fragebogen beinhaltete selbst entwickelte Items (siehe Anhang 6 [Anh. 6] und Anhang 7 [Anh. 7]).

Der Kurs wurde an insgesamt drei Tagen mit jeweils maximal 40 Teilnehmenden pro Tag durchgeführt. Das Absolvieren des FamV zählte zum wesentlichen Einschlusskriterium. Es wurden keinerlei Ausschlusskriterien definiert.

2.3. Stichprobe

Zum Zeitpunkt t1 (Prä-Messung) nahmen 93 Personen an der Umfrage teil. Aufgrund unbeantworteter Items musste eine Person aus den Analysen ausgeschlossen werden. Damit beläuft sich die Gesamtstichprobe auf N=92 (21.6 Jahre±3.32; weiblich 80.4%, männlich 18.5%; divers 1.1%) und entspricht einer Rücklaufquote von 76,67 % bei insgesamt 120 Kursteilnehmenden. Nach Absolvieren des FamV (t2) nahmen 42 Personen an der Umfrage teil. Aufgrund eines nicht zuteilbaren Probandencodes musste ein Datensatz von den weiterführenden Analysen ausgeschlossen werden, weshalb sich die Stichprobe auf n=41 reduzierte (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Die Datenauswertung erfolgte mittels IBM SPSS Statistics Version 26 (IBM Corp., Armonk, NY, USA). Die Evaluation des digitalen FamV schließt zum einen deskriptive Statistiken hinsichtlich der Gesamtbewertung sowie der Bewertung des Kursteils, in dem SP integriert waren, ein. Diese beinhaltet die Angabe von Mittelwerten und Standardabweichungen. Zum anderen wurden Prä-Post-Daten zur subjektiven Sicherheit hinsichtlich wissensbasierter Fertigkeiten sowie in Bezug auf die Ausübung klinischer Fertigkeiten vor Beginn und nach Absolvieren des digitalen FamV miteinander verglichen und auf signifikante Veränderungen geprüft. Shapiro-Wilk-Tests zeigten signifikante Abweichungen von der Normalverteilung sowohl für die Prä- und für die Post-Daten als auch für deren Differenzen (alle p<,05). Aus diesem Grund wurden die Prä-Post-Vergleiche mittels Vorzeichen-Rang-Tests (signed-rank tests) nach Wilcoxon berechnet.

2.4. Ethik

Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden ausschließlich anonyme Daten mittels Fragebogen erhoben, sodass eine Zuordnung von Daten zu bestimmten Personen ausgeschlossen ist. Die TN wurden vor Beginn umfassend über den Zweck der Untersuchung aufgeklärt. Die Untersuchung wurde von der unabhängigen Ethik-Kommission der RWTH Aachen genehmigt (EK-Nummer 21-138).


3. Ergebnisse

Evaluation
1. Deskriptive Statistiken

Insgesamt gaben 31,0% der TN dem Kurs die Schulnote „sehr gut“ und 52,4 % der TN die Schulnote „gut“.

Deskriptive Statistiken hinsichtlich erlernter Fähigkeiten und Fertigkeiten in Zusammenhang mit der Einbindung von Simulationspersonen können Tabelle 1 [Tab. 1] entnommen werden.

2. Prä-Post-Analyse der subjektiven Sicherheit

Die Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für abhängige Stichproben zeigten für alle geprüften Items hochsignifikante Anstiege des Sicherheitsgefühls nach Durchführung des FamV (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Diese blieben auch nach Anwendung einer Bonferroni-Korrektur für multiple Testvergleiche bestehen (adjustierter Schwellenwert p*=0,01).


4. Diskussion

Die vorliegende Arbeit zeigt, dass in einem digitalen FamV integrierte telemedizinische Module zur subjektiven Sicherheit der Studierenden hinsichtlich Wissen und Sicherheit bei der Ausübung praktischer telemedizinischer Fertigkeiten positiv beitragen. Insbesondere verdeutlicht diese Arbeit, dass eine professionelle digitale Arzt-Patienten-Kommunikation, digitale Erhebung einer Anamnese und Übergabetechniken durch telemedizinische Kursinhalte erlernt werden können.

Die Telemedizin hat (nicht nur) in Deutschland durch die COVID-19-Pandemie schlagartig an Bedeutung gewonnen. Es ist zu erwarten, dass diese Entwicklung sich auch nach der Pandemie weiterhin fortsetzen wird; insbesondere im Hinblick auf Fachkräftemangel und Optimierung des Ressourceneinsatzes liegt hier ein beachtliches Potential vor [12], [13]. Bemerkenswerterweise hatten Patienten und Patientinnen bisher oftmals eine positivere Einstellung zu Telemedizin als die Ärzte und Ärztinnen selbst [14], die oft befürchteten, dass darunter die Qualität der Beratung leiden bzw. die Beratung zu unpersönlich werden könnte [15]. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie legen nahe, dass derartige Befürchtungen unbegründet sind. Die Evaluation des Simulationspatienten-Kursteils zeigt, dass die Studierenden subjektiv eine tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung auch im digitalen Setting aufbauen können (Mittelwert 4,05 von 6). Vorbehalte gegen die Telemedizin scheinen oft auf mangelnder Erfahrung zu basieren. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Ärzte und Ärztinnen, die bereits Erfahrungen mit telemedizinischen Anwendungen hatten, diese in der Gesamtschau deutlich positiver beurteilten [16] und insbesondere ihren Nutzen klarer erkannten als andere [17]. Umso wichtiger erscheint es, bereits bei angehenden Ärzten und Ärztinnen Berührungspunkte mit der Telemedizin herzustellen und eventuellen Vorbehalten durch praktische Erfahrungen entgegenzuwirken.

Für die Entwicklung zukünftiger telemedizinischer Kursinhalte ist zu beachten, dass dieses Feld aufgrund des rasanten technischen Fortschritts in besonderem Maße schnellen Veränderungen unterworfen ist. Spezifische Kursinhalte sollten somit stets auf ihre Aktualität hin überprüft und gegebenenfalls ergänzt oder ersetzt werden. Ebenso sollten Telemedizin-Curricula der unterschiedlichen Anwendungsbereiche (Krankenhaus, Notarzt, Hausarzt) zukünftige Anwender und Anwenderinnen darin schulen, mit den ethischen, rechtlichen und regulatorischen Implikationen der Telemedizin umzugehen [18]. Darüber hinaus gilt es, die konzeptionelle Integration der Technologie an Praxisbeispielen aufzuzeigen und so neue Bereiche für die Telemedizin verfügbar zu machen. Insbesondere an dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass die Lehre nicht der Praxis hinterherlaufen, sondern diese aktiv gestalten sollte.

Mit seiner neuartigen Kombination aus digitaler Vorbereitung (Moodle), theoretischer Grundlagenvermittlung und praktischen Übungen inklusive Simulation hat dieser Kurs Modellcharakter. Der Aufbau folgt den Prinzipien von Bloom und Miller [https://www.bloomstaxonomy.net/], [19], was im digitalen Setting in dieser Form eine Neuerung darstellt.

Eine Herausforderung bei der Durchführung telemedizinischer Kurse können technische Faktoren sein. Kurse, die (wie der hier vorgestellte) die Zuteilung der TN zu Breakout-Räumen, die Zuschaltung von Dozierenden und SP und eine zwischenzeitliche Änderung der Gruppengröße erfordern, bedürfen einer gewissenhaften Vorbereitung und eines guten technischen Supports auch während der Veranstaltung. Hierbei gilt es insbesondere, die für Lehrveranstaltungen einzigartige Verbindung von (digitalem) Unterrichtsmedium und (digitalen) Lerninhalten zu beachten. Technische Schwierigkeiten bei der Kursdurchführung können sich hier besonders negativ auswirken, da sie auch den Lernprozess erschweren und eventuelle Vorbehalte gegen die Telemedizin verstärken können. Folglich empfiehlt es sich hier in besonderer Weise, einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen.

Limitationen

Da die vorliegende Arbeit Daten zu Selbsteinschätzungen von Studierenden analysiert, ist die Aussagekraft der Ergebnisse gewissen Einschränkungen unterworfen. Auf Basis dieser Ergebnisse können keine Aussagen zum tatsächlichen Wissenszuwachs der Studierenden oder der objektiven Performanz in der Ausübung klinisch praktischer Fertigkeiten durch die Studierenden getroffen werden. Darüber hinaus können keine Aussagen zum direkten Vergleich der digitalen Veranstaltung mit der Präsenzveranstaltung getroffen werden.

Eine weitere Einschränkung betrifft den relativ hohen Drop-out an Teilnehmenden von über 50% vom Prä- zum Posttest. Über die Gründe kann nur spekuliert werden; möglicherweise waren die Teilnehmenden nach Abschluss des Kurses nicht mehr ausreichend motiviert für eine weitere Evaluation. Es existiert keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass dieser Drop-out in einem systematischen Zusammenhang mit der Bewertung des Kurses stehen könnte; dennoch kann dieser Aspekt selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden. Dies muss bei der Betrachtung der Ergebnisse daher berücksichtigt werden. Eine weitere Limitation ist die ungleiche Verteilung der TN in Bezug auf das Geschlecht. Der Anteil weiblicher TN lag bei über 80%; eine Verzerrung der Ergebnisse aufgrund der ungleichen Geschlechterverhältnisse kann hierbei nicht ausgeschlossen werden. Allerdings ist zu bedenken, dass die aktuelle Geschlechterverteilung der Medizinstudierenden in Deutschland einen hohen Frauenanteil aufweist (2/3 weiblich zu 1/3 männlich) [20].


5. Schlussfolgerung

Telemedizinische Module, integriert in das bestehende medizinische Curriculum am Beispiel eines digitalen Famulaturvorbereitungskurses, erhöhen die subjektive Sicherheit der Studierenden hinsichtlich des Wissens und Sicherheit bei der Ausübung praktischer telemedizinischer Fertigkeiten. Deren frühzeitige Implementierung baut Unsicherheiten und Vorurteile ab und stärkt Erfahrungen, um zukünftige Ärzte und Ärztinnen auf die Anforderungen der Telemedizin im medizinischen Alltag vorzubereiten. Dies ist insbesondere mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung der Medizin von entscheidender Bedeutung.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Brauns HJ, Loos W. Telemedizin in Deutschland: Stand – Hemmnisse – Perspektiven [Telemedicine in Germany. Status, Barriers, Perspectives]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2015;58(10):1068-1073. DOI: 10.1007/s00103-015-2223-5 Externer Link
2.
Urbanek M. Telemedizin: Tops und Flops in Corona-Zeiten. MMW Fortschr Med. 2021; 163(1):35. DOI: 10.1007/s15006-021-9547-x Externer Link
3.
Brokmann JC, Felzen M, Beckers SK, Czaplik M, Hirsch F, Bergrath S, Rossaint . Telemedizin: Potenziale in der Notfallmedizin. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. 2017;52(02):107-117. DOI: 10.1055/s-0042-108713 Externer Link
4.
Stevanovic A, Beckers SK, Czaplik M, Bergrath S, Coburn M, Brokmann JC, Hilgers RD, Rossaint R; TEMS Collaboration Group. Telemedical support for prehospital Emergency Medical Service (TEMS trial): study protocol for a randomized controlled trial. Trials. 2017;18(1):43. DOI: 10.1186/s13063-017-1781-2  Externer Link
5.
Marx G, Rossaint R, Marx N, editors. Telemedizin. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 2021. DOI: 10.1007/978-3-662-60611-7 Externer Link
6.
Bergrath S, Brokmann JC, Beckers S, Felzen M, Czaplik M, Rossaint R. Implementation of a full-scale prehospital telemedicine system: evaluation of the process and systemic effects in a pre-post intervention study. BMJ Open. 2021;11(3):e41942. DOI: 10.1136/bmjopen-2020-041942 Externer Link
7.
Brokmann JC, Conrad C, Rossaint R, Bergrath S, Beckers SK, Tamm M, Czaplik M, Hirsch F. Treatment of Acute Coronary Syndrome by Telemedically Supported Paramedics Compared With Physician-Based Treatment: A Prospective, Interventional, Multicenter Trial. J Med Internet Res. 2016;18(12):e314. DOI: 10.2196/jmir.6358  Externer Link
8.
Krüger-Brand HE. Telemedizin in der Ausbildung verankern. Dtsch Arztebl. 2011;108(47):2526-2527.
9.
Sopka S, Beckers SK, Classen-Linke I, Piatkowski da Grzymala A. Famulatur Vorbereitsungskurs im Skills Lab - AIXTRA Aachen: Konzept und erste Erfahrungen. In: Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung - GMA. Köln, 10.-12.11.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gma058. Zugänglich unter/available from: https://www.egms.de/static/en/meetings/gma2006/06gma058.shtml Externer Link
10.
Merkel MJ, von Dossow V, Zwißler B. Strukturierte Patientenübergabe in der perioperativen Medizin. Anaesthesist. 2017;66(6):396-403. DOI: 10.1007/s00101-017-0320-6 Externer Link
11.
Vetter L, Camenzind E. Patientenübergabe Anästhesie - Aufwachraum. Eine Ist-Analyse an drei Schweizer Spitälern [Patient handover from anaesthesia to postanaesthesia unit: An analysis of the current situation in three Swiss hospitals]. Pflege. 2022. DOI: 10.1024/1012-5302/a000876 Externer Link
12.
Schreyögg J. Corona-Krise trifft auf Strukturprobleme im Gesundheitswesen [The corona crisis meets the structural health care problems]. Wirtschaftsdienst. 2020;100(4):226-227. DOI: 10.1007/s10273-020-2617-3 Externer Link
13.
Nitsche M, Carl UM, Lauth O, Rubbert C. Gesicherte Gesundheitsversorgung vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen: Neue Wege für effizientere Versorgungsprozesse [Reliable provision of healthcare in light od dwindling resources: New solutions for more efficient processes]. Wehrmed Monatsschr. 2014;5:178-181.
14.
Peeters J, Krijgsman J, Brabers AE, Jong JD De, Friele RD. Use and Uptake of eHealth in General Practice: A Cross-Sectional Survey and Focus Group Study Among Health Care Users and General Practitioners. JMIR Med Inf. 2016;4(2):e11. DOI: 10.2196/medinform.4515  Externer Link
15.
Knight P, Bonney A, Teuss G, Guppy M, Lafferre D, Mullan J, Barnett S. Positive Clinical Outcomes Are Synergistic With Positive Educational Outcomes When Using Telehealth Consulting in General Practice: A Mixed-Methods Study. J Med Internet Res. 2016;18(2):e31. DOI: 10.2196/jmir.4510  Externer Link
16.
Ariens L, Schussler-Raymakers F, Frima C, Flinterman A, Hamminga E, Arents BW, Bruijnzeel-Koomen CA, de Bruin-Weller MS, van Os-Medendorf H. Barriers and Facilitators to eHealth Use in Daily Practice: Perspectives of Patients and Professionals in Dermatology. J Med Internet Res. 2017;19(9):e300. DOI: 10.2196/jmir.7512  Externer Link
17.
Ruiz Morilla MD, Sans M, Casasa A, Giménez N. Implementing technology in healthcare: insights from physicians. BMC Med Inform Decis Mak. 2017;17(1):92. DOI: 10.1186/s12911-017-0489-2 Externer Link
18.
Jumreornvong O, Yang E, Race J, Appel J. Telemedicine and Medical Education in the Age of COVID-19. Acad Med. 2020;95(12):1838-1843. DOI: 10.1097/ACM.0000000000003711 Externer Link
19.
Miller GE. The Assessment of Clinical Skills/Assessment/Competence. Acad Med. 1990;65(9 Suppl):S63-67. DOI: 10.1097/00001888-199009000-00045 Externer Link
20.
Rudnicka J. Studierende der Medizin nach Geschlecht bis 2020/2021. Wiesbaden: Statista; 2022. Zugänglich unter/available from: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/200758/umfrage/entwicklung-der-anzahl-der-medizinstudenten/ Externer Link